Serie

Vier Wochen in Südafrika (Teil 8) - Football`s coming home

03.07.2010, 00:00 Uhr von:  Rene
Vier Wochen in Südafrika (Teil 8) - Football`s coming home
Vier Wochen Südafrika

Die Achtelfinals stehen vor der Tür, die letzten beiden noch fehlenden Stadien stehen an. Für uns heißt es zunächst Abschied nehmen von der Gruppe der Sektion Mitteldeutschland, denn ab jetzt geht es wieder auf eigene Faust los. Der Mietwagen ist schnell organisiert und wird noch auf dem Hof von Europcar schwatz-rot-gold beflaggt, sehr zur Verwunderung der dortigen Mitarbeiter.

Zunächst führt uns unsere Reise zum Quartier der deutschen Nationalmannschaft. Leider erfahren wir von zwei dort noch filmenden Journalisten, dass die Truppe bereits vor 45 Minuten ihre Reise nach Bloemfontein angetreten hat. Die Bewachung der Unterkunft lässt aber vermuten, dass man ohnehin nicht viel hätte sehen können. Der nächste Halt führt uns zum Lion Park, ein kleines Reservat, in dem diverse Raubtiere zu sehen sind. Der Wächter am Eingang erzählt uns, dass auch unsere Nationalelf diesen gestern besichtigt hat. Also wieder zu spät dran... Zunächst geht's für uns in den etwas anderen Streichelzoo, in dem man beispielsweise Babylöwen streicheln kann. Diese haben fast Schäferhundgröße, sind total verschlafen und scheinen es gewohnt zu sein, sich anfassen zu lassen. Kein Wunder bei den Massen an Menschen, die dort durchgeschleust werden. Etwas Respekt einflößend ist es dann aber schon, wenn sie den Kopf zu einem drehen oder die Pranke mal etwas genervt durch die Luft saust... Mächtige Miezekatzen!

Mit dem eigenen Auto durchfahren wir dann noch den Rest des Parks und sehen ein paar faule ausgewachsene Löwen, zwei Leoparden und einige Hyänen. Nett gemacht, aber deutlich kleiner und irgendwie kommerzieller als der Kruger Park. Unser Weg führt uns den Rest der 150 km langen Strecke nach Rustenburg. Die Gastwirtin ist dort sehr freundlich, die Zimmer liebevoll mit viel Nippes voll geknallt und das Fanfest sogar zu Fuß erreichbar. Dort zieht es uns dann auch direkt hin, um das ausgefallene Mittagessen nachzuholen. Hier in der Provinz sind die Preise noch einmal deutlich gesunken, der halbe Liter kostet nur noch 1,20 EUR. Das Highlight ist aber eindeutig das Essen: Ein Menu mit Reis, etwas Gemüse und einem gegrillten T-Bone kostet ca. 3,50 EUR. Das zweite T-Bone ohne Beilage kostet übrigens nur noch 2,00 EUR.

Fans aus Ghana

Wie Uruguay Südkorea schlägt, schauen wir uns auf der Leinwand an. Allerdings ist der Zuspruch zu dieser Partie auf dem Fanfest wieder mal gering. Der großzügig angelegte Platz ist leer, wie bisher auf allen Fanfesten. Den Weg zum Stadion beginnen wir anschließend zur Überraschung unserer Gastgeberin erst gegen 19 Uhr. Ihr Vertrauen in das hiesige Park&Ride scheint nicht allzu ausgeprägt zu sein. Vom Fanfest gibt es ein Shuttle zum Park&Ride System in Rustenburg. Auf dem Fußmarsch dorthin fällt uns ein Berg am Horizont auf, dessen Gipfel kreisrund brennt. Überhaupt gibt es hier viele kleinere Buschbrände, die wohl kontrolliert im Winter gelegt werden, um das neue Wachstum der Gräser im Frühling zu beschleunigen. In der gesamten Umgebung weht einem ein leichter Grillgeruch in die Nase und die Weitsicht ist durch dichten Rauch deutlich eingetrübt.

Inzwischen ist auf dem Fanfest übrigens doch eine recht große Menschenmasse eingekehrt, um einige lokale Bands zu sehen, die mit afrikanischem HipHop überraschen. Leider haben wir keine Zeit, uns den Trubel näher anzusehen. Es geht über abgesperrte Straßen zum Park&Ride Parkplatz. Dort stehen etwa 100 Menschen in einer Schlange. In den ersten paar Minuten ist kein Bus zu sehen. Die Einweiser telefonieren hektisch und nach etwa 20 Minuten geht es los. Pünktlich zum Anpfiff sitzen wir auf unseren Plätzen und sehen ein frühes und schönes Tor von KPB. Die Afrikaner toben, und neben einigen Amis sind auch etliche Engländer da, die wohl auf eine bessere Vorrunde spekuliert haben. Nach dem Ausgleich durch Foulelfmeter geht es in die Verlängerung. Für mich übrigens der dritte Versuch, dort ein Bier zu ordern, denn trinkfreudige Engländer und überforderte Afrikaner führen zu immens langen Schlangen. In der 82. Minute entscheide ich mich: Entweder gibt's das Bier mit Schlusspfiff nach dem Spiel, oder ich hab eines für die Verlängerung. Nur 10 Leute stehen an, dennoch dauert es bis nach dem Abpfiff der regulären Spielzeit, bis ich an der Reihe bin. Da pack ich doch lieber gleich mal für jede Halbzeit eins mit ein...

Interessant vielleicht noch die Kulisse: Aufgrund der vielen Brände ziehen immer wieder einige Rauchschwaden über das Stadion und im Flutlicht sieht das richtig cool aus. Pyro auf Afrikaans. Das Spiel endet 2:1 für Ghana, die Afrikaner feiern ihren erstmaligen Einzug ins Viertelfinale und wir fahren recht zügig heim. Morgen müssen wir schließlich zeitig los, denn 450 km über die Landstraßen nach Bloemfontain erwarten uns.

Englische Fans in der Überzahl

Um halb acht verlassen wir pünktlich unsere Unterkunft. Die nette Gastgeberin hat uns noch eine Wegbeschreibung mitgegeben, mit der wir einige unwegsame Straßen umgehen können. Angeblich hat sie die Strecke mal in etwas über 4 Stunden geschafft... Die Straßen sind gut ausgebaut und man darf in der Regel 120 KM/h fahren. Das macht hier aber ohnehin keiner, und mit durchschnittlichen 160 KM/h Reisegeschwindigkeit werden etliche Engländer überholt, die den gleichen Weg genommen haben. Uns kommt die Befürchtung, dass das Stadion fest in englischer Hand sein wird. Nach zwei kleineren Pausen haben wir nach fünf Stunden mit nur einem kleinen Zwischenfall den Spielort erreicht: Der Tankwart kurz vorm Ziel hat mit 49,8 Litern unseres 50 Liter-Tanks doch etwas mehr nachgefüllt, als gedacht. Wie weit kommt man eigentlich mit 200ml Benzin? Auch die Unterkunft in Bloemfontein ist sauber und die Gastgeberin sehr zuvorkommend. Zudem zahlen wir hier mit weniger als 20 Euro pro Person und Nacht noch am wenigsten auf unserer Reise. Einige Engländer ziehen neben uns ein, aber auch ein paar Deutsche haben sich hier niedergelassen.

Wiederum zu Fuß geht es dann zügig los. Diesmal laufen wir direkt zum Stadion, das etwa zwei Kilometer entfernt liegt. Dort finden wir eine kleine Eckkneipe, in der das Bier günstig ist, der Pizzaofen auf vollen Touren läuft und die Deutschen sogar in der Überzahl sind. Nach der Stärkung geht's auf zum Stadion. Engländer und Deutsche gleichen sich auf dem Weg nun aus. Auf einer Brücke werden wir von einer Gruppe von acht Engländern auf das 100 Jahre Emblem unseres Deutschlandtrikots angesprochen. Einer von Ihnen hat mal in Paderborn gelebt und das BVB Logo erkannt. Neben einigen Frotzeleien werden auch Meinungen über den Spielausgang ausgetauscht. Die Engländer sind deutlich ängstlicher, als ich es erwartet hätte, und allgemein tendenziell wenig siegesgewiss. Bei allem klingt irgendwie unterschwellig mit, dass deren Hoffnung ihre Vernunft schlägt. Der letzte Satz, nachdem sie uns noch jeder ein Bier geschenkt haben, war übrigens: „Whatever happens, just don't sing 'it's coming home' again after the match, I hate it." Hmm, gute Idee eigentlich.

Die Ordner scheinen aufgrund der Brisanz des Spiels noch einmal besondere Anweisungen bekommen zu haben. Mitten in der wirklich freundschaftlichen Unterhaltung mit den Engländern werde ich von einem angesprochen, doch bitte freundlich zu sein, friedlich zu feiern und mich bitte nicht mit Engländern zu prügeln. So sieht Prävention in Afrika aus. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass die Südafrikanische Sunday Times an dem Tag titelte: „Achtung! Donner! Blitzen! England and Germany prepare for World War III".

Spielimpressionen

Bei der Eingangskontrolle dann der nächste Kracher: Céline und ich gehen mit den Choreo Flaggen von Jo'burg problemlos durch die Kontrolle. René wählt einen anderen Eingang und wird prompt aufgehalten: Die Flaggen haben schließlich einen Stock aus Holz und der ist hier verboten. Als wir dem Supervisor erzählen, dass wir diese ja im Soccer-City erhalten und Céline und ich ja bereits die Kontrollen mit den Stöcken durchlaufen haben, verstehen die Ordner keinen Spaß mehr. Alle Überredungsversuche und Argumente helfen aber nix, mit einem beherzten Knacks trennt Céline schließlich die Stöcke mit dem Knie durch und schmeißt sie den verdutzten Ordnern vor die Füße. Auf geht's zum Bierstand, Gemüter abkühlen.

Im Stadion dann tatsächlich eine Übermacht an Engländern, der ganze Oberrang hängt voll mit Fahnen, lediglich vereinzelt sind ein paar heimische Farben zu erkennen. Bei der Nationalhymne wird deutlich, dass der optische Eindruck nicht täuscht. Einige Tausend mehr englische Kehlen singen für den Beginn ziemlich laut. Gänsehautfeeling. Bei unserer Hymne gibt es allerdings ein paar Pfiffe der Engländer, Danke dafür nochmal an dieser Stelle.

Zum Spiel muss ich wohl nicht viel schreiben. Die Engländer wirken in den meisten Aktionen tatsächlich irgendwie ängstlich und gehemmt, was sich auch in der Stimmung niederschlägt. Ich hatte mir von so vielen Engländern mehr erwartet, zumindest bis zum 1:0.
Nach dem Doppelpack von Müller ist allen im Stadion klar, dass Gary Linaker wieder einmal recht behalten sollte. Die Deutschen übernehmen schließlich auch auf den Rängen das Kommando und feiern den anstehenden Sieg gebührend. In der 75. Minute holt René auf der Tribüne den Laptop raus, um schnellstmöglich noch einen Flug nach Kapstadt zu buchen. Leider ist alles ziemlich überlaufen und die Preise entsprechend hoch oder gar nicht mehr verfügbar. Mal sehen, ob da noch was in den nächsten Tagen zu machen ist. Einige Reservierungen dürften jetzt ja wohl gen London umgebucht werden.

Nach dem Spiel wird im Block gefeiert, wir treffen die Sektion Mitteldeutschland wieder und stimmen ein gemeinsames „It's coming home" an. Tja, ihr hättet bei unserer Hymne wohl einfach nicht pfeifen sollen, das macht man halt nicht.

Die schlagzeilen zum England Spiel

Auf dem Rückweg kehren wir noch kurz bei der Eckkneipe ein, um uns für den Abend einzudecken, wobei ich eine neue Biersorte ausprobiere: Hunter's Gold. Der kurze Heimweg verläuft ruhig und friedlich. Im Guesthouse treffen wir dann unsere deutschen Nachbarn auf dem Gang, mit denen ich das Sixpack Hunter's Gold schließlich öffne. Der erste Schluck ist ganz fies: ich hab leider Cidre statt Bier gekauft. Na super. Aber nach inzwischen 6 Jahren in Frankfurt komm' ich auch mit Äppelwoi klar, und Bier hatte ich vorher eigentlich auch schon genug. Das Argentinien-Spiel verfolgen wir nur noch am Rande, drücken den heimkehrenden Engländern noch nen Spruch und gehen schlafen.

Am nächsten Tag fahren wir über Kimberley in die traumhafte Mattanu Game Ranch, um dort endlich mal drei Tage am Stück auszuspannen. Den Spruch vom Vorabend haben unsere liebgewonnenen Inselfreunde übrigens mit der unsachgerechten Demontage unserer Fenster-Flaggen am Auto beantwortet. Damit kann ich nach dem 4:1 allerdings sehr gut leben. Die Neuauflage des Viertelfinales von 2006 kann also nun kommen, gerne mit gleichem Ausgang für die Deutschen! Und vielleicht ergibt sich ja flugtechnisch auch noch was für Céline und mich. Zunächst steht für uns allerdings das Viertelfinale Uruguay gegen Ghana in Johannesburg auf dem Programm, bei dem René sich dann schon auf dem Weg nach Cape Town befindet.

Text: Mirko

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel