Eua Senf

Über Malaga von ausserhalb des Stadions

27.04.2013, 20:00 Uhr von:  Redaktion

In der vergangenen Woche haben Euch einige Redakteure erzählt, wie sie das Malaga Spiel im Stadion, vorm TV oder wo auch immer erlebt haben. Hier haben wir nun zwei Texte, die aus unserer Leserschaft stammen und auch über das sagenhafte Malaga Spiel erzählen.

Bernd erzählt uns, wie er das Spiel in der Diaspora einer Freiburger Kneipe erlebte, während Fabian uns von seiner Drogenkarriere erzählt und wie er an jenem Tag auf seine Droge verzichten musste

Aber lest selbst:

1. Der Dortmund-Malaga-Krimi - erlebt in der Diaspora Freiburg

2. Eine Drogenkarriere

kha, 27.04.2013

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Der Dortmund-Malaga-Krimi – erlebt in der Diaspora Freiburg


Der Begriff Diaspora … bezeichnet seit dem späten 19. Jahrhundert hauptsächlich religiöse oder ethnische Gruppen, die ihre traditionelle Heimat verlassen haben und unter Andersdenkenden lebend über weite Teile der Welt verstreut sind. Quelle: Wikipedia

Einleitung

Wenn im Südwesten irgendwo etwas Schwarzgelbes flattert, ist das fast immer die baden-württembergische Landesfahne. Aber BVB-Fans gibt es auch hier, in der Region Freiburg. Mit einem von ihnen, meinem Kollegen Ifti, hatte ich mich im irischen Pub am Augustinerplatz verabredet, um das Rückspiel Dortmund-Malaga zu gucken. Da hatte ich schon ein paar Mal geschaut – und immer hatte Dortmund gewonnen. Grund genug wieder hin zu gehen.

Vorspiel

Wir waren leider spät dran und kamen erst 20 Minuten vor dem Anpfiff in der Kneipe an. Wie zu erwarten rammelvoll. Wir fanden noch ein Plätzchen an der Theke in der hintersten Ecke. Komisch fand ich, sowenig Trikots und Schals zu sehen. Die Vorberichterstattung lief schon auf den diversen Großleinwänden. Ich wunderte mich nur, dass die Experten im Fernsehen irgendetwas von Vollmond und Ostern erzählten. Allgemeinbildung statt Fußball? Die Auflösung: der Fernsehton war aus, stattdessen war der Quiz-Master des wöchentlichen Pub-Quiz zu hören. Egal, Spiel lief ja noch nicht. Links von mir Ifti, rechts von ein Fußballfan, der sich gleich als Bayern-Fan outete. Aber ansonsten sympathischer Zeitgenosse. Also Fußball-Fachsimpeln angesagt. Da kam auch schon die erste Ermahnung vom Nebentisch, ich solle doch nicht so laut, sein, man könne den Quiz-Master ja gar nicht mehr versstehen. Es blieb nicht die letzte Ermahnung an dem Abend. Ja , ich habe halt eine laute, durchdringende Stimme. Aber das ist beim Fußball ja gar nicht schlecht.

Spiel

Endlich ging es los. Der Quiz-Master machte Pause, der Fernsehton wurde angedreht. Im Laufe des Spiels konnte ich erkennen, wer Quiz-Teilnehmer und wer Fußballfan, oder sogar Dortmund-Sympathisant war. Ich erblickte sogar zwei weitere Dortmund-Trikots. Als ein Pärchen, das weder an Fußball noch Quiz interessiert war, ging, konnten wir unsere Position an der Theke leicht verbessern. Der freie Platz neben uns wurde von einem Freiburg-Fan eingenommen.
Das 1:1 zur Pause fand ich gar nicht mal unverdient für Malaga. Aber ich machte mir keine Sorgen . Das Quiz ging natürlich in der Pause weiter.
In der zweiten Halbzeit schaffte es die Dortmunder trotz toller Chancen einfach nicht, den Ball ins Tor zu kriegen. Dann das 1:2 in der 82. Egal, wir haben ja noch Zeit. Die Minuten vergingen. Naja, dachte ich, wir haben ja eine echt tolle Champions-League-Saison gespielt, auch wenn wir jetzt ausscheiden. Stopp, durchzuckte es mich, so darfst du nicht denken! Denk lieber an Deportivo La Coruna damals. Da meine Nebenleute alle so frustriert guckten, und das Spiel schon aufgegeben hatten, erzählte ich ihnen alle von La Coruna. Dass wir vor knapp 20 Jahren in der gleichen Situation waren und damals in vier Minuten zwei Hütten gemacht hatten. Nur nicht aufgeben. Nur bei dem Quiz-Tisch schräg vor mir schenkte ich mir das Mutmachen.
90. Minuten, jetzt wird es knapp. 2:2 Reus, 91. Minute. Jaaaaa! Wenigstens scheiden wir ohne Niederlage aus. Stopp, böser Gedanke, geh weg. Noch rennen und kämpfen die Dortmunder. Noch feuern die Zuschauer sie an. Eine Chance kriegen wir noch, die müssen wir einfach reinmachen. 92., der Ball kommt von Links in den Strafraum. Mist, warum will der einfach nichts ins Tor? Er ist drin! Das Tor zählt! Ich springe in der Kneipe herum, und schreie so laut ich kann. Ich konnte einfach nichts anders. Es musste alles raus. In dem Augenblick hätte ich nicht neben mir stehen wollen. Aufpassen, Malaga kommt noch einmal vors Tor. Schmelle haut den Ball ins Seitenaus, Schlusspfiff, Jubel. Das Quiz geht weiter.

Nachspiel

Meine Performance beim Torjubel muss den Freiburg-Fan so beeindruckt haben, dass er mich mit aller Macht überreden wollte, mir eine Dauerkarte für den SC zu besorgen. Es dauerte ein paar Minuten, bis er eingesehen hatte, dass jeder Abwerbeversuch sinnlos ist. Ich gönnte mir noch ein Siegesbier. Aus einer Laune heraus, frage ich die Kellnerin, ob sie denn wisse, wer gewonnen habe. „Nein, ich habe da nicht so genau aufgepasst.“ „Dann pass jetzt auf: Borussia Dortmund hat gewonnen. Wenn du heute abend schlafen gehst, denk dran: Dortmund gewonnen. Wenn du morgen früh aufwachst, denk dran: Dortmund hat gewonnen.“ Die Kellnerin guckte mich an, als sei ich reif für Emmendingen (für die Dortmunder: so etwas wie Aplerbeck). Das Bier habe ich aber bekommen. Mit Verrückten spaßt man nicht.

Nachhauseweg

Als wir auf die Straße gingen, suchten meine Augen automatisch nach jubelnden BVB-Fans. Fehlanzeige, kein einziger, noch nicht einmal irgendetwas Schwarzgelbes zu sehen. Nur Kneipengänger, die aus dem Regen schnell wieder ins Trockene wollten. Nachdem ich mich von Ifti verabschiedet hatte, habe ich noch zwei Fußballfans getroffen, mit denen ich auf dem Nachhauseweg über das Spiel fachsimpeln konnte. Waren Bayern-Fans, aber egal. An dem Abend hätte ich die ganz Welt umarmen können.

Bernd, 27.04.2013

Gastautoren müssen nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen

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Eine Drogenkarriere

Hallo, mein Name ist Fabian und ich bin neu hier, bei den anonymen Dortmund-Süchtigen. Ich bin abhängig. Abhängig vom BVB. Heute möchte ich Euch gerne meine Geschichte erzählen:

Es war einmal ein 16-jähriger Junge, der sich im Sommer 2006 für eine Dauerkarte auf der Südtribüne im Westfalenstadion bewarb. Er schrieb eine Mail ans BVB-Ticketing und kam auf die Warteliste. Lang kann sie wohl nicht gewesen sein, denn schon wenige Wochen später kam das Angebot für eine Dauerkarte in Block 12. Freudestrahlend wurde das Geld überwiesen, jeden Morgen der Briefkasten geöffnet und dann, eines Tages, war sie endlich da, die so heiß erwartete Dauerkarte!

Er ahnte noch nicht, was für ein Wechselbad der Gefühle er in dieser Saison erleben sollte: Einen Dusel-Sieg gegen schwächelnde Bayern, die ersten Auswärtsfahrten nach Berlin und Wolfsburg und, natürlich, die Mutter aller Derbysiege! Aber auch ein, den Torerojubel vor der Süd zelebrierender Cottbuser Munteanu, ein gespenstisches Gegner-Abfeiern gegen Leverkusen und viele weitere Gurkenkicks prägten das Bild. Und doch, irgendwas hatte den Jungen gepackt, er wurde infiziert von der Droge BVB.

Zeitsprung: Dienstag, 16. April 2013.

Der Junge von damals ist mittlerweile 23. Er hat noch immer eine Dauerkarte. Und er hat auch noch immer keine Option für internationale Spiele. Viel ist passiert seitdem, der Junge hat Abi gemacht, das erste Mal Sex gehabt, eine Ausbildung abgeschlossen, sich ins Krankenhaus gesoffen, und angefangen zu studieren.
Auch mit seiner Droge ist einiges geschehen. Anfangs hatte sie ihn nicht ständig in einen Rausch versetzt. Und doch konnte sie auch aus ihren damals begrenzten Möglichkeiten anständige Trips zaubern. Aus einer Nicht-Abstiegsfeier in Wolfsburg, aus einem verlorenen Pokalfinale in Berlin, aus dem ersten zaghaften Gesang über Europapokalfahrten nach Olmütz und Liberec.
Genauso wird er nie vergessen, wie er weinend am letzten Spieltag in Mönchengladbach saß, weil der BVB ihn diesmal auf einen Horror-Trip geschickt hatte, der im Scheitern Sekunden vor der sicher geglaubten Teilnahme am Uefa-Cup gipfelte.
Was er damals noch nicht ahnte war, wie reich ihn der BVB und sein damals erst ein Jahr in Dortmund arbeitender Dealer Jürgen Klopp für diesen Unfall entschädigen sollten. Zusammen mit einigen jungen Wilden schuf er ein neues Wundermittel. Schnell sprach es sich rum, dass es da in Westfalen eine neue Mischung geben soll, die man so noch nie auf dem Markt beobachtet hatte. Sie knallte jedem, der sie nur einmal genommen hatte direkt in die Birne und versorgte den Körper mit unendlichen Glücksgefühlen. Auf einmal, waren es wieder mehr und mehr Leute, die dieses Zeug auch probieren wollten. Von überall her bekam der BVB Bestätigung und Erfolg, wegen diesem Teufelszeug, was er da Woche für Woche in den Stadien der Republik an die Süchtigen verabreichte.
Dieser Höhenflug steigerte sich bis zu diesem Dienstag so ins Unermessliche, dass Menschenmassen tagelang anstanden, Tausende und Abertausende probierten per Telefon zu ordern, sich ein Straßenmarkt entwickelte, der den miesen, kleinen Dealern Renditen von mehreren hundert Prozent bescherte.

Die Dortmunder Wunderpille hatte sich zum heißesten Scheiß in Fußball Deutschland entwickelt.

Der Junge allerdings, plant seine Trips immer noch ohne Fanclub und stattdessen mit seinen Freunden. So fiel es ihm aber immer schwerer, noch an die nötigen Rauschmittel zu gelangen, um sich seiner Sucht hinzugeben. Diese Saison ist ihm das bisher 28 mal geglückt. Doch nun hat ihn Fortuna endgültig verlassen. Die vielen neuen Süchtigen haben ihm den Rang abgelaufen und ihm seinen Lieblingsstoff weg gekauft.

Deshalb denkt er momentan traurig an die Zeiten zurück, in denen auch geringere Dosierungen ihm zu einem absolut irren Rausch verhelfen konnten. Auch fragt er sich, wo die ganzen Junkies waren, als ein Besuch in der Fixerstube Westfalenstadion noch meistens mit Enttäuschungen endete. Und er überlegt, ob er nicht einen Entzug braucht. Damit er endlich auch wieder ein spätes Siegtor in Stuttgart so feiern kann, wie es ihm gebührt. Und er sehnt sich danach, endlich seine Droge wieder mit den Leuten genießen zu können, die auch schon süchtig waren, als die Rezeptur noch von den Drogenköchen Röber und Doll bestimmt wurde. Er hofft darauf, dass dann die ganzen Leute, die ihm jetzt seine Droge vor der Nase wegschnappen weiter ziehen und sich vielleicht bei der Konkurrenz aus München mit deren Fußball wieder die Nase pudern.

Aber am Meisten hofft er trotzdem darauf, dass er diesmal eben vor dem Fernseher einen furiosen Heimsieg gegen Real Madrid genießen kann. Auch wenn dieser Schuss in die Vene nie so rein und schön sein wird, wie er es sich wünschen würde.

Fabian, 27.04.2013

Gastautoren müssen nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.

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