Eua Senf

Lemberg gegen BVB, oder eine Reise in eine andere Welt

21.09.2010, 13:56 Uhr von:  Gastautor
Lemberg gegen BVB, oder eine Reise in eine andere Welt

Die viel zitierte Losfee meinte es sehr gut mit unserem BVB. Nach dem Traumlos Baku standen nun neue Gegner auf den Plan, von dem der geneigte Fan 2 direkt als Hammerlos identifizierte und das eine Los mit einem „wo zur Hölle liegt das schon wieder?“ zur Kenntnis nahm. Nach wenigen Minuten war aber auch hier klar, dass es sich um einen Gegner handelte, den man sich nur wünschen konnte. Der Name Lemberg war natürlich direkt geläufiger als diese Buchstabenkonstrukte Lwiw, Lviv, Lwow, Lvov,... und ließ auf eine tolle Fahrt mit vielen unvergesslichen Momenten hoffen.

Telefon und Internet machten einen unglaublichen Job. Alles lief wie am Schnürchen und die Tour nahm sehr schnell konkrete Formen an. Route und Hotel waren sehr schnell gebucht und wie es halt so ist, kümmerten wir uns direkt um eine der elementarsten Dinge im Ausland: Welche Brauerei ist zu empfehlen? Hier fiel uns eine kleine Hausbrauerei direkt ins Auge, aber dazu später mehr.

Über den Wolken

Unsere erste Etappe sollte uns 6 von Dortmund nach Kattowitz führen. Der Flug verging recht ereignislos. Wenn da nicht Gisela gewesen wäre, die wohl heute noch eine Möglichkeit sucht ihr Gepäck aufzugeben und damit jeden in den Wahnsinn trieb. Gisela, wir glauben an dich. In Kattowitz wurde erst mal ein wenig Geld getauscht und ein Taxi gesucht für die 2 Stunden Fahrt nach Krakau. Unsere Besatzung deckte sich mit ein wenig Flüssignahrung ein und schon war man auf dem Weg durch Polen. Nach einiger Zeit und von den tollen Straßen durchgeschüttelt, meldete sich die Blase. Normal sollte das kein Problem sein, aber der Fahrer konnte leider kein Englisch oder Deutsch. Gott sei Dank half uns unsere Kollegin in Krakau weiter, die uns den erlösenden Satz per sms mitteilte. Natürlich sorgte unser Anliegen für großes Gelächter bei den Insassen, aber man kam unserer Bitte nach.

Krakau

Die Fahrt verging mit leerer Blase um einiges schneller und nach guten 2 Stunden erreichten wir Krakau. Die Stadt haute mich direkt um. Ich hatte mir vorher nicht so die Gedanken gemacht, aber die ersten Eindrücke ließen auf einen tollen Tag hoffen. Am Busbahnhof trafen wir uns mit Doro, die uns bei der Planung der Tour sehr hilfreich war und sich extra einen Tag frei nahm, um uns Krakau etwas näher zu bringen. Wir enterten in guter alter Manier einen Biergarten, in dem wir ersteinmal etwas gegessen haben und die kommenden Tage durchsprachen. Jedem war die Freude anzusehen und die vorbeigehenden Damen sorgten für die ersten echten Highlights. Ohne Übertreibung: Die Frauen in Polen waren einfach schön. Da kann man nichts anderes sagen.

Nach einer ersten Stärkung machten wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Dank Doro gelang dies ohne große Probleme. Die Stadt machte einen sehr sauberen und vor allem gewachsenen Eindruck. Es passte einfach alles. Die Bauten sind meist alle sehr schön erhalten und ergaben einen Gesamteindruck, den man nur als klasse bezeichnen konnte. Der Abend wurde stilecht in einer Kneipe am Marktplatz beendet. Nett war, dass die Kneipe direkt neben der Polizei lag und ein Mitglied von uns beinah dort ein Bier bestellt hätte…. . Kann ja mal passieren.

Nachtzug

Der Abschied von Doro und Krakau fiel sehr herzlich aus, aber unsere Reise sollte ja bei weiten noch nicht zu Ende sein. Per Nachtzug sollte es von Krakau über die ukrainische Grenze nach Lemberg gehen. Am Bahnhof war ein sehr netter Anblick. Mehrere BVB Fans versammelten sich dort und es war ein großes Hallo. Echt bekloppt. Da fährt man nach Krakau und wer gammelt da nachts am Bahnhof rum?? Unser Zug hatte natürlich ein wenig Verspätung.

Bei der Ankunft des Zuges die erste Überraschung. Der Schaffner nahm uns alle Karten und Reservierungen ab. Leider führte das zu einem kleineren Chaos bei der Schlafplatzsuche, da man ja nicht mehr wusste, wo die reservierten Plätze waren. Als der gute Mann dann noch meinte, dass wir ihm nix abgegeben hätten, wurde es doch kurz was lustig im Zug, aber die Situation ließ sich Dank unserem unwiderstehlichen Charme schnell beruhigen und wir konnten unsere Plätze einnehmen. Leider konnte der Geruch von 3 Paar Schuhen, 3 Paar Socken und 3 ausdünstungswütigen Menschen nicht aus dem Abteil geschmissen werden… . Entweder man fiel in einen Tiefschlaf, oder man wurde ohnmächtig. Ich entschied mich für Beides und wurde erst wieder von einem polnischen Grenzsoldaten geweckt. Die polnische Kontrolle war sehr locker. Kleiner Tipp an alle: Die Grenzer haben es lieber, wenn man den Ausweis zwar am Mann trägt, aber nicht beim Schlafen in die Unterhose steckt. Dieser Zustand sorgte sogar beim Grenzbeamten für ein ungläubiges Lächeln. Name von diesem Flegel ist natürlich bekannt. Nach den Polen wollten auch die Ukrainer unsere Pässe sehen. Auch hier war alles sehr locker und man schenkte uns noch ein paar Stunden Schlaf.

In Lemberg wurden wir von unserem Schaffner geweckt und zogen uns in Windeseile an, da der Zug wohl schon länger am Gleis stand… . Naja, ich sag‘ ja… Die Mischung aus Müdigkeit und diesen Gerüchen führt halt zu solchen Erschöpfungserscheinungen.

Bahnhof Lemberg

Der Bahnhof Lemberg hatte kaum Licht. Es war stockdunkel und wir mussten uns erst einmal an die Buchstaben und die ganze Sachen gewöhnen. Am Automat bekamen wir leider noch kein Geld, aber wenigstens war eine Stube auf, in der wir unsere Zloty in deren Währung tauschen konnten. Nach kurzer Raucherpause suchten wir einen Taxifahrer, der uns zum Hotel bringen sollte. Diese Fahrt war ein absolutes Abenteuer. Der Bus stank nach Benzin und ich glaube immer noch, dass bei einer Zigarette das Teil in die Luft geflogen wäre, bei Kurven musste ich meinen Sitz festhalten, da ich sonst durch die Karre geflogen wäre und zum krönenden Abschluss konnte man durch die Kupplung auf die Straße sehen. Nur gut. Ukraine, wir mögen dich jetzt schon.

Im Hotel waren wir erst einmal überwältigt. Die Lobby war voller Marmor und sah aus wie ein 5 Sterne Bums in Deutschland. Wirklich ein tolles Teil. Leider war es erst 7 Uhr Ortszeit und wir konnten erst gegen 12 auf unsere Zimmer. Wir nutzten diese Zeit, um die ersten Eindrücke des Tages zu sammeln. Die Straßen waren ja schon durch den Bus bekannt, aber die Baustellen verdienen eine eigene Erwähnung. Es wurden dort riesige Löcher ausgehoben, aber Absperrungen suchte man vergebens. Die Straßenbeleuchtung war auch nicht vorhanden, aber was uns erwartete, ließ dies schnell vergessen. Die ganze Stadt war wie ein Museum der verschiedenen Stilepochen.

Bier

Eine unglaublich schöne Altstadt mit unzähligen kleinen Gassen und großen Plätzen mit vielen Bars und Kneipen. Hier war jedem schnell klar, dass wir richtig sind. Gegen 9 Uhr öffnete auch unsere Hausbrauerei, die Kumpel Brauerei. Man, was für ein Laden. Alleine für das Bier und das Logo hat es sich schon gelohnt. Die nächsten Stunden bis zum Check-In im Hotel vergingen hier wie im Fluge. Sogar Shirts mit dem Motto „Ein Mann ohne Bierbauch ist wie eine Wohnung ohne Balkon“ konnten wir erwerben und die weiblichen Schönheiten konnten sich das ein, oder andere Lächeln nicht verkneifen.

Unser Hotel war ein sehr interessantes Gebäude. Wie oben schon erwähnt sah alles sehr nobel aus, aber das war nix gegen unsere Zimmer. Die Einrichtung hatte was von 60er Jahre Sowjetcharme und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Lenin gleich noch einen Tee zur Begrüßung vorbeibringt. Klos und Duschen waren auf dem Gang, aber die konnten wir eh‘ nicht benutzen. Wie es das Schicksal so wollte fiel für die 2 Tage das komplette Wasser in dem Hotel aus. Duschen, Klo, Waschbecken…! Alles trocken wie unsere Kehlen in diesem Moment. Ich entschied mich ein wenig zu schlafen um Kraft zu tanken für unseren großen Auftritt am Abend und dem weiteren Erkunden der Stadt. Leider hatte mein Zimmernachbar die große Idee, den Kampf gegen ukrainische Hölzer aufzunehmen und „holzte“ einfach mal alles ab. Da in dem Hotel noch Holzdielen verarbeitet wurden griff ich dann doch mal ein und unterbrach diesen Rekordversuch.

Hotel

Gegen 16:00 ging es Richtung Innenstadt, wo die nächsten Eindrücke auf uns warteten. Die Straßenbahnen haben mir es hier besonders angetan. Unfassbar geile alte Teile aus einer längst vergangenen Zeit. Die Bevölkerung war durchweg sehr freundlich und stets hilfsbereit. Im Vergleich zu Baku zahlten wir auch überall die einheimischen Preise.

2 Std vor Anpfiff machten wir uns in einem Lada auf dem Weg zum Stadion. Die Fahrt war sehr lustig. Ich hatte wieder einen Platz erwischt, der nicht richtig festgeschraubt war und rote Ampeln sind auch in der Ukraine eher eine Empfehlung als ein Verbot nicht weiterzufahren. Das Stadion lag in einem sehr parkähnlichen Gelände. Überall konnte man kleine Snacks kaufen. Am interessantesten sind hier wohl die ganzen verschiedenen Fische zu erwähnen, die es da gab. Leider hatte ich die Tage vorher große Magenprobleme und traute mich nicht, einen zu probieren. Da wir noch recht früh waren gingen wir einmal rund ums Stadion. Klingt recht einfach, aber das war es nicht. Die eine Seite war eine normale Straße, die streng bewacht von Polizei und wohl auch Militär (man möge mich da bitte verbessern) eine einengende Kulisse bot und die andere Seite… Ja, was soll man dazu sagen… Die andere Seite war ein Waldweg, aber ein sehr schlechter. Wir konnten hier nur einer nach dem anderen gehen und an den Seiten waren überall kleine Plätze, wo sich vereinzelt Leute aufhielten. Was die da machten, überlass ich eurer Fantasie.

Stadion

Am Eingang traf man ein paar andere Dortmunder und suchte nach den Nachrichten aus der Stadt schnell die Freunde, die man da vermutete. Ich hatte das Glück, dass ich alle direkt erreichte und es denen gut ging. Andere suchten etwas länger, oder erreichten die Kollegen erst später per Telefon. Echt eine doofe Situation, aber mit der Zeit beruhigte sich die Lage. Hoffe, dass es beiden Verletzten heute wieder besser geht.

Auf dem Weg zum Stadion ergatterte ich schnell noch ein paar Souvenirs und ließ die Kontrolle über mich ergehen. Da ich einen Rucksack dabei hatte, wurde es doch was sehr ausführlich. Es nervte schon was, aber naja. Da muss man halt durch. Das Stadion wusste doch sehr zu gefallen. Eine sehr alte Schüssel, die aber durch die vielen farbigen Sitzplätze ein ansprechendes Bild abgab. Zum Spiel und der Stimmung will ich hier nicht viel schreiben. Es hat ja jeder mitbekommen, dass die Stimmung der absolute Wahnsinn war und das Spiel dem ins nix nachstand. Jahrhundertspiel wurde es später im Block genannt. Da möchte ich mich auch mal anschließen. Die Abreise war recht locker. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an die Fanbetreuer! Jens, Sebastian… Das war ein spitzen Job! Vielen Dank.

Stadion II
Die Nacht wurde dann auch mal durchgeschlafen. Vorm Einschlafen gönnten wir uns noch ein Bierchen und fielen dann in den verdienten Schlaf. Ich wurde in der Nacht mal kurz wach, da die Wasserleitung anfing Geräusche zu machen. Ich dachte echt, dass jetzt Lenin aus dem Hahn gekrochen kommt, aber es war dann doch nur eine Art gigantische Wasserhahnblähung.

Am nächsten Morgen genossen wir das Frühstück und gingen nochmal zum Kumpel. Die Kneipe musste einfach sein. Von dort machten wir uns auf den Weg zum Flughafen. Hier traf man dann viele andere BVB Fans. Jeder war unfassbar stolz auf diese Mannschaft, aber auch gezeichnet von den Tourstrapazen. Der Rückflug war sehr angenehm. Die Stewardessen um Anastasia wussten uns doch recht gut bei der Stange zu halten… ähm uns gut zu bewirten natürlich. Nach dem letzten Bier und kleinen Rotwein landeten wir glücklich in Dortmund. Eine unglaublich geile Reise ging zu Ende und entließ uns in die Nacht.


geschrieben von kesterter

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