Serie

Dembowski: Das Gegenteil von bedeutungslos

05.02.2013, 19:21 Uhr von:  Redaktion

Reisers Anruf verfolgte mich. Er verfolgte mich während ich in der Tram sitzend die Kopfsteinpflasterstraßen des nördlichen Pankows entlangfuhr und er verfolgte mich während ich mich am Kiosk an der Bornholmer Straße für die letzten Meter zurück in den Wedding eindeckte. Er war das Gegenteil von „bedeutungslos“, er war „bedeutsam“ – nur hatte ich das Reiser natürlich nicht sagen können. An der Schievelbeiner hielt mich nichts mehr in der Bahn.

Wie konnte das passieren, dachte ich auf der Bösen Brücke stehend, wie konnte das passieren, wie konnte Sky Italia uns so ausstechen. Redermann bügelte mich am Telefon ab. Es sei jetzt nicht an der Zeit über DerSamstag! zu reden, er sprach von Schlichtungsgesprächen mit dem schwatzgelb.de-Schmierfinken Web. Ich verstand.

Versackte dann, wie es leider in den letzten Wochen zur tristen Gewohnheit worden war, wieder im Oldie Eck. Trank einen auf jedes Gerücht, trank einen auf jeden Verein, trank einen auf jede Bundesliga-Meisterschaft. Was immerhin dazu führte, dass ich bei der fünften Meisterschaft angekommen, von einem Herthaner angesprochen wurde. Du bist kein Blauer, sagte er zu mir, Du bist vielleicht blau, aber Du bist kein Blauer, sagte er zu mir und spendierte mir die Runde zur sechsten Meisterschaft. Doppelt! Weil: Double!

Es wurde spät. Wir saßen da, er erzählte mir von Kevin-Prince und seinen Ausflügen ins Oldie-Eck, ich erzählte ihm von DerSamstag! und meinem Problem mit dem Lewanndowski-Transfer. Es geht ja nicht darum, dass er wechselt, weinte ich in mein Bier, es geht darum, dass er wechselt und wir nicht berichtet haben. Nicht rechtzeitig. Und überhaupt. Too little, too late, sagte ich und er nicht verständnisvoll. Noch einen heben und dann wird das schon, forderte er mich auf und schritt zur Jukebox.

Trude Herr, immer wieder Trude Herr. Das war 95, schrie ich rüber. Flemming auf dem Friedensplatz. Saustark! Baby-Sturm! Tanko und Ricken. Hatten vorher alles weggeholzt. Chappi und Riedle mit Kreuzbandriss raus. Umso besser. Sensationelle Geschichte. Der Herthaner stand an der Jukebox, schaute mich an und sang „ich will weiter geh’n, keine Träne sehn, so ein Abschied ist lang noch kein Tod“ – bei Tod sprang er in meine Richtung, griff in die Hüfte und zielte scharf. Spaßpistole! Noch einmal Glück gehabt.

Er wurde aufdringlich, erzählte von den geheimen Zeichen. Erinnerst Dich an „3-Finger-Lewa“? , fragte er mich. Das war ein Zeichen. 3x spiel ich noch gegen die. Mehr wollte der nicht sagen. Eins war im Dezember, zwei kommt im Februar, drei im April. Und tschüss, der Autoschieber geht weg.

Der Typ nervte. Es war spät. Ich betrunken.

Am nächsten Morgen hatte ich mir das nicht eingebildet, ich dachte an Reisers Anruf, an Sky Italia und den ganzen Mist. Wenn der Typ im Oldie Eck das schon wusste. Ich schmiss den Rechner an. Auf zu Twitter. Und was lese ich da? Der alte Sack Breitnigge kaperte diesmal nicht meinen Blog, sondern machte es sich inmitten des größten Transfergerüchts dieser Tage bequem. Gerüchte breaken mit Breitnigge war noch einmal eine andere Nummer. Leider.

Es war 7.32 Uhr, Zeit für den nächsten Kaffee. Jetzt mit Schuss. Ein lausiger Typ aus dem Internet hatte das Rennen um den Lewandowski-Scoop gemacht. Ein lausiger Typ aus dem Internet, der mir aber in der letzten Zeit schon sehr linientreu geworden war. Ich wollte ihn gerade fragen, ich wollte ihn abwerben, als die Hölle in Form übereinstimmender Medienberichte über mich hereinbrach.

Über uns alle hereinbrach. Redermann rief an und fragte, warum ich ihn denn nicht informiert habe, fragte, was wir denn jetzt für ein Saftladen geworden sein. Reiser schickte Rundmails mit dem Betreff „Deutsche Medien gegen Sky Italia“ durch die Gegend, der Verein dementierte, wie man halt so dementiert, Münchener Stadtmagazine vermeldeten Exklusiv-Nachrichten. Für ein paar Stunden war das Internet der beste Ort der Welt. Ich fragte mich, was Breitnigge wohl so machte.

Die nächsten Stunden verbrachte ich damit, Breitnigges Spuren in den letzten Tagen zu tracken. Es ließen sich einige Unregelmäßigkeiten finden. Das Bild fügte sich zusammen. Die Niederlage war offensichtlich. Die Gegenoffensive würde verhallen, nach Absprache mit Redermann war klar, wir würden nichts unternehmen. Wenig später zog der Spiegel nach. Jetzt mit aufgewärmten Exklusivzitaten, Befindlichkeiten, garniert mit einigen neuen Allgemeinplätzen. Die große Dortmund-Verschwörung nahm ihren Lauf. Wie der SPON-Mann ja auch gelaufen war, damals beim Derby und auf der Seite der UGE. Da half auch das Four Four Two-Cover nichts. Das war nicht genug, sondern vielmehr war es zu viel, viel zu viel. Diese bereits vor Wochen gestreute Information hatte den Süden endgültig gegen Borussia aufgebracht.

Sie spielten jetzt ein anderes Spiel, sie nutzten die neuen Medien, um „one better“ zu sein, wie es mir von geheimen Quellen im Laufe des Vormittags entgegenschallte. Noch einmal versuchte ich, Breitnigge an Bord zu holen, lobte ihn und machte ein Angebot, das er nicht ausschlagen sollte. Wenn er es aber doch tat, war klar, wer hinter der Sache steckte. Szene München, Sky Italia, Breitnigge – der Transfer war nicht nur ein Schlag ins Gesicht aller Borussen, sondern auch ein Schlag ins Gesicht der deutschen Medienlandschaft.

Gegen Nachmittag rief ich mal beim Verein an. Was denn jetzt dran sei an diesem Breitnigge wollte ich wissen, ob die Lewandowski-Geschichte denn jetzt? Sie hätten da was für uns, DerSamstag! sei immer noch ein wertvoller Medienpartner. Kevin verlängert, sagten sie mir und ob wir das nicht breaken wollten.

Ich ging durch die Decke. Wir wollen Robert, brüllte ich ins Telefon. Kevin sitzt nur auf der Bank, das brauche doch wirklich niemand. Ihr wollt Robert, ihr bekommt jetzt erstmal Kevin. Ich verstand die Welt nicht mehr. Was war passiert seitdem ich Reiser mit den Worten „bedeutungslos“ abgespeist hatte. Wir waren ausgetrickst worden, Bayern München nicht nur der kommende beste Meister aller Zeiten (und ein Lewandowski spielte immer beim Deutschen Meister), sondern auch im irrwitzigsten Internetscoop aller Zeiten ausgetrickst worden. Bayern ging neue Wege und wir waren vielleicht auf dem Cover der Four Four Two, hatten mit Großkreutz verlängert, Lewandowski noch lange nicht weg, aber er würde weg sein, aber wir waren und wir blieben ein regionales Phänomen.

Nach dem 05.02.2013 würde die Welt sich immer noch drehen, doch es würde eine andere Welt sein. Das bestätigte mir auch Breitnigge, der mir kurz vor seinem Auftritt auf Sport1 schrieb: „Komm klar, Dembowski. Ich habe Gründe!

Dembowski, 05.02.2013

Dembowski ermittelt einigermaßen regelmäßig auch hier

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