Warmlaufen

Kultureller Austausch: Westfalen-Rheinland

10.04.2009, 13:09 Uhr von:  Felix
Kultureller Austausch: Westfalen-Rheinland
Die Siegerwelle aus dem Hinspiel

Der Journalist spricht gerne vom B1-Derby, wenn es für den BVB gegen Bochum geht. Der spottende Fanzinemacher spricht beim Duell gegen Wolfsburg vom A2-Derby. Doch am Samstag ist erstmal das RE1-Derby angesagt.

Der Regionalexpress 1 ist eine so belebte Bahnlinie, dass zwei Möchtegernterroristen sie sich im Sommer 2006 gar für einen Bombenanschlag ausgeguckt hatten. Er verbindet die Städte Dortmund und Köln miteinander, und weil er davor und danach auch noch ein bisschen fährt, hat man ihn praktischerweise gleich NRW-Express getauft. Dieser Name hilft ungemein bei der Orientierung, denn trotz der vergleichsweise kurzen Fahrtzeit glaubt sich der Westfale in einer anderen Welt, wenn er in der Rheinmetropole den überfüllten Doppelstockwagen verlässt und auf die Domplatte schreitet. Irgendwas ist so anders in Köln.

Versuchen wir, uns dem Phänomen etwas zu nähern. Und schieben wir das Klischee vom Karneval, den die Westfalen ja alle hassen und die Rheinländer ja alle lieben, ebenso zur Seite wie die unterschiedlichen Auffassungen darüber, ob Bier nach Wasser schmecken soll oder nicht.

Szene aus dem Hinspiel: Sahin gegen Geromel

Zunächst einmal sind die Menschen irgendwie optimistischer gestimmt als an Ruhr und Emscher. Sprichwörter wie „Et kütt wie et kütt“ und „Et hätt noch immer joot jejange“ (Muttersprachler mögen die rein phonetische Wiedergabe verzeihen) sind ihr Mantra. Ebenso markant: das Mitteilungsbedürfnis des Kölners. Mitunter textet er einen aber auch dermaßen voll, dass es selbst einem Freund der direkten Kommunikation des Ruhrgebiets etwas viel wird. Böse Zungen sprechen hier vom Tatbestand der Verbaldiarrhö.

Dann ist da die unglaubliche Heimatverbundenheit, die mit einem kaum hinterfragten Selbstbewusstsein nach außen gezeigt wird. Damit einher geht ein Zusammenhalt, der im Ruhrgebiet durch die Vielstädtestruktur einfach über weite Strecken fehlt. In Köln kennt man sich in seinem Veedel. Die ganze Stadt steht zusammen, beim Karneval, wenn sich Islamgegner angesagt haben – und wenn es um Fußball geht.

Verknüpfung Fußball und Stadt

Der 1. FC gehört ins Stadtbild und ein Kölner ins Stadion, auch wenn er zugereist ist oder sich eigentlich gar nicht für Sport interessiert. Das ist eine der Gemeinsamkeiten mit Dortmund. Anders ist, dass am Rhein auch reichlich Lieder über die Stadt und ihr jährliches Fest der Fröhlichkeit aus den Boxen kommen und jeder per Stadionordnung zum Tragen eines Podolski-Trikots verpflichtet ist.

Im Hinspiel traf nur Kringe

Lässt sich der Ruhr-Anrainer vom RE1 mal an den Rhein bringen, tut er dies abseits von Arbeits- oder Karnevalszeit meist, weil er eines der zahllosen Konzerte besuchen will (junger Mensch) oder den Weihnachtsmarkt und den ständig halbverhüllten Dom anziehend findet (älterer Mensch). Der Konzertgänger wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Volk treffen, das an szeniger Coolness kaum zu überbieten ist und vermutlich irgendwas mit Medien macht. 99 Prozent aller Kölner unter 30 Jahren haben schon für 1Live oder RTL gearbeitet. Wer nichts mit Medien macht, ist Sportstudent an der DSHS und deshalb an sportlicher Coolness kaum zu überbieten.

Über die Lebensweise des Kölners und seine nicht unattraktive Stadt ist so viel bekannt, weil er einerseits viel darüber spricht (siehe oben), andererseits weil es eine rege Pendelei zwischen Rhein und Ruhr gibt. So hat der BVB viele Fans im Dunstkreis des Domes, die ihm treu hinherherreisen, und die auch in Westfalen sehr geschätzt werden. Ebenso leben im Ruhrgebiet einige Fans des 1. FC. Beide Parteien eint ein gewisser Fanatismus und eine Abneigung gegen Gelsenkirchen.

Bittere Derbyniederlagen

Wenn sich also die Kölner am Samstag in gewohnter Vielzahl in den RE1 quetschen und die kurze Reise nach Westfalen antreten, werden sie jede Menge Reißdorf-, Früh- oder Dom-Kölsch dabeihaben, viel reden und auf einen Auswärtssieg hoffen. Nicht ganz ohne Grund. Denn die Mannschaft von Trainerfreak Christoph Daum ist auf Reisen momentan drittbestes Team der Liga. Dieser Sachverhalt und ein relativ sicherer elfter Tabellenplatz könnten eigentlich für Gelassenheit im Geißbockstall sorgen, wären da nicht zuletzt zwei schmerzhafte Derbyniederlagen gewesen.

Kehl und Zidan feierten im Hinspiel die drei Punkte

Nachdem der FC bereits völlig unerwartet im heimischen Müngersdorf mit 2:4 gegen die falsche Borussia unter die Räder gekommen war, legten vergangene Woche die Pillendreher von der anderen Rheinseite noch einmal nach. Patrick Helmes hat von den Pfiffen zwar immer noch einen Tinnitus, was ihm aber allein wegen seines coolen Elfmetertores relativ schnurz sein dürfte.


Was der hoch verehrte BVB daheim zu leisten im Stande ist, bleibt auch nach dem grandiosen Sieg in der Hauptstadt ungewiss. Es fehlt weiter ein echtes Kracherspiel im Westfalenstadion. Das 1:0 gegen Bremen und das ansehnliche Unentscheiden gegen Hoffenheim konnten daran nichts ändern.

Erstmals in dieser Saison sind jetzt drei Siege hintereinander möglich. Gelingen soll das der Mannschaft von Jürgen Klopp am Ostersamstag vermutlich mit der gleichen Formation wie in Berlin. Wieder mit den Rückkehrern Dede und Kuba, wieder mit dem Duo Frei/Valdez vorne drin.

Eine riesige Euphorie versuchte die BVB-Homepage schon am Mittwoch zu verbreiten. In der Umfrage, wie denn das Spiel gegen Köln ausgehen könnte, gab es gleich zweimal die Option: "Die Mannschaft ist heiß auf weitere Erfolge und wird auch gegen Köln gewinnen!" Einmal klickten 90 Prozent der Teilnehmer, einmal sechs.

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