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Euro 2012-Tagebuch Teil 6: 16 Tage, 8 Stadien, 9 Spiele, 8.000 km

26.06.2012, 12:09 Uhr von:  Rene
Euro 2012-Tagebuch Teil 6: 16 Tage, 8 Stadien, 9 Spiele, 8.000 km
Euro 2012

Die beiden noch fehlenden Stadien auf unserer Tour durch Polen und die Ukraine standen noch auf dem Programm. Da bekanntlich vorher nicht fest steht ob und wenn, in welchem Viertelfinale die eigene Mannschaft spielt, haben wir uns dazu entschlossen beide Spiele zu besuchen. Vom Südosten der Ukraine bis in den Norden von Polen haben wir damit beide Gastgeberländer ausgiebig bereist und auch jedes Stadion ein Mal besucht. In diesem letzten Bericht zu unserer Tour durch Polen und die Ukraine gibt es abschließend auch noch einige Reisetipps - hauptsächlich für die Ukraine.

Nach dem Spiel in Posen hatte ich ein kleines Hotel weit außerhalb gebucht. Unter 100 Euro war in Posen kein Zimmer mehr zu bekommen. Nur auf einem Zeltplatz hätte ich noch für 70 Euro unterkommen können. Da der Rest der Truppe sowieso entlang dieser Strecke die Nacht durch nach Deutschland fuhr, wäre es eigentlich kein großes Problem gewesen, mich dort eben abzusetzen. Unglücklicherweise war die Ausfahrt bei der Stadt Swiebodzin gesperrt. Auf den polnischen Maut-Autobahnen sind Ausfahrten wohl auch nicht so günstig zu errichten. Die Nächste folgte erst nach weiteren 30 Kilometern. Zähneknirschend traten wir den Umweg an. Mit einer Stunde Verspätung erreichte die verbliebene Omega-Besatzung dann um 6:30 Uhr Gütersloh.

Auf nach Warschau

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Für mich ging es am nächsten Morgen mit einem EC direkt nach Warschau. Der Zug war passenderweise mit einer schwarz-rot-goldenen Lok ausgestattet und steigerte bereits die Vorfreude auf das deutsche Viertelfinale ein paar Tage später. In Warschau hatten wir über die Webseite www.wimdu.de ein Appartement bei einer Privatperson gebucht. Der Informationsaustausch mit dem Vermieter verlief jedoch nur recht schleppend. So bekam ich erst bei meiner Ankunft, eine genaue Adresse und einen Zugangscode per SMS. Das Appartement lag in einem Vorort unweit des Stadions. Einige der Häuser hier hatten seit dem letzten Krieg wohl keine Farbe mehr gesehen und hinterließen keinen guten Eindruck. Unser Gebäude war deutlich neuer, jedoch war die Wohnung selbst in einem erbärmlichen Zustand: Schimmel im Kühlschrank, Haare auf dem Boden und Dreck in allen Ecken. Bettwäsche war nur für eine Person vorhanden. Da noch keine Bezahlung erfolgt war, fruchtete eine Beschwerde beim Vermieter recht schnell. Nach einer längeren Putzaktion seinerseits konnte ich dann doch noch einziehen.

Da mich die Probleme mit der Wohnung den kompletten Nachmittag gekostet hatten, blieb keine Zeit mehr eine Bar für die Abendspiele zu suchen. Die Fan Zone musste herhalten. Hier wurden beide Spiele auf Großbildleinwänden gezeigt. Das Spiel der Franzosen gegen die Schweden wurde auf zwei Leinwänden übertragen und zog immerhin handgezählte 29 Leute an. Viel mehr der Froschliebhaber dürften es wohl auch kaum ins Stadion geschafft haben. Das Spiel der Ukraine gegen die Engländer war deutlich beliebter und der Platz vor den drei Leinwänden füllte sich gut bis zur Halbzeit.

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Ziemlich umständlich ist in Polen übrigens der Bierverkauf in den Fan Zonen. Entweder muss man sich an meist komplett überfüllten Kassen spezielle Münzen besorgen oder die Bezahlung ist nur mit einer speziellen Prepaid-Kreditkarte eines Sponsors möglich. Diese werden zwar an jeder Ecke verkauft, jedoch ist mir bis heute nicht klar, wie man an das verbliebene Guthaben kommt. In der Ukraine war dies wesentlich unkomplizierter und überall Barzahlung möglich. Zudem gab es auch lokales Bier, wie in Südafrika. In Polen bekam man nur den Sponsoren-Gerstensaft. In den Stadien selbst benötigt man zwar keine Chips oder Bezahlkarten, aber dort gibt es nur alkoholfreies Bier (Polen) oder Leichtbier (0,5% Ukraine).

Nachdem der Omega am Donnerstag früh wieder eintraf wurden bei einem Supermarkt-Einkauf gleich einige EM-Souvenirs eingesammelt. Viele Dinge waren bereits deutlich reduziert. Speziell alles in rot und weiß ging mit 50-75 Prozent Rabatt über den Ladentisch. Wer also zum Halbfinale oder Finale fährt, sollte mal einen Blick in die großen Supermärkte werfen. Fast alle hatten verschiedene EM-Artikel zu deutlich günstigeren Konditionen als die Stände in der Fan Zone oder im Stadion im Angebot.

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Für das erste Viertelfinale fehlten uns noch zwei Karten. Mehrere Stunden vor Spielbeginn lag der günstigste Preis bei 80 Euro für eine Karte der zweiten Kategorie. Das war Originalpreis. Da die beiden Mitfahrer nur gut 100 Euro für zwei Tickets der dritten Kategorie ausgeben wollten pokerten Sie bis zum Anpfiff. Leider waren sie heute nicht erfolgreich. Insgesamt war die Situation auf dem Schwarzmarkt bei allen von uns besuchten Spielen aber meist sehr entspannt für die Käufer. Da wir selbst noch einige Tickets übrig hatten, können wir ein Lied davon singen. Für wenige Karten haben wir noch den Originalpreis von gut 30 Euro in der dritten Kategorie bekommen. Oft mussten wir die Karten zum Teil deutlich darunter verkaufen. Einige haben wir auch verschenkt, weil sich kein Käufer fand. Selbst beim deutschen Viertelfinale in Danzig wurden Karten unter Preis (30 Euro für Kategorie 3) verkauft. Eine knappe Stunde vor Anpfiff reckten dort noch dutzende Verkäufer ihre Tickets in die Luft.

In Warschau sahen wir am Abend ein eher langweiliges Spiel ohne große Höhepunkte. Irgendwie war es für uns kaum vorstellbar, dass eine dieser beiden Mannschaften Europameister wird. Für Stimmung im Stadion sorgten meist die vielen Polen. Mehr als einen eigenen Gesang brachten Sie aber auch nicht zu Stande.

Schöner Abschluss in Danzig

Über hauptsächlich Landstraßen fuhren wir am kommenden Morgen weiter nach Danzig. Auf der Fahrt haben wir noch schnell ein Hotel im 20 Kilometer entfernten Gdynia gebucht. Für gut 20 Euro pro Person bekamen wir dort recht einfache Zimmer die allerdings nur 150m Luftlinie von der Ostsee entfernt lagen. In Danzig erwartete uns, wie in Warschau und Breslau, ein Neubau mit beleuchteter Fassade. Wie alle anderen Stadien bei dieser EM präsentierte sich auch der Spielort in Danzig in Top-Verfassung. Ähnlich der Bauten in Südafrika stellt sich jedoch auch hier bei ausnahmslos allen Spielorten die Frage der Wirtschaftlichkeit. Die Spiele von Lechia Gdansk in diesem Stadion im letzten Jahr haben selten mehr als 20.000 Zuschauer verfolgt. Allein durch Eintrittspreise ist so ein Bau nur schwer instand zu halten und erst recht nicht zu finanzieren. Genauso sieht es in Posen, Breslau und allen ukrainischen Spielorten aus. Bei Liga-Spielen in Donetsk und Lemberg kommt man z.B. für 2 Euro ins Stadion. Für 10 Euro sitzt man auf Höhe der Mittellinie auf der Haupttribüne. Hier kommen zumindest deutlich mehr Zuschauer.

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Das spannende und torreiche Viertelfinale der deutschen Mannschaft bildete einen schönen Abschluss unserer Tour, die wir spontan noch um einen Tag bei schönem Wetter in Danzig verlängerten. Unser Versuch am nächsten Tag der Auslosung des DFB-Pokals beizuwohnen scheiterten leider an einer recht hartnäckigen Wachfrau am Eingang zum DFB-Medienzentrum. Ein paar Fans hätten dabei wohl kaum gestört.

Die Rückfahrt nach Deutschland zog sich wie Kaugummi über die polnischen Landstraßen. Entlang der Straßen sahen wir wiederholt Verkäufer(innen) stehen und sitzen. In der Ukraine wurden meist rote Beeren in großen Einmachgläsern angeboten. In Polen waren es meist schwarze Beeren, Honig und Nüsse. Je näher wir Deutschland kamen, desto öfter verschwanden sowohl die Einmachgläser wie auch große Teile der Bekleidung der nun ausschließlich weiblichen Verkäuferinnen. Gegen Abend endete dann die EM-Tour nach 12 Stunden Fahrt vorerst. Für zwei Kurztrips geht es noch einmal zurück: Am Mittwoch kommt der Omega wieder zum Einsatz und bringt uns für einen Tagestrip nach Warschau zum deutschen Halbfinale. Zum Finale geht es dann am Samstag ab Düsseldorf mit dem Flugzeug. Dies ist nach über 8.000 gefahrenen Kilometern in 16 Tagen durch alle acht EM-Spielorte und 09 besuchten Spielen allerdings der letzte Bericht hier. Ein paar weitere Kurzberichte wird es noch auf unsere Facebook Seite geben.

Für Interessierte gibt es auf der folgenden Seite noch einige Reisetipps hauptsächlich für die Ukraine. Vielleicht verschlägt es Borussia in den nächsten Jahren ja mal dort hin.

Hier nun einige Reisetipps für die Ukraine und Polen:

Auto

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Eine Autofahrt in die Ukraine ist nur bedingt zu empfehlen. Die Strecke Lemberg – Kiev – Charkiv ist zwar mittlerweile recht gut ausgebaut, jedoch sind die Straßen in den Städten zum Teil sehr schlecht. Eine Fahrt bei Nacht oder schlechtem Wetter ist auf dieser Route aber möglich. Von einer Fahrt mit dem PKW nach Donetsk kann ich nur abraten. Die Strecke über Dnipropetrowsk ist selbst tagsüber kaum mit dem Auto zu befahren. Nachts oder bei Regen führt die Fahrt auf dieser Straße unweigerlich zu einem Totalschaden. Auch die Route über Charkiv sollte man Nachts meiden. Hauptgrund dafür sind neben schlecht beleuchteten älteren Fahrzeugen, viele große und tiefe Schlaglöcher und auch Personen auf und entlang der Fahrbahn. Selbst über die größeren vierspurigen Straßen führen oft Zebrastreifen, die man bei Dunkelheit nicht so schnell ausmachen kann.

Geschwindigkeitskontrollen werden in der Ukraine von Milizen durchgeführt. Die haben wir nur in den Städten gesehen. Auf den Hauptstraßen wird der Beginn einer Stadt mit einem weißen oder blauen Schild angezeigt. Dies ist nicht immer leicht zu erkennen, allerdings gibt es fest eingerichtete Kontrollpunkte der Milizen die mit einem Schild gekennzeichnet sind. Hier darf man nur 50 km/h fahren, was auch durch Schilder deutlich angezeigt wird. An vielen dieser Kontrollpunkte haben wir auch tatsächlich Milizen mit Radarpistolen gesehen. Langsam fahren ist hier also angebracht.

Die Beschilderung ist auf den großen Straßen meist zweisprachig, allerdings nicht immer. Es empfiehlt sich auch das Aussehen der Namen in kyrillischer Schrift zu kennen. Bei längeren Fahrten ist ein Navigationsgerät absolut zu empfehlen. Speziell in Städten ist man sonst recht schnell verloren.

Tankstellen gibt es entlang der großen Strecken haufenweise. I.d.R. sind diese mit einem kleinen Markt ausgestattet indem man alles Überlebenswichtige bekommt. Bezahlt werden kann oft mit Kreditkarte. Allerdings wird hier vor dem Tanken kassiert.

Werkstätten gibt es auch ziemlich viele. In den größeren Städten waren diese jedoch meist sehr versteckt in Hinterhöfen. Hier empfiehlt es sich bei Einheimischen nachzufragen. Mit Händen und Füßen wird einem dann meist der Weg erklärt. Reparaturen sind grundsätzlich recht günstig. Selbst an Sonntagen wird hier gearbeitet.

In Polen waren die befahrenen Straßen in deutlich besserem Zustand. Hier wird an vielen Stellen auch noch gebaut, so dass in den nächsten Jahren auch einige Autobahnabschnitte zusätzlich zur Verfügung stehen dürften. Vor Abfahrt empfiehlt es sich bei Wikipedia mal nachzuschauen, welche Abschnitte schon fertiggestellt sind. Die Angaben dort sind meist genauer als die von Navigationsgeräten und Routenplanern. Die Straßen in Polen waren zwar meist in gutem Zustand, jedoch gab es auch hier oft tiefere Spurrillen. Mit voller Beladung oder einer geringen Bodenfreiheit ist hier also Vorsicht geboten.
Entlang der Straßen in Polen haben wir viel Polizei und noch mehr Blitzer gesehen. Letztere werden zwar oft durch Schilder angekündigt, jedoch nicht immer.

Zug

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Für Fahrten in der Ukraine stellen wohl die neuen Express-Züge eine wesentlich bessere Alternative dar. Zwar konnten wir hier selbst keine Erfahrungen sammeln. Mehrere Freunde berichteten doch von einem absolut problemlosen Vorankommen, vergleichbar mit einer ICE-Fahrt. Bei vier Leuten wäre das für uns allerdings auch die deutlich teurere Alternative gewesen. Eine Fahrt kostet hier um die 30 Euro. Günstiger sind dagegen die normalen Züge bei allerdings fast doppelter Fahrzeit. Interessant sind zudem die Nachtzüge mit Schlafwagen. Bei 9-10 Stunden Fahrzeit kann man hier eine Übernachtung sparen und kommt günstig ans Ziel.

Auch in Polen bietet sich die Reise mit dem Zug an. Mit ICE Geschwindigkeit darf man hier zwar nicht rechnen, aber die Preise sind sehr günstig.

Grenze

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Die Grenzkontrollen verliefen während der EM recht zügig. Nach 45 Minuten konnten wir die Grenze mit dem PKW passieren. Kontrolliert wurde eigentlich nichts bis auf Ausweise und Fahrzeugpapiere. Bei einer vorherigen Grenzüberquerung zu Fuß und mit einem Bus sah das etwas anders aus. Gerade bei der Ausreise aus der Ukraine nach Polen sind die Einfuhrbestimmungen (z.B. nur 40 Zigaretten) recht streng. Der Weg zu Fuß über die Grenze hat vor zwei Jahren zwar auch nicht mehr als eine Stunde gedauert, jedoch wurde genau kontrolliert. Bei einer Fahrt mit dem Bus aus Polen in die Ukraine ging die Abfertigung von beiden Seiten recht zügig. Allerdings mussten einige Reisetaschen geöffnet werden. Bestechungsgelder (wie in einigen Foren zu lesen) mussten in keinem Fall gezahlt werden. Kontrolliert wird aber von den Polen und den Ukrainern. D.h. im Bus oder PKW werden zunächst alle Reisepässe eingesammelt. Nach einiger Zeit taucht der Grenzbeamte damit wieder auf und verteilt diese. Ein paar Meter weiter auf der anderen Seite der Grenze wiederholt sich das Ganze.

Hotels

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Die Europameisterschaft war sicher eine Extremsituation in Sachen Übernachtungsmöglichkeiten. Selbst über große Buchungsportale gebuchte Hotels und Hostels wurden einfach wieder storniert. Bei größeren Buchungsportalen kümmerte man sich zwar meist um Ersatz, war den Hoteliers und den hohen Preisen vor Ort jedoch meist ausgeliefert. Zu einer anderen Zeit sollten Hotels jedoch zu einem angemessenen Preis zu bekommen sein. Hier würde ich empfehlen, stark auf die Bewertungen bei den größeren Portalen zu schauen oder auf Appartements lokaler Anbieter auszuweichen. Unsere Hotels waren meist recht neu oder modernisiert und boten westlichen Standard, jedoch habe ich da auch anderes gehört. Bei günstigen Hostels darf man sich nicht wundern, wenn man mal auf einer Spanplatte landet. Auch hier sollte man genau auf die Beschreibung oder Bewertungen achten.

Telefon und Internet

Jedem der sich ein paar Tage länger in der Ukraine oder Polen aufhält, kann ich nur empfehlen sich eine SIM-Karte vor Ort zu kaufen. Prepaid Karten gibt es in beiden Ländern ohne Registrierung und irgendwelchen Aufwand. Freigeschaltet waren diese nach wenigen Minuten. Wer mit dem Flugzeug anreist, kann sich bereits am Flughafen bei einem Handy-Stand erkundigen. In den größeren Städten gibt es aber auch viele dieser Läden.


Die Netzabdeckung ist in beiden Ländern vergleichbar mit Deutschland. In der Ukraine hatte ich mit KyivStar überall Empfang und Internet. Das Gleiche gilt für Polen und Era/T-Mobile. Selbst während der Fahrt im Auto funktionierte das Internet ohne Probleme und deutlich besser als mein O2 Netz in Deutschland.

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