Spielbericht Profis

Bruder-Duell mit richtigem Ausgang ? Kein Spektakel und trotzdem drei Punkte

12.02.2012, 01:03 Uhr von:  Redaktion

Spannend war es zwischen Leverkusen und dem BVB„Die drei Punkte bleiben heute hier“, hatte Nobby Dickel bereits um 15.25 Uhr prophezeit – und sollte damit knapp zwei Stunden später Recht behalten. Nach einer engen, aber überlegen geführten Partie gewinnt der BVB auch das vierte Bundesliga-Spiel in diesem Jahr. Und nicht nur das: Durch das 1:0 gegen die Gäste aus Leverkusen baut das Team von Jürgen Klopp seine Serie auf 15 ungeschlagene Erstligapartien hintereinander aus. Den entscheidenden Treffer erzielte der seit Wochen überragend aufgelegte japanische Nationalspieler Shinji Kagawa, der wiedergenesene Sven Bender bleibt damit auch im vierten Spiel gegen seinen Zwillingsbruder Lars ungeschlagen (2 Siege, 2 Unentschieden).

Der gut gelaunte Jürgen Klopp, unter dessen grauer Kappe mit der Aufschrift „Pöhler“ während der Pressekonferenz immer wieder ein strahlendes Lächeln hervorblitzte, zeigte sich nach Spielende mehr als zufrieden. „Wir haben gegen einen extrem starken Gegner gespielt“, resümierte der Meistercoach nach dem Sieg gegen die Gäste vom Rhein und schob hinterher: „Deswegen bin ich mit dem Spiel meiner Jungs total zufrieden.“ Und dazu hatte der 44-Jährige auch allen Grund: Seine Mannschaft brannte zwar kein so großes Feuerwerk wie gegen Hamburg oder Hoffenheim ab, zeigte aber dennoch eine insgesamt gute und überzeugende Leistung gegen einen defensiv klug eingestellten Gegner, der auswärts bisher gar einen Punkt mehr geholt hatte als im eigenen Stadion.

"Mannis" Blitzcomeback – Ballack darf mal wieder nicht

Moritz Leitner gewinnt das KopfballduellBereits vor dem Anpfiff hatte es eine Überraschung in der BVB-Startelf gegeben, die sich bereits am Vorabend abgezeichnet hatte: Sven Bender, der sich vor gut einer Woche im Gefrierschrank in Nürnberg einen Außenbandanriss im linken Sprunggelenk zugezogen hatte und dort wie beim Pokalspiel in Kiel vom guten Moritz Leitner vertreten wurde, konnte wieder spielen. Die Südtribüne begrüßte ihren „Manni“ lautstark – und die meisten überraschte das Blitz-Comeback vermutlich dann doch nicht. Der defensive Mittelfeldspieler, der nach gerade einmal acht Tagen wieder fit geworden war, wurde seinem Ruf schließlich einfach nur gerecht: Sven Bender ist „the unbreakable one“! Klopp, der Benders Rückkehr später gewohnt launig im bayrischen Dialekt kommentiert hatte, konnte damit auf die selben elf Spieler vertrauen, die er auch zu Beginn der Rückrunde gegen Hamburg, Hoffenheim und Nürnberg auf den Rasen geschickt hatte. Dem Bruder-Duell Sven gegen Lars stand nichts mehr im Wege, weil auch Robin Dutt auf seinen unter der Woche angeschlagenen Mittelfeldspieler setzen konnte.

Die Südtribüne, der zur Einstimmung die Hymne „Leuchte auf mein Stern“ vom Jahrhundertchor geboten wurde, präsentierte kurz vor Anpfiff ein Banner, das die unter der Woche diskutierten Pläne der Innenminister kritisierte („Irgendwann ist auch mal Schluss – Gegen Gesichtsscanner und den ganzen Stuss – Stoppt den Überwachungsstaat“). Dann konnte die Partie gegen die Gäste, mit denen ungefähr 5.000 Fans vom Rhein an die Ruhr gereist waren, beginnen.

Mit Leverkusen, das in der Rückrunde noch ungeschlagen war, erwartete den BVB auf dem Papier der bisher stärkste Gegner in 2012. Auch wenn das Team aus dem Rheinland in diesem Jahr mit anderem Übungsleiter und leicht verändertem Team hinter den hohen Erwartungen zurückbleibt, zeichnet den Vizemeister immer noch eine große individuelle Klasse aus. Spieler wie Lars Bender, Rolfes, Schürrle, Ballack oder Renato Augusto würden beinahe alle Mannschaften der Liga bereichern. Dennoch schickte der ehemalige Freiburger Dutt nicht alle der genannten Spieler auf den Platz. Einer kam mal wieder überhaupt nicht zum Zug: Michael Ballack. Und das, obwohl die mitgereisten Auswärtsfans in Hälfte zwei immer wieder lauthals den Namen des früheren Nationalspielers skandierten. Auf Nachfrage erklärte ein nachdenklich wirkender Dutt: „Mit Renato Augusto hatte ich schon einen Passspieler eingewechselt. Ballack ist ein ähnlicher Spielertyp, das hätte uns nicht gutgetan.“ Der Halb-Inder sah andere Akteure gefragt: „Uns hat in Hälfte zwei vor allem der Zug zum Tor gefehlt, den Bellarabi im Training häufig angedeutet hat – und nicht die Passsicherheit.“


Der BVB beißt sich die Zähne aus und schnappt doch noch zu

Shinji Kagawa bejubelt seinen TrefferEine nicht unbedingt einleuchtende Erklärung, auch wenn Ballack seine von früher bekannte Torgefahr in seiner Zeit in Leverkusen noch nicht überaus häufig beweisen konnte. Überzeugend stellte sich dafür die Defensiv-Taktik des Bayer-Coachs in Hälfte eins dar. Nach erster Druckphase des BVB formierte sich Leverkusen defensiv durchaus sattelfest – nicht nur weil Schürrle und Kießling den Spielaufbau durch Hummels immer wieder störten, sondern vor allem, weil Lars Bender Oczipka links und Simon Rolfes Corluka rechts so halfen, dass der BVB über die Außen kaum durchkam. Vor 80.400 Zuschauern im dank der Gästefans nicht ganz ausverkauftem Westfalenstadion blieb deshalb häufig nur noch der Weg durch die Mitte, wo Kagawa die Bälle klug verteilte, die Präzision im Abschlussdrittel aber zu wünschen übrig ließ. Nur eine wirklich gefährliche Situation konnte die BVB-Elf vor dem gegnerischen Kasten heraufbeschwören (Großkreutz scheiterte an Leno, 40.), ehe Kagawa wenige Sekunden vor dem Halbzeitpfiff nach Pass von Kuba drei Gegenspieler stehen ließ und gekonnt im Fallen einnetzte. Dutt fasste zusammen: „Es war eine ordentliche Hälfte, in der wir mutig und geschickt verteidigt haben und die für uns denkbar schlecht endete.“ Denn: Die Führung fiel zum psychologisch günstigsten Zeitpunkt für die mit dem „Vivawest“-Logo auf der Brust auflaufende Borussia. Kurz nach Kagawas Sololauf schickte ein vor wenig Probleme gestellte Schiedsrichter Günther Perl beide Teams zum Aufwärmen in die Kabinen – das dürfte besonders einen kaum beschäftigten Roman Weidenfeller gefreut haben, der sich bei -5 Grad immer wieder selbst mit kleinen Sprints warm halten musste. Die Südtribüne feierte den Torschützen Kagawa noch bis weit in die Pause hinein, bis Abteilungsleiter Marco Blumberg dem 7.500 Mitglied der Fan- und Föderabteilung ein BVB-Trikot übergab. Kurz darauf ging es schon wieder weiter.


Augustos Einwechslung bringt Dortmund Raum – Klopps Sonderlob

Leverkusens Trainer Dutt macht "dicke Backen"Leverkusen kam zwar zunächst mit unveränderter taktischer Grundordnung auf den Platz zurück, doch nach einer guten Stunde reagierte Dutt mit der Hereinnahme des Brasilianers Augusto für Rolfes auf das schwache Offensivspiel seines Teams: „Wir mussten aufmachen, was das Umschaltspiel des BVB positiv beeinflusst hat“, erklärte Dutt das Geschehen auf dem Platz hinterher. Rechtsverteidiger Corluka fehlte somit die Unterstützung auf seiner Seite, was die Dortmunder in Gestalt von Schmelzer und Großkreutz auszunutzen wussten. Bereits kurz nach der Pause war der polnische Nationalstürmer Lewandowski nach traumhafter Vorarbeit von Hummels freistehend an Leno gescheitert, die Chancen für den BVB wurden jetzt größer. Der deutsche Meister verpasste es jedoch, den Sack vorzeitig zu zu machen – was Klopp wenig störte: „Unsere beiden Innenverteidiger haben ein überragendes Spiel gemacht“, lobte der ehemalige Mainzer, „deshalb bin ich nie so richtig nervös geworden, dass wir uns noch einen fangen könnten.“

Grund dazu hätte er jedoch durchaus gehabt, denn nicht umsonst heißt es, dass sich vergebene Chancen rächen. Nicht nur Subotic scheiterte zunächst mit einem für ihn untypisch gezirkelten Freistoß knapp, auch Großkreutz ließ zum wiederholten Male eine Großchance liegen (64.). Es ging weiter in eine Richtung: Kießling prüfte fünf Minuten später seinen eigenen Keeper Leno, der mit einer Flugeinlage gerade eben noch das entscheidende 2:0 vermeiden konnte. Dem unter großem Jubel und „Lucas“-Sprechchören eingewechselten Barrios gelang auch keine Vorentscheidung, dafür schaffte die Nummer 18 es in den ihr verbleibenden 13 Minuten, noch vier Mal ins Abseits zu laufen – was irgendwie an Alex Frei erinnerte. Allein den offensiv blutleeren Bemühungen der sich keineswegs aufbäumenden Dutt-Elf war es schließlich zu verdanken, dass die Schwarz-Gelben die knappe Führung unter den Standing Ovations der Ost- und Westtribüne über die Runden brachten. Am Ende standen für Bayer gerade einmal drei kümmerliche Torschüsse auf der Habenseite, die Borussia visierte 14 Mal das gegnerische Tor an.

Stimmen

Klopp war zufriedenJürgen Klopp: Ich habe mit einem extrem starken Gegner gerechnet und es ist so gekommen. Wir haben ein richtig gutes Heimspiel gegen einen starken Gegner gemacht und Konsequenz wie Geduld bewiesen.

...zu Kagawa: Shinji ist menschlich ein guter Junge. Dass er dann nebenbei auch noch gut kicken kann, finde ich natürlich ganz angenehm. Er spielt seine Position toll und harmoniert gut mit Lewy. Defensiv ist er auch gut, das macht im Gesamtpaket zu einem so unheimlich guten Spieler.

...zu Bender: Er war der erste, der gedacht hat, dass es wieder geht. Schon am Tag nach dem Nürnberg-Spiel hat er gesagt: "Wenn mit der Syndesmose nichts ist, bin ich bereit." (Klopp zitiert in bayrischem Dialekt)

Sven Bender: Es ist ein super Gefühl, heute gewonnen zu haben, weil es ein schwieriges Spiel war. Deswegen tun die drei Punkte besonders gut.

Sebastian Kehl: Es war nicht das spektakulärste Spiel, aber wir haben immerhin auch gegen Bayer Leverkusen gespielt. Das war ein guter Gegner.

Roman Weidenfeller: Wir denken einfach von Spiel zu Spiel und wenn wir so weiterspielen, sind wir in einer ausgezeichneten Situation.

Noten

Weidenfeller: Wenig gefordert, aber stets sicher und auf der Höhe. Note 2,5
Piszczek: Beackerte seine Seite wie gewohnt fleißig. Offensiv mit Licht und Schatten, hinten ohne Probleme. Note 3
Subotic: Zwei, drei kleinere Böcke, die er aber teilweise selbst wieder gutmachte. Ansonsten kompromisslos und zweikampfstärkster Spieler. Note 3
Hummels: Starke Vorstellung. Beste Szene kurz nach der Pause, als er mit einem starken Dribbling und darauffolgendem Pass Lewandowski eine Großchance ermöglichte. Note 2
Schmelzer: Hinten sicher, vorne zu zögernd. Note 3,5
Kuba: Ebenso wie Schmelzer defensiv stark und vorne zögernd. Brach den ein oder anderen vielversprechenden Sprint bis auf die Grundlinie unnötigerweise ab. Note 3,5
Kehl: Gutes Spiel vom Leader, der hoffentlich bald verlängert. Kampf- und passstark wie zu besten Zeiten. Note 2,5
Bender: Überraschendes Blitzcomeback. Seine Verletzung war ihm vielleicht in der ein oder anderen Situation noch anzumerken, insgesamt aber ordentlich. Note 3
Kagawa: Bester Spieler auf dem Feld. Abgesehen von zwei Fehlpässen elegant-rasant und mit dem spielentscheidenden Treffer. Laut eigener Aussage will der Japaner beim BVB bleiben - schön wär das! Note 2
Großkreutz: Vergab zu viele gute Chancen, auch wenn er überall auf dem Platz zu finden war. Note 3,5
Lewandowski: Nicht der Tag des Polen. Vergab die ein oder andere Möglichkeit, Perl pfiff ihm die ein oder andere Situation aus unerfindlichen Gründen ab. Note 3,5

Statistik

Feier mit der SüdtribüneDortmund: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - Bender, Kehl - Blaszczykowski (87. Perisic), Kagawa (89. Leitner), Großkreutz - Lewandowski (77. Lucas)


Leverkusen: Leno - Corluka (75. Bellarabi), Schwaab, M. Friedrich, Oczipka - Reinartz - Rolfes (61. R. Augusto), L. Bender - Castro - Kießling, Schürrle

Tor: 1:0 Kagawa (45.)

Spieldaten:
Torschüsse: 14-3
Ecken: 3-4
Flanken: 12-4
Ballkontakte: 50% - 50%
Zweikämpfe: 50% - 50%
Fouls: 13-14
Abseits: 5-3

Die meisten Torschüsse: Schmelzer, Großkreutz (je 3)

Die meisten Torschussvorlagen: Großkreutz (5)

Die meisten Ballkontakte: Oczipka (98), Piszczek (89)

Die Zweikampfstärksten: Reinartz (80%), Subotic (77%)

Daniel R., 12.02.2012

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