Spielbericht Profis

Es gibt kein richtiges Leben im falschen

13.08.2011, 20:55 Uhr von:  Redaktion

1-0 in Hoffenheim verlorenVon Jahr zu Jahr wird es schlimmer. Auf irgendeiner Autobahn in the middle of nowhere erscheint hinter einem Hügel eine überdimensionale Petrischale, und es stellt sich sofort das Gefühl ein: Hier bin ich falsch. Ich sollte jetzt in Bochum sein, in Karlsruhe oder von mir aus auch in Frankfurt. Stattdessen also wieder Hoffenheim. Mit dem gesamten bekackten Drum und Dran. Das übliche Vorprogramm mit Fanliedern oder was man dafür hält, ein Publikum, das so auch in die Oper oder ins Kabarett gehen könnte, und als Krönung ein Stadionsprecher, der seine künstliche Leidenschaft für echte Emotionen hält oder zumindest so tut. Neuester Clou: Wann immer der Gästeblock Gesänge anstimmt, die auf eine bestimmte lokale Bordsteinschwalbe verweisen oder auch sonst dem Typ am Mischpult missfallen, werden Brunftgeräusche lokalen Rotwilds eingespielt, um das unerhörte Treiben zu unterbinden. Klappt natürlich nicht und macht die Gesänge letztlich nur notwendiger. Dieser Verein gehört so schnell wie möglich zurück in die Versenkung, und man kann sich nur wünschen, dass ein jeder Gästeblock auch in Zukunft für dieses Schauspiel den würdigen Rahmen findet: Mit der passenden Lautstärke zu An- und Abpfiff. Egal, wie es ausgegangen sein mag.

Protest gegen das ProjektWomit wir beim Geschehen auf dem Platz angelangt wären, das sich heute mit der einfachen Formel zusammenfassen lässt: Völlig zurecht verloren. Auch weil man in allen Belangen nicht an die Leistung der Vorwoche gegen den HSV herangekommen ist: Vergleichsweise wenig Laufbereitschaft (insbesondere im zentralen Mittelfeld), überraschend viele einfache Fehlpässe und über weite Strecken eine selten gesehene Zweikampfschwäche. Gerade letztere wusste die Kraichgauer Jugend (auch heute wieder mit elf Spielern aus der eigenen Talentschmiede auf dem Platz) in der Anfangsphase zu nutzen und ließ mehreren Ballgewinnen im Mittelfeld schnelle Angriffe auf das Dortmunder Tor folgen. Bereits nach wenigen Minuten überraschte Fermino (der bereits in den späten Neunzigern aus Heidelberg für die Jugend der TSG gewonnen werden konnte) Weidenfeller mit einem Weitschuss aus 25 Metern, der von der Unterkante der Latte zurück ins Feld sprang, und nachdem Gündogan nach sieben Minuten mit einem ungestümen Einsatz im Halbfeld für einen Freistoß der Gastgeber sorgte, sollte bereits das Tor des Tages fallen: Sejad Salihovic, noch von Hansi Flick für die A-Jugend der TSG entdeckt, knallte den Ball in den Winkel der langen Ecke und ließ den Keeper in schwatzgelb alt aussehen, der auf eine Flanke spekuliert hatte. Ein Auftakt für die Toilette, wie sich später ja auch bewahrheiten sollte. (Trotzdem schwer zu fassen, dass man sich derart von einer Mannschaft übertölpeln lässt, von der man weiß, dass man sich offensiv schwer gegen sie tut.)

Unschöne Szenen: 1-0 für HoppNach dem Tor ließen sich die Gastgeber zurückfallen und überließen dem BVB die Initiative. Dabei blieb erstaunlich vieles Stückwerk, da gerade die Schaltzentrale im Mittelfeld einen rabenschwarzen Tag erwischt hatte. Ilkay Gündogan fiel vor allem durch zum Teil haarsträubende Fehlpässe auf (die zum Teil aber auch der generellen Dortmunder Laufschwäche geschuldet waren bzw. dem intelligenten Verschieben der Hoffenheimer, die über die gesamte Spielzeit die Räume im Mittelfeld eng zu machen verstanden), Shinji Kagawa schien seine Spritzigkeit im Flugzeug nach Japan und zurück verloren zu haben, und auch Mario Götze blieb weit hinter seinem Können zurück, auch wenn die wenigen guten Aktionen in der ersten Halbzeit vor allem auf seinen Geistesblitzen beruhten. Neben einem Torschuss von Kevin Großkreutz, den Torwart Starke (der bereits als F-Jugendlicher die TSG Hoffenheim als absoluten Traumverein genannt hatte) parieren konnte, ist dabei aber nur eine gute Schussmöglichkeit für Shinji Kagawa zu nennen, der jedoch dem schnellen Abschluss einen weiteren Haken im Sechzehner vorzog. Wie so oft heute. Einziger echter Aufreger vor der Pause war ein Zweikampf zwischen 1899-Urgestein Isaac Vorsah und Kagawa, in dem der kleine Japaner zu Boden ging, der wohl fällige Elfmeterpfiff aber ausblieb.

Bester Borusse: Lukasz PiszczekAuch nach der Halbzeit änderte sich wenig am Bild. Der BVB grundsätzlich feldüberlegen, aber wenig kreativ im Spiel nach vorn. Daran änderten die beiden früh in der zweiten Hälfte vorgenommenen Wechsel nur in den ersten paar Minuten etwas, als Kuba (für Götze ins Spiel gekommen) des öfteren über die rechte Seite für Schwung sorgen konnte und auch Neuzugang Perisic seine Torgefahr aufblitzen ließ. Sein Kopfball nach einer Ecke des erneut ordentlichen Chris Löwe landete jedoch nur am Querbalken. Auf diese Drangphase folgten jedoch ernüchternde 25 Minuten, in denen vor allem Hoffenheim in der Offensive auffiel, auch wenn abgesehen von einem Konter keine nennenswerten Aktionen zu verzeichnen waren. In der Schlussphase drängte der BVB dann wieder vehementer auf den Ausgleich, jedoch sprangen kaum zwingende Torchancen dabei heraus, so dass es letztlich beim 1:0 für Hoffenheim blieb. In der Summe ein sicher nicht unverdienter Heimsieg, der einige Fragezeichen im Dortmunder Fanlager zurücklassen dürfte. Optimistisch stimmt dabei eigentlich nur, dass Jürgen Klopp offenbar um die Schwächen seiner Mannschaft weiß (gerade auch vor dem Hintergrund seiner Aussagen nach dem Saisonauftakt gegen Hamburg) und dass man auch ohne Siege gegen Hoffenheim eine gute Saison spielen kann.

Noten

Weidenfeller und HummelsWeidenfeller: Wenig geprüft. Der einzige Schuss, der im Prinzip gefährlich aufs Tor kam, war drin. Und dabei sah er nicht gut aus. Note: 4.

Piszczek: Defensiv grundsätzlich sicher, nach vorn mit den üblichen guten Aktionen. An ihm lag es heute nicht. Note: 3.

Santana: Hatte nicht seinen besten Tag erwischt. Defensiv letztlich noch okay, im Spielaufbau (Fehlpässe, vertändelte Bälle) mitunter aber auch richtig schlecht. Note: 4,5.

Hummels: Zwar besser als Santana, aber auch weit von seiner üblichen Form entfernt. Wenig von seinen Qualitäten im Spielaufbau zu sehen. Note: 4.

Löwe: Nicht immer sicher in der Defensive, wurde des öfteren von seinem Gegenspieler überlaufen. Hätte offensiv aber durchaus häufiger angespielt werden können. Note: 4.

Gündogan: Totalausfall. Unnötige Ballverluste, viele Fehlpässe, kaum Esprit. Note: 5.

Gewohnt zweikampfstark, offensiv aber auch ohne Impulse. Note: 3.Bender: Gewohnt zweikampfstark, offensiv aber auch ohne Impulse. Note: 3.

Götze: Wenn in der ersten Halbzeit was nach vorn lief, dann über ihn. War aber auch nicht viel. Scheiß Länderspiele unter der Woche. Note: 3,5.

Kagawa: Dito. Die fehlende Spritzigkeit lässt sich zu 100% mit dem Länderspiel erklären, die Müdigkeit wahrscheinlich auch. Dennoch wohl sein schlechtester Auftritt für den BVB. Note: 4,5.

Großkreutz: Kämpferisch wie immer tadellos, zumindest in der ersten Halbzeit auch noch auffällig im Spiel nach vorn. Auf der Sechs völlige Fehlbesetzung. Note: 4,5.

Lewandowski: Vorn die ärmste Sau. Konnte trotzdem einige wichtige Zweikämpfe gewinnen und so Torchancen einleiten. Note: 3,5.

Kuba: Brachte direkt nach der Einwechslung und kurz vor Schluss Schwung ins Offensivspiel und war trotzdem 30 Minuten nicht zu sehen. Note 3,5.

Perisic: Wollte zuviel, wenn flach angespielt. In der Luft auffälliger: Schlechter Kopfball nach Kubas Flanke, schöner Kopfball nach Löwes Ecke. Note: 3,5.

Zidan: Fiel nur einmal auf, und dann negativ. War quasi schon frei durch und machte das Spiel dann langsam. Note: 4,5.

Statistik

TSG Hoffenheim: Starke - Beck, Vorsah, Compper, Braafheid - Rudy, Salihovic (Mlapa, 62.) - Johnson (Schipplock, 69.), Firmino (Kaiser, 81.), Obasi - Babel

Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Santana, Hummels, Löwe - Gündogan (Perisic, 56.), Bender - Götze (Kuba, 54.), Kagawa (Zidan, 75.), Großkreutz - Lewandowski

Tore: 1:0 Salihovic (9., direkter Freistoß)

Schiedsrichter: Aytekin (Note 4 - komische Gelbe Karten und ein ausgebliebender Elfmeterpfiff)

Scherben/Spekka, 13.08.2011

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