Warmlaufen

Von Daedalus und Ikarus

17.04.2010, 00:00 Uhr von:  Scherben
Von Daedalus und Ikarus
Im Hinspiel gab es eine Menge zu jubeln

Zu den angenehmen Begleiterscheinungen dieser Spielzeit gehört die fortschreitende Entzauberung unseres kommenden Gegners aus Hoffenheim. Konnte man am Anfang der Saison noch die Befürchtung haben, dass der Club den aus seiner Sicht enttäuschenden Verlauf der vergangenen Rückrunde weggesteckt haben könnte, so wird man spätestens seit den Querelen der letzten Wochen das Gefühl nicht los, dass von dem einstigen Wunderteam aus dem Kraichgau nicht mehr als ein Trümmerhaufen verzogener Jungprofis übrig geblieben ist.

Insbesondere die sportliche Bilanz in der Rückserie ist erschreckend: Zwei mageren Siegen gegen die Abstiegskandidaten aus Berlin und Hannover stehen bereits acht Niederlagen gegenüber, und gerade die 0:2-Heimpleite vom vergangenen Wochenende gegen den zuletzt wahrlich nicht überragenden 1. FC Köln bedeutete einen neuen Tiefpunkt für die TSG. Ein Absturz, der Erinnerungen an zwei tragische Gestalten der griechischen Mythologie weckt:

Die Sage und ihre moderne Version

Daedalus, der inzwischen die Insel Kreta und die lange Verbannung hasste, und der berührt war von der Liebe zu seinem Geburtsort, war durch das Meer eingesperrt.

Protest gegen Hopp im Hinspiel

Fürwahr, es waren dunkle Tage im Kraichgau. Was Dietmar H. in seinem Leben auch berührt hatte, es ward im Nu blankes Gold. Und doch blieben ihm und seinem Heimatdorf die Lorbeerkränze verwehrt, die sie doch schon so lang verdient hatten. Dabei musste es doch einen Weg geben, ihm selbst und den heimatlichen Gefilden ewigen Ruhm (oder zumindest endlich den gebührenden Platz auf der Deutschlandkarte) zu verschaffen! Eine List musste also her.

"Mag er Länder und Meere versperren; aber der Himmel steht sicher offen. Wir werden dort gehen Mag er auch alles besitzen, die Luft besitzt Minos nicht."

Ein genialischer Plan: Dietmar H. und sein Sohn TSG nutzen den Erfolg im sportlichem Wettkampf, um so die Gunst des Publikums zu erheischen und damit der Provinz zu entfliehen! Das Projekt nimmt Gestalt an: "Komme zu mir, o Jugend des Kraichgaus! Ich werde mich deiner annehmen und aus dir die besten Athleten des Landes formen! Möge der Glanz Hoffenheims eines fernen Tages in der Bundesliga erstrahlen, auf dass der Name meines Heimatkaffs auf ewig gerufen werde! Auf zu großen Taten unter meiner Führung!"

Dede darf endlich wieder ran

"Ich ermahne dich, Ikarus, dich auf mittlerer Bahn zu halten, damit nicht, wenn du zu tief gehst, die Wellen die Federn beschweren, und wenn du zu hoch fliegst, das Feuer sie versengt. Zwischen beiden fliege! Ich befehle dir auch, nicht den Bärenhüter, den Großen Wagen oder das gezückte Schwert des Orion anzuschauen. Nimm deinen Weg unter meiner Führung."

"Halte Maß, Jugend des Kraichgau! Vor dir liegt ein beschwerlicher Weg, den wir ganz ohne Anhängerschaft und nur mit unserer eigenen Kraft und Standfestigkeit (und etwas schnödem Mammon meinerseits) bestreiten werden können! Und wenn das nach fünf langweiligen Jahren in der Regionalliga nicht reichen sollte, dann packe ich eben die große Schatulle aus und hole noch das ein oder anderen Talent aus der weiteren Region dazu. Nigeria etwa. Oder Brasilien. Aber halte Maß, Jugend des Kraichgau, und übereile nichts!"

"Und schon war auf der linken Seite das der Juno heilige Samosund und auf der rechten Seite Lebinthos und das an Honig reiche Kalymne, als der Knabe begann, sich am kühnen Flug zu erfreuen, sich von seinem Führer trennte und, angezogen durch die Begierde nach dem Himmel, einen höheren Weg nahm."

Bender spielt den Kehlersatz

Schön war die Zeit im Jahr des Herrn 2008, und es waren herrliche Tage in Hoffenheim! Der Platz auf der Deutschlandkarte war nach dem fulminanten Durchmarsch der multinationalen Lokalauswahl bereits gesichert, es nahten höhere Ziele: Möge Europa, der Liebling des Zeus, von der Existenz des Kraichgau und seiner tapferen Bewohner erfahren! Berauscht von der eigenen Bilanz und den Lobliedern der unzähligen Bewunderer, die das Dorf auf seinem Siegeszug zu begleiten begannen, wurde der Traum einer neuen Ära gelebt. Vergessen waren die mahnenden Worte des großen Dietmar H. im Hintergrund: "O Jugend des Kraichgau, halte Maß!"

Die Nähe der glühenden Sonne machte das duftende Wachs, das Band der Federn, weich. Das Wachs war geschmolzen. Jener schwingt die nackten Arme, und da er keinen Flugapparat mehr hat, bekommt er keine Luft zu fassen, und sein Mund, der den väterlichen Namen ruft, wird durch das blaue Wasser aufgenommen.

Die Nähe zum Licht hatte der Jugend des Kraichgau den Blick für die Umgebung geöffnet. Die Gunst des gütigen Vaters verschmähend werden die Leiber nicht mehr in den Arenen des heimatlichen Dorfs gestählt, sondern nach 0:4-Pleiten in Wolfsburg in Heidelberger Discotheken zur Schau gestellt, auf dass wenn schon nicht Europa, so doch wenigstens die lokalen Schönheiten die Anmut der Hoffenheimer Thekentruppe erkennen! Kein Wunder, dass man dann am nächsten Morgen dann auch nicht pünktlich zur Leibesertüchtigung erscheinen kann, sondern sich lieber noch einmal umdreht. Oder andere Gottheiten zeugt.

Barrios könnte eigentlich mal wieder treffen

Und der unglückliche Vater – nun schon nicht mehr Vater – rief: "Ikarus! Wo bist du? In welcher Gegend soll ich dich suchen? - Ikarus!" wollte er noch einmal rufen. Da erblickte er die Federn in den Wellen, und er verfluchte seine Künste und barg den Körper in einem Grab; und die Erde wurde nach dem Namen des Bestatteten benannt."

Ganz so schlimm muss es am Sonntag dann ja doch nicht kommen, auch wenn in Hoffenheim wahrscheinlich sowieso schon so ziemlich jeder Flecken Asphalt nach dem großen Dietmar H. und seinem Sohn benannt ist. Sportlich ist es in dieser Saison jedenfalls nur der Schwäche der Konkurrenz zu verdanken, dass der Boden der Tatsachen für die Jugend des Kraichgau nicht aus der Ägäis, sondern nur aus dem (leider immer noch relativ sicheren) Mittelfeld der Bundesliga besteht. Aber das kann ja noch werden. Auf geht's, Dortmunder Jungs!

Die Daten zum Spiel

Die Himmelsstürmer aus Westfalen: Weidenfeller - Owomoyela, Subotic, Hummels, Dede - Sahin, Bender - Großkreutz, Zidan, Kuba - Barrios.

Mit an Bord: Ziegler - Santana, Koch - Hajnal, Feulner - Valdez, Rangelov

Der Flügellahmen aus dem Kraichgau: Haas - Beck, Gulde, Simunic, Eichner - Weis, Luis Gustavo, Vukcevic - Carlos Eduardo, Ibisevic, Obasi

Der verschlafene Rest: Grahl - Compper, Ibertsberger - Salihovic, Zuculini - Maicosuel, Tagoe

In der Rolle des Minotaurus: Wolfgang Stark - Jan-Hendrik Salver, Mike Pickel - Norbert Grudzinski

mit freundlicher Unterstützung von Ovid

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