Unsa Senf

Erfolgreicher Fanprotest in Berlin

10.10.2010, 11:17 Uhr von:  Redaktion

DemospitzeEinen Tag nach dem EM-Qualifikationsspiel der Deutschen Nationalmannschaft stand für viele Fans ein wichtigerer Programmpunkt an. Die Fanorganisationen BAFF (Bündnis aktiver Fußballfans), UK (Unsere Kurve) und ProFans riefen zu einer allgemeinen Fandemo auf. Nach 2005 schien es mal wieder Zeit, auf die Interessen der Fußballfans aufmerksam zu machen. Die beim Leipziger Fankongress gegründete Gruppe Fandialog verlief für die Vertreter der Fans sehr enttäuschend und ein Rückzug scheint zwangsläufig. Durch die Demo sollte nun der Druck erhöht und bewiesen werden, dass die Fans für ihre Interessen eintreten können.

Dieses Jahr schlossen sich Fangruppen aus über 50 Vereinen an und auch eine Abteilung von den EHC Eisbären war bei den Protesten vertreten. Erfreulich ist diesmal, dass eine Reihe von Ostdeutschen Gruppen sich Eisbärendem Protest angeschlossen haben. Leider fehlten dafür auch Prominente Gruppen wie unsere ungeliebten Nachbarn, die Nürnberger, Frankfurter, Gladbacher und Stuttgarter. Über die Gründe lässt sich trefflich spekulieren, aber da muss jede Szene selber entscheiden, wie sie die Prioritäten setzt. Völlig unverständlich ist, dass einige Fangruppen bei der Anreise von ortsansässigen Fangruppen angegangen wurden. Da sollte man sich schon fragen, ob man sich nicht wenigsten an einem solchen Tag mal etwas zurückhalten kann - reichlich überflüssig so etwas.

Alle anderen trafen sich ab 13 Uhr am Roten Rathaus. Auch Amnesty International war vor Ort und verteilte Unterschriftenzettel, die eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte forderten. Nicht ganz klar wurde, warum die Polizei es für nötig hielt, die Aktivisten genauer zu befragen. Die Atmosphäre unter den Fans war Anfangs etwas merkwürdig. Es war deutlich zu spüren, dass es etwas Ungewohntes war, so zusammen zu stehen. Es kommt auch nicht allzu oft vor, dass man sich von so nah sieht und so wurde erstmal ordentlich gemustert. Einige Gruppen nutzten schon den Anmarsch zum Treffen für einen kleinen Auftritt. Die Hamburger kamen gut organisiert und lautstark an, die Münchner hatten mit dem USK-Darth-Vader sicherlich die A Note für Kreativität verdient. Gelächter und spontaner Applaus waren die Belohnung für die gelungene Optik.

USK Darth VaderMit einiger Verspätung stellten sich die Teilnehmer auf der Karl-Liebknecht-Strasse auf. Vorne weg führten die lokalen Fans von Hertha BSC mit einem großen "Zum Erhalt der Fankultur - Fußball lebt durch seine Fans" Banner. Die Demo begann mit Redebeiträgen der Organisatoren und einer Grußnote der KOS (Koordinationsstelle Fanprojekte). Hierbei deutet sich schon an, dass es diesmal auch selbstkritisch werden wird. Nach einem kurzen Einsingen ging es dann los gen Torstrasse. Auch wenn die Berliner durchaus demonstrationserprobt sind, haben sie sicher selten eine solche Demo gesehen. Für Berlin-Touristen war es sicherlich ein Erlebnis und auch viele Passanten blieben stehen und guckten sich den farbenfrohen Zug an. Vorneweg wurden fleißig Flyer mit einer kleinen Erklärung verteilt. Durchaus gelungene Werbung für die Sache. Der Zug bewegte sich im typischen Demotrott fort und skandierte dabei immer wieder lautstark die Forderungen. Die Themenfelder Stadionverbote, Pyrotechnik und Repressionen wurde dabei am deutlichsten artikuliert. Untermalt wurde dies mit Transparenten und Bannern, die sich mit den jeweils gewählten Schwerpunkten beschäftigten.

Fussball muss bezahlbar seinDie Dortmunder Fraktion griff die Kartenpreisproblematik auf und so setzte man die Linie von "Kein Zwanni für nen Steher" fort. Im Vergleich zu vergangenen Fandemos war allerdings der Dortmunder Block deutlich kleiner und überschaubarer. Gerade im Vergleich mit Dresden, Köln und Hamburg wirkte der Dortmunder Haufen dann doch etwas verloren. Nichtsdestotrotz war man immerhin präsent und konnte mit "Fußball muss bezahlbar sein..." einen der Akzente der Demo setzen, schön auch zu sehen, dass sich einige BVB Fans aus Regionen außerhalb von NRW auf den Weg nach Berlin gemacht haben.

Polizeibegleitung auf der DemoDie sehr exponierte Demoroute dürfte in Ostberlin für ein kleines Verkehrschaos gesorgt haben, den Fans brachte es aber eine hohe Aufmerksamkeit. Über die Torstraße ging es zur Friedrichstrasse zur Berliner Prachtstraße "Unter den Linden" und zurück zum Alexanderplatz. Erfreulich war die Disziplin, mit der die einzelnen Gruppen an der Demo teilnahmen. Bis auf ganz wenige negative Ausnahmen, die dann doch dem Alkohol etwas zu sehr zusprachen oder meinten Berlin mit ihren Aufklebern verzieren zu müssen, verhielt sich die ganz große Masse vorbildlich. So konnte die Polizei den Marsch sehr entspannt begleiten und verzichtet auch weitgehend auf irgendwelche Lautsprecheransagen. Viel mehr lief der Kontakt direkt zu den Veranstaltern, die sich dann an die Teilnehmer wandten. Rund um den Demozug waren vor allem die "Anti-Konflikt"-Beamten zu sehen, die sich auch mit den Teilnehmern freundlich unterhielten. Die große Masse der Einsatzkräfte hielt sich in den Seitenstraßen im Hintergrund. Kamerateams und -wagen waren völlig Fehlanzeige, sehr angenehm und man fühlte sich als Demonstrant ernst genommen und nicht bloß als Störer der öffentlichen Ordnung.

RedebeitragGegen 17 Uhr traf man sich zur Abschlusskundgebung am Alexanderplatz. Die folgenden Redebeiträge befassten sich nochmal mit den Problematiken Pyrotechnik, Datei Gewaltäter Sport, Repressionen, Kommerzialisierung, Mitspracherecht und Anstoßzeiten. Nochmals gingen die Redner auch mit den Fans selber in Gericht. Es wurde die Eigenverantwortung betont und dass die Gewaltspirale sich nicht weiter verschärfen darf. Genauso wurde die Polizei am heutigen Tag ausdrücklich für ihre zurückhaltende Einsatztaktik gelobt, dennoch kam die Kritik nicht zu kurz. Gerade DFB und DFL bekamen ihr verdientes Fett weg, die Sprachlosigkeit der DFL in Bezug auf die Demo, von der einige Medien berichten, ist da nicht verwunderlich. Zusätzlich wurde allen Fans nahegelegt, sich im Konfliktfall mit Hilfe eines Anwalts mit dem System auseinander zu setzen. Leider fielen am Schluss nochmals zwei Fangruppen negativ auf, die scheinbar mit gewissen Kritiken an die Fans unzufrieden waren und es sich auch nicht nehmen ließen einen Böller zu zünden. Der größte Ausrutscher an diesem Tag zumindest in Berlin.

Unterstützt FanprojekteNach den letzten Redebeiträgen löste sich die Versammlung schnell auf, denn einigen Gruppen stand noch eine erhebliche Heimreise bevor. Was von der Demo bleibt, muss die Zukunft zeigen. Medial scheint sie auf jeden Fall Beachtung zu finden. Die großen Presseinformationsdienste nahmen sie in ihre Ticker auf und selbst die Tagesschau widmete ihr einen Beitrag. Zusätzlich gab es schon im Vorfeld einige Berichte in der Presse, sowohl online als auch in den Printmedien. Die DFL, der DFB und die Vereine müssen wohl zur Kenntnis nehmen, dass die Fans dazu fähig sind, mit geeinter Stimme zu sprechen und ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Fans müssen nun aber auch beweisen, dass es ihnen ernst mit ihren Anliegen ist und sie die an sich selbst gerichtete Kritik verstanden und angenommen haben. Hoffnung besteht nach diesem Tag auf jeden Fall.

mrg, 09.10.2010

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