Im Gespräch mit...

...Stefan ten Doornkaat (SdK): "Tiefrotes Wunder"

19.08.2004, 00:00 Uhr von:  Guido
...Stefan ten Doornkaat (SdK): "Tiefrotes Wunder"

Kein Tag ohne neue Gerüchte bezüglich der finanziellen Situation bei der Borussia. schwatzgelb.de sprach mit Stefan ten Doornkaat von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Er prophezeit dem BVB tiefrote Zahlen bei der nächsten Bilanzpressekonferenz.

schwatzgelb.de: Herr ten Doornkaat, Sie vertreten die Interessenslage der so genannten Kleinaktionäre. Über wie viele Personen sprechen wir bei der Borussia Dortmund KGaA und welchen Anteil der Aktien halten diese Kleinaktionäre?

Stefan ten Doornkaat: Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. gehört dem Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen an. Damit können sich eine Vielzahl von Aktionären, die selbst nicht zu Hauptversammlungen gehen können, durch die SdK vertreten lassen. Der Anteil variiert und ändert sich regelmäßig bis zur Hauptversammlung. Jedoch hat der Anteil schon jetzt die erforderliche Anzahl, um die Rechte der Aktionäre angemessen durchzusetzen.

schwatzgelb.de: In der Süddeutschen Zeitung haben sie Anfang des Jahres Konsequenzen gefordert und einen Antrag zur Sonderprüfung der Bilanz angekündigt. Was ist aus dieser Sonderprüfung geworden? Die "taz" hat sie gar einen "kleinen Feigling" genannt, weil von dem Thema nichts mehr zu hören war.

Stefan ten Doornkaat: Der Antrag auf Sonderprüfung kann lediglich während einer Hauptversammlung gestellt werden. Zu dem habe ich mit Herrn Meier eine Vereinbarung getroffen, wonach der Aufsichtsrat der Borussia Dortmund KGaA ein entsprechendes Finanzgutachten in Auftrag geben sollte. Sollte das Gutachten jedoch nicht bis zur ordentlichen Hauptversammlung vorliegen, so werde ich den entsprechenden Antrag stellen. Außerdem sollte die angespannte Finanzlage nicht auch noch mit den Kosten einer außerordentlichen Hauptversammlung belastet werden. Diese Kosten gehen immerhin auch schon bis zu € 1 Mio. Diese Kosten spart man lieber, um Beispielsweise einen neuen Abwehrspieler mit Perspektiven zu holen.

schwatzgelb.de: In der Sommerpause hat ein Thema die Fanseele ganz besonders erhitzt: So soll der BVB die Namensrechte am Westfalenstadion für 5 Millionen Euro an eine Commerzbanktochter verkauft haben, um diese Rechte dann im Sommer zurückzukaufen. Der Hamburger SV bekommt alleine geschätzte 3 Millionen Euro pro Jahr (!) von "AOL" für seine Arena. Wie passt das zusammen und warum nimmt der BVB nicht einen ganz normalen Kredit auf, wenn es nur um die kurzfristige Liquiditätswahrung geht?

Stefan ten Doornkaat: Sie sprechen den Punkt an, der mir auch etwas seltsam vorkommt. Der BVB verkauft die Namensrechte für 4 Jahre für lediglich 5 Millionen Euro, obwohl der HSV hierfür ca. 3 Millionen jährlich erhält. Jedoch handelt es sich doch tatsächlich wohl um eine Kreditgewährung, da alles dafür spricht.

Hier möchte ich aus einem Interview von Herrn Dr. Niebaum zitieren. "Es war ein Geschäft mit vorläufigem Charakter. Man wollte von vornherein dieses Geschäft so nicht durchführen. Man wollte lediglich eine Zwischenfinanzierung. Eine endgültige Vergabe des Namensrechtes hätte mit einem Vielfachen der Summe vergütet werden müssen."

Schon einmal vorläufig ein Brötchen gekauft? Das Geschäft war, so würde ich sagen, die Aufnahme eines Kredites. Der Stadionname diente als Sicherheit. Über den Grund der Kreditaufnahmen kann lediglich spekuliert werden, bis die Herren Dr. Niebaum und Meier dies öffentlich darstellen. Spannend ist hier aber, dass die Assunta GmbH eine Tochtergesellschaft der Commerzleasing AG ist; genauso wie die Molsiris KG, der ja das Westfalenstadion verkauft wurde.

schwatzgelb.de: Hinzu kommt, dass die Namensrechte angeblich ja bei "E-ON" liegen. Kann der BVB diese denn überhaupt verkaufen?

Stefan ten Doornkaat: Es gibt ein sogenanntes Vorkaufsrecht, das der E-ON AG als Haupttrikotsponsor zusteht. Das heißt, die E-ON AG hat das Recht, die Namensrechte zu kaufen. Wenn diese an diese Assunta GmbH verkauft wurden, so müsste eine vorherige Freigabe der E-ON AG erfolgen. Dies wird die E-ON AG aber bestimmt nicht kostenlos gemacht haben. Eine entsprechende Anfrage an den Vorstand der E-ON AG sowie an Herrn Dr. Niebaum und Herrn Meier läuft derzeit.

schwatzgelb.de: Jetzt geistert ein neues Thema durch die Presse. Angeblich ist der BVB mit Gehaltszahlungen im Rückstand. Es wird spekuliert, die Einnahmen aus dem Dauerkartenverkauf - immerhin ein zweistelliger Millionenbetrag - seien bereits ausgegeben. Ohne auf dieses Thema im Speziellen einzugehen, so verwundert es doch, dass reichlich viele Spekulationen seit Monaten durch die Presse gehen, Heerscharen von Reportern es jedoch nicht gelingt "Fleisch an die Knochen" zu bringen. Man sieht und hört täglich neue Gerüchte und umgehende Dementis des Vereins. Ist die Situation vielleicht gar nicht so schlimm, wie es uns vor allem die Süddeutsche Zeitung glauben machen will? Oder erleben wir demnächst das nächste blaue Wunder?

Stefan ten Doornkaat: Ein Teil des Geldes aus dem Vorverkauf ist in den Rückkauf der Namensrechte sowie die Verzinsung dieser Summe geflossen. Das waren sicherlich ca. 5,2 Millionen Euro. Wie es um die finanzielle Situation beim BVB bestellt ist, können uns letztlich nur die Herren Dr. Niebaum und Meier sagen. Die plaudern jedoch lediglich Belanglosigkeiten aus. So fragt man sich schon, warum soll kein Spieler mitbekommen haben, dass sein Gehalt seit Januar später bezahlt wurde? Wurde es aber nicht später bezahlt und bestand eine solche Vereinbarung seit Januar, so müssen sich die Herren Dr. Niebaum und Meier fragen lassen, warum sie das nicht früher umgesetzt haben. Es handelt sich, wie Herr Meier zutreffend ausführt, um einen Zinsvorteil. Dass das den Spielern gegenüber seit Januar auch nicht kommuniziert wurde, ist aber der eigentliche Skandal. Wenn man Angestellte hat, hat man mit diesen Arbeitsverträge. Diese hat man einzuhalten. Will man irgendetwas in den Verträgen verändern, so muss man dies zumindest irgendwie und irgendwem kommunizieren. Schließlich muss auch eine Kündigung eines Vertrages dem Vertragspartner zugehen. Dem Interview zur Folge ist eine Kommunikation aber überhaupt nicht erfolgt.

Ein Blaues Wunder werden wir wohl vorläufig nicht erleben. Dafür werden wir wahrscheinlich ein tiefrotes Wunder im Oktober bei der Bilanzpressekonferenz erleben.

schwatzgelb.de: Dass der BVB im letzten Jahr ohne die Champions League Verluste schreiben musste, verwundert sicherlich nicht. Dass er jedoch auch in sportlich erfolgreichen Zeiten, wirtschaftlich nicht erfolgreich agiert hat, verunsichert schon. Wie schlimm sind denn nun die Vermögensverhältnisse - immerhin hat der Verein einen dreistelligen Millionenbetrag an Verbindlichkeiten - und gibt es tatsächlich die heraufbeschworenen Liquiditätsprobleme? Unsere Leser interessiert da sicherlich weniger, ob der BVB eine Dividende zahlen wird, sondern ob wir uns darauf einstellen müssen, dass der BVB weiterhin Spieler verkaufen muss, um die Lizenz zu sichern.

Stefan ten Doornkaat: Natürlich ist zunächst zwischen der Vermögenssituation und der Liquidität zu unterscheiden. Vereinfacht gesagt ist die Liquidität das, was ich in der Kasse oder auf dem Konto habe. Die Vermögenssituation beschreibt die Mittelherkunft und die Mittelverwendung. Die Borussia Dortmund KGaA hat ca. 270 Millionen Euro. Davon entfallen 120 Millionen auf Eigenkapital und rund 150 Millionen auf Verbindlichkeiten. Jetzt muss man sich anschauen, was mit dem Geld gemacht wurde. Hierbei stellt man fest, dass im Wesentlichen an Vermögenswerten noch Spieler sowie ein Betrag von etwa 50 Millionen vorhanden sind. Zieht man nun diese 50 Millionen ab, müsste man mit den Spielern 220 Millionen erzielen können, um auf 270 Millionen zu kommen. Einen solchen Wert wird man aber bei der derzeitigen Marktsituation den Spielern nicht zu messen können.

Die 50 Millionen sind nicht unter die Liquidität zu fassen, da sie verpfändet sind und nicht ausgegeben werden dürfen.

schwatzgelb.de: Sie sprechen hier die Eigenkapitalsituation an. Dieses setzt sich ja grob aus zwei Blöcken zusammen: Zum Einen besteht das Eigenkapital beim BVB ja aus dem Fond, der dafür verwendet werden soll, das Stadion nach Ablauf des Vertrages zurückzukaufen, zum Anderen aus dem "Rumlaufvermögen" nämlich den Werten, zu denen die Spieler aktiviert wurden abzüglich ihrer Abschreibungen. An Anlagevermögen ist ja nicht mehr viel da, nachdem der BVB sein Stadion verlauft hat. Da der Wert des Kaders aufgrund der tendenziell fallenden Transfersummen eher niedrig anzusetzen ist, besteht also eine enorme Überschuldung, richtig?

Stefan ten Doornkaat: "Rumlaufvermögen" ist gut, das muss ich mir merken. Aber im Ernst ist es so, dass die eine Seite der Bilanz die Herkunft der Mittel beschreibt oder vereinfacht ausgedrückt: wem das Geld gehört. Die andere Seite beschreibt, was ich mit dem Geld gemacht habe. Also beispielsweise bin ich zur Bank gegangen und habe einen Kredit von 1.000 Euro aufgenommen. Dann steht auf der Passivseite der Bilanz Zugang Verbindlichkeiten um 1.000 Euro. Für dieses Geld habe ich einen Schrank gekauft. Der steht dann auf der Aktivseite im Anlagevermögen. Da der Schrank durch den dauernden Gebrauch nun immer weniger Wert wird, nehme ich Abschreibungen vor.

Richtig ist, dass die Transfersummen für Spieler tendenziell fallen. Das zeigen ja die beiden Angebote für Rosicky und Koller. Jedenfalls sind die angebotenen Summen nicht die, mit denen das Management kalkuliert hat. Sonst wäre der ein und oder andere Spieler bestimmt schon verkauft. Außerdem muss man berücksichtigen, dass bei einigen Spielern am Ende der laufenden Saison die Verträge auslaufen und die dann ablösefrei wechseln können.

Richtig ist auch, dass der Schuldenberg nach meinen Schätzungen etwa 150 Millionen Euro zum Ende des Geschäftsjahres 2003/2004 betragen wird. Diese Schätzungen basieren auf den Halbjahreszahlen zum 31.12.2003, die dann von mir hochgerechnet wurden. Damit besteht eine enorme Schuldenlast, die in Zukunft abgetragen werden muss. Rechnet man allein die Zinsen aus, so kommt man bei 8% auf eine monatliche Zahllast von 1 Million bzw. 12 Millionen im Jahr. Hinzu kommt noch eine Tilgung, die Leasinggebühr für das Stadion von 12-17 Millionen sowie das Leasing der Marke Goool.de in Höhe von mindestens 1,4 Millionen. Gehen wir mal vom schlimmsten aller Fälle aus: Dann müsste der BVB rund 30 Millionen Euro pro Jahr zahlen, ohne dass ein Spieler und dessen Ausrüstung bezahlt wurde. Ganz zu Schweigen von Fahrten zu Auswärtsspielen. Ob hier schon ein Fall der Überschuldung vorliegt, wissen die Herren Dr. Niebaum und Meier besser, weil ihnen die konkreten Zahlen schon vorliegen. Wir müssen hier noch bis Oktober warten, dann wissen wir es auch.

schwatzgelb.de: Vielen Anhängern vom BVB sind Aktienstand und Vermögensverhältnisse ziemlich egal, so lange der BVB attraktiven Fußball bietet und oben in der Tabelle steht. Viele vermuten, dass Ihnen die sportliche Zukunft des BVB egal sei und wittern eine Verschwörung gegen die Borussia. Inwiefern können Sie unseren Lesern denn eigentlich erklären, dass die Interessen der Aktionäre gleich sind mit denen von uns Fans?

Stefan ten Doornkaat: Natürlich kann ich hier nur für mich bzw. die Kapitalanleger sprechen. Uns ist die sportliche Zukunft nicht egal, da lediglich mit einer sportlich guten Zukunft, die Finanzen der KGaA auf gesunde Füße gestellt werden können. Die Frage ist aber der Weg dorthin. Persönlich halte ich das Modell des VfB Stuttgart und von Werder Bremen für bedenkenswert. Zwar hat der BVB eine andere Tradition als diese Vereine, aber es ist schon bemerkenswert, welchen Zuspruch diese Vereine derzeit aus der Bevölkerung erhalten. Das erinnert mich an den BVB der frühen 90er Jahre. Die Finanzen und die sportliche Zukunft des BVB gehen hierbei im Gleichschritt, wenn ich irgendwann kein Geld mehr habe, kann ich mir auch keine guten Spieler leisten. Man kann hier also nicht von einer Verschwörung gegen die Borussia sprechen, weil ich lediglich auf das reagiere, was vom Rheinlanddamm so kommt. Der Stand der Aktien zeigt schlussendlich auch das Vertrauen der Kapitalanleger in die Kapitalgesellschaft und deren Management.

schwatzgelb.de: In einem Ihrer letzten Dossiers werfen sie Herrn Meier "Voodoo Accounting" vor und bezichtigen Herrn Niebaum eine "Märchenstunde" abzuhalten. Starker Tobak. Würden bzw. werden Sie die Ablösung der beiden fordern?

Stefan ten Doornkaat: Zur Märchenstunde ist zu sagen, dass der Vorstand von mir auf ein Interview auf der vereinseigenen Homepage "BVB die Aktie" angesprochen wurde. Hierbei zitierte ich die entsprechenden Aussagen von Herrn Dr. Niebaum der "Zwischenfinanzierung" sagte oder schreiben ließ. Zu meiner Verwunderung erhielt ich dann zur Antwort, es handele sich nicht um eine Finanzierung, sondern um eine "Zwischenlösung". Dies habe der Interviewer lediglich falsch verstanden. Außerdem sei das Interview nicht freigegeben worden. Wenn ich so etwas höre oder lesen muss, dann verstehe ich gar nichts mehr. Gibt Dr. Niebaum ein Interview, ohne sich zu vergewissern, dass der Interviewer auch alles richtig versteht? Zumal es sich um ein äußerst sensibles Thema, nämlich den Verkauf der Namensrechte an dem Westfalenstadion, handelt? Das Interview befindet sich jetzt seit ca. zwei Monaten auf der Homepage des BVB, ohne dass es freigegeben wurde? Das alles hört sich eher nach den Gebrüdern Grimm an, als nach der Aussage eines Geschäftsführers einer börsennotierten Gesellschaft.

Unter Voodoo Accounting verstehe ich das Schaffen von Werten durch Geschäfte, die keiner abschließen will. Dies ist beim Verkauf der Namensrechte am Westfalenstadion so geschehen. In dem besagten Interview gab Herr Dr. Niebaum an, er wolle das Geschäft an sich nicht und schon gar nicht zu diesem Preis. Von Seiten der Commerzbank wurde mir mitgeteilt, man hätte die Namensrechte zwar erworben, ohne sich jedoch über die Verwertung Gedanken zu machen. Das ist so, als würde man sich eine Pizza kaufen. Nachdem man sie hat, denkt man darüber nach, ob man Hunger hat und Pizza mag.

schwatzgelb.de: Mit Ausnahme von einigen "Vorstand raus!"-Rufen nach der Niederlage gegen Wolfsburg, ist die Stimmung bei den Fans derzeit eher verhalten. Vor allem in Ermangelung einer echten Alternative zu den Herren Niebaum und Meier, kommt es bei den Fans kaum zu Rücktrittsforderungen. Ohne von Ihnen konkrete Namen zu erwarten, welche Eigenschaften müsste denn ein Nachfolger mitbringen? Sprechen wir über eine Vollsanierung der BVB KGaA? Und wie würde sich das auf die sportliche Zukunft auswirken?

Stefan ten Doornkaat: Betrachten wir den VfB Stuttgart. Auch hier dachte man es gäbe keinen Nachfolger für Mayer Vorfelder. Bis er dann kam und einen aus meiner Sicht hervorragenden Job macht. Ein Nachfolger müsste ein echter Fan des BVB sein, der den Verein mit Herzblut liebt. Zugleich müsste er aber auch die Notwendigkeiten einer finanziellen Gesundung erkennen und in der Lage sein, Sanierungen einzuleiten. Wenn dies geschieht wird auch der sportliche Erfolg gelingen. Denn eines steht für mich fest, Erfolg kann man nicht kaufen, den muss man sich erarbeiten. Das gilt im normalen Leben wie auch im Fußball, sonst wäre Bayern München bei dem Etat Dauermeister.

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