Warmlaufen

Aus dem Schatten der Bajuwaren

02.12.2011, 16:09 Uhr von:  Redaktion

Dortmund am Donnerstagabend, kurz nach 22 Uhr. Die letzten Glühweinbuden haben soeben ihre Pforten geschlossen und die verbliebenen Besucher ihren Feierabend mit einem letzten Schlummertrunk ausklingen lassen. Der turmhohe Weihnachtsbaum und seine glänzende Meisterschale wachen nun über die Stadt. Eine friedliche Stille.

Tatsächlich? In einem kleinen Büro am Ende eines schwach beleuchteten, verwaisten Ganges des Dortmunder Polizeireviers flackert ein grelles Licht. Zigarettenrauch erfüllt den kargen, ungemütlichen Raum. Die Stimmung ist bedrückt und auf den Schreibtischen von Schulze und Koslowski, den sonst so gemütlichen Polizeibeamten, stapeln sich riesige Aktenberge, die sie wortlos durchwühlen. Aus dem alten Kofferradio in der Ecke klingt Juliane Werding.

Ein Meer von Licht und Farben. Wir ahnten nicht, was bald darauf geschah...

Es scheint, als hätte sich seit unserem letzten Besuch – fast auf den Tag genau ein Jahr ist das nun her – nichts verändert im kleinen Dortmunder Polizeirevier – im Gegenteil. „Sie sind wieda da", stammelt der kahlköpfige Koslowski und kramt einen zerknüllten Zettel aus den Tiefen seiner Schreibtischschublade. Darauf steht in krakeligen, schwarz-gelben Lettern: „Nehmt euch in acht, die BVB-Bande ist zurück. Auf dem Weg zum Ziel, keiner kann uns halten." Nun bricht auch Schulze sein Schweigen: „Am Sonntach gegen zwanzich nach acht hat uns son schlacksiger Idiot mit Brille, Kappe und Drei-Tage-Bart nen Ziegelstein mitten in die Kaffeeküche gepfeffert. Da klebte dieser scheiß Zettel dran!"

Das war ein schwerer Tag, weil in mir eine Welt zerbrach...

Ihr schlimmster Albtraum ist wahr geworden. Fast neun Monate lang haben Schulze und Koslowski die flinken Serientäter quer durch die Republik gejagt – vergeblich. „Im Mai ham sie tatsächlich diese silberne Salatschüssel mitgehen lassen. Mitten am helllichten Tach", erinnert sich Schulze, nimmt einen kräftigen Schluck aus seinem silbernen Flachmann und verzieht das Gesicht. Kollege Koslowski ergänzt: „Seitdem dachten wa eigentlich, getz wär Ruhe im Karton!" Auf seiner rauen Stirn bilden sich weitere Sorgenfalten. Die Angst, monatelang von Ort zu Ort zu hetzten und am Ende erneut leeren Händen dazustehen, ist den beiden deutlich anzumerken. „Hätt ich damals Action gewollt, wär ich gleich zum Verfassungsschutz gegangen", meckert Schulze und schnipst die letzten Reste seines Kippenstummels in seine Kaffeetasse. „Keine Frage, die Jungs sind clever und gewitzt. Ham lange und unbemerkt im Schatten der Bajuwaren geplündert. Konnte doch keiner mit rechnen, dat die so plötzlich wieder vorstellich werden."

Und ich redete mir ein, mit Liebe wird alles gut. Doch aus den Joints, da wurden Trips, es gab keinen Halt auf der schiefen Bahn...

Dabei hatten sie alles so umsichtig geplant. Reza, so erzählen sie, konnten sie im Sommer als V-Mann für sich gewinnen. Mit viel Kohle gelang es dem gewieften Spitzel, Bandenkopf Nuri hinter spanische Gardinen einzubuchten. „Auch Würstchen-Uli hatten wa im Sommer schon auf unsere Seite. 20 Mille ham wir der Pfeife im Tausch gegen sein beschissenes Fernglas zugesteckt, damit der uns Mario, den flinkesten aller Diebe, bringt. Und wat macht der Hornochse? Stellt sich für die Knete ne zappelnde und treulose Tomate inne Kiste." Bei diesen Worten läuft Schulze puterrot an und haut mit der Faust auf seinen Schreibtisch. Zahlreiche Akten fliegen durch die Luft. Immerhin: Neven und Manni konnten sie kurzfristig ausschalten. "Zwei Platten inne Fresse sind sogar für Chuck zu viel", lachen sie höhnisch. Die aktuelle Spur führ die beiden Mittfünfziger im Spätherbst ihrer Dienstzeit nach Gladbach. Koslowki stöhnt: „Ausgerechnet Gladbach. Außer Wiesen und Wellblech is in diesem blöden Kaff doch nix!"

Mir bleiben nur noch die Blumen an seinem Grab. Am Tag, als Conny Kramer starb. Und alle Glocken klangen.

„Kerr Schulze, getz mach doch ma dat scheiß Radio aus. Seit einer Woche spielen die nur den gleichen Mist", raunt er und erklärt mit verbitterter Miene: „Eigentlich wollt ich mit meiner Lisbeth über die Feiertage schön zum Baldeneysee hin." Doch daraus wird wohl nix. Denn wie es scheint stehen Schulze und Koslowski einmal mehr unruhige Dienstwochen ins Haus.

Borussia-Bande: Roman - Lukasz, Tele, Mats, Marcel - Moritz, Anführer Sebastian - Mario, Shinji, Kevin - Robert.

Aus dem Hinterhalt: Mitch - Chris, Uwe, Ilkay, Ivan, Kuba, La Pantera.

Hilflose Pferdchen: ter Stegen - Jantschke, Stranzl, Dante, Magen-Darm - Nordveidt, Neustädter - Herrmann, Reus, Arango - Hanke.

Auffe Bank: Abendroth - Brouwers, Rainer Wendt, Zimmermann, Karl Marx, Rupp, Bobadilla, de Camargo.

MalteS, 02.12.2011

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