Eua Senf

Wo bleibt die Perspektive?

03.04.2005, 00:00 Uhr von:  Gastautor

Den kürzlich veröffentlichten Rückblick zur Saison 1971/1972 hat sich einer unserer Leser zum Anlass genommen, die damalige Situation mit der heutigen zu vergleichen und die aktuellen Perspektiven zu hinterfragen.

"Dazu kam die Risikolosigkeit der Dortmunder Vereinsführung, die keine richtigen Visionen hatte. Zum Beispiel führte Willi Steegmann den BVB nicht wie einen Fußballverein, sondern wie einen Betrieb nach kaufmännischen Regeln. Dies klappt vielleicht in einer Firma, aber bei einem Fußballverein verhält sich das anders. So sah der Präsident in der Ablösesumme oder dem Gehalt nur die Kosten. Dass dies Investitionen in den Spielbetrieb waren, die dann sportliche und auch finanzielle Rendite abwerfen, das sah man nicht. Und mit dieser konservativen Verpflichtungspolitik geriet der BVB in eine Abwärtsspirale: Je mehr der Erfolg ausblieb und je unattraktiver die Mannschaft wurde, desto mehr blieben auch die Zuschauer weg und es verengte sich der finanzielle Spielraum des Vereins. Irgendwann konnte man dies nicht mehr korrigieren, weil das Geld fehlte. Also musste man die besten Spieler verkaufen und minimierte die sportliche Substanz. Hätte man nach dem Triumph in Glasgow eine offensive Verpflichtungspolitik gewählt, wäre der Verein nicht abgestiegen."

Das ist im Rückblick zur Saison 1971/1972 nachzulesen über die Ursachen für den Niedergang des BVB Ende der 1960er Jahre. Vom Verfasser wohl nicht intendiert, so hören sich diese Zeilen doch verdammt noch mal sehr nach einer verspäteten Lobrede auf den BVB-Visionär Niebaum an, der den BVB mit seiner Art Investitionspolitik nicht nur zu Europas Nr. 1 gemacht hat, sondern mit dem Dortmunder WM-Stadion für 2006 zudem eine steingewordene Hinterlassenschaft aufgebaut hat, die einen soliden Sachzwang darstellt für alle Geld- und Kreditgeber, die an diesem Bauwerk samt zugehörigem Bundesligaverein profitiert haben und in ihrem eigenen finanziellen Interesse den BVB jetzt nicht wie eine ausgequetschte Zitrone fallen lassen konnten. Mit einem Stadion wie in Bochum oder Essen stünde der BVB jetzt wirklich vor dem Insolvenzgericht! Schwein gehabt -

Hören wir uns den leisen Sauerländer Watzke an, der als ehrliche Haut ins schwarzgelbe Rampenlicht getreten ist und mit dem gewinnenden Charme eines Sauerbrötchens den BVB auf einen ungewissen Trip durch fußballerisches Niemannsland zu schicken gedenkt:

"Wir haben eine klar durchgreifende, konservative Planung (Da war doch was!) für die nächsten fünf Jahre. Entscheidend ist dabei, dass wir das mit Leben erfüllen und es gelingt, trotz des schmalen Budgets für die nächsten Jahre eine ambitionierte Mannschaft zusammenzustellen. Das können wir schaffen. Es lässt sich aber nicht alles planen."

Was meint Watzi bloß mit dem "das", welches er mit Leben erfüllen will, von dem er aber nicht weiß, ob es sich planen lässt? Konkret wurde der wackere Mann bisher jedenfalls nur in einer Hinsicht: Er bekundete den Willen, im Sommer "ein bis zwei Spieler" zu transferieren und bezifferte das Erlöspotenzial auf 10 bis 15 Mio. Euro. "Ablösesummen werden nicht reinvestiert, sondern zur Entschuldung verwendet. Das ist ja der Charme des Konzepts. Es ist zwar konservativ, aber gleichzeitig auch ambitioniert."

Wer will, kann jetzt wieder an den Anfang des Artikels zurückgehen!

Offenbar nicht genug der tristen Perspektive, wird auch noch der eigentlich bloß fürs Sanieren geholte Rölfs, der nach dem gelungenen Auswärtsspiel auf dem Düsseldorfer Flughafen von einer "glanzvollen Zukunft" des BVB zu sprechen gewagt hatte, vom Watzmann zurückgepfiffen: "In so einem Moment, in dem man emotional berührt ist, darf man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Er wollte damit wahrscheinlich ausdrücken, dass wir jetzt wieder Vertrauen in die Zukunft haben können und dass wir überhaupt wieder eine haben."

Das soll´s jetzt gewesen sein für die nächsten 5 Jahre? Überhaupt eine Perspektive? Mit einem Etat niedriger als der Aufsteiger Köln? Mit einer Mannschaft mit vielleicht einer Menge Leidenschaft, die aber spielerisch nur den einen oder anderen guten Tag hat, mit Defiziten an Klasse auf jeweils mindestens einer Position in Abwehr, Mittelfeld und Sturm? Wer glaubt denn ernsthaft daran, dass ein Kehl außer tapferem Ballerkämpfen irgendwann einmal zum abgeklärten Spielmacher avanciert? Oder dass der für die Mannschaft so wichtige Kämpfertyp Kringe das Toreschießen noch mal erlernen wird! Selbst ein Ewerthon macht nur seine Tore, wenn er von 6 Chancen einen reinmachen kann. Usw. usf.

Machen wir uns nichts vor. Was der jetzige Geschäftsführer zum besten gibt, kann nicht die Perspektive von Borussia Dortmund sein! Das wäre der schleichende Abgang als Alternative zum plötzlichen Herztod. Man kann nur hoffen, dass der Mann insgeheim Größeres plant!

Auch Freund Beck von der Fanabteilung macht sich die Sache doch recht einfach, wenn er als einzige Stellungnahme zur aktuellen Situation fordert: "Es darf nicht immer nur ums Geld gehen. Es geht um Sport. Es geht um Leidenschaft!" Ja richtig, im Stadion sollte es darum gehen! Aber was ist darum herum? Das hat doch spätesten in den letzten Monaten jeder mitgekriegt, was so alles für den Verein und seine sportliche Perspektive vom Geld abhängt.

"Das Wichtigste wäre, Unternehmen zu gewinnen, die mit dem Herzen u n d der Brieftasche dabei sind."

Jawoll, und der Brieftasche!! Das sagte gerade gestern ein gewisser Reiner Calmund. Und wo bewirbt sich der gerade? Bei Fortuna Düsseldorf für den Aufsichtsrat! Der Hansdampf in allen Gassen hat auch schon mitgekriegt, dass dort inzwischen ein Stadion Dortmunder Machart steht.

Solche Visionäre braucht der Verein! Auflagen für die Sanierung hin oder her, es müssen Macher ins Management, die neue Sponsoren auftreiben, denen an Schwarzgelb gelegen ist. Es müssen Leute in die Führung, die für Spieler, Zuschauer, Fans und Geldgeber nicht überhaupt eine, sondern ein sportlich erfolgreiche Perspektive anpeilen. Die 90er Jahre als widernatürliche Ausnahme, die für den Verein mit den größten Zuschauermassen in Europa eigentlich eine Nummer zu groß ist? Das darf doch wohl nicht wahr sein! Spieler wie einen van Bommel, die der Verein sportlich wirklich dringend braucht, kann man heute auch anders als über die Kasse des Vereins oder der KGaA organisieren. 5 Jahre oder mehr als Manager Buchhalter spielen und jeden zurückpfeifen, der wieder um den UEFA-Cup oder mehr mitspielen will? Dann sind die Dortmunder Stadionmassen aber schneller weg, als man schauen kann! Dann kann man wirklich wieder vorne im Artikel anfangen zu lesen!

Geschrieben von Atta

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