Im Gespräch mit...

...dem Westfalenstadion - das 40 Jahre Interview

02.04.2014, 18:42 Uhr von:  Vanni Arne
...dem Westfalenstadion - das 40 Jahre Interview
40 Jahre Westfalenstadion

Es musste wirklich erst 40 Jahre alt werden, bis es an die Öffentlichkeit tritt. In einem Exklusiv-Interview spricht das Westfalenstadion offen und ehrlich über Gewichtzunahmen, Solarien, Klassenkameraden und seine schönsten Erinnerungen.

schwatzgelb.de: Liebes Westfalenstadion, bevor wir das Interview beginnen, möchten wir die Gelegenheit nutzen, um Dir im Namen aller Fans des Ballspielvereins Borussia aus Dortmund allerherzlichste Glückwünsche zum 40. Geburtstag zu übermitteln. Vielleicht kannst Du selbst gar nicht genau einschätzen, wie wichtig Du den Leuten geworden bist und was für eine Rolle Du im Herzen vieler Menschen einnimmst. Aber lass‘ Dir sagen, dass jeder einzelne Dortmunder Junge und jedes einzelne Dortmunder Mädchen froh ist, dass er Dich hat. Daher: Alles Gute zum Geburtstag!

Westfalenstadion: Das habt ihr nett gesagt. Vielen Dank!

Das ursprüngliche Westfalenstadion

schwatzgelb.de: Mein lieber Mann, 40 Jahre und Du siehst immer noch so gut aus wie am ersten Tag. Viele würden vermutlich sogar sagen, dass Du noch besser aussiehst. Viele Menschen träumen davon. Wie stellst Du das an?

Westfalenstadion: Ach, das ist eigentlich leicht. Es wird sich so gut um mich gekümmert. Wenn ich ein kleines Wehwehchen habe, gibt es sofort viele nette Menschen, die sich um mich sorgen und darauf achten, dass es mir schnell wieder besser geht. Und 40 Jahre ist zwar schon eine Menge, aber für ein Stadion wie mich ja nun auch nicht unbedingt die Welt. Ich bin hier in guten Händen, das ist schon alles.

schwatzgelb.de: Mit Verlaub muss man aber auch anerkennen, dass Du über die Jahre doch deutlich zugelegt hast…

Westfalenstadion: Na, so was sagt man nun aber nicht (lacht). Aber ja, es ergibt ja keinen Sinn, das zu leugnen. Ich war mal ein wenig zierlicher und habe an Fassungsvermögen zugenommen. Das passiert aber nicht nur mir, sondern auch anderen Stadien. Und es kommt Euch ja nun auch zu Gute, weil es schon einen Unterschied macht, ob nun 54.000 Fans zu mir kommen können oder eben wie heute nun 80.000 Mann. Und dabei bin ich ja noch nicht mal so weit, dass ich alle von Euch beherbergen kann, die zu mir wollen. Das tut mir auch leid, aber wenn ich mir vorstelle, dass ich noch dicker werde, muss ich ja auch langsam mit der Tribüne schütteln. Ich bin froh, dass ich nicht so ein dürres Klappergestell bin wie so manch anderer Kollege, aber noch mehr auf der Hüfte möchte ich nun auch nicht haben.

schwatzgelb.de: Du gehörst ja noch zu den wenigen aktuellen Stadien der „alten Generation“. Viele Vereine haben sich ja was Jüngeres zugelegt inzwischen? Wie wichtig ist Dir diese Treue?

Westfalenstadion: Hah! Also, ich will ja nicht lästern, aber wir sind hier doch unter uns?

schwatzgelb.de: Selbstverständlich.

Westfalenstadion: Eben. Also, jetzt mal unter uns Gebetsschwestern: Dass sich die Jungs hier nebenan oder auch die Seppels da unten was Jüngeres zulegen würden, dass war ja zu erwarten. Haste Dir die Baracken mal angesehen, in denen die jahrelang gespielt haben? Ein Fußballstadion mit Laufbahn… auf so eine bekloppte Idee musst Du ja erst mal kommen. Oder diese Rolltreppe in Gelsenkirchen. Kein Dach auffer Tribüne, aber 'ne Rolltreppe für die Spieler! 'Ne Rolltreppe! Wir sind doch Fußballstadien und keine Kaufhäuser. Naja, also das konnte ja ein Blinder erkennen, dass das nicht lange gut geht mit denen…

schwatzgelb.de: …deshalb gibt es da ja jetzt auch neue Arenen.

Westfalenstadion: Ja, eben: Arenen (guckt verächtlich). Also weißt Du, das ist ja irgendwo verständlich und menschlich, dass man sich irgendwann mal nach was Neuem umguckt. Aber…

schwatzgelb.de: Aber?

Westfalenstadion: Ja, guck Dir die aufgetakelten Schlamp… ähm, also ich meine natürlich: diese neueren Multifunktionsarenen doch mal an. Die stehen da irgendwo einsam in der Knüste rum, sehen aus wie eine Butterdose oder ein Möbelhaus und dann machste da das Dach zu, wenn es nicht grad irgendwo gerissen ist. Oder fährst den Rasen raus, wenn Du Dir das grad mal überhaupt leisten kannst. Oder Du baust irgendwelche Leuchtkissen an die Fassade. Haste sowas überhaupt schon mal gehört? Wie würdelos ist es denn bitte, wenn Du als Stadion aussiehst, als hätte man Dich in eine Daunenjacke gesteckt und Dir eine Lichterkette umgehängt?

Das aktuelle Westfalenstadion

schwatzgelb.de: Du hast ja gerade schon Deine Klassenkameraden angesprochen. Gibt es denn auch welche von den Neueren, die Dir gefallen?

Westfalenstadion: Ach, da gibt es schon manches Schmuckstück und viele von ihnen mögen auch ein bisschen moderner sein als ich und besser mit der neuen Technik klar kommen. Ich bin da ja noch eine andere Generation und komme damit noch nicht ganz so gut klar. So soll es ja auch tatsächlich in anderen Städten möglich sein, bei einem Bundesligaspiel noch zu telefonieren oder das Internet zu benutzen. Das geht mit meinen schweren Betonknochen in Dortmund aktuell aber recht schlecht, glaube ich. Aber ich weiß auch nicht ganz, ob ich da Recht habe, wie gesagt, ich bin diesen ganzen neumodischen Quatsch nun auch nicht gewöhnt. Aber wisst Ihr, worüber ich richtig froh bin?

schwatzgelb.de: Erzähl…

Westfalenstadion: Dass ich keine Turnhalle bin. Ich bin froh, dass ich jeden Tag den Himmel sehen kann. Wenn die Sterne glitzern – also jetzt die am Horizont, nicht die auf dem Trikot – kann ich sie immer sehen. Dann bin ich nicht darauf angewiesen, ob nun mein Dach auf ist oder nicht. Und hör mir bloß auf mit diesen ganzen Multifunktionen. Nicht, dass jemand noch auf die Idee kommen würde, in mir Biathlon zu spielen oder irgendwie einen Weltrekord mit einem Comedian zu erreichen.

schwatzgelb.de: Ach, hör auf, das macht doch keiner…

Westfalenstadion: Doch doch, wirklich! Manche meiner Klassenkollegen, die ich ja auch nicht alle gut finde, haben so ein Pech. Nicht, dass es mir leid täte, das haben sie dann schon verdient. Aber ich bin froh, dass ich mich größtenteils wirklich auf den Fußball konzentrieren kann. Der ist ja mittlerweile auch wieder besser (lacht).

schwatzgelb.de: Oh ja, Du hast wirklich eine Menge gesehen. Viel Licht, aber auch viel Schatten. Viele Fans sagen ja immer, dass sie Borussia ihr Leben lang begleitet haben. Du kannst das auf jeden Fall von Dir behaupten. Du bist mit dem Verein durch dick und dünn - höhö, tut mir leid, wir wollten uns ja nicht mehr zu Deiner Figur äußern – gegangen, selbst durch verschiedene Spielklassen.

Westfalenstadion: Ja, aber eines hat mich immer neu beeindruckt. Der Zusammenhalt. Die Leute, die zu mir kommen, sie alle teilen eine große Leidenschaft, nicht nur mit mir, sondern eben mit allen anderen Besuchern, die hier hin kommen. Sie alle verbindet die Liebe zum Verein und das haben sie auch durch gute und schlechte Zeiten getan. Das fand ich immer bemerkenswert. Ich hätte ja ohnehin nirgendwo anders hingehen können… aber ich hätte es auch nie in Erwägung gezogen.

schwatzgelb.de: Ein Thema müssen wir leider auch noch ansprechen, liebes Westfalenstadion. Seit Dezember 2005 gibt es viele Leute, die Dich anders nennen als du eigentlich heißt. Du hast einen neuen Namen bekommen und scheinst den auch nicht wirklich abstreifen zu können. Was sagst Du dazu?

Westfalenstadion: Ach, das ist wirklich ein leidiges Thema. Mich hat natürlich nie jemand gefragt, ob ich mich nun anders nennen will oder nicht. Das wurde einfach über meinen Kopf hinweg beschlossen und schwupps hatte ich einen anderen Namen. Das kann doch nicht sein. Ich gehe ja auch nicht zu Euch und entscheide, dass ihr von heute schwatzgeld.de heißt oder so. Das fändet ihr auch doof. Daher freue ich mich auch, dass es noch so viele Leute gibt, die mich bei meinem richtigen Namen nennen. Schließlich bin ich das Westfalenstadion. So bin ich auf die Welt gekommen und so werde ich auch immer heißen…

schwatzgelb.de: Mach Dir da mal keine Sorgen, das wirst du auch bleiben… Für uns Fans bist Du immer noch das Westfalenstadion.

Westfalenstadion: Ja, das weiß ich. Das zeigt ihr mir ja auch immer wieder. Ich freue mich auch wirklich jedes Mal, wenn die Südtribüne meinen Namen ruft. Da denke ich dann immer wieder „Herrlich, hier bin ich wirklich noch der, der ich immer war. Hier bekomme ich keinen doofen Spitznamen verpasst. Hier bin ich zu Hause.“

Bild vom Stadion Rote Erde auf das Westfalenstadion

schwatzgelb.de: Du hast ja auch noch eine kleine Schwester, die Rote Erde. Mit der lebst Du immer noch zusammen, aber irgendwie hast Du ihr ja doch deutlich den Rang abgelaufen. Du hast eingangs gesagt, dass es viele Leute gibt, die sich gut um Dich kümmern. Das ist bei deiner Schwester leider nicht so…

Westfalenstadion: Ja, das ist leider wahr. Es ist echt traurig, dass sie so vernachlässigt wird und ich habe auch oft ein schlechtes Gewissen, weil es ja irgendwie meine Schuld ist. Würde es mich nicht geben, würde man sich sicherlich noch gut um sie kümmern. Sie sagt auch oft, dass ihr ihr Rasen wieder weh tut und sie auch gerne mal so behandelt werden würde wie ich. Aber da ist ja auch das Problem, dass sich um mich der Verein kümmert und das Sorgerecht für meine Schwester bei der Stadt Dortmund liegt. Die kümmert sich leider nicht so gut um sie wie der Verein um mich. Ich hoffe, da ändert sich irgendwann noch einmal was dran, aber ich bin skeptisch…

schwatzgelb.de: Wenn wir noch ein etwas delikateres Thema ansprechen könnten…

Westfalenstadion: Jetzt kommt mir aber nicht mit dem Solarium!

schwatzgelb.de: Doch, genau das. Ist das nicht ein bisschen eitel?

Westfalenstadion: War ja nicht meine Idee. Aber die Jungs sagten: Ach, versuch es doch mal. Dann wird Dein Rasen gleich viel schicker. Du weißt ja, wie wir Stadien mit unseren Problemzonen sind. Und der Rasen WAR eine Problemzone. Dass dann plötzlich täglich diese Dinger bei mir rumstehen und rumleuchten, konnte ich natürlich nicht ahnen. Aber es verleiht mir, ganz unbescheiden, abends einen unvergleichlichen Teint.

schwatzgelb.de: Mittlerweile bist Du ja auch zu einem richtigen Filmstar geworden. Es gibt so viele Dokumentationen über dich, viele Leute kommen sogar nur nach Dortmund, um Dich mal für ein Spiel besuchen zu können. Ehrt Dich das?

Westfalenstadion: Ja, irgendwie schon. Aber man muss ja auch mal ehrlich einsehen, dass die auch nicht nur ausschließlich wegen mir kommen. Der eigentliche Held ist ja die Mannschaft, gerade in den letzten Jahren sind ja immer wieder mehr Menschen zu mir gekommen, weil sie diesen tollen Fußball sehen wollten. Egal, ob da jetzt ein Shinji Kagawa oder ein Marco Reus gegen den Ball tritt, sie alle haben die Leute immer wieder begeistert. Klar gibt es auch viele Leute, die Fotos von mir machen. Das finde ich schön, aber ich bin auch bodenständig genug, um zu wissen, dass es hauptsächlich um die Mannschaft geht und nicht um mich.

schwatzgelb.de: Nun mach Dich mal nicht kleiner als Du bist… Es gab auch schon oft genug Fälle, in denen geschrieben wurde, dass das Westfalenstadion entscheidende Tore geschossen hat.

Das Herz des Westfalenstadion - Die Süd

Westfalenstadion: Aber auch dann schieße ich die ja nicht persönlich, sondern eher die Fans, die für eine tolle Stimmung sorgen. Manchmal erschrecke ich mich ja ganz schön, wenn da noch einmal richtig laut losgesungen wird. Gut, dass ich so fest auf dem Boden stehe, sonst wäre ich da manchmal vermutlich schon vor Schreck umgefallen.

schwatzgelb.de: Wie ist es denn überhaupt, wenn mal andere Verein in Dir spielen? Das ist ja in Deinen 40 Lebensjahren auch recht häufig vorgekommen. Mal war es die Fußball-Nationalmannschaft, sogar mal rivalisierende Vereine aus der Nachbarschaft ohne Beteiligung der Borussia und auch internationale Spiele gab es ja sogar schon in Dir…

Westfalenstadion:
Ach, das fühlt sich immer irgendwie falsch an. Wisst ihr, in all den Jahren, in denen die Borussia und ich nun zusammen sind, habe ich ja auch eine Beziehung zu den ganzen Leuten hier aufgebaut. Zu Nobby Dickel, der manchmal so laut schreit, dass ich denke, mein Putz bröckelt so langsam ab… Zu manchen Spielern wie Roman Weidenfeller, Sebastian Kehl oder Dede, die ja schon fast zur Inneneinrichtung gehören, um mal nur Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zu nennen. Und natürlich zu den ganzen Mitarbeitern der Borussia, den vielen Ordnern, die schon seit Jahren dieselben Eingänge bewachen. Die kenne ich, die sind mir sympathisch, die finde ich gut.

Genau wie die vielen Fans. Zwar gab es in den letzten Jahren immer mal wieder neue Gesichter, die ich nicht einschätzen konnte. Manchmal hatte ich das Gefühl, die kommen jetzt auch nur, weil es der Borussia wieder besser geht. Um auch mal mit mir ein Foto zu machen, ohne sich wirklich für die Mannschaft und das Spiel zu interessieren. Da lausche ich dann auch mal den Gesprächen auf der Tribüne und höre jemanden fragen, wo denn nun diese Abseitslinie sei, die man im Fernsehen doch immer sehen würde oder wer dieser Ole ist, von dem alle singen. Und irgendwas gibt es neuerdings auch immer mit „Selfies“, aber das habe ich noch nicht ganz verstanden. Auch das ist dann wohl die neue Technik… Was ich damit sagen will, ist: Ich kenne die Leute, die mich besuchen, wenn Borussia spielt. Und wenn dann andere spielen, dann dulde ich das zwar irgendwie, aber es mir relativ egal. Weil die Bindung zu den Leuten fehlt. Ich kenne sie nicht, kann mich nicht mit ihnen identifizieren.

Feiern im Westfalenstadion
Das Beste ist und bleibt, wenn die Leute anständig in Schwarzgelb hier hinkommen, mich zum Zittern bringen, weil 25.000 Leute auf der Südtribüne wieder auf und ab hüpfen.

schwatzgelb.de: Wenn Erfolge gefeiert werden, dürfte es doch auch einmalig für Dich sein. Davon hast Du ja auch einige gesehen. Woran erinnerst Du Dich noch?


Westfalenstadion: Häufig an Leute, die einfach noch weiter auf mich zustürmen und meinen Rasen betreten (lacht). Das ist dann schon ein Unterschied, ob nur 22 Leute auf dir herumtrampeln oder ob es ein paar Tausend sind. Vor allem, wenn die dann auch noch anfangen, mir meinen Rasen rauszureißen. Aber der wächst ja auch nach, genau wie bei den Haaren bei Euch Menschen. Das kann ich schon alles ertragen. Außerdem freue ich mich ja auch total, wenn die Borussia erfolgreich ist und wichtige Pokale in mir hochgehalten werden. Das sind schon tolle Erinnerungen, von denen ich meinen Enkeln noch erzählen werde…

schwatzgelb.de: Wir bedanken uns für das Gespräch

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel