Unsa Senf

Die Ticketpreisspirale

22.08.2010, 12:12 Uhr von:  Redaktion

22, 44, 55, 66 – nein, das ist kein neuer Fußballsong der Sportfreunde Stiller, sondern die Preise, die Gelsenkirchen für uns Gästefans beim Derby ausgerufen hat. Und ja,es handelt sich bei den 22,00 € für einen Stehplatz um den gleichen, jämmerlichen Plexiglasverschlag wie immer und nein, auf den Sitzplätzen bekommt man diesmal nicht Freibier und Gratiswurst direkt an den Platz geliefert. Fairerweise muss man sagen, dass in diesen Preisen auch die duch den BVB erhobene Vorverkaufsgebühr enthalten ist. Dennoch, unter dem Strich bleibt eine völlig inakzeptable Preiserhöhung um schlanke 50 Prozent.

Die Entwicklung der Eintrittspreise wird immer klarer und längst ruft nicht mehr nur der HSV völlig abartige Preise für Ticketkategorien aus, in denen man früher oft nicht mal den gleichen Betrag in DM bezahlt hat. Nahezu jeder Verein sieht sich zu Beginn der Sommerpause maximal im mittleren Preissegment des Ligadurschnitts beheimatet und begründet damit "moderate" Preiserhöhungen. Dass der absolute Geldbetrag, den der Fan von Saison zu Saison mehr zahlen muss, bei gleichbleibendem Prozentsatz der Erhöhung, aber erhöhter Basis immer weiter steigt, erwähnt man lieber gar nicht. Das alleine ist eine Entwicklung, die auf lange Sicht für den Fußball sicherlich ungesund ist und vor allem jüngere und finanzschwache Fans auf Dauer aus dem Stadion drängen wird.

Hinzu kommen Topspielzuschläge, die leider auch bei fast jedem Verein alltäglich sind. Aber wohl nirgendwo sonst greift man so unverfroren wie in Gelsenkirchen in die Fantaschen und verkündet anscheinend ohne Scham, dass man bei „Sonderspielen" auch gerne bis zu 50 Prozent mehr berechnet. Das betrifft übrigens nicht nur den Gästeanhang, sondern auch die heimischen Fans.

Das Derby hat für die Finanzjongleure in den Vereinsspitzen anscheinend Versuchsballoncharakter. Hier kann man ziemlich gefahrlos herauskitzeln, welche Preise Fans wirklich bereit sind zu zahlen, ohne Besuchereinbrüche hinzunehmen. Gekauft werden die Karten eh – zumindest bis eine absolute Schmerzgrenze erreicht ist. Und was der Fan bereit ist, für ein Derby zu zahlen, das zahlt er mit Sicherheit auch gegen die Bayern. Und was er gegen die Bayern zahlt, zahlt er vielleicht auch gegen andere Topteams wie Hamburg oder Bremen. Diese Schmerzgrenze, bei der man die Fans maximal abschröpfen kann, ohne gravierende Rückgänge der Besucherzahlen zu verzeichnen, dürfte für jeden Verein der Stein der Weisen sein und der offizielle Widerstand gegen eine Preispolitik wie in Gelsenkirchen dementsprechend gering. Das Ergebnis wird für alle anderen Vereine wichtige und begehrte Erkenntnisse bringen. Ob dadurch jetzt gewachsene Fanstrukturen zerstört werden, ist erst einmal nebensächlich. Wichtig ist, dass die Tickets verkauft werden und man weiterhin einen hohen Zuschauerschnitt verkünden kann.

Und genau da kommen wir alle, wir Fans ins Spiel. Wer legt denn fest, wo unsere Schmerzgrenze ist, wenn nicht wir? Wir stimmen darüber ab. Mit unseren Füßen. So lange wir zu solchen Mondpreisen unsere Hintern zum Stadion bewegen, genau solange werden sie von den Vereinen auch verlangt. Wir ärgern uns zwar und regen uns darüber auf – aber unter dem Strich kauft man sich das Ticket doch und gibt den Vereinen genau das, was sie wollen. Wirklich stoppen kann man diese Entwicklung nur, in dem man frühzeitig zu erkennen gibt, dass man nicht gewillt ist, diese Preisspirale mit zu tragen. Erst wenn man bei solchen Topspielen nicht mehr „ausverkauft" verkünden kann und von den Vereinen Rückgänge im Zuschauerschnitt vermeldet werden muss, wird man die Vereine zum Handeln zwingen können. In Hamburg hat das bereits funktioniert und man hat aufgrund eines nicht ausverkauften „Nordderbys" die Preise nicht weiter angezogen. Trotzdem bewegt man sich immer noch auf einem sehr hohen Level.

Natürlich ist das Derby ein Spiel, das man nur ungern verpasst und natürlich hat die Mannschaft unsere Unterstüzung ausgerechnet dort verdient und nötig. Aber ein kluger Mensch hat einmal gesagt, dass nichts, für das es sich wirklich lohnt zu kämpfen, einem leicht fällt. Man kann sich aufregen und sich beschweren, ändern tut man allein dadurch nichts. Im Gegenteil. Akzeptiert man diese Preispolitik, akzeptiert man auch, dass sich ein derartiges Preisniveau etabliert und in der Zukunft weiter ausgebaut wird. Es braucht sich also niemand, der sich jetzt ein Ticket kauft, ernsthaft wundern, wenn er in Zukunft öfters in diesen Dimensionen zur Kasse gebeten wird. Auch das Argument, dass ein Verzicht nichts bringe, weil die Karte sicherlich von jemand anderem genommen wird, ist nicht viel mehr als eine bequeme Ausrede, um sich der Konsequenz zu entziehen. Wer etwas verändern will, muss bei sich selbst anfangen. Der Verzicht auf einen Besuch allein reicht natürlich nicht. Es gilt, andere auf diese Entwicklung hinzuweisen und zu überzeugen. Gemeinsamkeit schaffen und sich geschlossen dieser Politik entgegen zu stellen.

Jeder, der diese Entwicklung mit einem Kauf befeuert sollte sich bewusst sein, dass vielleicht er in den nächsten Jahren zu denjenigen gehört, die durchs Raster fallen und sich einen Stadionbesuch nicht mehr leisten können. Stoppen kann man das nur durch vereintes Handeln und konsequente Verweigerung.

Sascha, 21.08.2010

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