Serie

Meister Borussia, aber welche Spieler waren auch meisterlich? - Teil 5

01.07.2002, 00:00 Uhr von:  Sebi BoKa

Trotz etlicher Versuche personeller „Aufrüstung“ verspielte die 1. Sturmreihe des BVB in den letzten Jahren immer wieder gnadenlos ihren Vorschuß-Kredit beim Publikum. Gerade Matthias Sammers Ambitionen, das BVB- Spiel offensiv auszurichten, konnten so nicht umgesetzt werden. In dieser Saison aber übertrafen alle Neuzugänge die Erwartungen. Der von der Ersatzbank im italienischen Parma direkt in den deutschen Olymp aufgestiegene Amoroso ebenso, wie der schlacksig- turmhohe Jan Koller, der aus dem inzwischen eher zweitklassigen Anderlecht an den Borsigplatz gelotst wurde. Und auch der 3. Shootingstar im Bunde, „Nachzügler“ Ewerthon zeigte in seiner unbekümmerten Jugend bereits seine große Klasse….

Folge 5: Die Sturmreihe:

Henrique Ewerthon im Zweikampf, hebt die Hand.
Henrique Ewerthon

Henrique Ewerthon:

Selten gelang einem Südamerikaner in der Bundesliga solch ein Blitzstart wie es bei Henrique de Souza Ewerthon der Fall war! Gleich bei seinem ersten Spiel avancierte der kleine Sambafloh zum Matchwinner, indem er sich beim Auswärtssieg in St. Pauli als spektakulärer Torschütze und Vorlagengeber auszeichnen konnte. Dabei hatte er nicht einmal eine Woche mit seinen neuen Kollegen trainiert, wusste bis dato kaum etwas über den deutschen Fußball und seine Gewohnheiten.

Aber auch in der Folge bewies Ewerthon eindrucksvoll, dass er gewiss nicht zu den „Eintagsfliegen im Fußballgeschäft“ gezählt werden darf. Vom ersten Tag an war er bestrebt, die deutsche Sprache zu erlernen und seinen aktiven Beitrag zur Integration zu leisten. Das hat man – Ausnahme Dedé – selten von einem Brasilianer so erlebt. Vom ersten bis zum letzten Einsatz vor der Winterpause zählte er zu den konstantesten Borussen und untermauerte insbesondere als Dauer-Torschütze seine bereits große Bedeutung für den BVB. In vielen eher schwachen Partien vor der Winterpause war es nicht selten der schmächtig wirkende Ewerthon, der den BVB mit seinen Toren auf Meisterkurs hielt. Seine Stärken waren dabei gut auszumachen: Neben seiner enormen Schnelligkeit, bestach der Brasilianer zudem durch seine technische Versiertheit, die er sowohl beim eigenen Torabschluss, als auch beim Passspiel gewinnbringend einzusetzen wusste. Darüber hinaus überzeugte er mit einem cleveren Zweikampfverhalten. Schließlich hatte er es zumeist mit körperlich überlegenen Kontrahenten zu tun, konnte diese Duelle jedoch nicht gerade selten für sich entscheiden.

Nach der Winterpause erlebte Henrique Ewerthon allerdings einen (nicht ganz unerwarteten) Einbruch, der vor allem auf den großen Kräfteverschleiß zurückzuführen war. Auch der Konkurrenzkampf verschärfte sich durch die Rückkehr der langzeitverletzten Offensivspieler Addo und Reina. Zeitweise verlor er dadurch seinen Stammplatz an Otto Addo, was ihn jedoch nicht daran hinderte, das enorm wichtige Ausgleichstor gegen den Gelsenkirchener Vorortverein zu erzielen. Von ungleich größerer Bedeutung war freilich sein historischer Treffer gegen Werder Bremen, der dem BVB seine 6. Meisterschaft bescherte. Damit krönte Ewerthon (s)eine insgesamt beeindruckende Saison. Im nächsten Spieljahr darf man fraglos weitere Großtaten von ihm erwarten, wobei sein Alter und die noch nicht einmal abgeschlossene sportliche, wie private Integration schon jetzt kleinere Auszeiten, wie in der Rückrunde, entschuldigen würden. Sollte er seine Fähigkeit zur Antizipation weiter ausbauen und weiter so gewissenhaft an sich arbeiten, steht Henrique Ewerthon vor einer ganz großen Zukunft. Auch eine Rückkehr in die „Selecao“, der er ja bereits angehörte, sollte dann nur eine Frage der Zeit sein. In jedem Fall aber gehört auch ihm die kommende Zeit in einem jungen Borussia- Team...

Marcio Amoroso stürmt auf das Tor zu
Marcio Amoroso

Marcio Amoroso:

„Gebt der Diva eine Bühne!“

So titelte schwatzgelb.de nach Amorosos sensationellem Auftritt im UEFA-Pokal-Hinspiel gegen den AC Mailand. An jenem Abend bot der eigenwillige Brasilianer in der Tat Fußball von einem anderen Stern, wie ihn das Westfalenstadion möglicherweise schon lange nicht mehr erlebt hatte. Leider konnte sich Marcio Amoroso zu selten derart motivieren. Kritiker des eigenwilligen Brasilianers behaupten jedenfalls, dass er solche Leistungen nur abrufen könne, wenn „Rai Uno“ live auf Sendung sei! Also eben nur dann, wenn er sich einer für ihn „würdigen Kulisse“ präsentieren könne. Dass er als Torschützenkönig letztlich dennoch zu den entscheidenden Spielern zählte, spricht für seine unbestreitbare Klasse. Konstant konnte er sein großes Potential allerdings nur zum Saisonstart ausschöpfen, als er fast immer zu den Torschützen und überragenden Figuren zählte und er noch reihenweise von seinen Gegenspielern unterschätzt wurde.

Zwischenzeitlich gönnte er sich aber leider oft (zu) lange Ruhepausen und geriet daher auch mehrmals mit dem Perfektionisten Matthias Sammer aneinander. Insbesondere durch eine schwierige Phase nach dem Rückrunden- Beginn schien sein Deutschland- Aufenthalt maximal auf lediglich ein Jahr begrenzt. Während seines Brasilien- Urlaubs hatte sich Marcio Amoroso das gefährliche Dengue- Fieber eingefangen und wurde von Matthias Sammer ganz behutsam wieder an die Startelf herangeführt. Viel zu langsam nach dem Geschmack des brasilianischen Nationalspielers, der in dieser Phase aber durchaus auch als Einwechselspieler zu gefallen wusste. Als er schließlich dann aber unter Beweis gestellt hatte, dass er als Stammspieler unersetzlich ist, sorgte dieses Mal eine Auswechslung für großes Aufsehen. Im Heimspiel gegen Energie Cottbus hoffte Marcio Amoroso seine Position im Kampf um die Torjägerkanone weiter verbessern zu können. Daher hatte er nur wenig Verständnis für Matthias Sammers Maßnahme, die seine vorzeitige Herausnahme vorsah. So weigerte er sich standhaft und für jeden Zuschauer offensichtlich erkennbar gegen diese Auswechslung, indem er das Spielfeld schlichtweg nicht verließ. Ein Skandal, der aber hinter verschlossenen Türen stilgerecht bereinigt werden konnte.

Und so war der Weg wieder frei – für den „Fußballkünstler“ Amoroso. Dieser Fußballkünstler trug letztlich mit wichtigen Toren (wie gegen Köln) und großen Auftritten (wie in Hamburg) letztlich entscheidend zum Meisterschaftsgewinn bei. Beeindruckend war dabei vor allem, mit welcher Nervenstärke er sämtliche Elfmeter bombensicher verwandelte. In den entscheidenden Situationen scheute er die große Verantwortung jedenfalls nie. Auf dieser Grundlage fanden die zwei „wie Feuer und Eis“, der exzentrische Stürmer und sein besonnener Trainer (gezwungenermaßen) wieder zueinander. Hoffentlich stellt dies die Grundlage für eine weiterhin so erfolgreiche Zusammenarbeit dar – wir allerdings glauben nichts-desto-trotz weiterhin an die sich hartnäckig haltenden Gerüchte von einer baldigen Rückkehr in „sein“ Fußballland Nr. 1 – Bella Italia...

Jan Koller nach Torerfolg beim Jubeln von Mannschaftskollegen beglückwünscht
Jan Koller

Jan Koller:

Gäbe es in der Bundesliga, wie beispielsweise in der NBA, den Titel des „Most Valuable Player“, wäre dieser Titel Jan Koller gewiss. Ob als Aufräumer (nach ruhenden Bällen) in der Defensive, als Anspielstation und Ballverteiler im Mittelfeld oder auch als Stürmer, der baumlange tschechische Nationalspieler wusste überall seine Stärken auszuspielen. Verwunderte viele Journalisten und Fans anfangs noch der hohe Preis, den der BVB für Jan Koller zu zahlen bereit gewesen war, dürfte er mit einer überragenden Rückrunde allen Zweiflern eine passende Antwort gegeben haben.

Schon in der Hinrunde wusste Jan Koller durch unsagbar großen Fleiß und unbändigen Einsatzwillen zu bestechen. Vor dem Tor allerdings fehlte ihm nicht selten daraufhin oftmals die Kraft zu einem konzentrierten Abschluss, woraus viele vergebene Großchancen resultierten. Manche spotteten daher auch schon über Sammers Wunschspieler aus Anderlecht, indem sie ihn als „den wohl teuersten Verteidiger der Liga“ bezeichneten. Weil seine Torausbeute durchaus verbesserungswürdig war, konnte er selbst das Gros der oft kritischen BVB-Fans noch nicht restlos von seinen Qualitäten überzeugen.

Glücklicherweise erwischte er nach der Winterpause einen Start nach Maß und erzielte gleich im ersten Spiel gegen Hertha BSC zwei schöne Tore. Genoss er vorher bereits eine uneingeschränkte Akzeptanz innerhalb der Mannschaft und Management, wuchs von da an auch Bewunderung und Zustimmung seitens der schwatzgelben Fans und Kritiker stetig an. Nunmehr wusste er nicht „bloß“ durch sein großes Arbeitspensum und Zweikampfstärke zu überzeugen, sondern auch durch viele erfolgreiche Offensivaktionen. Das Spiel des BVB wurde immer mehr auf Jan Koller zugeschnitten und insbesondere seine Sturmkollegen profitierten von seinen Kopfballablagen und seinen großartigen Zuspielen nach Doppelpässen. Wenngleich man sich in der Rückserie zusehends gewünscht hätte, dass diese Art des „Kick and Rush“ – Fußballs weitaus weniger wäre praktiziert worden. So hätte der jeweilige Gegner die immer Gleichen Angriffsbemühungen wesentlich schwerer stoppen können…

Jan Koller befand sich am Saisonende in absolut WM-tauglicher Form. Nur, dass „seine Tschechen“ die Qualifikation für die Weltmeisterschaft leichtfertig verpasst hatten. So musste er sich damit „begnügen“, den BVB zum Meisterschaftsgewinn und beinahe auch zum UEFA-Pokal-Sieg zu schießen...

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