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schwatzgelbes Halbzeitgespräch mit Johannes Rotter

18.05.2004, 00:00 Uhr von:  Tommes
schwatzgelbes Halbzeitgespräch mit Johannes Rotter

Man kennt ihn vielleicht aus der RTL-Comedy-Serie "Alles Atze" ? dort spielte er drei Staffeln lang das Auge des Gesetzes, den Polizisten Viktor. Oder auch aus den Kino- und TV-Fassungen von "Was nicht passt, wird passend gemacht". Johannes Rotter hat viele Talente und ein ganz besonderes: er ist Dortmunder und natürlich BVB-Fan.

1960 in Dortmund geboren, blieb Johannes bis zum Abitur seiner Heimatstadt treu. 1980 ging er nach Hamburg, wo er an der Hochschule für Musik und Theater Regie studierte. Nach fünf Jahren bestand er seine Prüfung zum "Diplomregisseur für das Musiktheater" mit Auszeichnung.

Es zog ihn wieder nach Hause und er nahm für drei Jahre sein erstes Engagement am Theater Dortmund (Kinder- und Jugendtheater) als Regisseur und Schauspieler an. Dem folgten Anfang der 90er Jahre div. Anstellungen bei mehreren Bühnen im Ruhrgebiet.

Ab 1994 kehrte er dem Theater den Rücken und hat sich seitdem als Drehbuchautor und Schauspieler einen Namen gemacht. Johannes schrieb zahllose Drehbücher für TV Serien wie "Einsatz für Lohbeck", "Wildbach", "Forsthaus Falkenau" und "Der Fahnder". Einem breiten TV-Publikum wurde er als Polizist Viktor in "Alles Atze" und als Klosterinsasse neben Dirk Bach in "Der kleine Mönch" bekannt. Ab Ende Mai steht er wieder mehrere Monate für die zweite Staffel von "Was nicht passt wird passend gemacht" als Polier Jochen vor der Kamera. Viel gebucht spielte er auch u. a. in den TV Serien "Doppelter Einsatz", "Tatort", "Alarm für Cobra 11", "Die Wache", "Nikola", die eine oder andere Rolle.

Aber er kann auch ganz anders. Neben dem bestehenden Lehrauftrag für "Drehbuchentwicklung" am Institut für Theater-,Film- und Fernsehwissenschaften der Universität Bochum seit 1999, gibt er als Fähigkeiten noch "Grundkenntnisse Trompete" an.

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schwatzgelb.de: Kannst Du Dich noch erinnern, wie und wann Du BVB-Fan geworden bist?

Johannes Rotter: Nein, daran kann ich mich nicht erinnern. Für mich gibt es da keinen konkreten Punkt, es gibt kein Schlüsselerlebnis mit dem BVB. In Borussia wird man auch rein geboren. Das ist genauso wenig meine Entscheidung, wie ich mich entscheiden konnte, ob ich evangelisch oder katholisch werde. Der Fußball spielt in Dortmund immer eine biografische Rolle und jede Familie hat ihre eigene BVB-Geschichte. Ich komme aus Huckarde und bin direkt gegenüber dem Haupteingang der Zeche Hansa groß geworden. In unserem Haus "Mattlacke 1" wohnte direkt neben uns Helmut Schneider, der Trainer der Meistermannschaften von 1956 und 1957. Unsere Familien, ich war damals noch nicht geboren, waren Nachbarn. Mein Vater war ein "Versicherungsfritze" und hat für Schneider die finanziellen Angelegenheiten geregelt. Auf der anderen Seite hat er für ihn als Fahrer fungiert, da Schneider kein Auto hatte. Als die Meister wurden, bekamen sie beim ersten Mal vom Verein einen Fernseher, zu der Zeit natürlich der absolute Hammer und beim zweiten Mal bekamen sie als Prämie eine 14-tägige Reise nach Radevormwald geschenkt und so hat mein Vater die Schneiders hingefahren und auch wieder abgeholt. Also, es gab eine sehr enge Verbindung zwischen den Familien. Ich selbst erinnere mich an die überhaupt nicht mehr. Ich habe noch dunkel Erinnerungen an seinen Hund der "Heidi" hieß. Das war ein Rauhaardackel und so ungefähr die erste Hundebegegnung in meinem Leben. Als Kind erlebt man das alles immer anders.Ich habe den BVB gar nicht so von der sportlichen Seite her erlebt, sondern das hatte einfach was mit der eigenen Identität zu tun. Es gab die Familie, die neben uns wohnte und er war der Trainer und die hatten einen Fernseher und sie hatten diesen Hund. Auf der anderen Seite sehe ich mich da stehen in Löttringhausen, wo wir später wohnten, und ich wollte unbedingt Fahrradfahren lernen, damit ich wie die anderen auf dem Fahrrad übern Rasen flitzen und rufen konnte: "Lothar Emmerich, eijeijeijei". Ich hatte aber noch nie im meinem Leben Lothar Emmerich gesehen, aber er war das Idol und er war der Held. Das waren die Personen, an denen wir uns orientiert haben, und das war für uns nicht nur ein sportliches Vorbild, die waren für uns ein Lebensvorbild. Ganz einfach weil die uns vorgelebt haben, wie man aus dem Dreck der sechziger Jahre, in dem wir ja gelebt haben, herauskommt. Das war zu der Zeit, als die Spieler noch alle "ski" am Ende hießen. Tilkowski und Kapitulski usw.

Später habe ich in einem Haus gewohnt mit Hans-Gerd Schild oder auch mit Peter Geyer. Wir haben im selben Hochhaus in Löttringhausen gewohnt. Ich weiß dass mein erstes Spiel im Westfalenstadion das Halbfinale zwischen Holland und Brasilien war. Das erste BVB-Spiel kam kurz darauf in der folgenden Saison, das hat mich angefixt, ins Stadion zu gehen. Ich kann mich nicht dran erinnern, dass ich mal in der Roten Erde war. Ich bin danach erst zum Fußball gegangen. Besonders in der Zeit der zweiten Liga, das hat mich total angemacht. Ich habe es genossen in dieser riesigen Menschenmenge zu stehen, obwohl wir zweitklassig waren. Das hat meine Liebe zum BVB verankert. Für die Zweite Liga hatten wir sensationelle Zuschauerzahlen und ich weiß, dass ich damals immer nur auf "Nord" Karten bekam, denn "Süd" war voll. Ich fing also an in der zweiten Liga zum BVB zu gehen und dann die Relegationsspiele, das war der Hammer.

schwatzgelb.de: Was war der bewegendste Moment, den Du als Fan mit dem BVB erlebt hast?

Johannes Rotter: Das war 1995. Das Spiel war zu Ende und wir waren Deutscher Meister. Ich war so außer mir, dass ich auf den Rasen lief, ja und dann hab ich die Schale berührt. Ich musste mich dabei auf Andy Möller stützen und habe ihm dabei auch an den Haaren gezogen. Dafür entschuldige ich mich heute in aller Form. Er stand schon auf dieser aufgebauten Plattform und hatte die Schale in der Hand. Man konnte sich nur irgendwo hochziehen um dort ranzukommen. Ich krallte mich fest und ich wusste, dass ich einen Schopf Haare in der Hand habe, das waren halt die von Möller gewesen. Ich habe mich dann kurz hochgezogen, die Schale angefasst und habe dann sofort wieder losgelassen. Das ist mir heute auf der einen Seite peinlich, aber auf der anderen bin ich froh, dass mir das damals gelungen ist. Ich werde 1995 auch niemals die Fassungslosigkeit der alten Männer vergessen, die hinter uns standen. Diese von Tränen erfüllten, fassungslosen Blicke. Die 95er Mannschaft ist auch für mich immer noch der Maßstab. Wenn ich heute ein Spiel ansehe, habe ich immer noch Kalle Riedle vor Augen, Chappi oder den 17-jährigen Lars Ricken aus dem Babysturm zusammen mit Ibrahim Tanko, auf die damals keiner ein Pfifferling gegeben hat.

schwatzgelb.de: Bist Du Vereinsmitglied bei Borussia und/oder in Besitz einer Dauerkarte?

Johannes Rotter: Ich muss leider sagen, dass beides zutrifft. Denn eigentlich gehört sich das ja nicht. Es ist einfach schick geworden und das Publikum hat sich gewandelt. Es gibt jetzt viele Leute, die nicht 36 Stunden die Woche bei ?Kalla Hoesch? am Hochofen, irgendwo am Fließband oder an der Esse stehen und nach der getanen Industriearbeit samstags im Stadion entspannen dürfen, sondern es gibt auch Leute die durchaus Abitur oder eine Hochschulausbildung haben. Auch das sind nicht wenige und unter denen ist es auch schick geworden, Fan zu sein. Die werden niemals Mitglied, denn es gehört ja zur politischen Korrektheit, die Distanz zu wahren von so einem Verein/Partei/Religion/Egal. Ich bin aber in Dortmund geboren, wohne fast noch dort und ich bleibe jetzt dabei, fertig. Ich bin seit 1996 im Verein. Mitglied zu sein heißt nicht, alles gut zu finden. Es heißt eher, sich zur Aufgabe zu machen, mit den Dingen auf einer Ebene auseinanderzusetzen, die tiefer liegt als die Bild-Zeitung es in ihrem Tagesgeschäft macht.

Anpfiff

schwatzgelb.de: Du schreibst auch Drehbücher. Schon mal passiert, dass Du eine erlebte Situation im Stadion in irgendeiner Weise verarbeitet hast?

Johannes Rotter: Eine erlebte Situation im Stadion noch nicht, da ich noch nie ein Buch geschrieben habe, dass sich mit Fußball befasst. Ich habe schon versucht Fußballfilme zu schreiben, das ist sehr schwer. Ein Fußballfilm kommt alle Jubeljahre einmal durch, da das Fernsehen nicht daran glaubt, dass so etwas erfolgreich sein könnte. Es gibt ein paar Gegenbeispiele aber ich glaube, dass das Thema Fußball im Fernsehen, für das ich meine Drehbücher schreibe, seit dem "Wunder von Bern" verbrannt ist. Es wird keinen Fußballfilm im TV mehr geben, da bin ich mir ganz sicher. Aber ich habe mal für eine Serie, die hieß "Wildbach" sehr viele Folgen geschrieben und wenn man als Autor ca. 15 Folgen am Stück schreiben muss, dann wird die Arbeit im Laufe der Zeit so, dass man sich einen kleinen Kick geben muss. Mein Kick bei "Wildbach" war, dass ab einer bestimmten Folge alle Episodenrollen Namen von BVB-Spielern hatten. Wer das noch aufgenommen hat, der kann mal gucken, ab ca. Folge 15 heißen die alle Riedle oder Ricken oder Reuter.

Im letzten Jahr war ich Chefautor für "Was nicht passt, wird passend gemacht" die Serie. Da war es meine Aufgabe die Dialoge in der letzten Drehbuchfassung noch mal auf Ruhrgebiet zu bürsten. In dem Moment, wo man dann Dialoge schreiben muss, klingt schon der eine oder andere Spruch aus dem Stadion nach. Ich habe dann zwei von den Hauptfiguren eine Fußballrivalität gegeben. Der eine Bauarbeiter ist Schalke-Fan, das ist Ralf Richter, der auch im echten Leben Schalker ist, und die andere Figur ist Polier Jochen, das ist meine Rolle, der ist dann BVBler. Also entspricht das der 1:1-Reality.

schwatzgelb.de: Findest Du, dass sich die Fanszene in Dortmund in den letzten Jahren verändert hat, und woran machst Du Deine Beobachtungen fest?

Johannes Rotter: Für mich hat das zwei Aspekte. Ich habe ein paar Wochen meinen siebenjährigen Sohn und meine Frau mitgenommen zum Spiel gegen Bayern. Das wäre sicherlich vor 15 Jahren nicht möglich gewesen. Das ist eine Entwicklung von der ich nur sagen kann, das ist genial. Dass es der Verein geschafft hat, jedes Heimspiel auch zu einem Familienfest zu machen, ist etwas, das ich so früher nicht gesehen hätte. Das ist ein konkretes Ergebnis der Stadion- und Fanpolitik, die der BVB gemacht hat. Auf der anderen Seite sehe ich, dass es alles friedlicher ist und mit dem mehr Spaß verbunden ist als zu Zeiten der Borussenfront oder der Hools und den Auseinandersetzungen, die ich auch noch kenne. Ich habe auch schon 1974 beim Spiel einen Schalker brennen gesehen, ein scheußliches Erlebnis. Da hat sich sehr viel getan.

Auf der anderen Seite gibt es die Modeerscheinung Fußball, von der halte ich gar nichts. Ich hatte zweimal das zweifelhafte Vergnügen in der VIP-Loge ein Spiel zu verbringen. Dort sehe ich von Firmen gemietete Tische die leer sind, oder als Event an Leute vermietet werden, die dem Fußball als solchem nur noch diesen Eventcharakter abgewinnen können und nicht wissen, worum es überhaupt geht. Dabei habe ich so oft Leute gesehen, wo ich gedacht habe, eigentlich ist es Dir scheißegal, ob Du jetzt beim Starlight-Express stehst mit deinem roten Bändchen und deinem Prosecco in der Hand oder beim BVB oder dem Huskyrennen in Garmisch-Partenkirchen. Das mag ich nicht und da fühle ich mich auch als "Ruhri" zur Schau gestellt und seelisch ganz nackt. Mich schockiert es, dass das Spiel gegen Bayern an dem Wochenende das gesellschaftliche Highlight in Deutschland war.

schwatzgelb.de: Wie siehst Du die Entwicklung der Südtribüne?

Johannes Rotter: Bei der Süd habe ich das Gefühl, dass diese Kleinstadt, die da steht, ganz oft noch einen anderen Fußball sehen möchte, als er in der Regel geboten wird. Im Sportlichen habe ich das Gefühl, dass das Herz der Südtribüne immer noch für diesen kampfbetonten BVB-Fußball schlägt: Zehn Mann rennen wie verrückt auf das gegnerische Tor vor der Südtribüne zu. Das sehen wir ja seit langem nicht mehr. Ich spüre aber, wie das Herz für solchen Fußball pocht. Ich glaube, dass die Fanarbeit mehr in die Richtung gehen sollte, sich einmal Gedanken zu machen, wie sich das Spiel eigentlich verändert. Dann könnten sicherlich die Leute mehr davon haben, was sie sehen. Es gibt eine Schere zwischen dem, was der Verein sagt, und dem, was tatsächlich auf dem Rasen geschieht passiert. Es wird ja auch nicht umsonst immer der Triumphmarsch aus Aida gespielt, wenn unsere Spieler einlaufen. Aber der internationale Fußball hat sich zu einem Sport entwickelt, in dem man nicht mit den Mitteln der kriegerischen Auseinandersetzungen arbeitet. Mir wäre es lieber, man würde eine Gesprächs- und Diskussionskultur einführen in Dortmund, statt alles so stark zu personalisieren.

schwatzgelb.de: Wie siehst Du die Arbeit von Matthias Sammer, was macht er anders als seine Vorgänger?

Johannes Rotter: Es gibt den von Matthias Sammer überlieferten Satz: "Die Deutschen haben keine Ahnung von Taktik". Er ist derjenige Trainer, den ich längere Zeit erlebt habe beim BVB, der am meisten auf dem Feld der Taktik ausprobiert und auch rumprobiert hat. Ich weiß nicht, ob es ihm gelungen ist, das System zu finden, das auf die Mannschaft passt. Im Moment habe ich nicht das Gefühl. Die Frage ist auch, ob das Alltagsgeschäft des Fußballs etwas für so einen Visionär wie Sammer ist. Das unterscheidet ihn in meinen Augen von anderen Trainern. Dieses konsequent Visionäre und das konsequente Verfolgen dieser Visionen, ohne sich den konkreten Anforderungen des Vereins oder auch dem Druck, unter dem er steht, sich in jeder Situation zu beugen. Manchmal hat er ja auch richtig aufbegehrt gegen den Druck, in dem er sagte, meine Mannschaft ist noch nicht soweit, wir müssen nicht Meister werden. Dieses Herunterreden der Mannschaft, für das er oft kritisiert wurde, war für mich eine Abwehr des Drucks, um seinen Visionen oder Gedanken nachgehen zu können. Er ist ein ganz starker "Kopfmensch" als Trainer. Ich sehe dass Matthias Sammer in einem inneren Zwang lebt, die Dinge zu tun, die er vor sich tun muss. Das unterscheidet ihn von anderen.

Mir tut das mit seiner Sportinvalidität bis heute wahnsinnig leid. Sammer wäre als Spieler weit über das hinausgegangen was Beckenbauer gemacht hat. Er wäre im Geschichtsbuch des Fußballs auf einer der ersten Seiten zu finden gewesen. Das hat er aber auch gemacht, in dem er sich gegen den Druck durchgesetzt hat. Wir erinnern uns an seine Konflikte auch mit Hitzfeld zu Ende dessen Ära. Inwieweit er das als Trainer für sich fortsetzen kann, weiß ich nicht. Ich bin von meiner Ausbildung her Regisseur und es gibt mehrere wissenschaftliche Untersuchungen, bei denen man zwischen dem Fußball und Theater Parallelen festgestellt hat. Zwischen einem Fußballtrainer und einem Theaterregisseur gibt es gewisse Verwandschaftlichkeiten was die Pflege und Zusammenstellung von Ensembles angeht. Oder wie man Konzepte an Mitarbeiter weitergibt, die kreativ sein sollen. So weiß ich, wie schwer es manchmal ist, eine künstlerische oder in seinem Fall fußballerische Vorstellung, die man klar für sich sieht, an der Wirklichkeit vorbei durchzusetzen. Das ist im Theater schwierig, aber im Fußballgeschäft sicherlich noch schwieriger. Ich wünsche ihm, dass er das schafft.

Eckball

schwatzgelb.de: Findest Du, dass der Verein trotz seines enormen Wachstums traditionsbewusst geblieben ist?

Johannes Rotter: Für den Verein gibt es gar keine Option, er muss traditionsbewusst sein oder er ist gezwungen, Tradition zur Schau zu stellen. Wir wissen, dass die Vereine nicht mehr von ihren Mannschaften leben. Fußballer sind längst Legionäre geworden und eigentlich lebt das Image eines Vereins längst mehr vom Umfeld und von der, wie man im Fernsehen sagt, "gewaltigen Kulisse". Borussia ist ja nun mal der Verein, der die beste Kulisse bietet. Wir spielen ja nicht in der Halle Fußball, wie dieser Verein in Herne, sondern unter freiem Himmel, und da muss man mehr Kulisse auffahren, als innerhalb eines geschlossenen Raumes. Der Verein bezieht seine Identität seit seinem Bestehen aus seiner Verbundenheit im Lokalen und da wird er niemals rauskommen. Das wird er immer weiter machen müssen, auch wenn es ihm irgendwann nicht mehr gefallen sollte.

schwatzgelb.de: Über die Finanzlage des Vereins ist von vielen klugen Leuten, auch solchen, die sich selbst dafür halten, geschrieben worden. Wie ist da Deine Sicht der Dinge?

Johannes Rotter: "Worüber Du nicht sprechen kannst, darüber sollst Du schweigen". Ich habe keine Ahnung, was da passiert. Ich hoffe nur eins, nämlich dass wir unser Kronjuwel Dede nicht zur neuen Saison abgeben müssen und unsere finanzielle Decke noch so erhalten ist, dass wir den Kern der Mannschaft halten können. Das Herz des BVB besteht auch darin, dass nicht nur 80000 Hobbytrainer im Stadion sitzen, sondern auch 80000 Hobby-Finanzexperten und es ist ganz abenteuerlich immer darüber zu spekulieren, wer wo wann mit einem Bein im Gefängnis steht. Aber das für bare Münze zu nehmen ist absurd. Abgerechnet wird zum Schluss und dann gucken wir, was da los ist.

Abseits

schwatzgelb.de: Was macht für Dich den Unterschied beim BVB zu Vereinen wie dem FC Schalke 04 und Bayern München aus?

Johannes Rotter: Der Unterschied zu Schalke besteht für mich darin, dass Borussia und Schalke die zwei ungleichen Brüder ein und derselben Familie sind, die Reviervereine. Streit kommt in den besten Familien vor, das wissen wir alle. Ich beobachte, dass sich die Rivalität auf eine Ebene verlagert, in der man sich nicht mehr töten muss, um seine Konflikte auszutragen, sondern da wurden inzwischen Strategien entwickelt, die ich weitaus spaßiger und lustiger finde als das, was wir vor 20 Jahren noch nach dem Spiel vor dem Stadion erleben mussten. Ich finde die Rivalität klasse und mir macht es großen Spaß. Ich habe den Schalkern zum Geburtstag eine Gratulationsmail geschrieben und ich hoffe, dass sie uns eine schicken wenn wir 100 werden, wobei unsere Feier natürlich viel toller wird.

Bei den Bayern ist das eine andere Geschichte. Dort ist das Image im letzten Jahr massiv beschädigt worden, da haben die Bayern ein ganz großes Eigentor geschossen. Es wird eine große Aufgabe sein diesen Imageschaden wieder zu reparieren. Hoeness und Kahn haben dem Verein geschadet. Mein Wunsch ist, dass Hitzfeld bei Bayern noch einen ordentlichen Abgang bekommt.

Elfmeter

schwatzgelb.de: Angenommen, der BVB gibt Dir einen Scheck über eine Million Euro, um mit diesem Geld im Verein etwas zu ändern bzw. zu verbessern. Was machst Du damit?

Johannes Rotter: Ich würde dafür sorgen, dass die Zugangsmöglichkeiten für Kinder im Stadion verbessert werden. Mein Sohn ist in diesem Jahr sieben geworden, für ihn gibt es keine Kinderkarte mehr, er müsste sich eine Eintrittskarte kaufen. Da er aber sowieso auf meinem Schoß sitzt, finde ich das ungerecht. Ich würde das Geld dafür verwenden kostengünstige Kinderkarten zur Verfügung zu stellen. Die Kids müssen in die Stadien rein, aber es ist dämlich, denen Eintrittspreise abzunehmen. Die sind so mit dem Herzen dabei und fiebern mit, aber in diesem Stadion haben die häufig gar keine Chance. Daran könnte der Verein echt noch was ändern. Wenn Geld da ist, sollte der BVB daran arbeiten, dass der Verein noch familienfreundlicher wird. Die Kinder von heute sind die Fans und Dauerkartenerben von morgen.

Freistoss

schwatzgelb.de: Eine Frage, drei Antworten: Was fasziniert Johannes Rotter am BVB?

Johannes Rotter:

1) Heimat

2) Herz

3) Arbeit

Aufstellung

schwatzgelb.de: Wer war oder ist Dein Lieblingsspieler beim BVB und warum?

Johannes Rotter: Mein ewiger Lieblingsspieler wird immer Julio Cesar sein. Weil ich sonst noch nie einen Spieler gesehen habe, der über eine solche Ökonomie verfügt, wie der Mann. Ich habe selten gesehen, wie jemand wusste, wann er sich auf die Zehntelsekunde genau zu bewegen hat und wann nicht. Das fand ich sagenhaft. Wir nannten ihn die Eidechse, weil er sich im Winter noch weniger bewegt hat als im Sommer. Wir dachten, wenn es Sommer wird, hat er mehr Körperaktivität. Das war für mich eine Lehrstunde in effizientem Körpereinsatz. Das ist bleibend. Ich mochte auch den Trab von Andy Möller, der immer wie ein Pony über den Platz galoppiert ist, oder den Lars-Ricken-Trab, obwohl der ja jetzt etwas schwerer geworden ist. Aber Julio war der Hammer und immer interessant.

schwatzgelb.de: Welchen Spieler würdest Du gerne einmal im Dress des BVB spielen sehen?

Johannes Rotter: Jeden der die Ärmel hochkrempelt und sagt: "Lets go!"

schwatzgelb.de: Was wünschst Du Dir für die Zukunft, bezogen auf Borussia Dortmund?

Johannes Rotter: Ich glaube, dass wir in der Zukunft nicht um einen klaren Schnitt herumkommen werden, er muss gemacht werden und ich wünsche mir, dass er für uns alle schmerzfrei wird. Es muss einen Generationswechsel geben, so wie das in jedem Unternehmen üblich ist. Irgendwann gibt es wieder neue Vorstandswahlen und es gibt neue Angestellte. Bei uns wird dies allmählich Zeit. Ich wünsche mir, dass alle die jetzt im Amt sind, in Würden bleiben können und ich wünsche uns allen den Mut für einen neuen Anfang mit einer Mannschaft die man völlig neu aufbauen muss und die sich dann über Jahre entwickeln darf. Ich möchte gerne leiden mit Leuten, die noch was vor sich haben, und nicht mit Leuten, von denen ich das Gefühl habe, sie haben den Zenit ihrer Karriere bereits überschritten.

Johannes Rotters "Best of"-BVB-Team

Ganz klar das Team von 1995

Klos

Sammer, Cesar, Reinhardt, Reuter

Freund, Möller, Ricken, Zorc

Riedle, Chapuisat

Mehr Informationen zur Person unter Johannes-Rotter.de

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