Serie

Meister Borussia, aber welche Spieler waren auch meisterlich? - Teil 3

13.06.2002, 00:00 Uhr von:  Sebi BoKa

Bei den nur 6 Saisonniederlagen und 33 Einschlägen – was als zweitniedrigste Gegentrefferquote ausgewiesen wird – in die Schwatzgelben Maschen, hatte das defensive Mittelfeld entscheidenden Anteil an der errungenen Meisterschaft. Die harte Abwehrarbeit im Mittelfeld hat nichts mit Glanz und Schönspielen zu tun, sondern eher mit Attributen wie Maloche, Kampf, Zweikampfstärke und physischer Fitness. Und da erwiesen sich unsere „Defensiven“ einmal mehr als optimal gerüstet. Im Einzelnen:

Folge 3: Das Mittelfeld (defensiv):

Zweikampf von Aparacido Evanilson gegen S04
Aparacido Evanilson

Aparacido Evanilson:

Beinahe wäre eine Bewertung des pfeilschnellen brasilianischen Flügelflitzers gar nicht mehr notwendig gewesen. Im Rahmen der spektakulären Amoroso-Verpflichtung sollte der AC Parma neben einer Barzahlung vor allem durch einen undurchsichtigen Tausch der beiden Südamerikaner entschädigt werden. Doch man mochte uns glauben machen, dass Borussia’s Führungsetage großes Verhandlungsgeschick bewies, indem es gelang, Evanilson für eine geringe Entschädigung direkt wieder für ein Jahr vom AC Parma abzuwerben. Doch diese Aktion machte Sinn: Dadurch gewann man einerseits mit Amoroso den gewünschten Top-Stürmer hinzu und besaß andererseits genügend Zeit, um sich nach einem gleichwertigen Ersatz für Evanilson umzuschauen.

Nach den ersten vielversprechenden Auftritten Evanilsons wünschte man sich jedoch vielmehr den schnellen Brasilianer noch länger beim BVB halten zu können. Endlich konnte er eindrucksvoll beweisen, warum der BVB einst so viel Geld für ihn investiert hatte. Mit schnellen Vorstößen über die rechte Seite trug er den Ball nach vorne und wurde somit ganz ohne Frage einer der Garanten für den sensationellen Saisonstart des BVB. Beim Auswärtsspiel in Gladbach absolvierte „Eva“ sein wohl bisher bestes Spiel im Borussen-Dress, als er nicht nur in der Offensive überragte, sondern endlich einmal auch defensiv keine Wünsche offen ließ. Im restlichen Hinrundenverlauf wurden seine Leistungen aber immer unbeständiger und müssen mit mehr „schlecht als recht“ bewertet werden und er rettete er sich so in die Winterpause.

Während der Rückrundenvorbereitung plagte er sich mit einer Knieverletzung herum, die letztlich dafür sorgen sollte, dass er seinen Stammplatz weitestgehend einbüßte. Seine Einsätze in der Startelf waren von da an rar gesät, und wenn er doch einmal die Chance über 90 Minuten erhielt, konnte er sie aufgrund seiner unsicheren Spielweise nur ganz selten nutzen. Ganz besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang sein mangelndes taktisches Verständnis auf dem Platz, wo es desöfteren den Anschein hat, als wüsste er nicht, was er machen soll. Lediglich beim Auswärtssieg in Freiburg brachte er in erster Linie seine Offensivstärken gewinnbringend ein. Trotz allem war schon frühzeitig klar, dass der BVB ihn ein weiteres Jahr vom AC Parma ausleihen sollte. Aufgrund seiner immensen Leistungsunterschiede sah sich Matthias Sammer – der ein großer Fan seines unausgeschöpften Potentials ist – jedoch gezwungen, Evanilson durch zusätzliche Konkurrenz stärker unter Druck zu setzen. Mit der Verpflichtung von Juan Ramon Fernandez ist dies hoffentlich gelungen. Evanilson, der inzwischen gerne längerfristig in Deutschland bleiben würde, muss nun jedenfalls mehr Konstanz in seinem Spiel entwickeln. Ansonsten wird der BVB wohl kaum bereit sein, einen allzu großen Aufwand zu betreiben, um seinen endgültigen Weggang noch zu verhindern...

Leonardo Dede auf dem Platz, enttäuschtes Gesicht
Leonardo Dede

Leonardo Dede:

Dede bildete auch in dieser Saison das Pendant zu Evanilson und komplettierte die brasilianische Flügelzange auf der linken Außenbahn. Abgesehen davon, dass beide als Außenverteidiger agierten, trennten sie allerdings Welten. Leistete sich Dede im Hinrundenverlauf noch gelegentliche Schwächen, avancierte er während der Rückrunde endgültig zu einem der absoluten Leistungsträger innerhalb der BVB-Elf. Defensiv wie auch offensiv riss er seine Mitspieler durch seine engagierte Spielweise oftmals mit. Überall war der quirlige Brasilianer zu finden und bereitete nicht von ungefähr auf spektakuläre Art und Weise das meisterschaftsentscheidende Tor durch Ewerthon vor. Sein ungeheuer konstantes Spiel wies, wenn man so will, lediglich den Makel zu geringer Torgefahr auf. Mit Blick auf sein Alter aber, kann da noch von einer Verbesserung positiv ausgegangen werden. Unterscheidet ihn diese Tatsache zwar noch von seinem großen Vorbild Roberto Carlos, so bringt er taktisch wie spielerisch jedoch alles andere mit, um mittelfristig für die „Selecao“ sein Nachfolger werden zu können.

Doch nicht nur spielerisch war Dede für viele ein Vorbild: Imponierend war insbesondere sein Auftreten neben dem Platz. Dort fungierte er als Bindeglied zwischen den oftmals eigenwilligen Südamerikanern und der restlichen Mannschaft. Dabei schreckte er auch nicht davor zurück, den absoluten Topstar im Team, Marcio Amoroso, öffentlich für manchen Fehltritt zu rügen. Andererseits warb Dede, wenn er es für angebracht hielt, aber auch um Verständnis für den sensiblen Super-Techniker. Insgesamt ist sein Anteil an dieser überaus erfolgreichen Saison kaum ausreichend gewürdigt worden, denn schließlich konnten sich oftmals nicht nur seine brasilianischen Landsleute an ihm aufrichten, sondern das gesamte Team! Nicht von ungefähr will ihn Matthias Sammer jetzt zum Vizekapitän ernennen, was sicherlich auch seinem erhöhten Stellenwert für Borussia Dortmund wiederspiegelt.

Jörg Heinrich im Zweikampf gegen Stefan Effenberg
Jörg Heinrich

Jörg Heinrich:

Kurzname Allrounder. Wie in fast jeder Saison sollte Jörg Heinrich auch dieses Mal während der gesamten Spielzeit nicht seine angestammte Position finden. Von der linken Außenbahn, über die Halbpositionen im defensiven Mittelfeld, bis hin zur rechten Außenbahn. Der seit dem seit dem 1.7.2000 wieder für Borussia kickende Allrounder musste wieder einmal überall als Notnagel herhalten, was ihn aber zweifelsohne auch sehr wertvoll für die taktische Ausrichtung des Trainers macht. Überzeugen konnte er dabei allerdings nur selten, wobei ihm jedoch zu Gute gehalten werden muss, dass er von einem schier endlos erscheinenden Verletzungspech verfolgt wurde. Absolute Fitness konnte er somit gar nicht erst erlangen, weil ihn stets eine neue Hiobsbotschaft zurückwarf. Besonders bitter war dies am Saisonende, als er durch die starken Heimspiele gegen Mailand und 1860 München, die ihn nicht ganz zufällig als Torschützen auswiesen, endlich wieder in Form zu kommen schien. Es folgte jedoch ein weiterer (gesundheitlicher) Rückschlag, von dem er sich nicht mehr erholen sollte. Das wurde deutlich im UEFA-Pokal-Finale, aber noch viel deutlicher in den Vorbereitungsspielen der Nationalelf. Seine Entscheidung, auf die Teilnahme an dieser WM zu verzichten, ist somit vollkommen nachvollziehbar und wurde in manchen Boulevard-Medien zu Unrecht so scharfzüngig gegeißelt. Fest steht aber auch, dass es der Routiner in der kommenden Spielzeit sehr schwer haben wird, sich (s)einen Stammplatz zu erkämpfen. Seine unmittelbare Konkurrenz ist durch die Verpflichtungen von Frings und Fernandez nun auf sämtlichen Positionen ungeheuer groß!

Stefan Reuter regelt auf dem Platz alles
Stefan Reuter

Stefan Reuter:

Was für eine Ehre: In seiner vermutlich vorletzten Saison als Fußballprofi führte Stefan Reuter seinen Club Borussia Dortmund als Kapitän zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft! Dabei sind aber vermutlich in erster Linie seine integrativen Verdienste außerhalb des Platzes und eher sekundär, die auf dem Spielfeld zu würdigen. Sicherlich verlieh er dem Spiel des BVB als „Staubsauger“ im defensiven Mittelfeld eine gewisse Stabilität und konnte mit seiner immer noch immensen Schnelligkeit, wie im Heimspiel gegen den VFL Wolfsburg, sogar noch das ein oder andere Glanzlicht setzen. Insgesamt konnte aber auch er eines der wenigen verbliebenen Mankos des BVB-Spiels nicht ausmerzen: Die Spieleröffnung aus der Defensive hakte insbesondere in der Hinrunde und wurde erst mit der Verpflichtung Sebastian Kehls besser. Stefan Reuter selbst aber wusste das Offensiv-Spiel des BVB nur äußerst selten zu beleben.

Viel wichtiger waren daher auch seine Verdienste als Mannschaftsführer. Durch seine ruhige und besonnene Art konnte er auf dem Spielfeld vielleicht nicht ganz so sehr Einfluss auf seine Mitspieler nehmen, wie gewünscht. Insgesamt jedoch hatte er stets ein offenes Ohr für seine Team-Kollegen und war auch für Matthias Sammer jederzeit ein verlängerter Arm. Gerade junge Spieler konnten sich an dem „charakterlich unbeugsamen Franken“ orientieren. Doch ebendiese jungen, nachrückenden Spieler werden ihm in der kommenden Saison vermutlich seinen bisher fest zementierten Stammplatz streitig machen. Nicht zuletzt seit der Verpflichtung von Torsten Frings dürfte feststehen, dass er in der kommenden Spielzeit mehr und mehr ins zweite Glied zum Ausklingen seiner langen und erfolgreichen Karriere zurücktreten wird...

„Micky“ Stevic im Zweikampf
„Micky“ Stevic

„Micky“ Stevic:

Am temperamentvollen Serben schieden sich schon immer die Geister. Die einen schlossen ihn aufgrund seiner totalen Identifikation mit dem BVB in ihr Herz, während ihn andere aufgrund seiner oft riskanten, aber dadurch nicht immer effektiven Spielweise allzu sehr mit Kritik überhäuften. Zwar kann man für ihn auf der Habenseite seine enorme Zweikampfstärke und die Fähigkeit zur Antizipation vermerken, aber darunter leidet allzu häufig auch die Passgenauigkeit. Tatsache war aber, dass gerade Evanilson sehr von Mickys Anspielen in der ersten Halbserie profitierte.

In dieser Spielzeit lieferte Stevic erstmals in seiner Zeit beim BVB weniger Gesprächsstoff, weil er seinen Stammplatz verlor und schließlich fast gar keine Einsätze mehr von Matthias Sammer erhielt. Durch wichtige Tore in der Hinrunde (in Berlin und Nürnberg) leistete aber auch „Micky“ Stevic ohne Frage seinen Teil zum erfolgreichen Abschneiden in dieser Spielzeit. Weil aber sein Vertrag ohnehin auslief und Matthias Sammer strikt darauf bedacht ist, sein Team immer weiter zu verjüngen, wird er nun den Verein verlassen (müssen). Bisher noch ohne neuen Arbeitgeber sieht Stevic aufgrund der Kirch-Krise einer eher ungewissen Zukunft entgegen, die sich aber wohl ins Ausland erstreckt. Hoffentlich war das aber noch nicht sein endgültiger Abschied von der deutschen Fußballbühne, denn auch wenn es (schlichtweg) nicht mehr für einen Stammplatz im hochkarätigen Mittelfeldaufgebot des BVB ausreicht, so dürfte er dennoch für einen Großteil der Bundesligisten eine Bereicherung darstellen. Gerade wegen der angesprochenen totalen Identifikation mit seinem Arbeitgeber. Wer vergisst schon so schnell seine Gesangs-Einlage im Vogelkäfig oder seine Tränen bei der Meisterfeier? Wir jedenfalls nicht! Und daher wünschen wir unserm Micky „erster Alles“ Stevic alles Gute auf seinem weiteren Weg...

In der nächsten Folge stehen diejenigen Mittelfeldspieler im Vordergrund, die für das kreative Element im Offensivspiel des BVB verantwortlich waren. Der eine mehr, der andere weniger...

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