Spielbericht Profis

Journalisten verärgert: „Dann müssen wir ja über das Spiel berichten?!“

26.03.2014, 10:09 Uhr von:  Redaktion

Alles okay auf den Vorplatz NordAm Ende bekamen die Medien keine Gewaltszenen und die Fans keine Tore zu sehen. Wie einst im Frühjahr 2011 beim inzwischen schon fast traumatischen 0:0-Heimderby scheiterte unser Ballspielverein am gegnerischen Torwart sowie dem eigenen Unvermögen. Der einzig positive Aspekt aus sportlicher Perspektive: Man bleibt die Nummer 1 im Pott und Horst Heldt muss sich für die Augenhöhe weiter strecken.

Was wurden im Vorfeld dieses Spiels nicht für Horrorszenarien konstruiert? Nur lebensmüde Menschen wagten sich auf den Weg in Richtung Bierhauptstadt, um dort neunzig Minuten in Todesangst ein Spiel zu verfolgen. Die Lage war so angespannt, dass Baschar al-Assad seine Chemiewaffeninspekteure aus Deutschland abziehen ließ und selbst die „Music Hall“ aus St. Petersburg auf ihre geplante Tournee durch Deutschland und ihr Konzert in der Dortmunder Westfalenhalle verzichtete. Und auch der WDR verzichtete zwischenzeitlich aus purer Angst auf jeglichen Vorspann in seinem Fernsehprogramm.

Diese zugegebenermaßen zynisch klingende Einleitung soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass selbstverständlich auch bei diesem Derby einige brenzlige Situationen überstanden werden mussten. Um zehn vor sechs erreichten einige hundert Schalker Fans inklusive Ultras den Platz vor der Nordtribüne und betraten den durch die Polizei von allen Seiten abgesperrten Einlasskorridor. Zu diesem Zeitpunkt verlief alles recht friedlich, was einerseits an dem zivilisierten Verhalten der Blauen bei der Kontrolle lag und andererseits an einer guten Arbeit der Polizei in diesem Bereich, die die Provokationen zwischen den Fangruppen deeskalierend unterbinden konnte. Auch als BVB-Fanzine mit einer bekanntermaßen der Staatsmacht Das Konzept der Polizei ging voll aufgegenüber kritisch eingestellten Berichterstattung muss so etwas mal benannt werden. Weiterhin positiv, dass um viertel nach sechs viele BVB-Ultras friedlich am Nord-West-Eingang ins Stadion gingen und jegliche Provokationen unterließen. Glücklicherweise haben bei diesem „Krawalltourismus“ auch einige gute Journalisten (es gibt solche seltenen Exemplare) und etablierte Medien wahrgenommen, dass einige wenige Becher- und Flaschenwürfe von Borussen nicht aus der Ultra-Szene kamen, sondern von irgendwelchen besoffenen Helden, die sich mit Kapuze und Sonnenbrille verkleideten und wahrscheinlich noch nicht mal eine Karte für das Spiel hatten. Aber ob so etwas auch öffentlich verkündet wird? Oder stimmt das, was ein Medienvertreter sagte, als er beim Einlass miteinander friedlich wartende Fans beider Lager sah? „So etwas Friedliches ist keine Nachricht für uns.“ Besonders kurios an der ganzen Szenerie war, dass die „gesunde Vermischung“ (O-Ton eines Polizeivertreters) auf dem Nordvorplatz teils dazu führte, dass mit BVB-Schals verzierte Mütter mit Kleinkindern und Rentner-Ehepaare durch den Schalker Mob spazierten. Im Stadion zerstörten die inzwischen dort anwesenden Schalker derweil eine Werbebande vor ihrem Block. Gegen den modernen Fußball halt...

Sicherheitskonzept mit Stärken und Schwächen

Nicht ganz so farbenfroh wie bei den letzten SpielenBezüglich der Anreise und Fantrennung vor dem Spiel kann also konstatiert werden, dass im direkten Stadionumfeld das polizeiliche Konzept weitgehend aufgegangen ist. Allerdings erreichten uns einige Berichte vom Dortmunder Hauptbahnhof, wo sich viele BVB-Fans über die dortige teils sinnlose Wegführung beschwerten. Das führte im Folgenden zu der von schwatzgelb.de bereits vor Wochen dargestellten Situation, dass sich beim „normalen“ Fan ein gewisses Frustrationspotenzial entwickeln sollte. Hier bleibt abzuwarten, ob nicht zumindest für diesen Bereich zukünftig andere Lösungen entwickelt werden können, um die absurdesten Umwege für Heim- wie Gästefans vermeiden zu können. Im Stadion wurden die Gäste mit einem weithin sichtbaren „Tod und Hass dem S04“-Banner hinter dem Tor an der Südtribüne begrüßt, was kurz vor dem Anpfiff des erfahrenen Spielleiters Florian Meyer entfernt wurde.

Dann war da noch was. Aber was? Ach ja, Fußball sollte auch noch gespielt werden, was bei der Vorberichterstattung sehr häufig unter den Tisch gefallen ist. Beim BVB starteten im Vergleich zum Hannover-Spiel Kehl und Reus für Kirch sowie Hofmann. Der ungeliebte Nachbar aus Gelsenkirchen startete mit einer sehr jungen Elf, da unter anderem Meyer, Goretzka und Ayhan aufgeboten wurden. Ansonsten gab es noch die Rückkehr Boatengs in Westfalenstadion nach seiner kurzen Episode 2009 zu verzeichnen. Felipe Santana war nicht im Kader. Er analysierte zu Hause das 3:2 gegen Malaga, wo bekanntermaßen die von der DFL abgelehnte Torlinientechnologie darüber Aufschluss geben kann, dass Julian Schieber damals zuletzt am Leder war. Marcel Reif fragte noch, wo denn die Polizei sei und ab ging die wilde Fahrt im Tempel.

Huntelaar lernt Schleife

Der Hunter gegen PapaDie ersten berechtigten Unmutsäußerungen während der Partie gegenüber dem Blaukraut gab es nach drei Minuten, als Huntelaar wie einst Luca Toni so lange für seine Schnürsenkel brauchte, wie sonst nur der kleine Jeremy-Pascal in der KiTa „Zur Sonnenblume.“ Und eben dieser Huntelaar hatte auch kurze Zeit später die erste Gelegenheit, doch ging sein Schuss aus guter Position zum Glück über das Tor. Im Gegenzug vergab Lewandowski eine aussichtsreiche Kopfballgelegenheit, nachdem der Ball vorher herrlich über Durm und Reus zirkulierte. Hier war direkt Feuer drin, was sich noch potenzierte, als Kevin in der siebten Minute gleich zwei gefährliche Situationen vor seinen Intimfreunden im Norden heraufbeschwor. Jede Situation und jeder Pfiff Meyers wurde in dieser Spielphase vom Publikum aufgenommen. Sicherlich die positiven Seiten dieses ewigen Klassikers fernab jeder Sicherheitsdiskussionen. Und wenn dann das ganze Stadion hüpft und selbst der Rentner mit Krückstock sich auf und ab bewegt, sieht das schon ordentlich aus. Die Stimmung insgesamt war punktuell richtig gut, laut und alle Fans einbeziehend, aber über lange Phasen hinweg auch nur vom Ultra-Stimmungsblock geprägt.

19 Minuten waren absolviert, als der nach seiner Vertragsverlängerung sichtlich motivierte Sebastian Kehl seinem neuen Hobby nachgehen wollte: Tore. Leider ging sein Kopfball nur knapp links an Fährmanns Tor vorbei. Aber hätte er den auch noch gemacht, würde der BVB im Sommer ja keinen Lewandowski-Nachfolger mehr verpflichten müssen. Die erste (!) Ecke des Spiels schließlich nach einer guten halben Stunde, als Fährmann einen Schuss Mkhitaryans zur Ecke parieren konnte. Leute mit Sehfehler jubelten schon, ging der Ball doch ans Außennetz. Und wieder nur um Sackhaaresbreite vorbei ging ein Schuss Reus' (39.), der über Umwege zu ihm fand. Der BVB war in der zweiten Hälfte der ersten Halbzeit die klar Lewandowski hatte gegen Matip einen schweren Standspielbestimmende Mannschaft, während die Absolventen der Gesamtschule Ückendorf auf den einen Lucky Punch durch einen Konter oder eine Standardsituation warteten. Kurz vor dem Halbzeitpfiff spielte Lewandowski Reus wunderbar frei, doch leider ist ein Fährmann kein Hildebrand und parierte erneut stark. Im Gegenzug unterband Sokratis noch einen Draxler-Konter nach Stellungsfehler Piszczeks, ehe der solide Meyer zum Halbzeitgespräch bat.

Bitteres Phänomen bewahrheitet sich erneut

Mit drei Angriffen über die Flügel, die jedoch entweder bei Fährmann endeten oder aber zu unpräzise gespielt wurden, leitete unser Ballspielverein schließlich die zweiten 45 Minuten ein. Prompt waren auch alle Tribünen wieder mit dabei. Auf der Gegenseite vergab noch Neustädter völlig freistehend, ehe die letzte halbe Stunde der intensiven und spannungsgeladenen Partie eingeläutet wurde. Es gibt übrigens ein ganz schlimmes Phänomen: Das „S04-Torhüter sind vor der Südtribüne am besten“-Syndrom. Man erinnere sich nur an Manuelas Leistung vor drei Jahren. Auch an diesem Dienstagabend musste man zu diesem Eindruck gelangen. Denn als Mkhitaryan nach 68 Minunten Lewandowski wunderbar freispielte, stibitzte Fährmann unserem polnischen Top-Torjäger den Ball clever vom Fuß. Und auch seine Parade zwei Minuten später gegen Reus' Kopfball (!) war dummerweise so wie ein Songtitel Deichkinds.

Dann war der gebürtige Chemnitzer mal machtlos, doch Mkhitaryan schoss wieder wenige Zentimeter vorbei. Auswärts (auch in GE!) würden diese Teile alle reingehen, nur zu Hause gegen die Blauen ist es wie verhext. Und dann hat man auch noch immer diese alte „Das rächt sich“-Weisheit im Kopf. Zum Glück war Weidenfeller bei Boatengs Fernschuss auf dem Posten (77.). Die letzten 15 Minuten operierte der BVB zunehmend mit langen Bällen, die für die blaue Hintermannschaft jedoch keine Gefahr mehr darstellen sollten. So blieb es beim torlosen Unentschieden. Für den BVB sportlich ärgerlich, für die Planer des Sicherheitskonzepts wohl das perfekte Ergebnis an diesem kalt-trockenen Dienstagabend.

Freude kam nach dem Punkt nicht aufWas bleibt also von diesem 144. Derby? Sportlich glänzte der BVB mit einer guten Leistung und bekannter Inkonsequenz vor dem gegnerischen Gehäuse, welches von einem überragenden Torwart gehütet wurde. Mit solch einer Leistung sollten jedoch am Samstagnachmittag in Stuttgart drei Zähler drin sein. Und abseits des Spiels? Bei Stand Mittwochmorgen blieb es, abgesehen von diesen sinnlosen und gefährlich mit Rasierklingen präparierten Aufklebern, auf und abseits des Rasenrechtecks, entgegen den Wünschen der alarmistischen Vorberichterstattung, friedlich. Noch nicht offiziell bestätigten Informationen zufolge hat es lediglich zwei Festnahmen rund ums Spiel gegeben. Wieder einmal zeigte sich, dass die Revierderbys eine extrem antizyklische Angelegenheit sind. Je größer das Brimborium im Vorfeld, desto friedlicher die Resultate. Je „normaler“ das Spiel von den Medien angesehen wird, desto größer ist die Gefahr, dass etwas passiert. Diesmal blieb es glücklicherweise auf allen Seiten friedlich.

Und im WDR-Lokalstudio Dortmund wischte sich Gerald Baars eine Träne aus dem Augenwinkel.

Die Fotostrecke zum Derby findet Ihr wie gewohnt auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.

Stimmen zum Spiel

Mats Hummels: Es ist eine Mischung aus Enttäuschung und Zufriedenheit. Denn es war unser bestes Heimspiel seit Monaten. Das hat auch nichts mit der Rivalität zu tun, aber Schalke hatte definitiv großes Glück, hier einen Punkt mitgenommen zu haben.

Kehl gegen den PrinceSebastian Kehl: Der S04 hat Glück gehabt, hier einen Punkt mitgenommen zu haben. Wir hatten klar die besseren Chancen und deshalb sind wir natürlich auch enttäuscht, hier nicht gewonnen zu haben.

Julian Draxler: Um Platz 2 ist weiterhin alles offen. Zwar führt der BVB noch mit einem Punkt, aber es sind noch ein paar Spiele bis zum Saisonende. Das Spiel heute war nicht entscheidend beim Kampf um Platz 2.

Ralf Fährmann: Es freut mich natürlich, meine Mannschaft im Spiel gehalten zu haben. Wir haben einen Punkt geholt, auch wenn wir natürlich gerne gewonnen hätten. Der BVB hat aber viel Druck gemacht und von daher geht das Ergebnis schon in Ordnung. Es war vielleicht auch Glück dabei, aber so ist Fußball manchmal. Manchmal muss man eben auch die dreckigen Punkte holen.

Jens Keller: Ich möchte erst dem FC Bayern gratulieren. Die Meisterschaft ist auch zu diesem Zeitpunkt natürlich hochverdient. Ich bin froh, dass es keine Ausschreitungen gab wie im Hinspiel. Ich hoffe, dass beide Fanlager auch nach dem Spiel jetzt korrekt bleiben. Heute war eine tolle Stimmung im Stadion und das sollte solch ein Derby auch auszeichnen. Die erste Halbzeit haben wir noch ausgeglichen gestaltet, wobei auch da Ralf Fährmann uns schon im Spiel gehalten hat. In der zweiten Hälfte hatte der BVB viele Torchancen und hat wahnsinnig viel Druck gemacht. Es war aber auch klar, dass wir mit unserer geschwächten und jungen Mannschaft Probleme mit der Kraft kriegen würden.

Klopp war mit dem Spiel zufriedenJürgen Klopp: Ich beginne auch mit den Glückwünschen an den FC Bayern. Es ist schon beeindruckend, mit welcher Konstanz und Gier sie trotz allen Talents das bewältigt haben. Auch dieser früher Zeitpunkt ist absolut verdient. Es war heute ein gutes Spiel von uns. Es kommt nicht so oft vor, dass ich das in letzter Zeit hier gesagt habe. Oft haben wir gewonnen und lagen bei allen Werten hinten. Heute Abend lagen wir überall vorne, nur halt nicht bei den Toren. Entweder es lag an Fährmann, einem anderen Bein oder daran, dass wir daneben geköpft haben oder den freien Mitspieler übersehen haben. Ich denke, wir waren heute herausragend gut bei diesem Gesamtpaket Derby. Und wenn es nun noch friedlich bleibt, können wir uns an die Wand pinnen: So sollen Derbys sein. Nur eben mit BVB-Toren!

Zeugniskonferenz

Roman Weidenfeller: War bei den wenigen Prüfungen immer hellwach und aufmerksam. Note 3.

Sebastian Kehl: Defensiv stark und auch mit Akzenten nach vorne. Erlebt seinen 09-ten Frühling. Note 2,5.

Robert Lewandowski: Spielerisch erneut herausragend, vor dem Tor jedoch wie alle anderen Mitspieler unglücklich. Note 3.

Ebenfalls im Abschluss zu unkonzentriert. Nahm sich einige Auszeiten während der Partie. Note 3.Henrikh Mkhitaryan: Ebenfalls im Abschluss zu unkonzentriert. Nahm sich einige Auszeiten während der Partie. Note 3.

Marco Reus: Wenn es gefährlich wurde, war er irgendwie dran beteiligt. Lief sich jedoch ab und zu fest. Note 2,5.

Mats Hummels: Nicht ganz so souverän wie sein Innenverteidigerkollege und im Aufbauspiel mit Fehlern. Trotzdem in Ordnung. Note 3.

Nuri Sahin: Offenbarte einmal mehr in der Defensive Schnelligkeitsdefizite. Auch im vorderen Bereich diesmal ohne Wirkung. Note 4.

Kevin Großkreutz: Besonders anfangs sichtbar im Derby-Fieber. Auch offensiv mit einigen guten Pässen. Runde Leistung. Note 2,5.

Sokratis: Wieder einmal der Turm in der Schlacht. Wenn er den Ball haben will, kriegt er ihn eben auch. Note 2.

Lukasz Piszczek: Defensiv mit Stellungsfehlern und offensiv mit schlechten Flanken. Weiterhin noch nicht in der Top-Form des Vorjahres. Note 4.

Im Moment gerade offensiv mit mehr Wirkung als der verletzte Schmelzer. Auch diesmal mit erfreulicher Leistung. Note 3.Erik Durm: Im Moment gerade offensiv mit mehr Wirkung als der verletzte Schmelzer. Auch diesmal mit erfreulicher Leistung. Note 3.

Die eingewechselten Spieler waren für eine Bewertung zu kurz auf dem Geläuf.

Daten zum Spiel

BVB (4-2-3-1): Weidenfeller – Piszczek, Sokratis, Hummels, Durm – Sahin, Kehl – Großkreutz (87. Schieber), Mkhitaryan (80. Aubameyang), Reus – Lewandowski

Gelsenkirchen (4-1-4-1): Fährmann – Hoogland, Ayhan, Matip, Kolasinac – Neustädter – Goretzka (85. Obasi), Boateng, Meyer (76. Annan), Draxler (90.+ 2 Max) – Huntelaar

Tore: im Sicherheitskonzept nicht vorgesehen

Zuschauer: 77.600 (ausverkauft)

Schiedsrichter: Florian Meyer (RSV Braunschweig); Assistenten: Willenborg, Anklam; Vierter Offizieller: Scheppe

Chancen: 7:3 (4:1)

Gelbe Karten: Reus (24., überhartes Verhalten im Luftzweikampf) Hummels (58., Trikottest) – Draxler (29., Foulspiel), Boateng (73., taktisches Foul)

Es hat nicht sollen sein...Torschüsse: 18:8

Ecken: 4:2

Flanken: 16:5

Ballkontakte: 55%:45%

+Zweikämpfe: 54%:46%

Fouls: 16:23

Abseits: 2:2

Die meisten Torschüsse: Reus (4) – Goretzka (4)

Die meisten Torschussvorlagen: Reus (7) – Draxler (4)

Die meisten Ballkontakte: Kehl (78) – Draxler (63)

Die Zweikampfstärksten: Sokratis (71%) - Matip (53%)

Malte D., 26.3.2014

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