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Rollo und ich

09.06.2011, 23:14 Uhr von:  Redaktion

RolloNach einer so grandiosen Saison ist es auch für die schwatzgelb-Redakteure an der Zeit, einen Rückblick auf die letzte Spielzeit zu wagen. Was erleben wir eigentlich so auf unseren nervenaufreibenden und brandgefährlichen Einsätzen im Dienste des BVB und seiner Fans? Lest hier, was unser Redakteur Malte so alles beim Skandalspiel in Sevilla erlebt hat.

Sevilla - die Stadt der berühmten Giralda, des Plaza de Espana, schöner Frauen und missratener Balljungen. Während im Dezember 2010 Deutschland im Schneechaos versinkt, kündigt sich eine Auswärtstour im mediterranen Klima an. Unser glorreicher Ballspielverein und seine Anhänger hatten es sich zum Ziel gesetzt, drei Punkte im Estadio Pizjuan zu entführen. Ich hatte als Abgesandter für das wohl kompetenteste, seriöseste und beliebteste Sportmedium unserer Zeit - schwatzgelb.de - das Vergnügen, in den BVB-Pressetross einzutauchen, um den wirklich wichtigen und brisanten Fragen nachzugehen: Wechselt Barrios wirklich zu Real Madrid? Wie geht es Mario Götzes rechter Bizepssehne? Und schmecken die Brötchen im Presseraum dort wirklich so gut wie bei den Amateuren in der Stadiongaststätte Rote Erde?

Das Spiel selbst ist recht schnell erzählt: Eingerahmt zwischen zwei japanischen Journalisten und mehreren Hostessen, die in Deutschland wohl jede Miss-Wahl gewinnen würden, sah ich wie ausgerechnet Kagawa früh die Führung erzielen sollte. Eine Reihe über den berüchtigten Sevilla-Opa-Hooligans mit Regenschirmen gab ich mutig meine nur scheinbare und vorgegebene Neutralität, die zudem noch von mehreren Cervezas über den Tag verteilt stark beeinträchtigt war, frühzeitig auf und umarmte den japanischen Kollegen zu meiner Linken, der sich ob meiner Anwallungen jedoch nicht irritieren ließ und weiter so konzentriert blieb, als ob er gleich den Drachensee bei "Takeshi's Castle" überqueren müsse. Auch mein Wangenknutscher bei der attraktiven japanischen Kollegin zu meiner Rechten wurde japanisch-höflich und duldsam lediglich mit einem netten Lächeln beantwortet. Tepco lässt grüßen...

Leider sollte es bei dieser fernöstlichen Euphorie nicht bleiben. Mit einem Doppelschlag antworteten die Spananier und gingen mit einem 2:1 in die Halbzeit. Subotic gelang später nur noch der Ausgleich, ehe sich ein Schauspiel entwickeln sollte, wo selbst jede Oscar-Darbietung gegen verblassen würde. Minutenlange Verletzungspausen, bis zu drei Bällen gleichzeitig auf dem Feld und ein russischer Schiedsrichter, der keine Anstalten machte, diese andalusischen Hofschauspieler in die Schranken zu weisen. Pedro Almodovar, der spanische Star-Regisseur, kann einpacken. Mats Hummels meinte später, dass der Unparteiische alle Proteste unserer Borussen dazu lediglich auf Russisch erwidern sollte. Trotz des unglücklichen Ausgangs irgendwie auch eine ganz lustige Vorstellung...

Der absolute Höhepunkt der gesamten Sevilla-Woche, der jede Sehenswürdigkeit inklusive Spiel, in den Hintergrund drängte, sollte sich für mich jedoch in der Halbzeitpause darstellen. Mit hungrigem Magen machte ich mich in der Halbzeit auf, um eine Art Presseraum mit etwas Essbarem zu finden. Ein hoffnungsloses Unterfangen! Ich irrte mit meiner Pressekarte durch diverse Katakomben, stand plötzlich vor dem da noch verletzten Mohamed Zidan am Spielertunnel und versuchte irgendwie, zurück zu meinen Plätzen zu finden. Der Schiri würde sicher gleich zur zweiten Halbzeit anpfeifen, dachte ich mir angsterfüllt. Doch vorher suchte ich in einem abgelegenen Treppenhaus noch schnell eine Toilette auf, die diesen Namen nur pro forma verdient haben sollte.

So stand ich an einem der beiden Pissoirs und ließ die diversen Biere und Schnäpse des Tages Paroli laufen. Plötzlich merkte ich wie sich am rechten Pissoir noch kurz vor Beginn der zweiten Halbzeit eine Gestalt daran machte, es mir gleich zu tun. Ich verspürte jedoch wenig Lust, einem arroganten Spanier ob deren 2:1-Halbzeitführung in die Augen zu schauen. Doch nach einigen Sekunden wagte ich schließlich einen Blick. Einen Blick, der weit nach oben ging. Ich erblickte den Mann, der wohl in dieser besagten Woche alle Rotwein-Vorräte Sevillas alleine vernichtet hat, einen Mann, der sicherlich die größte - Achtung Anglizismen! - Field-Reporter-Legende Deutschlands ist. Den Mann, der von seinen beneidenswerten Eltern nach einem mindestens genauso legendären schwatzgelb.de-Forumsuser benannt worden ist: Rolf "Rollo" Fuhrmann.

Ich verehre diesen Mann seit meiner Jugend. Seit er eine eigentlich zu vernachlässigende Stadt und mit ihr Tausende von Anhängern an den Bildschirmen so sehr verarscht hat wie es ein Stefan Raab oder Oliver Pocher in ihren mittelmäßigen Einspielfilmen nie besser hätten machen können. Sollte ich ausgerechnet in diesem südlichen Teil Europas plötzlich die Möglichkeit bekommen, meinem großen Idol eine Frage zu stellen oder ihm meine Bewunderung kundzutun? Ich schwelgte in Erinnerungen, wägte ab und spürte Schmetterlinge im Bauch wie ein pubertierender Siebtklässler. Ich vergaß alles um mich herum. Bestimmt war der BVB bereits in der nächsten Runde und ich würde immer noch hier Wurzeln schlagen. Die Sekunden zogen sich endlos in die Länge, doch selbst ein Rollo Fuhrmann hat irgendwann einmal sein Alkoholpensum des Tages entleert und machte sich auf in den Vorraum. Wehmütig schaute ich ihm nach und war enttäuscht von mir selbst, ihn nicht angesprochen zu haben. So blieben in der Erinnerung nur diese schönen Momente mit Rollo am Pissoir und die Erkenntnis:

Ein Rollo Fuhrmann hat es danach nicht nötig, sich die Hände zu waschen!

MalteD, 09.06.2011

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