Eua Senf

Gerd Niebaum - Das Jahr danach

14.02.2006, 00:00 Uhr von:  Gastautor

Heute vor genau 15 Monaten trat Gerd Niebaum als Geschäftsführer der Borussia Dortmund KgaA zurück Damit hat sich der grosse Visionär und jahrelange Präsident von Borussia Dortmund im Sinne einer "Versachlichung der Diskussion" geopfert und ist von seinem Posten als Geschäftsführer der Borussia Dortmund KgaA zurückgetreten. Ein Nachruf.

Lieber Gerd, du fehlst mir.

Auch wenn es unter dir – insbesondere auf dem grünen Rasen, das konnte ich ja mit meinen Augen beurteilen – nicht immer nur erfolgreiche Zeiten gab. Aber weißt du, irgendwie ist der Glanz weg, seit du nicht mehr da bist. Niemand spricht mehr von ambitionierten Zielen, von einer vierten Ausbaustufe, von einer Anhebung des Rasens und davon, dass Borussia Dortmund die Liga von oben kontrollieren wird. Stattdessen wird in Dortmund nur vom Überleben und vom Schuldenabbau gesprochen.

Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie sehr dich das schmerzen wird. Kaum wurdest du von der Kampagne von Freddie Röckenhaus und der übrigen Presse, die in der verhängnisvollen Fax-Affäre ihren Höhepunkt fand, zum Rücktritt gedrängt, musste sich dein Verein, Dein Lebenswerk, schon eine „existenzbedrohende Ertrags- und Finanzsituation“ eingestehen. Gerd, wärst du noch da gewesen, hättest du wohl den Angriff (von Platz 12 aus) auf die Champions-League-Plätze prognostiziert und, ganz nebenbei erwähnt, dass Borussia Dortmund absolut kreditwürdig sei und weiterhin zu den umsatzstärksten Vereine nördlich von München gehöre.

Vieles ist im Jahr nach dir passiert. Dein ambitioniertes Molsiris-Projekt, das uns schon 2017 ein schuldenfreies Stadion garantiert hätte, wurde von diesen Spiessern Watzke und Rauball über Bord geworfen. Stattdessen haben wir die Anteilseigner auf Knien angefleht, dass sie uns wieder einen Teil „unseres" Westfalenstadions zurückgeben und wir einen Teil des von dir in grosser Vorrausicht – für die Du seit jeher berühmt warst - angelegten 50 Millionen-Depots in den laufenden Betrieb übernehmen dürfen. Welch Schmach für einen Verein, der vier Jahre vorher unter dir noch zu den Reichsten in Europa (selbstverständlich mit dem höchsten Eigenkapital-Anteil) gehörte. Und auch alle anderen Gläubiger mussten wir um einen zweijährigen Zahlungsaufschub bitten. Unter Dr. Gerd Niebaum wusste in Dortmund noch niemand, was ein Gläubiger ist.

Unter dir hätten wir wohl auch die Transferrechte von Nuri Sahin und Marc-André Kruska für realistische 50 Millionen Euro an einen mit dir befreundeten Bauunternehmer verpfändet. Diese sehr kreative und zukunftsorientierte Überbrückung des Liquiditätsengpasses hätte das ohnehin grenzelose Vertrauen in deine Führung weiter vergrössert. Unser Aktienkurs wäre mindestens auf den Emissionskurs gestiegen und im Sinne einer zusätzlichen Stärkung der Liquidität hätten wir eine erneute Kapitalerhöhung durchgeführt, die uns mindestens 100 Millionen Euro beschert hätte. Ja Gerd, dein wirtschaftliches Know-how sowie deine gute Aussendarstellung fehlen uns sehr. Wir hätten dann wieder mutig und forsch in „Steine und Beine“ investiert und am 30.06 hättet du und der Klosterschüler dann wieder ein Ass aus dem Ärmel gezogen und uns schwarze Zahlen präsentiert.

Schockierend, wie sich ohne dich die Geschichte mit der Umbenennung des Westfalenstadions abgespielt hat. Zum einen, dass sich nicht etwa Welt-Konzerne wie Coca Cola, Nike und Mercedes um die Namensrechte unseres Tempels gestritten haben, zum anderen diese unsägliche Diskussion um das blaue Logo von Signal Iduna.

Unter Dr. Gerd Niebaum hätte sich Coca Cola unseren Stadionname gesichert und davon abgesehen hätte der Getränkehersteller im Sinne einer Demonstration der Verbundenheit mit Borussia Dortmund sein gesamtes Corporate Design über den Haufen geworfen. Unter den Stümpern Watzke und Rauball wird eine kleine Anpassung von Signal Iduna schon als „grosses Entgegenkommen“ gefeiert – so billig hättest du uns nicht abgespeist, nicht Dr. Gerd Niebaum!

Und was ist mit der Leier, dass der Verkauf der Namensrechte für den BVB von existenzieller Wichtigkeit gewesen sei. Wo ist da bitte der Hinweis um die Stärkung der Liquidität? Wo ist die neue Tochterfirma, die sich erfolgreich darauf spezialisiert, allem rund um den Coca-Cola-Dome einen neuen Namen zu geben? Wie wäre es mit der Nike-Bratwurst und dem Sprite-Block 13? Ja Gerd, die Idee wäre doch – ähnlich wie bei gool.de und Sports & Bytes - „sehr pfiffig“ und die Wachstumschancen des neuen Marktes enorm.

Schön war die Zeit - so schön. Aber ohne dich wuchern wir dahin und nichts ist mehr ambitioniert. Nur noch der Schuldenabbau.

Geschrieben von Didier

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