Eua Senf

Fan am Ende des Anfangs

24.04.2013, 12:02 Uhr von:  Gastautor
Fan am Ende des Anfangs

Hallo, ein ungewöhnlicher Einstieg. Einfach Hallo. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn man jedoch einmal bemerkt hat, dass das menschliche Dasein eben auch einen Moment mit sich bringt, in dem man nicht mehr Hallo sagen kann, hat dieses schmale, millionenfach im Leben wohl genutzte Wort eine völlig neue, andere und gewichtige Bedeutung.

Der Einstieg bleibt auch für ein Fanzine erst mal ungewöhnlich. Zweiter Weihnachtstag, ein Automobil mit blauem Licht muss mich in ein Krankenhaus fahren, es ging nicht mehr anders: Schmerzen wie noch nie im Leben, hohes Fieber. Alles wie aus heiterem Himmel. Gestern ging es mir noch gut!? Erstmals in meinem Leben befinde ich mich überhaupt als Patient in solch einem. Notaufnahme, Aufnahme ins Krankenhaus, erste Medikamente, aber noch Hoffnung, dass schon alles nicht ganz so wild ist und wieder wird. Weihnachten ist vorbei. Abends liege ich auf dem OP-Tisch und bin betäubt. Erste OP, weitere drei folgen, dann erst mal Silvester durchschlafen. Wird schon werden! Zustand weiter schlecht wie nie. Gefühl wie wach und abgestellt. Zweiter Januar, ein neues Jahr. Weitere OP nötig, schlechter Zustand im Anschluss und dann ENDE. Alles warm und grau, wie eingewickelt in ein Tuch. Leben aus. Kein Hallo mehr. Die Hände eines anderen Menschen versuchen, noch einmal den Startknopf zu drücken. Ein fast vulgärer Vorgang, wie es mir heute erscheint. ANFANG. Mit einem "Drink des Himmels" nochmal aufgewacht. Erlebnisse ohne Ort erlebt. Dann direkt wieder in den OP. Weiter Schmerzen, viel neues Blut, viel Medizin, viel Hilfe. Viel anders. Dann Wochen, Monate des Bangens, der Qual, des Hoffens, des Durchhaltens, sich sorgen um die Nächsten, um sich selbst, mit zerschnittenem Ehrgeiz im weißen Bett liegend, geradezu vor Schmerzmitteln chloroformiert, größte Bewegung ein Drehen nach rechts. Mehr geht nicht. Alles anders. Wirklich alles.


Was hat das mit dem BVB zu tun und warum muss sich ein Leser von sg.de jetzt durch sowas durchlesen? Ist das jetzt hier eine Selbsthilfeseite geworden? Nein. Es ist der Bericht eines 36 Jahre alten Fans, der erstmals ausgerechnet 1986 gegen Fortuna Köln ins Stadion geschleppt wurde. Kann sein, dass es auch schon mal vorher der Fall war, aber an dieses Spiel erinnert sich dieser Fan dann halt noch. Damals war auch alles noch völlig anders. Wirklich fast alles. Nur das Spiel selbst ist, bis auf einige Änderungen, dasselbe geblieben. Ab diesem Moment ist mein Kopf unaufhörlich am Berichte schreiben über diesen Sport und diesen Klub! Borussia Dortmund.

Erlebt hat dieser Fan viel. Nicht so viel wie manch andere „Extremisten“ unter den Fans, aber dann doch genug. Ab 1988 im Grunde alles an großen Finals vor Ort, nur Tokio war zu weit. Ansonsten viele, viele Spiele in Dortmund und sonstwo. Leidenschaft, Lebensinhalt, ja eigentlich eine Religion ist es dann strenggenommen. Nächtelang diskutiert hat dieser Fan über den BVB, bei viel Bier oder bei sehr wenig, in großen Runden, in kleinen, im Internet und in Bars, egal. Jeden verdammten Tag seit ich wirklich denken kann, denke ich mindestens 5 Minuten am Tag auch mal an den BVB...

Dann kam das „Normale“: Frauen, Kinder, Häuser, Jobs... Das nahm ein wenig von der Leidenschaft in Anspruch, was auch gut so war und ist, aber der BVB blieb dennoch. Selbst das Verlassen der räumlichen Nähe zum Stadion ließ mich nicht abrücken. Schon gar nicht schlechte Zeiten, Pleiten, Insolvenzen, Betrügereien, Großmannssucht von Fans und mit Fans. Man blieb einfach. Obwohl vieles anders wurde. Fast alles. Der Fußball und auch der BVB hat heute eine so ausgedehnte Seele, dass er und seine von ihm profitierenden Protagonisten im Grunde permanent bei allem Zujubel (im Erfolgsfall) nur geteert und gefedert werden dürften! Wie oft dachte man vor lauter Leidenschaft, dass der Fußball sich bald selbst verdauen würde!? Fan im Exil sind und waren da wohl schon viele. Man hat sich seine Insel gebastelt, auf der man damit klar kommt, dass das alles schon arg komisch geworden ist.

Und dennoch ist es halt da! Und was ist bei mir nun? Als ich im Januar dann erwachte aus einem künstlichen Schlaf in Folge der obigen Nacht des zweiten Januars, als ich trotz vielerlei Drogen wieder ein wenig denken konnte, und sprechen konnte, merkte ich eine Häutung, die begann. Einer jener Menschen, die sich beruflich viele Stunden intensiv um mich kümmerten, entpuppte sich als Fan des BVB. Dies erfuhr ich eher beiläufig und, anders als früher, es blieb beiläufig! Borussia Dortmund? Diese Leidenschaft, dieses so ultrasympathische Erfolgsmonster der letzten Jahre, welches mir so viele wunderbare, nicht mehr herbeigeahnte Momente serviert hatte, wo war das? Die Winterpause ging zu Ende, die intensive Behandlung nicht. Ein Spiel des BVB verpasst? Egal. Wie ging es aus? Egal. Nuri Sahin zurück? Egal (und das bei mir, der ihn immer aufs Letzte verteidigt hatte). Ich schob das alles auf meinen Zustand, auf meine Sorgen, meine Ängste, meine Probleme, Schmerzen, Medikamente, auf alles... Es musste klar sein, dass der BVB eben doch nur die schönste Nebensache der Welt war und ist. Und dennoch beschäftigte mich diese selbstgemachte Gefühlskälte gegen den BVB. 1986 bis heute, dass waren ja immerhin ca. 27 Jahre der Leidenschaft! War das am Ende alles verschwendete Energie und ein großer Quatsch? Irgendwann der Wechsel auf einen nicht ganz so intensiven Bereich. Aufwärtstendenzen spürbar, Besserung in Sicht? Hoffnung schöpfen. Mal einen Beitrag bei schwatzgelb.de im Forum schreiben? Schließlich hatten ja sensationellerweise schon Menschen von dort nachgefragt und sich gewundert, wo man sei. Also schreibt man was via Smartphone. Wahrscheinlich etwas Belangloses. Aber es passiert nichts. Man müht sich, so wie früher große Gedanken zum BVB zu entspinnen. Was wird aus Lewandowski. Warum sagt Hoeneß dies? Es gelingt nicht. Alles Unsinn, alles unwichtig, alles irgendwie total bescheuert. Wieso um Himmels Willen habe ich mich jemals überhaupt dafür interessiert, geschweige damit so viel beschäftigt?

Dann Rückfälle, Rückschläge, alles nochmal? Operationen folgen auf Operationen, Behandlungen, Rehabilitationsversuche, jeden Tag bei Ärzten. Fußball läuft weiter, der BVB verliert nach und nach an Boden, Bayern München marschiert. Ich schaue es mir an, aber weiter distanziert, fast zynisch uninteressiert. Dann endlich nach Hause, in ein neues Haus. Aber weiter viele Behandlungen und viele Sorgen, viel Krankheit. Fußball bleibt fremd. Der BVB sowieso. Ein Therapieversuch qua Stadiongang zunächst vollkommen ausgeschlossen. Stehen unmöglich. Bekannte drängen einen, mal beim BVB zu fragen, ob man irgendwie eine Sitzmöglichkeit bekommen kann für die Zukunft. Mir egal.

Selbstredend, die Sorge um die verlorene Liebe zum BVB, zu diesem Sport Fußball, war und ist nicht an erster Stelle dessen, worum ich mich dann sorge. Die Sorgen und Ängste betreffen in erster Linie natürlich meine Frau, meine Kinder! An dieser Stelle will ich auch, wenn auch für alle von euch nicht interessant, eben dieser Frau in tiefer Liebe danken, für alles was sie für mich tat und noch tun wird! Ich bin einfach froh, dass du da bist! Aber auch die Sorge um meine Beziehung zum BVB ist da. Und einfach beispielhaft. Wendepunkt in dieser Frage und in diesen Tagen war ein Lied, ein massenpopuläres gar: „An Tagen wie diesen“. Im Mai stand ich noch tanzend und hüpfend in Berlin und feierte zu diesem Lied einen phänomenalen Sieg über eine bayerische Fußballmannschaft! Am Tag danach, als alles anders, als ich von den Toten wieder erwacht war, lief auf der Intensivstation eben genau dieses Lied. Kein anderer Moment führte mir in diesen Tagen so klar vor Augen, was mit mir passiert war und was mit mir passieren würde. Alles war anders. Kein Fußballfest mehr. Bis zuletzt herrschte der Gedanke vor, dass ich viel zu lange mit dem BVB mitgegangen bin. So, als ob es eine Verschwörung gegen mich selbst gewesen wäre. Eine 27 Jahre andauerende Verschwörung. Dies betraf und betrifft wohlgemerkt viele Bereiche meines Lebens, welches so furchtbar durcheinander geworden ist! "Die Welt will mich nicht mehr verstehen", denke ich oft, und gleichzeitig: "Bitte, gebt mir meinen Verstand zurück!". Ein leiser Hauch von Terror liegt seit bald fünf Monaten auf meinem Leben. Und, weswegen ich es hier niederschreibe und veröffentlicht sehen wollte, es ist – wie so oft in meinem Leben – ein mit dem BVB verwobenes Gefühl. Nur anders halt!

Schmerzen sind noch immer da, große Einschränkungen auch. An die von mir durchaus geschätzte Arbeit ist nicht zu denken. Monatelanges im Krankenhaus liegen, zu Hause sitzen, in Rehakliniken trainieren, bei Ärzten diskutieren, Medikamente schlucken, nicht schlafen können, Ängste aushalten müssen, neuen Operationen besorgt und verschreckt entgegensehen müssen; eine Folter, die im Zweifel nie enden wird. Und dennoch die eigenen Kinder wachsen sehen, glücklich sehen. Eine Frau im Alltag ohne richtigen Partner leben sehen. Das alles muss man aushalten. Und wo ist da noch Platz für diesen seltsamen Fußball, diesen Klub, dieses Leidenschaft namens BVB? Kapitulation. Dauerkarten längst weitergereicht; zu stehen, geschweige in einem Stadion, eh unmöglich. Abmeldung in einem hochgeschätzten Forum. Das eigene Umfeld lässt man seltsamerweise im unklaren ob solchem? Man sagt nicht: "Das interessiert mich nicht mehr!" Man tut so als ob. Eine Haltung, die jedenfalls mir häufig in vielen Fragen untergekommen ist in den letzten Monaten. Ich tue so als ob. Harmonie als Strategie für die Normalität.

Die Gedanken und Erinnerung sind natürlich da. In Fotoalben und Büchern blätternd werden alte Spiele und Erlebnisse hervorgekramt. Berlin 89: grandios. Duisburg 92: Trauer und Tränen, monatelang erhole ich mich davon nicht und sitze emotional noch weinend auf den Stufen des Wedaustadions. UEFA-Cup 92/93: sensationelle Tage, Fahrten, Momente. Auch die Jahre drauf, La Coruna, Lazio Rom... Krimis. Tolle Jugenderfahrungen, in einer aus heutiger Sicht noch völlig anderen Zeit, Steinzeit könnte man meinen: Münztelefone im Stadion und Mitgliedsausweise auf Papier gedruckt. Die Meisterschaften 95 und 96, unvergessene Momente, die mir bis vor kurzem noch 15 Jahre danach Schauer über den Rücken laufen lassen. Der CL-Sieg, die seltsame Stadt München danach. Die Jahre, in denen der BVB zu einem Monstrum verkam, in einer in der kommerziellen Pubertät steckenden Fußballbranche. CL-Wettbwerbe mit diversen Vor und Zwischenrunden, alles irgendwie komisch. Fußballmannschaften vollgestopft mit millionenschweren Brasilianern oder bemitleidenswerten Fußballsöldnern aus Mazedonien, die ein Gerichtsurteil über ganz Europa verteilt. Diese Branche wird später erwachsener und durchaus noch unersättlicher, aber eben perfekter, glatter und damit auch für alte Fans konsumierbarer und hinnehmbarer, wenn man ehrlich zu sich selbst ist. Oftmals kann man meinen, dass diese Liebe zum BVB und zum Fußball einen irgendwie tötet, indem man all das hinnimmt/mitnimmt. Trotzdem Meisterschaften und Finals, auch schöne Momente. Rotterdam war schön, glaub ich, wenn ich mir meine Fotos davon nochmal ansehe. Dann das BWL-Studium, doch für was zu gebrauchen: Pleite, Skandale, das Ende des Prassens. Keine Meisterwerke mehr. Und dann der jahrgangsbeste Doll, Berlin, Finale, super Tage dort. Aber doch alles nix richtiges. Und dann kommt Klopp...

Tatsächlich diskutiere und spreche ich sogar weiter mit Freunden und Bekannten, mit der Familie über den BVB. Als ob nichts gewesen wäre. Aber es lässt mich kalt. Dennoch dann der klare Entschluss, dass ich das nicht so hinnehmen kann und will. Ich muss nochmal ins Stadion, und ich muss nochmal alles versuchen, die Emotionen wieder zu entfachen... Ob das Ganze vernünftig ist, rein medizinisch betrachtet, schiebe ich einfach beiseite. Zu viel hat die Medizin sich in mein Leben eingemischt. Auch eine mir irgendwie seltsam vertraute Person von einem Internetmagazin, welche ich nur aus dem Internet kenne, hilft mir dabei (im Zweifel unbewusst) sehr. Danke dafür. Und so fahre ich über die A1 gen Dortmund (besser: lasse mich fahren, denn selbst geht es nicht), um das Spiel des BVB gegen den FC Malaga zu besuchen. International habe ich einen Sitzplatz auf der Südtribüne, das sollte also irgendwie gehen. Es packt mich aber immer noch nicht. Kein Gedanke an daran in den Tagen zuvor. Kein Hin- und Herüberlegen, wie es wohl ausgehen wird, wie es laufen wird, was es bedeuten kann, dass Klopp dies oder jenes sagte. Es lässt mich einfach kalt. Alles halt anders. Völlig wehrlos ist man gegen solch eine emotionale Entkopplung irgendwie. Man kann sich nicht selbst sagen: "Jetzt sei mal emotional, juhu!" Nun neige ich ohnehin nicht zu überbordenden emotionalen Ausbrüchen, aber wenn, dann konnte sie mir maximal meine Frau oder der BVB entlocken! Ein Nebel überdeckt dies völlig. Obwohl ich glücklich bin, dass ich überhaupt noch da bin! Oder gerade deshalb vielleicht? Es kommen jene Gedanken, die man tatsächlich als fürchterlich ungerecht und selbstherrlich bezeichnen kann: "Wieso freut sich dieser Idiot so sehr über ein Tor eines Fußballmillionärs, wenn er nicht einmal eine Ahnung davon hat, wie es ist, dass man sein Leben so eben gerettet hat und sich dann darüber freut! Wie kann man diesem Unsinn überhaupt so einen Stellenwert einräumen? Ignoranten!"

Und dann stehe ich wieder dort, wo ich schon so oft stand. Abgekämpft und schon vor dem Spiel erledigt, bleibe ich auch nicht lange stehen, sondern lasse mich direkt auf die eigentlich ungeliebte Sitzplatzschale fallen... Der UEFA-Entscheidung vor vielen Jahren sei Dank, kann ich heute hier sein, denke ich mit einem leichten zynischen Grinsen! Es fühlt sich gut an, wieder auf dieser Tribüne zu sein. Wieder in diesem Stadion. All die Rituale zu erleben. Aber es bleibt mir trotzdem fremd. Meine Gedanken und Gefühle laufen in diesem Moment Amok. Sie sind kaum in Worten zu beschreiben. Dass ich wieder dort war, war ein klares Signal, dass ich wieder da war: "Seht her, ich kann mich sogar wieder in ein Fußballstadion bewegen, um dort ein Fußballspiel zu gucken!" Noch drei Monate zuvor sahen da die Prognosen anders aus und der BVB war kleiner Bestandteil einer durchaus für den Betroffenen beeindruckenden Nahtoderfahrung. Und nun stehe ich hier wieder (oder besser, sitze erstmal). Ein alles in allem gewaltiger Moment für mich. Nur eben keiner, der direkt mit einem CL-Viertelfinale zu tun hat. Und so läuft das Spiel, wie es lief. Der BVB scheint auszuscheiden. Ich muss natürlich während des Spiels stehen, quäle mich und denke eigentlich die ganze Zeit an alles Mögliche, nur nicht an das Spiel da unten auf dem Platz. Oder ich denke darüber nach, warum ich nun über mich und mein Leben, über meine Frau, meine Kinder, meine Sorgen und Ängste nachdenke, und nicht über dieses Spiel da unten. Alkohol darf ich als Hilfe auch nicht nutzen, so dass es auch keinen Ausweg zu geben scheint. Und so plätschert das Spiel dahin und es fällt das 1:2. Es juckt mich überhaupt nicht. Selbst als ich erfahre, dass es tatsächlich klar Abseits war, kann ich nur mit den Schultern zucken. Der BVB ist mir in jenem Moment wohl so fern, wie zuletzt vor circa 35 Jahren, als ich noch gar nicht wusste, dass es ihn überhaupt gibt. Ich hätte da auch gehen können. Tat es aber aus Gewohnheit nicht (und weil meine Begleitung natürlich niemals zugestimmt hätte). Diese Ferne, eine völlig neue Zone für mich, macht sich dann auch beim nächsten Tor bemerkbar... 2:2, nichts. Alles war anders. Früher wäre ich in so einem Moment mal emotional aus mir herausgekommen. Erlebt hatte ich ja schon genug als Fan, und natürlich kam einem da auch La Coruna in den Sinn. Aber es tat sich nichts. Es war wie irgendeinen blöden Kinofilm zu gucken, an den man sich drei Tage später schon nicht mehr erinnert.

Und dann kam Santana...

Und da schoss es auf einmal mit hohem Druck durch meine Venen und verdrängte den ganzen Dreck. Kein Moloch konnte in diesem Moment mein Gefühl verschlingen, dass sich Bahn brach. Ich sprang tatsächlich hoch. Wie in Zeitlupe sah ich mir dabei zu, Schmerzen spürte ich keine mehr, keine Ängste, keine Sorge, nichts... Mein Kopf nahm diesen Moment so direkt auf, wie noch nie zuvor einen Moment beim Fußball. Der Krach schien meinen Kopf zu sprengen, es ging alles 1:1 in mich rein. Dauerte gefühlt eine Ewigkeit. Gehhilfe weg, die Vorsicht, sich weh tun zu können, weggewischt, die Kälte und Emotionslosigkeit, auf einmal pulverisiert. Gerade noch war ich so weit weg vom BVB und Fußball, wie noch nie zuvor in meinem bewusst erlebten Leben, und im nächsten Moment war ich drin wie noch nie. Völlig ungesteuert, die eigene pure Vernunft ausgeschaltet, direkt aus dem Epizentrum des Hirns und des Unterbewussten gesteuert. In jenem Moment brach wohl vieles in mir aus, mehr als nur ein grandios wichtiges Tor in einem CL-Viertelfinale. Da passierte mehr.

Heute, einige Tage später, kann ich nicht sagen, dass dieses Gefühl geblieben ist. Weiterhin fühle ich mich seltsam distanziert von meinem Leben und somit auch vom BVB. Und dennoch, und das ist der Kern, gab mir der Moment, in welchem Santana den Ball über diese weiße Kreidelinie schob, Hoffnung! Hoffnung, dass alles wieder gut wird, dass alles wieder normaler wird. Hoffnung, die ich brauchen kann und brauchen werde. Was so unendlich viel mehr ist, als dass Freuen über das Erreichen eines CL-Halbfinals!

"Hallo" also war der Einstieg. Ich hoffe, es war das Ende eines neuen Anfangs. Und, weil wir ja hier bei schwatzgelb.de sind, ich hoffe für mich selbst auf ein "Auf Wiedersehen" hier und mit euch!

geschrieben von Phil

PS: Danken möchte ich an dieser Stelle meiner Lieben Frau Steffi, Marius, Alex, Felipe Santana, Scherben (der an mich dachte, was ich ihm unendlich hoch anrechne!), Arne von schwatzgelb.de, Dirk von Lowtzow (der diesen Text maßgeblich mit beeinflusst hat, wie vielleicht manch einer merken wird), Didi (Bleibe immer wie du bist!!!) und vielen vielen anderen, die ich hier nicht aufzählen kann!

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