Unsa Senf

Die Klasse von 2010

07.12.2010, 17:09 Uhr von:  Redaktion

"Es geht nicht darum, wie hart du zuschlagen kannst, sondern darum, wie viele Schläge du einstecken kannst und trotzdem wieder aufstehst“ – Die Geschichte der kürzlich erst am Boden liegenden Borussia ist in den letzten Wochen auch außerhalb Dortmunds häufig erzählt worden. Und tatsächlich mutet die Geschichte der Borussia und ihrer Fans aktuell wie ein gut abgehangener US-Streifen an. Du musst erst ganz unten sein, um Dein enormes Potential zu erkennen. Wenn Du ganz tief unten bist, dort wo noch kaum niemand war, dann wirst Du Dich empor kämpfen, aufstehen und deinen Weg weitergehen. Das also haben wir in den letzten Wochen genug gelesen. Die Tabellenführertouris, die allmählich drüber nachdenken, ihren Zweitwohnsitz nach Dortmund zu verlegen, müssen schreiben und so langsam gefällt es ihnen hier im Herzen Westfalens.

Doch sie werden nicht ewig bleiben, sie werden zwangsläufig weiterziehen und auch in Dortmund wird leider irgendwann, in hoffentlich ferner Zukunft, die Normalität einziehen. Eins ist jedem Schwatzgelben klar: Normal ist an dieser Hinserie überhaupt nichts. Die jüngste Mannschaft der Liga spielt einen Fußball, den wir so auch Mitte der 90er nicht gesehen haben. Elegant, ideen- und trickreich, schnell und technisch manchmal nahe an der Perfektion. Einstudierte Spielzüge wie zum 2-0 gegen Hamburg, das 2-1 gegen Gladbach, die jeden Gegner zur Verzweiflung bringen, dazu eine nie gesehene Leidenschaft, Kampfgeist und Augenmaß für genau die richtige Portion Respekt vor dem jeweiligen Gegner. Im Vorbeigehen pulverisieren die „young guns“, wie sie im Ausland voller Respekt genannt werden, sämtliche Bundesliga-Rekorde, die Bayern meist für die Ewigkeit aufgestellt hatte.

Überhaupt: Diese verdammten „young guns“. Jeder einzelne von ihnen hätte eine mehrseitige Lobeshymne verdient. An dieser Stelle jedoch nicht, dafür haben wir ja die Tabellenführertouris, die, bleiben wir lange genug oben, irgendwann ohnehin jeden Spieler durchhaben. Viel mehr aber als die Summe der einzelnen Teile, ist es die Mannschaft, die uns Fans Träumen lässt. Eine derart unverbrauchte, durch die Bank sympathische Mannschaft hat es zumindest hier in Dortmund sehr lange nicht mehr gegeben. Eine Mannschaft, die zum Träumen einlädt.

Und so träumt dann auch ganz Dortmund (nach offiziellem Sprachgebrauch ausgenommen: Die Mannschaft, der Trainer, der Verein) von der Meisterschaft, alles andere wäre in der derzeitigen Situation auch nur fernab jeder Realität. Die Hochrechnungen in den Dortmunder Kneipen zeigen nach den Spielen momentan sogar den Trend zum vorzeitigen Gewinn der Meisterschaft am 30.04. im Heimspiel gegen Nürnberg. Nach dieser, nach 15.Spieltagen wohlgemerkt, bereits nahezu perfekten Hinserie stellt man sich jetzt die Frage: „Wann werden wir Meister?“ und nicht mehr „Werden wir Meister?“. Auch wenn wir jetzt erst einmal den wohlverdienten Klassenerhalt nach 15.Spieltagen feiern.

Wir dürfen und wir müssen von der Meisterschaft träumen, wir dürfen und wir müssen aber nicht vergessen, dass wir aktuell unseren Traum leben. Der Weg bis hierhin war geprägt von Leidenschaft, Kampfgeist, Demut und eine schier unersättliche Gier nach Erfolgen. Ob in der Mannschaft oder auf den Tribünen. Diese Gier ist noch lange nicht gestillt, noch haben wir – auch auf den Tribünen – null Komma null erreicht. Und doch laufen wir Gefahr, die aktuellen Erfolge als kloppgegeben abzutun. Bereits nach dem 4-1 gegen Mönchengladbach war Allerortens die Rede von einem Pflichtsieg. Das schleichende Erfolgsgift kämpft sich langsam zur Lebensader des Stadions vor und lähmt diese. Im Europa-League-Spiel gegen Karpaty konnte man es gut beobachten. Die Tribünen sangen auf einmal gegeneinander, eine vorher nicht gekannte Sättigung war erreicht. Auch wenn wir Fans auf der Tribüne sicher nicht der Hauptgrund für die Siegesserie sind, sollten wir uns nicht im Moment des Erfolgs auseinanderdividieren und mit der Selbstzufriedenheidi einlassen. Ist sie erst einmal wieder in Dortmund, könnte sie schnell heimisch werden. Aus verständlichen Gründen können wir darauf verzichten.

Die Klasse von 2010 schenkt uns Woche für Woche mindestens 90 Minuten Fußball. Sie wird dies weiterhin tun, sie wird sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen und auch den einen oder anderen Rückschlag verkraften. Sollte es am Ende nicht für das ganz große Ziel reichen, dürfen wir alle für einen Moment traurig sein und sollten uns dann die Spiele des Herbsts in Erinnerung rufen. Die Klasse von 2010 lebt ihren Traum, wir Fans leben unseren Traum und träumen. Wir Fans sollten uns jedoch nicht einlullen lassen und uns die Mannschaft als Vorbild nehmen. „Es ist vorbei, wenn es vorbei ist“ und nicht vorher.

steph, 07.12.2010

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