Eua Senf

Bis zum bitteren Ende??

16.06.2005, 00:00 Uhr von:  Gastautor

Fan- Demo, WM- Bauwut, Wettrüsten in Sachen Champions- League, Meldungen über horrende Schuldenstände. Wie wird es mit dem Fußball in Zukunft weitergehen, beziehungsweise hat er noch eine Zukunft.

Ich fange mal damals an. Damals, das ist vor ca. 20 Jahren als mein Papa mich das erste Mal mit auf den Fußballplatz genommen hat. Herringer SV in der Kreisliga A. Seitdem ist Fußball für mich immer folgendes gewesen: Eine Leidenschaft der man mit einer Bratwurst rechts und einem Getränk (damals Fanta, heute ein Pils) links frönt, heiße Diskussionen mit anderen Fans, gemeinsamer Torjubel und gemeinsamer Ärger nach Niederlagen. Das ist das was für mich das Fan-Sein ausmacht. Bis heute hat sich daran eigentlich nicht viel geändert, bis auf das meine Leidenschaft konkreter geworden ist, dass die Borussia für mich zum Synonym für Fußball geworden ist. Ich liebe es immer noch Samstags ins Stadion zu gehen, die Mannschaftsaufstellung zu brüllen, mit mir unbekannten Leuten Tore zu bejubeln, dem Schiedsrichter ein herzhaftes "A.loch" bei Fehlentscheidungen zuzubrüllen, meine Bratwurst und mein Bier dabei zu genießen. Ich bin ein normaler, echter Fußballfan wie wohl zigtausend andere auch.

Trauriger- und paradoxerweise falle ich immer weiter aus der Zielgruppe heraus. Ich gehe zum Fußball um des Fußballs Willen und bin trotzdem nicht mehr der, den man sich im Stadion wünscht. Ich bin geduldet als Staffage.

Gewünscht sind Familien die einen Ausflug ins Stadion machen, mit Kindern die so lange drängeln, bis Papa jedem einen Schal kauft und das Eis und die Bratwurst?.

Gewünscht sind die Managertypen die Logen füllen und somit mit einem Schlag mehr bezahlen, als eine ganze Horde von uns Normalos.

Gewünscht sind vor allem Fans denen man Werbung verkaufen kann. Vor dem Spiel, nach dem Spiel und in der Halbzeitpause.

Ich mache mir da nichts vor, Werbung ist wichtig. Mich interessieren zwar die beiden Michelin- Männchen nicht die da in der Pause versuchen einen Jeton zu platzieren, aber ich kann damit leben. Ich mag die Vielzahl von Seiten mit Werbung in der Stadionzeitung nicht, aber ich kann sie überblättern. Es bringt dem Verein Geld und wenn es im erträglichen Rahmen bleibt, hindert es mich nicht an meinem samstäglichen Gang in den Tempel. Womit ich nicht leben kann, dass sind Zustände wie beim hoch gelobten FC Bayern. Wenn mir der Werbeträger sagen will wann und wie lange ich LaOla zu machen habe, dann ist für mich das erträgliche Maß voll. Und genau deshalb falle ich immer weiter aus der Zielgruppe heraus.

Der Markt Fußball hat schnell Dimensionen angenommen für die er niemals gedacht war und für die die Vereine auch niemals ausgerichtet waren. Umsatzmäßig erreicht jeder Fußballverein der ersten Liga Zahlen großer mittelständischer Unternehmen. Es geht um etliche Millionen Euro und die Vereine brauchen immer mehr Geld. Und zwar Geld, das mit dem Durchschnittsfan nicht mehr zu holen ist. Eine neue, finanzkräftigere Zielgruppe muss eben angesprochen werden.

Genau hier beginnt sich aber die Katze in den Schwanz zu beißen. Der Normalfan, der seine Mannschaft anfeuert und bejubelt, existiert nicht außerhalb des Spektakels Fußball, er ist ein Teil von ihm. Die Fantribünen sind mit ein Grund, warum die neue Zielgruppe ins Stadion geht. Sie will ein Fahnenmeer zum Einlaufen sehen und sie will Schlachtgesänge hören. Alles Teil eines Rundum- Unterhaltungspaketes.

Auf der einen Seite bringt der Normalo nicht genug ein, lehnt ein Übermaß an Werbung ab und verlangt Plätze zu erschwinglichen Preisen, auf der anderen Seite wird er vom Verein für die Kulisse benötigt. Eine Zwickmühle.

Wie schafft der Verein es also sowohl den eigentlichen Fan gnädig zu stimmen, als auch die geldgebende Zielgruppe ins Stadion zu locken? Das Zauberwort heißt Erfolg. Erfolg betäubt den Fan, keiner weiß das mittlerweile besser als wir. Erfolg bringt aber auch die Manager, die Familien und die Sympathisanten ins Stadion. Erfolg, das heißt Meisterschaften, Pokalsiege, Champions- League. Um diese Erfolge zu erreichen, findet derzeit ein gnadenloses Wettrüsten statt. Vereine die schon tief in den roten Zahlen sind, jonglieren mit millionenschweren Ablösesummen und leisten sich teure Neuverpflichtungen. Alles wird mit der Notwendigkeit begründet, dass man unbedingt international spielen muss. Wenn man dort bereits spielt, dann muss man eben konkurrenzfähig bleiben. Der ursprüngliche Sinn, nämlich Erhalt und Verbesserung der Vereinsfinanzen, ist dabei längst auf der Strecke geblieben.

Was soll's, die Fans sind ruhig, die Zielgruppe ist glücklich und die Werbepartner erfreut.

Und so geht es weiter, bis nichts mehr geht. Noch vor 2 oder 3 Jahren wären Berichte wie man sie zuletzt immer häufiger sieht als Nestbeschmutzung abgetan worden. In Berlin, Leverkusen, Hamburg, Gelsenkirchen wird von großen Schuldenständen berichtet, wir sind sowieso das große Sorgenkind. Auch vielen kleineren Vereinen geht es nicht viel besser. Zwar erreichen ihre Verbindlichkeiten nicht annähernd unsere astronomischen Höhen, aber dafür ist deren Einnahmenseite auch viel geringer. Dennoch wird sich munter eingeredet, dass man es noch schaffen kann. Wenn man in die Champions- League kommt, wenn man neue Sponsoren an Land zieht, wenn man den Stadionnamen verkauft? irgendwie schafft man das schon.

Also wird alles größer, bunter, pompöser. Und ich will eigentlich nur Fußball gucken. Ich will Borussia zujubeln mit meiner Bratwurst und meinem Becher Bier.

Die ganze Liga erinnert mich fatal an einen sterbenden Stern. Er bläht sich erst zur Supernova aus, zu einem gigantischen Ding, um dann in sich zusammen zu fallen. Und genau diese Spirale verfolgen wir. Die Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen, die Schuldenstände sind viel zu hoch um sie mit Eintrittskarten-, Schal- und Bierverkauf jemals wieder abzubauen. Leider sehen viele Vereine den Weg nur im Wettrüsten im Kampf um die internationalen Fleischtöpfe und im Verkauf von dem, was einmal unser Sport war, an Leute die ihn konsumieren, aber nicht lieben.

Wenn es so weitergeht, dann dauert es nicht mehr lange bis aus dem "Ihr macht unseren Sport kaputt" ein "Ihr habt unseren Sport kaputt gemacht" wird und die ganze Showbühne Bundesliga zusammenfällt.

Ob ich darüber traurig sein soll? Ich weiß es noch nicht.

Geschrieben von Mordred ACHTUNG: Beiträge von Gastautoren müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln, wir sind jedoch der Auffassung, dass auch solche Stimmen hier ein Forum finden sollten.In der Rubrik „Eua Senf“ veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen Texte, die uns von unseren Lesern zugesandt wurden. Dir brennt auch ein Thema unter den Nägeln und Du möchtest einen Text auf schwatzgelb.de veröffentlichen? Dann schick ihn an gastautor@schwatzgelb.de.

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