Warmlaufen

Boykott! Alle!

23.04.2008, 21:58 Uhr von:  Redaktion

Die Heimkurve im WaldstadionSonst berichten wir vor Bundesligaspielen an dieser Stelle über Mannschaftsaufstellungen, Taktik und Verletzte. Doch vor dem Kick gegen die Eintracht rückt all das durch die Ereignisse der vergangenen Woche in den Hintergrund.

Nein, nicht die rund um den Pokal. Die mit der Stasi 2.0. Die Bespitzelung von deutschen Bürgern im Allgemeinen und Fußballfans im Besonderen hat einen traurigen Höhepunkt erreicht. Leidtragende waren diesmal die als extrem friedlich bekannten Fans aus Frankfurt. Was war geschehen?

Eigentlich ist es nur ein harmloses Lied. "Erste Runde Salzburg, zweite Runde Wien. Danach befreien wir Saddam Hussein", singen die Hessen gerne mit Bezug auf ihre letzte Europapokaltour. Die führte den Club natürlich nicht in den Irak, weshalb die Ansage bezüglich des mittlerweile längst in einem Erdloch verscharrten Ex-Diktators ironisch, als Spaß, zu sehen ist. Die Polizei in der "Hauptstadt des Verbrechens" zeigte sich allerdings gänzlich humorfrei und ließ führende Mitglieder der Ultras Frankfurt vom Bundesnachrichtendienst auf Kontakte in die arabische Welt überprüfen. Besonders im Fokus: Cengiz Y., Ali Ü. und Michael G., die als gläubige Muslime und Maschinenbaustudenten verdächtig schienen.

Die drei jungen Männer wurden, wie das Nachrichtenmagazin SPIEGEL berichtet, monatelang observiert, ihre Telefone abgehört, E-Mails abgefangen. Statt Anschlagsplänen erfuhren die BND-Agenten Details über geplante Choreos im Frankfurter Waldstadion, die geheime Anreise der UF nach Dortmund und die Anschaffung neuer Fahnen. Ein Richter, der die Abhörung daraufhin nichtDer BVB-Block beim letzten Auswärtsspiel in der Mainmetropole mehr weiter genehmigen wollte, zog seine Einwände nach einem Anruf von Innenminister Wolfgang Schäuble zurück und flog auf unbestimmte Zeit in die Karibik. Die Bespitzelungen gingen weiter und wurden erst beendet, als der SPIEGEL den Skandal aufdeckte.

Doch damit nicht genug. Das harmlose Liedchen der Fans war Auslöser für noch weitere Ermittlungen. "Wir fahren Fahrrad wie Erik Zabel. Erst nach Bologna und weiter nach Neapel", lautet eine Zeile der Hessen. Nun ist Erik Zabel seit seinem EPO-Geständnis leider nicht mehr der Saubermann, der er einmal war. So zu radeln wie er - das könnte den Konsum illegaler Substanzen implizieren. Von den eifrigen Frankfurter SKB darauf angesprochen, winkte das Drogenkommissariat des Frankfurter Polizeipräsidiums ab. Kein Interesse, keine Zeit, zu läppischer Fall.

Auf umso mehr Interesse stieß der Sachverhalt jedoch beim Internationalen Olympischen Komittee. Im Jahr der ohnehin schon krisengeschüttelten Spiele können die Sportverbände keine neue Doping-Diskussion gebrauchen. IOC-Vize und Jurist Dr. Thomas Bach machte den harten Mann und ließ seine Kontakte spielen. Wieder wurden Räumlichkeiten der Frankfurter Ultras durchsucht. Man fand weder Drogen noch Fahrräder, nur Äppelwoi..

Mladen Petric wurde auch bespitzelt Kein Wunder also, wenn beim anstehenden Gastspiel des BVB in Frankfurt die Heimfans schweigen. Ein Boykott scheint das einzige sinnvolle Mittel gegen die Willkür zu sein, die ein banales, fröhlich klingendes Lied ausgelöst hatte. Eventuell hängt man auch noch ein paar Fahnen verkehrt herum auf.

Doch auch die Dortmunder sollten sich daran beteiligen. Denn: Wie erst jetzt bekannt wurde, hatte nämlich auch Borussenstürmer Mladen Petric vor einigen Wochen Schwierigkeiten mit dem Geheimdienst. Er wurde observiert, nachdem er am Telefon den verdächtig scheinenden Satzteil "Bin Mladen" ausgesprochen hatte. Wie das Magazin Focus berichtet, wurde daraufhin Petrics gesamte Familie derart rüde verhört, dass dem Kroaten zwar nicht die Lust am Fußball, aber zumindest die am Toreschießen verging. Mit Einstellung der Ermittlungen, die Petric-Anwalt Dr. Gerd Niebaum am vergangenen Samstag kurz vor Anpfiff des Pokalfinales erwirkt hatte, kehrte sogleich auch die Begierde des Stürmers nach wackelnden Tornetzen zurück.

Also, an die Schwatzgelben in Frankfurt: Schweigt für Mladen! Solidarität mit den UF! Gegen den Überwachungsstaat!

Felix, 23.04.2008

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