Eua Senf

Nichts ist wie war...

28.11.2006, 00:00 Uhr von:  Gastautor

Lange ist es her, dass ich das erste Spiel mit meinem Vater live im Stadion besucht habe. 15.06.1991, Dortmund gegen St. Pauli 5:2. An diesem für mich denkwürdigem Tag vor 30.624 Zuschauer veränderte sich meine Welt. Es war der 34. Spieltag und der BVB beendete die Saison auf dem zwölften Tabellenplatz.

Die Saison war beendet, aber ich war gepackt vom Fieber. Es ließ mich nicht mehr los, plötzlich sammelte ich Bilder von Fußballern, malte die Wappen der Vereine oder spielte mit Freunden den neuen Spielplan der nächsten Saison auf dem Aschenplatz nach. Die folgenden Jahre verbrachte ich das Wochenende stets vor dem Radio. Schon ab 12.00 Uhr stieg das Fieber und laut wurde gejubelt, wenn es dann hieß: "Tor in Dortmund". Unvergessen diese wunderschöne Zeit, in der ich immer mal wieder meinen Vater und seine Kumpels zu einem Spiel begleiten durfte. Meist schaute ich mehr zur Südtribüne als auf das Spielfeld. Immer träumte ich davon, ein Teil von dieser Südtribüne zu sein.

Als ich 14 Jahre alt wurde, änderte sich dies. Ich durfte mit ein paar älteren "allein" ins Stadion. Da ich keine Dauerkarte hatte, blieb uns nur die Jugendkasse übrig. Ab 10.00 Uhr standen wir da an, um uns eine Karte fürs Spiel zu sichern, um dann auf der Südtribüne nix zu sehen, weil man noch zu klein war. Aber das war egal! Man war stolz, auf dieser Tribüne zu stehen. Man sang immer laut mit und jubelte umso heftiger, wenn ein Tor viel. Es war wie eine Droge, ich musste alle zwei Wochen ins Stadion! Nichts war wichtiger als dort zu sein. Nicht die Arbeit, nicht die erste Freundin, nicht die zweite und auch heute "noch" nicht die eigene Frau. Doch diese Droge reichte nicht mehr. Somit "musste" ich den BVB auch auswärts begleiten. Unvergessen sind Auswärtsfahrten über 600 Kilometer mit fünf Freunden in einem Fiat Uno. Man war stolz, dort gewesen zu sein. Stolz auf alle anderen BVBler, die das fremde Stadion zu ihrem eigenen gemacht haben. Stets nach jedem Spiel wusste man, dass man alles gegeben hatte. Sollte der BVB einmal verloren haben, tat es unglaublich weh. Der Schmerz hielt die ganze Woche an. Erst zu Beginn des nächsten Spiels war das letzte Spiel vergessen. Besonders die Heimniederlagen schmerzten sehr. Aber es war trotzdem geil. 40.000 Dortmunder feuerten IHRE Mannschaft an. Viele Gegner hatten die Hosen voll in Dortmund zu spielen oder schwärmten von der tollen Stimmung. Sie wurden oft einfach aus dem Stadion gefegt. Jeder Zuschauer war stolz, ein Dortmunder zu sein. Teil von etwas ganz besonderem! Heute sind es über 70.000 Zuschauer, die ein Heimspiel der Dortmunder besuchen. Aus meiner Stehplatzdauerkarte ist ein Sitzplatz geworden. Aus dem Westfalenstadion ist der Signal Iduna Park geworden. Viele neue Zuschauer sind hinzugekommen. Einige Jungs, so klein wie ich es mal war. Aber auch viele Ältere. Viele von ihnen bezeichnen ein Spiel in Dortmund als ein Erlebnis. Dann muss ich meist schmunzeln. Ich weiß, dass es mal anders war.

Einige ärgern sich nach einem verloren Spiel und lachen dann aber über die Ergebnisse von Bayern oder Schlacke und nehmen es mit Humor. Aber auch bei mir lässt die Droge nach. Tut es noch genauso weh wie vor zehn Jahren, wenn der BVB mal ein Heimspiel verliert? Oftmals verfliegt der Ärger schon auf der Rückfahrt. Aber hat man wirklich alles gegeben für seinen BVB? Wo war heute das Gefühl, stolz darauf ein Dortmunder zu sein? Ist es das Wert mein Leben einem Fußballverein zu widmen? Ich glaubte es einmal. Liebe Fans, macht, dass ich es wieder glaube!

Geschrieben von Andreas Driesner

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