Eua Senf

Business as usual

30.01.2007, 00:00 Uhr von:  Gastautor

Am vergangenen Spieltag fand zum dritten Mal in der Geschichte der Bundesliga der "Erinnerungstag für die Opfer des Nationalsozialismus im deutschen Fußball" statt. Dank der ausführlichen Berichterstattung der Medien, konnte dieser Tag wohl kaum einem Fußballfreund entgangen sein. Oder etwa doch?

Kurze Rückblende: Die Initiative für diesen Erinnerungstag ging 2005 von der evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau und den Münchener "Löwenfans gegen Rechts" aus. Gemeinsam mit der Deutschen Fußball Liga wurde die Idee dann umgesetzt und findet jährlich rund um den Spieltag des 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, statt. So auch in diesem Jahr.

Welche Bedeutung nun aber die ARD, der private Sender Arena oder auch die Damen und Herren der schreibenden Zunft diesem Tag beimessen, wurde besonders krass in Dortmund sichtbar.

An genau diesem Erinnerungstag kamen die Bayern aus München zum Gastspiel nach Dortmund. Grund genug gleich für zwei Sender das Eröffnungsspiel der Rückrunde live zu übertragen. Und genau an diesem Tag fand auf dem Rasen des Dortmunder Stadions eine höchst bemerkenswerte Aktion der Dortmunder Fußballfans statt. Um rassistischen Tendenzen unter deutschen Fußballfans eine deutliche Absage zu erteilen, führte die Fanabteilung des BVB den so genannten Fahnentag durch. Anhänger des BVB aus mehr als dreißig Nationen trugen unmittelbar vor Spielbeginn die Fahnen ihres Landes auf den Rasen: Wir alle sind Anhänger des BVB, schwarz-gelb sind die schönsten Farben der Welt, getragen von Menschen aus der ganzen Welt. Ein wunderbares Zeichen der Toleranz, der Völkerverständigung, des Friedens.

Nur die ARD und Arena Kommentatoren konnten das wohl gerade genauso wenig sehen, wie die übrigen anwesenden Journalisten. Oder war es ihnen einfach keine Erwähnung wert? Jede Wette, wenn irgendwo im Stadion Rauch aufgestiegen wäre oder es Randale gegeben hätte, die Kameras wären live dabei gewesen, die Kommentatoren hätten die üblichen Sprüche über die "Unverbesserlichen" abgesungen.

Ist also nur ein aufsässiger Fußballfan der Berichterstattung wert? Passt es nicht ins Bild, wenn 150 Fußballfans ihre Freizeit, ihr Geld und ihre Arbeit in Themen wie Toleranz und Völkerfreundschaft investieren? Ist gesellschaftliches Engagement wirklich keiner Erwähnung wert?

Wir sollten nicht den Fehler machen, diese Art von Aktivität der Fußballfans zu unterschätzen. Wir sollten vielmehr sehen, dass sich hier bewusste Bürger der Würdigung des Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland annehmen: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und nichts anderes wurde hier auf dem Rasen zum Ausdruck ausgebracht.

Wie ein ständiges Mahnmahl war das "Andreaskreuz", aus den Fahnen der Fans gebildet, im Hintergrund der Moderation von Herrn Beckmann bei der ARD zu sehen. Hübsch bunt, wird sich der nicht informierte Zuschauer am Bildschirm gedacht haben.

Anstatt sich aber diesem Geschehnis auch nur mit einem Wort zuzuwenden, wurde wiederholt das Foul von Haszan Salihamidcic an Sebastian Kehl thematisiert. Keine Erinnerung an "Niemals wieder", kein Wort der auf eine positive Zukunft ausgerichteten Aktion. Stimmung anheizen statt Bürger-Engagement zu erwähnen kann nicht der Stil eines Öffentlich-rechtlichen Senders sein.

DFB Präsident Theo Zwanziger war Schirmherr der Aktion, der erst letzten Sonntag überraschend verstorbene Vorsitzende der Deutschen Fußballliga, Werner Hackmann, ein glühender Verfechter des Erinnerungstages. An mangelnder Prominenz kann es also nicht gelegen haben. Eher wohl am Verständnis der Berichterstatter. Antirassismus und die Erinnerung an Widerstandskämpfer bringt offensichtlich keine Quoten.

Den Erinnerungstag zu übersehen ist das Eine - den Rasen voller antirassistischer Fußballfans zu übersehen das Andere. Beides ist unwürdig.

Geschrieben von EDFF

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