Unsa Senf

Polnischer Wein in neuen Schläuchen

16.06.2013, 19:33 Uhr von:  Redaktion

Zeiten ändern sich. Vor drei Jahren noch eine eingeschworene Gemeinschaft, die langfristig einen Weg gehen wollte. Ein schönes, ein heimeliges Bild, bei dem man sich als BVB-Fan einfach nur wohl fühlen konnte. Auch wenn dieses Bild damals schon mit dem Wechsel von Nuri Sahin erste Risse bekam. Eine Ausnahme – hoffentlich. Mit dabei der polnische Stürmer Robert Lewandowski. Ein eher stiller und zurückhaltender Typ, der sportlich noch deutliche Anpassungsschwierigkeiten mit dem Niveau der Bundesliga hatte. Dennoch, ein Teil des Schwurs, ein Teil des Bildes. In der damaligen Gefühlswelt war es unvorstellbar, dass ein Spieler den Geschäftsführer des BVB öffentlich der Lüge bezichtigt und einen Vereinswechsel mit aller Macht durchboxen will. Verständnis im Wortsinne muss man als Fan für dieses Verhalten nicht aufbringen. Wer diese Handlungsweise allerdings nicht nachvollziehen kann, muss schon Scheuklappen auf haben.

Der Wechsel von Robert Lewandowski zu uns unterscheidet sich nicht in vielen Punkten vom dem jetzigen Wechseltheater. Allerdings war das mediale Tamtam darüber deutlich geringer als jetzt. Das liegt natürlich zum einen daran, dass damals "nur" ein Stürmer aus der polnischen Liga zu einem ambitionierten Verein aus dem oberen Drittel der Bundesliga wechseln wollte, während es jetzt darum geht, dass ein Topstürmer der Liga, der auch in der Champions-League für Furore gesorgt hat, vom Tabellenzweiten zum Tabellenführer wechseln will. Zum anderen aber mit Sicherheit auch daran, weil man als Fan seinen Verein per se als "die Guten" betrachtet. Wenn ein Spieler also zu uns, zum guten Verein wechseln will - was kann daran schon falsch sein? Der Spieler will zum BVB und wer könnte es ihm verübeln? Wollen wir ja alle auch. Das führt dann dazu, dass mal solche Transfergebaren immer etwas weniger kritisch sieht, wenn es dabei um Neuzugänge geht.

Dennoch waren bei beiden Transfers Lewandowski und die Eurosportmanagement GmbH die treibende Kraft, die eine ziemlich kompromisslose Wechselstrategie mit der Brechstange verfolgen. Auch von Polen aus wollte Lewandowski "nur zum BVB", den man sich im Team wohl als ideale nächste Trittstufe auf der Karriereleiter auserkoren hat. Mit dieser Aussage hat man auch den Verhandlungsspielraum von Lech Posen massiv eingeschränkt und wenig Rücksicht auf die Gegenseite genommen.

Darüber hinaus ist zu vermuten, dass diese Absichtserklärung pro BVB nicht nur mit den Verantwortlichen der Borussia abgesprochen war, sondern auch im Rahmen der Transfermodalitäten vergütet wurde. Das Verhalten Lewandowskis und seiner Berater hat es nämlich nicht nur für Posen schwerer, sondern gleichzeitig für uns auch leichter gemacht. Auch in Posen wird man, analog zu uns jetzt, die Transfersumme von 4,5 Mio. Euro nicht unbedingt für marktgerecht gehalten haben. Hätte sich der BVB unter den damaligen finanziellen Gesichtspunkten überhaupt in einem offenen Bieterwettstreit behaupten können? Vermutlich hätte man bei ernsthaften Interesse eines Klubs aus der Premiere-League die Segel streichen müssen.

Und auch in Posen wollte man im Hause Lewandowski den nächsten Karriereschritt lieber heute als morgen machen. Hätte man sich bei Lech nicht für einen harten Kurs entschieden, wäre Lewandowski schon ein Jahr vorher bei uns gelandet. Auch dort hat man ein erstes Nein zu einem sofortigen Transfer nicht widerspruchslos akzeptiert, sondern massiv insistiert und gestänkert. Dass Lewandowski das für ihn negative Ergebnis professionell aufgenommen und eine mehr als gute Saison gespielt hat, kann man ihm positiv anrechnen. Was aber nichts daran ändert, dass sein vorheriges Verhalten auch nicht gerade von inniger Vereinsliebe und Rücksicht auf seinen Arbeitgeber und die Fans zeugt. Er ist Profi. Das Paradebeispiel für die fußballerische Ich-AG.

Im Grunde fährt man jetzt genau die gleiche Schiene, wenn auch vielleicht mit härteren Bandagen. Was vielleicht verständlich ist, weil es um verdammt viel Geld geht. Und weil man dort Lewandowski vielleicht nach den vier Buden gegen Real unter den Augen zumindest der europäischen Öffentlichkeit ganz oben angekommen sieht. Er ist begehrt, seine Stärken werden wertgeschätzt. Eine bessere Verhandlungsposition kann man sich als Berater kaum vorstellen.

Man kann sogar nachvollziehen, warum man sich auf die Bayern und nicht beispielsweise auf Madrid oder Barcelona eingeschossen hat. Die Bayern waren in den letzten 4 Jahren drei Mal im Finale der Königsklasse. In diesem Jahr hat man die Liga dominiert und alle Titel abgeräumt. Die Voraussetzungen sind gegeben, um eine zeitlich begrenzte "bayrische Ära" in Europa zu prägen. Zudem ist Mandzukic, bei aller sportlichen Wertschätzung, ein anderes Kaliber als Ronaldo, Messi oder Rooney. In München kann er die „Marke Lewandowski" werden, von der seine Berater schon vor der EM gesprochen haben. Bei allen anderen Interessenten, außer vielleicht bei Chelsea, haben sich schon starke Spielermarken etabliert. Für Lewandowski bliebe da maximal die Nummer 2.

Deshalb sollte man jetzt keine Krokodilstränen weinen und sich über das unfaire und vermeindlich überraschende Verhalten von Lewandowski echauffieren. Wer genauer hingeguckt hat, der erkennt die Verhaltensmuster. Und erst Recht am Rheinlanddamm wird man das ganze intern bei der Kommunikationsstrategie vermutlich als erwartbare Reaktion eingepreist haben. Vor vier Jahren hat man so zumindest hinter den Linien um Lewandowski gekämpft, jetzt eher gegen ihn. Dass Kucharsky und Barthel keine Kinder von Traurigkeit sind, ist zumindest keine Überraschung. Watzke selbst hat das ja auch schon bestätigt, indem er von den härtesten Verhandlungen, die er je erlebt habe, gesprochen hat. Es ging dabei wohlgemerkt um den Vertrag mit Lewandowski und nicht um die Transfervereinbarung mit Posen.

Deshalb ist auch zu vermuten, dass das Ballyhoo eher ein medialer Showdown ist, bei dem beide Seiten ungefähr wissen, wie der nächste Schritt ab- und worauf das Ganze hinausläuft. Vermutlich wird man in der Zukunft keine Geschäfte mehr miteinander machen, weil dafür öffentlich zuviel Porzellan zerschlagen worden ist, aber eigentlich wird man sich ebenfalls auf beiden Seiten eingestehen, dass es ein von vornherein zeitlich begrenztes Intermezzo war, von dem beide Seiten enorm profitiert haben. Jetzt geht es nur noch darum, wer vom nächsten Kapitel in Lewandowskis Lebensplan wie gut profitiert.

Sascha, 16.06.2013

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