Warmlaufen

Von Beruf Sohn

24.10.2010, 05:09 Uhr von:  Redaktion

Irgendwann zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem unbedeutenden Sprengsel im Kraichgau: Der kleine Didi sitzt mal wieder missmutig im Sandkasten. Niemand will mit ihm spielen. Dabei kauft ihm seine im ganzen Dorf beliebte Mama doch immer das neueste Spielzeug. So muss er seine Zinnsoldaten mal wieder alleine aufstellen.

„Dabei bin ich doch in Mathe immer der Beste der Klasse und trotzdem beschießen mich die Lümmel immer mit ihren Spuckrohren, wenn die Lehrerin nicht hinsieht“ denkt sich klein Didi und versteht die Welt nicht mehr. „Aber Mama hat beruflichen Erfolg, jede Menge Geld und alle Männer im Dorf mögen sie und sind nett zu ihr. Das schaffe ich auch! Wenn ich groß bin, zeige ich allen hier, was für ein toller Hecht ich bin. Dann müssen sie nach meiner Pfeife tanzen.“ So grübelt er alleine vor sich hin und schmiedet in seinem kleinen Kopf große Pläne.

„DIDI KOMM REIN – ESSEN IST FERTIG“
„Ja Mama“
„Und wasch dir die Finger, du hast wieder im Dreck gespielt.“
„Stimmt doch gar nicht...“
„Marsch ins Badezimmer und schön schrubben. Ich will keine Dreckränder unter den Nägeln sehen wenn Du am Tisch sitzt.“
„Ja Mama“

Endlich sitzt man am Tisch zusammen und der Eintopf wird verteilt. Doch klein Didi stochert nur in seinem Essen herum und scheint keinen rechten Appetit zu haben. „Was ist denn los mein Kleiner, du musst doch deinen Teller leer essen, damit du einmal groß und stark wirst.“ Doch Didi schaut weiter betrübt auf sein Essen. „Magst du Mamas Eintopf nicht mehr? Der hat dir doch sonst immer so gut geschmeckt...“ Schließlich bricht es aus Didi heraus und er vertraut sich seiner Mutter an: „Keiner will mit mir spielen. Die anderen Jungs hänseln mich nur und spielen mir üble Streiche“ gesteht er unter Tränen. „Oh mein armer kleiner Didi, da brauchst du doch nicht weinen. Lass Mutti das mal machen. Heute Nacht kommt der Präsident vom Sportverein zu Besuch. Mit dem Rede ich mal. Der ist ein mächtiger Mann und kann dafür sorgen, dass du in die Mannschaft aufgenommen wirst. Dann müssen die anderen Jungs dich mitspielen lassen.“

Gesagt, getan. Nach ein wenig Überzeugungsarbeit war der Präsident gerne bereit, den Didi in die Mannschaft aufzunehmen. Auch der Trainer kann überzeugt werden, dass in Didi verborgene Talente schlummern. Er stellt ihn immer als Stürmer auf, nachdem er mal im Hause Hopp zu Muttis Spezialitäten eingeladen wurde. „Mutti ist die Beste“ denkt sich Didi „ihr Eintopf schmeckt wirklich jedermann.“
Doch die anderen Jungs in der Mannschaft sind leider nicht so leicht zu überzeugen. Sie schneiden Didi weiterhin und spielen ihn nicht an. Stattdessen geben sie immer dem Seyffert-Heini den Ball, obwohl der doch viel jünger und schmächtiger als Didi ist und Geld haben die Seyfferts auch keines. „Eines Tages werd ich mich rächen“ denkt sich der Didi „dann werde ich hier im Verein das Ruder übernehmen und der Heini darf dann höchstens noch die dreckigen Trikots waschen...“

Doch auch die trostloseste Kindheit in der Provinz geht einmal zu Ende und weil der Didi immer brav seinen Eintopf aufgegessen hat, ist er irgendwann doch mächtig groß geworden. Er ist dann in die weite Welt hinaus gegangen, um in Karlsruhe seinen Ingenieur zu machen. Dort traf er auf ein paar weitere ausgestoßene Rechenkünstler, die etwas zu beweisen hatten und gemeinsam sind sie reich geworden.

„Jetzt ist meine Zeit gekommen“ denkt Dietmar sich „in der Heimat werden sie staunen, was aus mir geworden ist.“ Also macht er sich auf den Weg zurück ins Kraichgau. Er zieht seinen schicksten Anzug an und setzt sich in sein dickes Auto, um alle im Dorf so richtig zu beeindrucken.

Als er auf dem Dorfplatz ankommt, sieht er ein paar Männer in seinem Alter, ehemalige Klassenkameraden von ihm. Er parkt seine Karosse direkt neben der Gruppe und fährt die getönte Seitenscheibe herunter. „Na da staunt ihr, was?“ grinst er seine ehemaligen Peiniger an, doch die schauen sich nur verständnislos an. „Wer ist denn der Großkotz und was will der hier auf unserem Dorf?“ fragt einer den anderen. Doch plötzlich blitzt in einem der Gesichter die Erkenntnis auf. „Mensch das ist doch der Bankert von der ollen Hopp! Der keinen Möbelwagen aus drei Metern getroffen hat und trotzdem immer aufgestellt wurde.“ Jetzt ist das Gelächter auf dem Dorfplatz groß. „Jaja die olle Hopp, das war ne Marke...“ Man schwelgt in Erinnerungen und merkt überhaupt nicht, dass Dietmar inzwischen das Gaspedal durchgetreten hat und davon braust.

Nächster Halt der Dorfsportplatz, der inzwischen doch einen ziemlich verfallenen Eindruck macht. Dietmar parkt vor dem alten Baucontainer, in dem das Vereinsbüro untergebracht ist. „Hier wird man mich respektieren, schließlich habe ich lange Jahre meine Knochen für den Verein hingehalten.“ Als er gerade aus dem Auto steigt, sieht er wie der Vereinspräsident, alt und gramgebeugt aus dem Container tritt. „Hallo Herr Präsident, ich bin´s der Dietmar.“ Der Alte mustert ihn von oben bis unten. „Kennen wir uns?“ stößt er mürrisch hervor, „ich kaufe nichts an der Tür. Außerdem sehen sie doch selbst, dass hier nichts zu holen ist.“ „Nein, nein ich will nichts verkaufen“ lacht Dietmar „ich war hier früher Stürmer.“ Doch der Alte scheint ihn immer noch nicht zu erkennen. „Sie müssen sich doch an mich erinnern, sie haben mich damals in die Mannschaft geholt. Ich bin der Didi Hopp.“ Plötzlich nehmen die Augen des alten Mannes einen eigentümlichen Glanz an. „Hopp ach so. Ja deine Mutter hat ja immer ganz besonders gut … Eintopf gekocht, jaja ich erinnere mich.“

Jetzt wird Dietmar langsam wütend. Kann es denn sein, dass ihn alle nur als Sohn seiner Mutter in Erinnerung behalten haben? Denen wird er es zeigen. „Ich bin ein reicher Mann geworden und kaufe diesen ganzen Saftladen auf. Dann werde ich schon dafür sorgen, dass mich hier keiner mehr vergisst“ denkt er sich. Er wirft einen Blick über das trostlose Areal und wendet sich dann wieder dem Präsidenten zu. „Was würden sie davon halten, wenn hier mal ordentlich renoviert würde? Der alte Sportplatz macht doch nichts mehr her. Hier müsste man ein ganz neues Stadion bauen.“ Der Präsident wirft ihm einen genervten Blick zu. „Glaubst du denn, das Geld fällt vom Himmel? Wir sind nur ein unbedeutender kleiner Kreisligist aus dem hinterletzten Dorf. Da stehen die Sponsoren nicht gerade Schlange. Wir haben genug Probleme, einfach nur über die Runden zu kommen.“ „Lassen sie das Geld mal meine Sorge sein alter Mann. Nur nicht vergessen: Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird.“

Dank Dietmars dickem Scheckbuch rollen bald die Bagger an und ein neues Stadion wird gebaut. Der Präsident lässt sich auch leicht davon überzeugen, das Stadion nach dem großzügigen Gönner zu benennen, der es finanziert hat. Als er im Gespräch mit Dietmar einmal anklingen lässt, dass es doch recht ungewöhnlich sei, ein Stadion nach einer lebenden Person zu benennen, entsteht auf Dietmars Stirn sofort eine Zornesfalte und seine Gesichtsfarbe nimmt einen rötlichen Ton an. Da wechselt der Präsident lieber schnell das Thema.

Das Stadion wird eröffnet und im Dorf freut man sich. Endlich kann die Dorfjugend auf einem vernünftigen Platz spielen. Doch Dietmar hat andere Pläne. „In diesem tollen Prachtbau muss auch ein entsprechend attraktiver Fußball gespielt werden“ verkündet er. „Hier müssen internationale Spitzenspieler her. Kreisklasse ist unter meiner Würde.“ Im stillen denkt er sich dabei: „Wenn ich mein Spielzeug erst mal bis in die Bundesliga gekauft habe, dann wird mich niemand mehr als Sohn meiner Mutter bezeichnen.“

Tradition: Weidenfeller – Piszczek, Hummels, Subotic, Schmelzer – da Silva (Bender), Sahin – Blaszczykowski, Kagawa, Großkreutz – Barrios

Trend: Starke – Beck, Vorsah, Compper, Luiz Gustavo – Weis, Rudy, Salihovic – Vukcevic, Ba, Mlapa

Schiri: Stark

An der Linie: Salver, Pickel

Klopps neuer Freund: Kampka

Westfalenstadion 15:30 Uhr, erwartet werden um die 80.000, davon ca. 1.300 Dörfler davon knapp die Hälfte gesponsert.

Web 24.10.2010

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