Eua Senf

Pokalfieber 1989

15.05.2008, 00:00 Uhr von:  Gastautor
Pokalfieber 1989

Dortmund, 1989

Gerade 18 Jahre alt und kein Geld auf der Tasche. Das Finale steht vor der Tür. Was tun?
Verabredungen zum Finaltag: Schauen wir zu Hause mit Freunden alles im Fernsehen, gehen wir in die Stadt oder doch zum Borsig?

Mein GROSSER Bruder (der für mich jetzt noch größer geworden ist) will von mir einen Gutschein haben? Häää? Wofür? Er sagt mir: "10 mal Autowaschen und Du bist dabei." Dabei wedelt er lässig mit drei Karten. Eine Gänsehaut belegt meinen ganzen Körper. Unser schwarzgelber Gott hat mich erhört...ich bin dabei!

Noch drei unruhige Nächte bis zum Finale. Früh am Samstag morgen geht es los. Beim Betreten unseres Hauptbahnhofes schallt es schon durchs Rund: BEEEEVAAAAUUUUBEEEEE!!!- ja, jetzt bin ich angekommen. Als der Zug sich in Bewegung setzt werden die Dosen DAB-Pils aufgerissen und in die trockene Kehle geschüttet. In jedem großen Bahnhof, in dem wir Halt machen, schallt es aus den Fenstern: „Hier regiert der BVB!"

Als wir an der Ostdeutschen Grenze ankommen, habe ich ein mulmiges Gefühl. Unsere Lok wird abgehangen und eine prächtige Dampflok vorgeschaltet. In jedem Wagon mehrere Ostdeutsche Schaffner. Wie werden die auf uns reagieren? Als der Zug sich nun in Bewegung setzt weiß ich es. Sie sind cool – richtig cool. Sie erhalten direkt unsere schwarzgelben Kappen und Schals und wieder dröhnt es durch alle Abteile: „Hier regiert der BVB!"

Berlin, 1989

Pokalfinale 1989 - Fans

Ankunft im Bahnhof. Welch ein Empfang. Bestimmt 2.000 Schwarzgelbe (gefühlte 10.000) lassen den Bahnhof in seinen Grundmauern erzittern.

Ankunft im Stadion. Gegen wen spielen wir? Ach, da in der Ferne - ein kleines grün-weißes Völkchen.

Als die Bremer das erwartete 1:0 schießen meint mein Bruder: „Scheiß egal, wir sind dabei und die hauen wir noch weg". Als dann das 4:1 fällt glaube ich es ihm. Die Schwarzgelben auf den Tribünen machen einen solchen Lärm, dass wohl alle DDR Bürger in der Grenzregion in die Luftschutzkeller geflüchtet sind.

Als Kutowski nach dem Abpfiff mit dem Pokal an unserer Tribüne vorbeirauscht gibt es kein Halten mehr. Langsam aber sicher verabschiedet sich meine Stimme....aber egal, nur noch Brüllen ist angesagt. Andere lassen sich die Mandeln rausnehmen, ich denke, ich habe sie an diesem Tag einfach rausgebrüllt.

Nach dem Spiel noch eine Currywurst und dann die Vorfreude auf die Rückfahrt, wo wir wieder jeden Bahnhof zusammenschreien werden. Ich glaube, dass ich den ersten Bahnhof noch mitbekommen habe, aber dann haben sich die gefühlten 300 Pils bemerkbar gemacht und ich durfte in einen seeligen schwarzgelben Schlaf eintauchen...

Der grandiose BVB ist Pokalsieger und ich durfte dabei sein. Meinem fortan geliebten großen Bruder sein Dank.

FÜR IMMER SCHWARZGELB

geschrieben von Volker Gehring

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