Spielbericht Jugend

Zum Glück ist es vorbei

14.03.2011, 21:19 Uhr von:  Nicolai
Zum Glück ist es vorbei
Der Gästeblock ist natürlich in der Ecke untergebracht

Wenn Hoffenheim eine Doktorarbeit wäre, müsste man von guttenbergischen Ausmaßen sprechen, anders ist nicht zu beschreiben, was man Jahr für Jahr in der Kraichgauer Provinz ertragen muss. In Sinsheim scheint man mittlerweile sogar unterstreichen zu wollen, dass alles nur ein aufgesetzter Zirkus ist. Doch man sollte am Anfang beginnen. Schon bei der Ankunft an der Open-Air-Disco merkt man, dass man irgendwo im Nirgendwo ist.

Stunden vor Spielbeginn sieht man eigentlich nur Gästefans, vom Heimanhang findet man nur vereinzelte Personen, die um das Stadion herum irren. Nun ist das trostlose Stadionumfeld keine Hoffenheimer Erfindung, selbst traditionsreiche Klubs wie Mönchengladbach und Bayern München können so etwas aufbieten. Auch der 08/15-Arena-Bau kommt einem unangenehm bekannt vor.

Beim Einlass hat man dann die gleichen Probleme, wie bei den anderen Klubs, die gerne ihre knuffige tufftuff freche Art betonen. Portemonnaies mussten geöffnet werden, Protestzettel galten als Brennbar und die „Pyrotechnik legalisieren“-T-Shirts gingen gar nicht. Sehr ätzend wie man Kritik mit dem Hausrecht erdrücken kann und selbst von legitimen Kampagnen in Sinsheim nichts hören und sehen will. Zusätzlich wurden einige jungen Frauen aufgefordert ihre T-Shirts hochzuziehen. Wie sich die Damen quasi auf dem Präsentierteller dabei fühlten, kann sich jeder selber denken.

Kostümultras allez

Das Stadion selber hat von innen nichts Besonderes zu bieten. Schlimm wurde es erst wieder, als das Programm so langsam anzulaufen begann. Beim Intro zum Spiel will man sich wohl keine Blöße geben und hat unterschiedlichste Elemente zusammen geklaubt. Während man „Hell's Bells“ am Millerntor noch kultig finden kann, ist es zwischen Sinsheim und Autobahnauffahrt noch alberner als selbiges in der vorherigen Woche in Trier. Dazu hat man gleich ein ganzes Bataillone an großen Schwenkfahnen auf dem Rasen, die alle geziert werden von dem Sponsor, der hierfür scheinbar in die Tasche gegriffen hat. Erbärmlicher geht es wohl nicht mehr. Währenddessen bietet der Blick in die Heimkurve auch nichts Spannendes, triste Zaunfahnen wechseln sich mit augenscheinlich gedruckten Fahnen ab. Unkreativität hoch drei.

Zu dieser Zeit machte der Gästeblock mit Schmähgesängen in ordentlicher Lautstärke auf sich aufmerksam. Trotz peniblen Ordnungsdienst hatten es dazu noch eine Menge kritischer Zettel in den Block geschafft, die dann auch geschlossen hochgehalten wurden. Wer hier bei den BVB Fans von außen eine Spaltung reinreden will, bekam wieder einmal seine Quittung, der Block beteiligte sich geschlossen an dem zum Teil derben Protest - wir sind eben beim Fussball und nicht beim Damen-Federball.

Zumindest schaffte das Spruchband den Weg ins Stadion

Gleichzeitig bemühte sich die Spitze der Albernheit Mike Diehl, seines Zeichens Stadionsprecher und Fanbeauftragter des Vereins, die Kunden in blau und weiß zu unterhalten. Seine beiden Aufgabenfelder scheint er unter dem Begriff Animateur gebündelt zu interpretieren. Unbestätigten Gerüchten zu Folge soll er früher in der Nordwest-Kurve in Frankfurt die Eintracht nach vorne geschrien haben. Da man dort scheinbar keinen Bedarf an Disko-Pogo-Veranstaltungen hat, wandte er sich, wie so viele der anderen „treuen“ Hoffe-Fans dem Kunstprojekt zu, denn hier kann man seine Peinlichkeiten noch ausleben. Während des Spiels belästigte er Heim- und vor allem Gästefans mit Anfeuerungselementen, deren Wirksamkeit gen Null tendierte. Solch ein Verhalten in Dortmund von Dickel ist zum Glück undenkbar. Nach dem Spiel ließen es sich die "Hoffis" dann nicht nehmen, eine vierzig Mann Humba hinzulegen, wobei man nur Tom Starke hörte, nicht aber die Antwortenden Fans. Den Sensationssieg wollte dann auch nur Mike so recht feiern, denn schon vor dem Abpfiff setzte eine Massenflucht ein, obwohl man gerade den Tabellenführer sportlich schlug, bei fast allen anderen Klubs in dieser Form nahezu undenkbar. Aber jeder Verein bekommt halt die Fans, die er verdient.

Und zahlreiche Protestzettel gegen das Hoppsche Projekt

Das schlimmste an diesem Samstag war allerdings, dass man das ganze Programm auch noch mitbekam. Denn der Gästeblock trat auf, wie die Mannschaft spielte: Lustlos, emtionslos und ideenlos. Man kann es einfach nicht anders sagen, hätten wir in Frankfurt, Hamburg oder vermutlich schon Hannover gespielt, die Heimfans hätten uns an die Wand gesungen. So ein Auftritt ist für Borussen bitter und gegen Hoffenheim ist es doppelt bitter. Zu keiner Zeit näherte man sich den Feuerwerken an, die wir fähig sind, auswärts abzubrennen. Da kann auch nicht die Leistung der Mannschaft, monotone Dauergesänge, andauerndes Fahnengeschwenke oder die vielen Umlandfans als Entschuldigung herhalten. Bis auf die Leistung rund um den Beginn des Spiels, den Anpfiff der zweiten Halbzeit und nach dem Rückstand war der Block in einer unglaublichen Lethargie gefangen. Kaum ein Gesang wurde mal von allen aufgenommen und erst nach dem Rückstand rafften sich der Großteil für wenige Minuten auf. Das war absolut nichts. Fast scheint es, als wenn wir satt sind, trunken von Selbstgefälligkeit nach dieser beispiellosen Saison.

Während Anfang dieser Saison und Ende der vergangene Saison der Block regelmäßig überzukochen schien, muss nun erst Hacke-Spitze-Eins-Zwei-Drei ein Tor fallen, bevor dann ein fast schon routiniertes Feierprogramm abgespult wird. Haben wir noch am 18. Spieltag in Leverkusen Schwerstarbeit geleistet (SPON), war das am Samstag ein passives Reagieren auf den Spielverlauf.

Die Haupttribüne gibt es nur für sogenannte VIPS
Das ist wirklich schade und wird nicht dem gerecht, woher wir kommen und was wir sind. Zur Erinnerung: vor nicht einmal drei Jahren „lachten wir uns noch den Arsch ab“ [tm]. Man braucht jetzt auch keine Stimmungsdiskussion führen, sondern jeder sollte sich bewusst machen, dass wir alle gerade zusammen etwas ganz besonderes erleben, eine Saison, die wir vermutlich so nie wieder erleben werden. Eine Zeit in der wir zusammen etwas Großes erreichen können, etwas, von dem wir zu Saisonanfang kaum zu träumen wagten; wir haben eine Mannschaft, die die Fans mitnimmt und es leicht macht, sich mit ihr zu identifizieren. Dies sollte man nicht jetzt einfach als selbstverständlich ansehen, denn das ist es nicht. Da darf sich die Mannschaft auch mal einen schlechten Tag erlauben, ohne dass wir gleich unseren Enthusiasmus verlieren. Wir haben jetzt schon Unglaubliches erreicht und sollten dementsprechend auftreten. Es sind noch acht Spiele, an deren Ende hoffentlich die siebte deutsche Meisterschaft steht. Allein für diese Chance hat die Mannschaft allen Einsatz von der ersten Minute an verdient.


Die Fotostrecke zum Spiel in Sinsheim gibt es wie gewohnt auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.

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