Spielbericht Profis

Bundesliga-Spitzenspiele wohin man schaut - Bravo! Der BVB stürmt den Betzenberg

01.04.2001, 00:00 Uhr von:  BoKa
Hier waren sie noch ausgelassen und fröhlich: FCK-Team-Manager Brehme und BVB-Coach Matthias Sammer, vor dem richtungsweisenden Spiel.
Hier waren sie noch ausgelassen und fröhlich: FCK-Team-Manager Brehme und BVB-Coach Matthias Sammer, vor dem richtungsweisenden Spiel.

Bayern hatte „vorgelegt“ und der Weg nach Oben war sperrangelweit frei: Der Dritte spielte gegen den Vierten und dabei ging es in Wahrheit nur um den Ersten Platz in der Bundesliga. Der 1. FC Kaiserslautern im Verfolgerduell gegen Borussia Dortmund, das bedeute auch Rasse, Engagement und Fight. Am Ende siegte das beste Auswärtsteam souverän und überlegen mit 4 : 1 und bereit damit die Basis für den ewig jungen Klassiker BVB - Bayern, dem 1. gegen den 2. am kommenden Wochenende im Westfalenstadion.

Nur drei Punkte liegen die Pfälzer hinter Spitzenreiter Bayern München und auch die Westfalen haben mit vier Zählern Rückstand noch Chancen auf den Titel. "Wir haben das Zeug dazu, Meister zu werden", hatte der Lauterer Teammanager Andreas Brehme entsprechend selbstbewusst vor der Partie erklärt. Während die Konkurrenten um die Meisterschaft meist nicht von Titelambitionen sprechen möchten, hält Brehme nichts von Tiefstapelei. "Ich wäre ein schlechter Trainer, wenn ich der Mannschaft sagen würde, wir wollen nicht Meister werden", sagt der Weltmeister von 1990.

Der FCK wollte unbedingt die Tabellenspitze

Lange „14“ Jahre war es inzwischen schon her, dass Borussia Dortmund auf dem Betzenberg zuletzt gewinnen konnte. Ob nun in der Ottmar Hitzfeld-Ära, mit Nevio Scala oder gar dem heutigen Bundestrainer Michael Skibbe - dem BVB erging es nach dem 3:2 am 22. Mai 1987 (Tore: Zorc, Dickel, Mill) in der Pfalz stets gleich. Er ging leer aus! Selbst Coach Matthias Sammer konnte im Trikot des VfB Stuttgart im Fritz-Walter-Stadion nix reißen. Kann es im Vorhinein ein schlechteres Omen geben? "Statistiken interessieren mich nicht, jede Serie reißt einmal", meint jedoch Borussen-Coach Matthias Sammer. Der BVB konnte in Bestbesetzung in Kaiserslautern antreten und der Coach war von der Stärke seines Teams beeindruckend überzeugt: "Wenn wir oben dabei bleiben wollen, müssen wir gewinnen. Angst haben wir vor dem FCK garantiert nicht."

Und diesmal: Schon bei der Seitenwahl hat der BVB Glück: Kapitän Kohler wählt bei Schiedsrichter Fröhlich gelb und schon tauschen wir die Seitenwahl, sehr zum Leidwesen von Mario Basler, der das mit: „Das is doch scheiße!“ kommentiert. Und es geht gleich flott los. Der FCK übernimmt vom Start weg die initiative und agiert gewohnt druckvoll. Angetrieben von Mario Basler nahm Kaiserslautern, dass auf den verletzten Weltmeister Youri Djorkaeff und den Gelb-gesperrten Jeff Strasser verzichten musste, zunächst das Heft in die Hand. Doch ob Lokvenc oder Jungstar Klose, der beim alten Hasen Jürgen Kohler weitestgehend abgemeldet war - ein Tor wollte den Gastgebern nicht gelingen. In der 7. Minute setzt dann Lokvenc den ersten Glanzpunkt auf dem stimmungsgeladenen, ausverkauften Betzenberg. Mit der Brust nimmt er ein Zuspiel von Hristov an und zieht ab. Lehmann reißt die Fäuste hoch, die BVB-Abwehr klärt vereint anschließend zur Ecke. Es bleibt hecktisch rund um den BVB-Strafraum, denn Evanilson will mit einem fahrlässigen wie miserablen Rückpass unbedrängt zu Oliseh passen, aber Lokvenc geht dazwischen, lupft den Ball vors Tor. Kohler wirft sich in die Flugbahn, will zur Ecke klären und lenkt der Ball verspringt unter seinem Körper derart komisch, dass er um Haaresbreite ins eigene Tor kullert (9.). Aufatmen im proppevollen BVB-Block: Da hätte sich der BVB fast selbst in den April geschickt...

Der Glückstreffer in K´lautern: Otto „Rastaman“ Addo, kam als 2. Spitze für „Billy“ Reina ins Team und war ein Aktivposten
Der Glückstreffer in K´lautern: Otto „Rastaman“ Addo, kam als 2. Spitze für „Billy“ Reina ins Team und war ein Aktivposten

Auch Lautern bringt den Ball nicht weg und Jörg Heinrich kommt aus etwa 18 Metern zum Schuss, aber Koch lenkt zur Ecke (11.). Man merkt´s, die Defensiv-Abteilungen beider Teams sind noch nicht geordnet. Miro Klose nutzt dies aus. Der Jungnationalspieler sprüht in der Anfangsphase förmlich vor Einsatzfreude und prüft er Lehmann, doch der BVB-Schlussmann klärt glänzend zur Ecke. So langsam aber kommt Borussia aber immer besser ins Spiel. Der Lohn für ein kontrollierteres Mittelfeldspielspiel lässt nicht lange auf sich warten. In der 33. Minute dribbelt Otto Addo, der den Vorzug gegenüber „Billy“ Reina erhalten hatte, auf den Sechzehner zu und setzt „Chancentot“ Bobic da gut in Szene. Der Mittelstürmer lässt den wiedergenesenen Grammozis und Libero Basler aussteigen und versengt am herausstürzenden Koch vorbei aus zehn Metern im linken unteren Eck. Riesenjubel bei den etwa 4000 Schwatzgelben hinter´m Tor! Mit der nun entfachten Begeisterung kontrolliert Borussia nun Ball und Gegner. Die Überlegenheit führt sogar dazu, dass FCK-Keeper Koch unmittelbar vor der Halbzeit noch zwei mal seinen Strafraum verlassen muss, um in höchster Not klären zu können. Frohlich pfeift zum Pausentee.

„Enfant terrible“ Basler diesmal nicht in Topform

Da klatscht sogar der „Vize“ Mario
Da klatscht sogar der „Vize“ Mario

Kapitän Mario Basler, der ja bekanntlich nichts von Bescheidenheit hält, hatte vor dem Spiel die Emotionen noch zusätzlich geschürt. "Wir werden die Dortmunder Titelträume beenden. Alle anderen Teams außer Bayern wollen ja nicht, wir nehmen den Titel gerne mit, denn wir wollen Meister werden.“ tönte „Super Mario" mit breiter Brust. Seine Leistungssteigerung seit der Winterpause ist zwar ein Hauptgrund für die gute Ausgangslage der "Roten Teufel" um den Titel mitspielen zu können, jedoch konnte er heute nicht an seine zuletzt guten Leistungen anknüpfen. Zu stark war der BVB an diesem Abend in seinen Offensivbemühungen!

Wir haben keine Ahnung, was Trainerfuchs „Matthes“ den Seinen in der Kabine geraten hat, aber der BVB startete furios in Abschnitt zwei! Noch während Co-Trainer Uwe Neuhaus einem Fieldreporter in ein in ein Mikrophon trällert, dass man ja jetzt nicht auf Halten spielen könne und sofort das zweite Tor zu machen gedenkt, schlägt´s auch schon prompt ein. Otto Addo dieser Teufelskerl. Was für ein Paukenschlag! Tomas Rosicky hatte den Ball in der zentralen Position vor dem Tor bekommen und sofort in die Gasse auf Addo weitergeleitet, Wo war die Lauterer Deckung? Völlig unbeachtet lauert er da im Strafraum und schiebt am verdutzten Koch mit einem platzierten Flachschuss vorbei ins Netz! 0:2 auf dem Betze - unglaublich! Der Berg bebt, aber auf der vermeidlich falschen Seite!

Schwatzgelber Torjubel nach Jörg Heinrich´s Hammer des Tages
Schwatzgelber Torjubel nach Jörg Heinrich´s Hammer des Tages

Zunächst blieb es beim Alten, der BVB war überlegen, aber büßte in dieser Phase zunehmend seine Souveränität ein. Und dennoch die Riesenmöglichkeit zum „“Sack zu machen“. Rosicky tanzt leichtfüßig in den Lauterer Strafraum rein, Samba mit Basler, lässt Klos alt aussehen und muß zu seiner Verwunderung erkennen, dass er keinen anspielen kann! Also erinnert er sich seiner (wenigen) Kritiker und zieht selbst aus spitzem Winkel ab. Seinen Schuss blockt Koch Friedhelm Bobic vor die Füße und der Stürmer schafft unfassbares. Er schießt blind aus vier Metern drauf - doch der am Boden liegende Koch lenkt den Ball sensationell noch um den Pfosten (50.). Ja hat man da noch Töne. Die Fraktion der Mahner meldet sich und verweist auf die alte gnadenlose Fußball-Formel: Wer so was nicht nutzt, wird bestraft! Der wieder einmal mit „Licht & Schatten“ versehene Evanilson dringt nur 5 Minuten später von rechts in den Strafraum ein. Sein Schuss aus spitzem Winkel wird gerade noch abgeblockt. FCK-Trainer Andreas Brehme reagierte und brachte in Dominguez einen weiteren Stürmer. Doch Dortmund blieb am Drücker und schien das Geschehen im Griff zu haben. Lautern präsentiert sich in dieser Phase völlig konsterniert und kommt doch in der 58. Minute ins Spiel zurück. Eine Leichtsinnigkeit im Mittelfeld bringt Basler in Ballbesitz. Zentimetergenauer Pass steil an den Strafraum auf Lokvenc, der zwischen den beiden(!) BVB-Verteidigern Wörns und Kohler noch die Ruhe findet, aus der Drehung mit einem gefühlvollen Heber den wieder viel zu weit vor dem Tor postierten Lehmann zu überwinden. Der "Betze" brennt wieder – und zwar diesmal auf der anderen Seite. Ein Gegentor ohne Not und der Weckruf war ertönt. Die bisher schweigsamen „roten Teufelchen“ fanden plötzlich ihre Stimme wieder. Jetzt werfen die Brehme-Schützlinge Mann und Maus nach vorne und es wird dem Liebhaber in Schwatzgelb Angst und Bange um Borussia.

Doch mal wieder haben wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Wiederum nur 5 Minuten später folgt die kalte Dusche in einem hochklassigen Spiel. Addo führt den Ball auf links und hat viel Platz, dribbelt auf´s Tor zu und der Vorbereiter des ersten Treffers timt eine herrliche Maßflanke auf Lars Ricken. Der Nationalspieler nimmt mit der Brust wunderbar mit und lupft den Ball gefühlvoll über den herausstürzenden Georg Koch zum 1:3 ein - die Vorentscheidung! Ein letzte Aufbäumen der Hausherren offenbart allerdings, warum es heute nicht klappt. Vize-Mario zieht eine Freistoßflanke von links vor´s Tor. Die Defensivspieler Klos und Ramzy schrammen jedoch mit zu´en Augen knapp am Ball vorbei, wobei auch Jens Lehmann ins Leere läuft und der Ball im Toraus landet. In der 69. Minute versucht es der blasse Pettersson aus 18 Metern mit einem Gewaltschuss, der allerdings knapp drüber streicht.

Wurde in der 80. Minute mit „Fredi Bobic“ Sprechchören von den Dortmunder Fans verabschiedet: Der Torschütze zum 1:0
Wurde in der 80. Minute mit „Fredi Bobic“ Sprechchören von den Dortmunder Fans verabschiedet: Der Torschütze zum 1:0

Das war´s dann mit der Lauterer Herrlichkeit. Borussia spielt das Dingen locker-flockig nach Hause und gestattet sich auch noch den einen oder anderen Ausflug in des Gegners Hälfte. Einen solchen Vorstoß schließt dann Jörg Heinrich aus dem Gewühl im Lauterer Strafraum heraus, aus 16 Meter mit einem Hammer zum alles entscheidenden 1:4 ab. Der Ball fliegt wie an der Schnur gezogen ins rechte Eck und der zu weit vor dem Kasten stehende Koch kann da nur noch hinterher schauen.

Das Spiel war gelaufen und die FCK-Generalprobe ziemlich verpatzt. „Wir waren heute einfach schlecht. Dortmund hat verdient mit 4:1 gewonnen“, gestand Mario Basler kleinlaut ein. „Wir haben zu schwach begonnen und kamen nicht mehr ran“, meinte er und machte trotz des Frustes ein Späßchen: „Wir werden trotzdem Meister“. Wie Basler mußte FCK-Coach Brehme zugeben: „Die Dortmunder waren klar besser als wir.“ So bescheiden sich die Pfälzer gezwungener Maßen geben mussten, so selbstbewusst traten die Dortmunder auf. Rund um das Westfalenstadion blühen nun nach Wochen der Zurückhaltung wieder Titelträume. Selbst Trainer Matthias Sammer wollte jetzt nicht mehr den Miesepeter spielen. „Ich glaube, das war das wichtigste Spiel der Saison für uns“, frohlockte Sammer. „Jetzt können wir richtig angreifen“, so lautete die Kampfansage an die Münchner Bayern, die nächsten Samstag zum Gipfeltreffen ins Westfalenstadion kommen.

Fazit:

Jetzt ist alles drin! Wenn es nun gelingt, die Euphorie und Begeisterung aus diesem (historischen) Sieg mit ins kommende Spiel gegen die Münchner zu nehmen, dann ist der BVB tatsächlich ein ganz heißer Titelkandidat. Alles Wehren hätte dann auch keinen Sinn mehr, denn die ausflippenden Fans täten ein übriges dazu. Und was keiner so recht geglaubt hatte: Matthias Sammer hatte seine Mannschaft auf den Punkt Top eingestellt. Also „Matthes“ – auf ein neues gegen die „Gralshüter von der Säbener Straße“... Wir freuen uns schon!

Noten und Aufstellungen:

Bor. Dortmund: Lehmann (3) - Wörns (3), Kohler (2) - Oliseh (3) - Evanilson (4), Dede (2,5) - Heinrich (3) - Ricken (3) (71.) Reina (-) Rosicky (1,5), (80.) Nerlinger (-) Addo (1,5) - Bobic (3) (80.) Stevic (-)

Tore: 0:1 Bobic (33.), 0:2 Addo (46.), 1:2 Lokvenc (58.), 1:3 Ricken (62.), 1:4 Heinrich (76.)

Schiedsrichter: Lutz Fröhlich, Berlin (2) - Leitete klug, war stets auf Ballhöhe und war zudem sehr umsichtig. Rundherum gute Leistung!

Zuschauer: 41500 (ausverkauft)

Gelbe Karten: Grammozis - Rosicky

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