Helden in schwatzgelb

We have a grandios Goalkeeper

01.06.2011, 19:09 Uhr von:  Web

Leider musste auch die vielleicht beste BVB-Saison aller Zeiten irgendwann einmal zu Ende gehen. Aber diese Mannschaft hat uns mit ihrem Vollgasfußball, gespielt von jungen, sympathischen Spielern, die sich in einem ungewöhnlich hohen Maße mit der Borussia identifizieren, derart begeistert, dass wir sie ohne Ausnahme zu Helden in Schwarzgelb erklären möchten. Denn egal was die Zukunft bringt, jeder von ihnen hat sich in dieser Saison Legendenstatus erarbeitet. Heute startet unsere tägliche Serie mit einem Porträt unserer Nummer 1 Roman Weidenfeller.

Weide präsentiert die Schale

Er ist einer der wenigen alten Säcke in dieser Meistermannschaft der jungen Hüpfer und auch der Umstand, dass er nicht in das Klischeebild von Schwiegermamas Liebling passen will, unterscheidet ihn von den meisten seiner Teamkollegen. Aber auch seine Leistungen auf dem Platz machen ihn zu einem der Hauptverantwortlichen für den überraschenden Dortmunder Titelgewinn.

Roman Weidenfeller hat eindeutig eine große Entwicklung durchlaufen in seiner Zeit beim BVB. Eine Entwicklung, die ihn zu einem der besten seiner Zunft werden ließ.

Banner am Borsig

„We have a grandios Saison gespielt.“ Das Zitat wird hängen bleiben, denn es steht sinnbildlich für diese Deutsche Meisterschaft. Roman Weidenfellers Esperanto-Interview mit einem ebenso polyglotten Reporter von Dubai TV hat längst Kultstatus erreicht. Für den Meisterkorso hatten Fans den Spruch auf ein Transparent gemalt und an ein Haus am Borsigplatz gehängt. Als der LKW mit der Mannschaft seine Ehrenrunde drehte, fiel das Transparent einigen Spielern auf, die auch Weidenfeller darauf aufmerksam machten. Roman freute sich sichtlich, bestieg das Dach des Trucks und zeigte auf das Transparent, um seine Dankbarkeit zu bekunden.

Weide präsentiert die Schale

Diese Szene vom Sonntag dokumentierte eindrucksvoll die persönliche Entwicklung, die Roman Weidenfeller in den letzten Jahren durchlaufen hat. Wo er in seinen frühen Jahren in Dortmund noch überehrgeizig und verbissen wirkte, scheint er inzwischen mehr in sich selbst zu ruhen, so dass er sogar über sich lachen kann. Ein Grund dafür ist sicher, dass er inzwischen die unumstrittene Nummer Eins im Tor der Borussen ist und seine Qualitäten nur noch von sehr wenigen Unverbesserlichen in Frage gestellt werden. Man sieht in ihm eher einen Kandidaten für die Nationalelf, der bei Jogi Löw nur deshalb nicht zum Zuge kommt, weil es in Deutschland so viele talentierte Torhüter gibt, die ein paar Jährchen jünger sind.

Denn wenn man nur die sportlichen Leistungen zugrunde legen würde gibt es eigentlich kein Argument, dass gegen eine Nominierung Weidenfellers sprechen würde. Zum wiederholten Mal wurde er vom DSF (oder nennt sich der Ball&Busen Sender heute anders?) mit der „weißen Weste“ ausgezeichnet, wobei die Zahl der Gegentore das entscheidende Kriterium ist. Es geht ja angesichts der zahlreichen Vollgasveranstaltungen des BVB mit rasend schnellem Offensivfußball oft etwas unter, dass die Basis des Erfolgs unter Jürgen Klopp die grundsolide Abwehrarbeit ist. Ganze 22 Gegentore musste die Borussia in der letzten Bundesligasaison hinnehmen und damit unglaubliche 17 weniger als die in dieser Statistik zweitplatzierten Mainzer.

Weide jubelt in Köln

Na klar, Abwehrarbeit fängt bei den Stürmern an und die niedrige Gegentorquote ist ein Verdienst des Einsatzes der gesamten Mannschaft. Und mit der jungen Innenverteidigung Hummels, Subotic (Santana) hat Weidenfeller ein respektables Bollwerk vor sich stehen. Doch dies sollte die Verdienste des Torwarts nicht übertünchen. Denn neben seiner offensichtlichen Persönlichkeitsentwicklung hat Weidenfeller auch sportlich ein neues Niveau erreicht, wenn er auch leider den Allzeitrekord von Oliver Kahn letztlich knapp verpasste. Er galt ja als junger Torwart bereits als einer der stärksten im Land wegen seiner unglaublichen Reflexe auf der Linie. Doch zwischenzeitlich wurde der Fokus vermehrt auf seine Schwächen in der Strafraumbeherrschung und bei der Spieleröffnung gelegt. Er galt als unmoderner Torwart aus der überholten Gerry-Ehrmann-Schule. Inzwischen hat er aber zusammen mit Teddy de Beer hart an diesen Schwächen gearbeitet.

Wo seine Abschläge früher häufig mit großer Streubreite weit ins Feld geschlagen wurden und zumeist nur einen Gegenspieler erreichten oder gar direkt ins Seitenaus flogen, variiert er in der Spieleröffnung inzwischen deutlich mehr und streut auch gerne einen präzisen Abwurf oder Flachpass ein. Insgesamt scheinen sich seine fußballerischen Fähigkeiten wesentlich verbessert zu haben. Musste man früher bei jedem Rückpass den Atem anhalten, so zeigte er in der letzten Zeit, dass er auch in der Lage ist, unpräzise Anspiele seiner Vordermänner souverän zu verarbeiten.

Weide und Kevin bejubeln die Meisterschaft

Auch seine Strafraumbeherrschung hat er deutlich steigern können. Weidenfeller wird zwar wohl nie mehr einer dieser angeblich modernen Torhüter, die ihren Job als zusätzlicher Abwehrspieler weit vor dem eigenen Kasten versehen. Doch das wissen auch seine Mitspieler und positionieren sich entsprechend. Bei hohen Flanken in seinen Strafraum wirkt Weidenfeller inzwischen viel sicherer als früher und er trifft meist die richtige Wahl, wenn es darum geht, raus zu kommen oder auf der Linie zu bleiben.

Aber seinen größten Beitrag zur Meisterschaft hat Roman Weidenfeller wohl nicht durch seine überzeugenden sportlichen Darbietungen auf dem Platz geleistet, sondern indem er den Jungspunden um ihn herum seinen unbedingten Siegeswillen und seine positive Verrücktheit vorgelebt hat. Viele Mitglieder dieser Meistermannschaft wirken oft ein wenig brav und dieses nette Auftreten steht dann manchmal dem sportlichen Erfolg eher im Weg.

Ein Beispiel dafür lieferte das Heimspiel gegen Mainz, als die unfairen Mainzelmännchen den Ausgleich erzielten, während Subotic verletzt im Strafraum lag. Da hätte man sich einen Drecksack gewünscht, der Risse mit allen Mitteln am Flanken hindert. Der einzige Vertreter dieser Kategorie in unserem Kader neben dem dauerverletzten Kapitän Kehl ist sein Stellvertreter im Tor (Bender kann mal einer werden, wenn er seine Musterschülerattitüde ein wenig ablegt).

Weide jubelt in Köln
Diese besondere charakterliche Qualität demonstrierte Weidenfeller vielleicht am deutlichsten nach dem Siegtreffer in der Nachspielzeit durch Nuri Sahin in Köln. Wie von der Tarantel gestochen spurtete Weidenfeller zur Mittellinie und schien dabei eine Verwandlung zum Hulk zu durchlaufen. Er wurde immer größer und größer und sein Gesicht entmenschte sich zusehends zu einer verzerrten Fratze. Wahrscheinlich war es dieser Moment, den Jürgen Klopp im Kopf hatte, als er im Interview mit Zeigler davon sprach, sich den Torwart öfter schön trinken zu müssen.


Aber im Unterschied zu seiner Anfangszeit bringt Roman Weidenfeller diese gewisse Verrücktheit stets zum Nutzen seiner Mannschaft ein und überschreitet nicht mehr die Grenze zum Destruktiven. Darin ähnelt er übrigens seinem Trainer sehr. Daher ist unser grandioser Torwart auch völlig zu Recht der Kapitän dieser grandiosen Truppe und es stand außer Frage, dass ihm die Ehre gebührte, die Schale aus den Händen von DFL und BVB Präsident Rauball entgegen zu nehmen.

Thank you for a grandios Saison, Roman!

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