Spielbericht Profis

3: 0 - Kompakter Pflichtsieg, mehr nicht

24.03.2002, 00:00 Uhr von:  BoKa
Südtribüne
Südtribüne

Herrlicher Sonnenschein und beste Frühlingsbedingungen hatten 65000 Zuschauer angelockt. Man war gespannt, ob auch die BVB-Fans an ihre gute Vorstellung vom vergangen Donnerstag bei der Liberec- Gala anknüpfen könnten, aber ich kann es vorwegnehmen, es gelang nicht. Zu stereotype wurde nur von einer Gruppe immer wieder versucht, spezielles Liedgut anzustimmen, was aber bei der großen Masse der BVB-Freunde auf der Süd nicht verfing. Ansonsten unerklärlicherweise Tristesse pur – und das nach den beiden letzten Resultaten mit 9:1 Toren! Meisterschaft zum greifen nah, souverän das Halbfinale im Europacup erreicht... Was, fragt sich der Chronist, muß denn noch passieren, damit der verwöhnte Stadiongänger in Dortmund endlich mal zufrieden ist?

Da gibt`s nix zu nörgeln - auch ohne Lehmann hat`s mit Stellvertreter Philipp Laux gut geklappt
Da gibt`s nix zu nörgeln - auch ohne Lehmann hat`s mit Stellvertreter Philipp Laux gut geklappt

Mit Ausnahme der gesperrten Jens Lehmann und Christian Wörns konnte Borussia Dortmund gegen den FC Energie Cottbus in Bestbesetzung antreten. Mit dem FC Energie hatten die Westfalen bis dato auch noch keine große Mühe. Die bisherigen drei Duelle gewann Borussia mehr oder weniger deutlich mit insgesamt 8:1 Treffern und diese Serie hielt. Wie man aus Cottbus hörte, zeigte sich auch Eduard Geyer vor der Abfahrt nach Dortmund am Donnerstag vor den heimischen Journalisten demonstrativ gelassen. In der obligatorischen Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund nahm der Energie-Coach den Druck von den Schultern seiner Spieler: "Mehr als verlieren, können wir in Dortmund nicht. Deshalb können wir völlig unbeschwert in diese Partie gegen das Spitzenteam gehen." Natürlich forderte der Cottbuser Trainer von seinen Profis eine hundertprozentige Einstellung auch in Dortmund. Der FC St. Pauli habe vorgemacht, wie sich ein kleiner Verein vor den 60.000 Zuschauern im Westfalenstadion teuer verkaufen kann. "Jeder Spieler repräsentiert seinen Namen und den unseres Vereins. So müssen wir auftreten." Soweit die Theorie. Insbesondere das schnelle und direkte Offensivspiel der Dortmunder wollte der FC Energie behindern. "Dortmund ist extrem schwer ausrechenbar, weil sie mitunter mit bis zu sechs Offensivspielern auflaufen, die allesamt ein Spiel entscheiden können. Wir müssen taktisch geschickt und ohne elementare Fehler spielen", so die Marschroute von Eduard Geyer für den es ein Wiedersehen mit seinem früheren Schützling Matthias Sammer gibt. "Die Arbeit von Matthias imponiert mir. Er hat allerdings auch erstklassige Möglichkeiten, die es einem Trainer einfach machen, Erfolg zu erarbeiten. Der zweite Tabellenplatz sagt viel über seine Fähigkeiten", lobt der Ziehvater seinen ehemaligen Spieler. Gegen das Starensemble der Dortmunder wird Eduard Geyer diesmal auf Beständigkeit setzen. Nahezu die gleiche Elf wie im Spiel gegen St. Pauli soll auch im Dortmunder Westfalenstadion auflaufen. Lediglich Torschütze Franklin könnte zunächst auf der Bank Platz nehmen. "Franklin weiß, dass ihm ein solches Spiel wie in Dortmund nicht so liegt wie die Auftritte im eigenen Stadion. Deshalb kann ich mir eine Kombination Helbig und Topic gut vorstellen", begründete Eduard Geyer den möglichen Wechsel im Angriff. Mit Philipp Laux steht der Ersatzmann für den nach wahrer Hexenjagd in den Medien gesperrten Jens Lehmann zwischen den Dortmunder Pfosten, doch Eduard Geyer weiß, "dass wir die fehlende Spielpraxis von Laux nur nutzen können, wenn wir überhaupt vor das Tor kommen." Der BVB hatte zudem mit einem Durchschnittsalter von nur „26“ Jahren die wohl jüngste Dortmunder Mannschaft seit sieben Jahren auf dem Feld. „Trotz Jürgen Kohler“, bemerkte Trainer Matthias Sammer: „Doch es gibt kein Alt oder Jung, sondern nur Spieler, die in der Lage sind, in der Liga zu spielen oder nicht.“ Ein bemerkenswerter Wechsel auf die Zukunft. Schöne Perspektiven!

Frühes Rot bringt Energie in Not

Energie gewinnt die Seitenwahl und der BVB ist gleich sichtlich bemüht, Ordnung ins Spiel zu bringen. Nach 6 Minuten kommt Eva frei zum Schuß, aber Keeper Piplica kann in aller Seelenruhe aufnehmen. Die ersten 10 Minuten wurden vom BVB bestimmt, allen voran Rosicky, der oft über den rechten Flügel kam und Amoroso waren die Aktivposten der Anfangsphase.

Nach dem 3:0 Sieg über Cottbus. Interessante Baby-Coreo bei der Brasil-Connection
Nach dem 3:0 Sieg über Cottbus. Interessante Baby-Coreo bei der Brasil-Connection

Einen Einwurf in den Strafraum verlängert FCE-Kapitän Christian Beeck unfreiwillig zu Amoroso, der den Ball direkt volley aus neun Metern abnimmt, jedoch neben das Cottbuser Gehäuse die Bande abschießt. Aber er hat wieder spürbar Lust, unser Goalgetter! Borussia bleibt am Drücker. Oliseh schlägt einen langer Pass auf Kehl, der sich geschickt hinter Bruno Akrapovic gelöst hatte. Doch der technisch versierte Kehl hat alleine vor Schlussmann Piplica arge Probleme den Ball unter Kontrolle zu bringen, so dass Akrapovic kann gerade noch klären kann. Dann die für Energie folgenschwere 18. Minute. Schiedsrichter Lutz Wagner bewertet eine Attacke vom bereits gelb-verwarnten Energie-Abwehspieler Timo Rost an Sebastian Kehl für rotwürdig, als dieser den Dortmunder 20 Meter vor dem Tor rüde zu Fall bringt. Eine harte Entscheidung! Fast verkehrte Welt auf dem grün: Cottbus erzielt jetzt in Unterzahl fast das 1:0. Die berühmteste Glatze der Liga, Vasile Miriuta will eigentlich Kaluzny anspielen, der mutterseelenallein vor dem Dortmunder Tor steht, doch der kommt nicht an den Ball, verwirrt aber Philipp Laux so stark, dass dieser auch nur dem am Pfosten vorbeitrisselnden Ball ohne Reaktion nachschaut. Dann BVB-Chancen im Minutentakt. Zuerst die 24. Minute: Ewerthon spielt Amoroso mustergültig in den Lauf, der Getter ist alleine vor Piplica, doch der Cottbuser Torwart stürzt aus seinem Tor und kann gerade noch den Ball ins Seitenaus klären. Nur 2 Minuten später: Regisseur Rosicky spielt Sebastian Kehl im Strafraum glänzend an. Der schießt sofort aus der Drehung und Piplica muss in höchster Not klären, faustet aber den Ball unmittelbar vor die Füße von Ewerthon, der aus vier Metern nur den Pfosten trifft. Kollektives Aufstöhnen im Stadion. Nach schönen „Rosa“- Zuspiel behält Koller genial die Übersicht und passt auf den langen Pfosten zu Ewerthon, Grätsche, abgestaubt, Tor (28.) Und endlich Freude auf den Rängen! Nur knapp 5 Minten später erkämpft „Dino“ Koller im Mittelfeld den Ball und setzt wunderbar mit einem Doppelpass „Kumpel“ Rosicky in Szene. Der lässt sich nicht beirren, läuft alleine auf den Lausitzer Keeper zu, behält die Nerven und knallt das Leder wuchtig zum 2:0 in die Maschen. Die Vorentscheidung! In der Schlussminute, quasi mit dem Pausenpfiff springt Amoroso noch einmal in eine schöne getimte Flanke von Dede, doch sein Kopfball geht am Tor vorbei. Es scheint nicht sein Tag zu sein, zumal dieser brasilianische Samba-Tänzer heute zu eigensinnig erscheint, um sich im Kampf um die Torjägerkanone gegen diesen angeschlagenen Gegner entscheidend absetzen zu können!

Henrique Ewerthon machte endlich mal wieder ein Tor und freute sich riesig
Henrique Ewerthon machte endlich mal wieder ein Tor und freute sich riesig

Die zweite Hälfte ist schnell erzählt. Energie Trainerfuchs "Ede" Geyer hatte sein Ensemble umgestellt und die beiden Mannschaftsteile zu zwei Blöcken formiert, durch die der BVB kaum mehr durchkam. Vorne lauerte der kreuzgefährliche Marko Topic und beschäftigte "Metze" bis zu seiner Auswechslung mehr als ihm lieb war. In der 47. Minute legt Topic vor dem Strafraum quer auf Kaluzny und der zieht aus halb-rechter Position ab. Doch der sichere Laux kann den Ball gerade noch wegfausten. Unzählige Fehlpässe und Flüchtigkeiten begleiteten den BVB Auftritt zudem, sodass kaum mehr Spielfluß zu sehen war.

Micky Stevic das ausgeguckte Bauernopfer!

Gerade noch hat sich der agile Topic mit dem Ball um Metzelder gedreht und aus ungefähr zehn Metern abgezogen, als dunkele Wolken am Borussen-Himmel aufziehen: Denn in der 67. Minute erlebte ich einen der schwärzesten Tage, seit ich zum BVB gehe. Micky Stevic kommt für den heute eigensinnigen Marcio Amososo und das ganze Stadion pfeifft ihn aus! Einen Spieler im schwatzgelben Trikot, unfassbar! Als dann ein teil der Südtribüne Gesänge für den Spieler anstimmt, wird deutlich, wie geteilt diese riesige, unmanövrierfähige Gallertmasse inzwischen ist. In der 70. Minute kommt Ewerthon an der Strafraumgrenze frei zum Schuß. Doch er verzieht knapp am Tor vorbei. Dann darf auch er duschen. Billy Reina, der für ihn ins Spiel kommt, wird dann in der 72. Minute wesentlich freundlicher empfangen, als er für Ewerthon den Platz betritt. Und ebendieser trat dann in nach feiner Vorarbeit von Evanilson energisch an und markierte das 3:0 in der 80. Minute. Der überragende Jan Koller sieht im Strafraum Lars Ricken und der spielt sofort weiter auf den völlig freistehenden Billy Reina, aber aus fünf Metern kann diesen Ball nicht an Piplica vorbeibringen. Typisch Reina möchte man ausrufen, die Leichten kann er einfach nicht versenken.... Das war´s dann. Unter´m Strich ist der Sieg auch in dieser Höhe verdient.

Fazit:

Der BVB bleibt dran, wenngleich dieser Sieg mühseliger war, als es das Ergebnis aussagt. Energie hat sich hier gut verkauft und was zählt ist nur der Sieg auf dem angestrebten Ziel nach ganz oben. Die schallenden Vorkommnisse um Micky Stevic sind dermaßen ärgerlich, dass man für den Endspurt in Meisterschaft und UEFA-CUP das Schlimmste befürchten muß! Statt den verunsicherten Spieler zu stärken, schwächen diese dummen Pfiffe die gesamte Mannschaft, die mittlerweile ihre eigenen Fans selbst nicht mehr versteht... Wann will denn der sich in den fetten Jahren gemütlich niedergelassene „Westfalenstadion-Tourist“ das endlich begreifen?

Stimmen zum Spiel:

Ede Geyer:
Es war eine klare Niederlage. Nach der gelb-roten Karte war dann der Mut weg. Man kann hier nicht erwarten, dass man hier vor dieser Kulisse 0:0 spielt. Die unterschiedliche Auslegung der Handhabung in der Auslegung hat mich schon immer gestört, aber das hat nichts damit zu tun, dass ich Dortmund d´nicht den Sieg gönne.

Matthias Sammer:
Ich finde, wir haben das Spiel konzentriert und engagiert angegangen, wenngleich wir in der Chancenverwertung hätten besser sein können. Wir haben zwar zu Beginn Druck gemacht, aber die klare Linie vermissen lassen. Ich hätte nicht sehen wollen, was passiert wäre, wenn Cottbus stärker gewesen wäre und ein Tor geschossen hätte. In der 2. Halbzeit hab ich alles vermisst. Stichwort Amoroso: Ja, da gab es erhebliche Probleme, bei seiner Auswechslung. Aber mir ist so ein Spieler im Endeffekt lieber, wenn er Emotionen zeigt, nur ich bin nicht für einen Einzelnen verantwortlich, sondern für die ganze Mannschaft. Entscheidend ist, dass man sich kurz danach wieder in die Augen gucken kann.

Noten:

BORUSSIA DORTMUND: Laux (2,5) - Metzelder (2,5), Kohler (2,5) - Evanilson (3), Kehl (3), Dede (2,5) Oliseh (4) - Rosicky (3,5) - Ewerthon (3,5) 72. Reina ( - ), Koller (2), Amoroso (3), 67. Stevic ( - )

Zuschauer: 60000

Schiedsrichter: Lutz Wagner, Hofheim (3). Souveräner Leiter, ohne viel Geschiß konsequent in der Regelauslegung

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