Unsa Senf

Borussia Dortmund im SDAX, die Deutsche Bank vor der Tür – ein gutes Zeichen?

05.06.2014, 20:29 Uhr von:  Redaktion

In Fankreisen schlug die Nachricht nicht gerade wie eine Bombe ein, auf den Finanzmärkten sorgte sie hingegen für Aufsehen: Gestern Abend teilte die Deutsche Börse ihren Entschluss mit, die BVB-Aktie mit Wirkung vom 23. Juni erstmals in den SDAX, den Index der 50 wichtigsten deutschen Nebenwerte, aufzunehmen. Wird die BVB-Aktie nun doch zu einer Erfolgsgeschichte? Und was heißt das für den BVB und seine Fans?

Nach DAX und MDAX („Mid Caps“) ist der SDAX („Small Caps“) die dritte deutsche Börsenliga und ein guter Indikator für den Börsenerfolg deutscher Unternehmen. Die BVB-Aktie gehört ab sofort zu den 130 wichtigsten deutschen Aktien und wird gemeinsam mit Hornbach in den SDAX aufsteigen – weichen müssen dafür der Weltmarktführer in der Produktion von Gelddruckmaschinen Koenig & Bauer sowie Air Berlin.

Eine große Überraschung dürfte diese Entscheidung angesichts der harten Zahlen nicht gewesen sein, allenfalls aufhorchen lässt die Tatsache, dass der BVB-Geschäftsbetrieb nun die Bedingungen einer „klassischen Branche“ (Voraussetzung für die Aufnahme in den SDAX) erfüllt. Damit setzt die Deutsche Börse klare Zeichen: Fußballaktien gelten nicht mehr länger als unberührbare Zockerpapiere, sondern als ernsthafte Investments. Das Wettbewerbsumfeld des BVB hat sich in Richtung der klassischen Unterhaltungsindustrie gewandelt, der BVB wird künftig also auch im Wettbewerb mit Anbietern ballfremder Unterhaltung bestehen müssen. Und der BVB ist dank Aki Watzke und Thomas Treß so gut aufgestellt, dass er an den Finanzmärkten nicht mehr länger ignoriert werden kann.

BVB-Aktie Kursentwicklung seit 2009Werfen wir an dieser Stelle einen Blick auf die wichtigsten Kennzahlen und die Kursentwicklung der letzten Jahre. Am 31. Oktober 2000 wagte Borussia Dortmund den Sprung an die Börse. Anleger konnten die Papiere zum Ausgabepreis von 11 Euro zeichnen und der BVB rund 130 Mio. Euro einnehmen, doch bereits am ersten Handelstag zeigte der Weg klar nach unten. Nach vier Kapitalerhöhungen und der Beinahe-Insolvenz war das Vertrauen in die Fußballaktie endgültig geschwunden – zur schlimmsten Zeit galt der BVB als Pennystock mit einem historischen Tiefststand von 84 Cent. Wer am Tag des Börsengangs 909 BVB-Aktien für 10.000 Euro gekauft hatte, musste damals einen Buchverlust von 93% ertragen und konnte sich mit den verbliebenen 763 Euro noch beinahe glücklich schätzen.

Es folgte jedoch einer der spektakulärsten Turnarounds, die man in Deutschland bislang gesehen hatte. Die Sanierung des BVB schritt voran, neben sportlicher Phantasie kehrte dank des beharrlichen Sanierungskurses von Aki Watzke und Thomas Treß auch das Vertrauen in die handelnden Personen zurück. Innerhalb von Wochen schoss die BVB-Aktie nach oben: Wer am 17.9.2010 BVB-Aktien für 10.000 Euro gekauft hatte, konnte diese am 16.11.2010 bereits für über 31.000 Euro wieder verkaufen – in gerade einmal zwei Monaten war der Kurs von 1,10 Euro auf 3,43 Euro nach oben geschnellt. Trotz Gewinnmitnahmen und anfänglicher Skepsis, ob sich das Wunderjahr 2011 noch einmal wiederholen lassen würde, stellte sich eine anhaltende Wertsteigerung ein.

Die BVB-Aktie entwickelte sich zum Geheimtipp, Fondsverwalter mischten ihren Produkten kleinere oder größere Aktienpakete bei – über die Jahre war der BVB zu einem der gesündesten börsennotierten Unternehmen des Landes geworden, dessen Anteilsscheine man obendrein zum Schnäppchenpreis erstehen konnte. 2013 verfügte der BVB etwa über eine Eigenkapitalquote von 46,5 Prozent und konnte in einem einzigen Geschäftsjahr rund 100 Mio. Euro mehr Umsatz verkünden, als das gesamte Unternehmen an der Börse wert gewesen wäre. Dazu lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei nicht einmal 4 – der BVB wäre also in der Lage gewesen, seinen gesamten Börsenwert in weniger als vier ähnlich erfolgreichen Geschäftsjahren als Gewinn einzunehmen. Werte, von denen sämtliche DAX-Konzerne nur träumen konnten und die selbst angesichts der Tatsache, dass der BVB nicht jedes Jahr ins Champions League Finale einziehen würde, ihresgleichen suchten.

Obwohl nicht eine einzige DAX-Aktie in den letzten beiden Jahren stärker an Wert gewonnen hatte als die BVB-Aktie, war es klar, dass Aki Watzke mit der noch immer niedrigen Bewertung dauerhaft nicht einverstanden sein konnte. Immer wieder beschwerte er sich in Interviews über das falsche Bild, das der Börsenwert auf den Club lenke und die Suche nach einem Investor nicht gerade fördere. Das dürfte sich mit der Nachricht über die Aufnahme in den SDAX nun erledigt haben: Alleine heute stieg die BVB-Aktie in der Spitze um 11,5% und der Börsenwert des BVB um satte 25 Mio. Euro.

Wo der herkommt, ist noch viel mehr zu holenNicht ganz unbeteiligt daran dürfte die Meldung gewesen sein, dass die Deutsche Bank angeblich Interesse an einem Einstieg als Investor bekundet habe. Die krisengeschüttelte Bank, die trotz ihres immer wieder bekundeten Kulturwandels vor allem mit schmutzigen Geschäften und unverschämten Spekulationen in Verbindung gebracht wird und nach wie vor unter großem Druck steht, würde ihr Image über ein Engagement beim BVB wohl allzu gerne aufpolieren. So könnte das neue Motto der Deutschen Bank („Passion to Perform“) nicht nur von Jürgen Klopp persönlich stammen, sondern auch der beabsichtigte BVB-ähnliche Wandel vom Sünder zum Musterschüler medial transportiert werden. Und dass sich ein Investment bei einem SDAX-Unternehmen sicherlich einfacher mit dem internen Kulturwandel vereinbaren lassen dürfte, als der Einstieg bei einem nichtgelisteten Börsen-Hallodri, könnte der Bank den Einstieg noch versüßen.

Dementiert wurde bislang jedenfalls nichts, für die Deutsche Bank würde das Engagement Sinn ergeben und Borussia Dortmund dem von Watzke deutlich erklärten Ziel ein großes Stück näher kommen, endlich einen DAX-Konzern als strategischen Investor zu gewinnen. Würde man vollständig in den Bereich der Spekulation abgleiten wollen, müsste man sich sogar die Frage stellen, ob die Deutsche Bank nicht gleich als Sponsor mit an Bord geholt werden könnte – da das Trikot für die neue Saison noch immer nicht vorgestellt wurde, wäre ein passendes Thema für den Sommerpausen-Trashtalk jedenfalls gefunden.

Was aber heißt das für den BVB und seine Fans?

Zunächst einmal kann Borussia Dortmund weiter in Richtung des FC Bayern aufschließen und dürften Renommee, Glaubwürdigkeit wie auch der Stellenwert bei Sponsoren deutlich wachsen. Fonds, die nur in gelistete Aktien investieren dürfen, können ab 23. Juni auch die BVB-Aktie beimischen und ausländische Anleger stärker auf den BVB aufmerksam werden. Trotz aller Kursschwankungen ist es möglich, dass die BVB-Aktie langfristig profitieren und der Unternehmenswert des BVB steigen kann. Im Gegenzug müssten Watzke und Treß ihren Horizont erweitern und sich zukünftig mit einer Vielzahl neuer Wettbewerber beschäftigen: die Unternehmenskennzahlen sollten nicht mehr nur dem Vergleich mit dem FC Bayern oder Gelsenkirchen (bzw. auf dem Börsenparkett ManU, Ajax oder AS Rom) standhalten, sondern auch dem zu Unternehmen der Unterhaltungsindustrie wie den im MDAX gelisteten RTL, ProSiebenSat1, Sky oder der ebenfalls im SDAX beheimateten CTS Eventim. Interessante Vergleichsmerkmale könnten dabei z.B. die Höhe der Dividende, aber auch Eigenkapitalquote, Rendite und Wachstumsziele sein.

Fans werden, wenn sie keine Aktien halten, davon auch weiterhin eher wenig mitbekommen – der BVB steht bereits heute sehr gut da und wird sich nicht großartig verbiegen müssen, um diesen Status zu erhalten. Der Einstieg eines Investors würde da schon deutlich stärker ins Gewicht fallen: Sicherlich würde ein solcher Investor Sichtbarkeit im Stadion fordern und VIP-Logen für sich beanspruchen, wohl auch bei strategischen Richtungsentscheidungen ein gewisses Wort mitreden wollen – wenngleich dies auf so gut wie jeden Sponsor und hinsichtlich der vertrauensvollen Absprache der Unternehmensziele auch auf den bisherigen Investor Bernd Geske zutreffen dürfte. Sollte die Deutsche Bank tatsächlich mit 10 Prozent beim BVB einsteigen, müsste sie sich hinter Geske (11,9 Prozent) auf Platz 2 einfinden und könnte ihn wohl selbst im Fall einer von Geske nicht mitgetragenen Kapitalerhöhung nicht von seiner Position als wichtigster Investor verdrängen.

Gesetzt den Fall, dass der Einstieg eines Investors nicht an Fanprotesten oder sonstigen Problemen scheitern sollte, könnte die Deutsche Bank für die Fans dabei sogar ein vergleichsweise gutes Los sein: Sie hat in den vergangenen Jahren nun wirklich keinen Skandal ausgelassen und befindet sich so verzweifelt auf Wiedergutmachungskurs, dass sie für ihren erfolgreichen Imagewandel zwingend auf ruhige Töne und das Wohlwollen der Fans angewiesen wäre. Ein nassforsches Auftreten könnte mit den zu erwartenden medialen Nebengeräuschen auch das letzte bisschen Glaubwürdigkeit vernichten und die Deutsche Bank vor massive Probleme stellen - ein Faustpfand, das die BVB-Fans in dieser Form bei wohl keinem anderen Investor in der Hand halten dürften.

SSC, 05.06.2014

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