Im Gespräch mit...

...Michael Meier: Borussia Dortmund bedeutet Tradition, Leidenschaft und Erfolg!

23.09.2001, 00:00 Uhr von:  Wade BoKa

Endlich war es soweit. Das geschäftsführende Vorstandsmitglied Michael Meier (52) hatte schwatzgelb.de in den 9. Stock des AEG Hochhauses geladen, weil er uns - nach eigenem Bekunden - "ernst nimmt." Und wir waren nicht mit leeren Händen gekommen, denn viele Fragen stehen derzeit im Raum, auf deren Beantwortung die Fanszene gespannt wartet. Und der "BVB-Macher" hatte Antworten für uns parat...

Michael Meier

schwatzgelb.de: Herr Meier, wir kommen leider nicht umhin, die aktuelle Tagespolitik zu streifen und es fällt eigentlich schwer, nach den Ereignissen in Amerika über Fußball zu sprechen. Dr. Gerd Niebaum und auch die Mannschaft haben bereits vor dem Spiel den Wunsch geäußert, dass das Spiel abgesagt werden sollte. Keiner hatte Verständnis für das Verhalten. Nun hat die Uefa reagiert und alle Spiele für diese Woche abgesagt. Viele Fans sehen dazu keine Veranlassung, da sie der Meinung sind, dass das Leben weitergehen muß. Wie sehen Sie das?

Michael Meier: Ich denke, dass die Forderung an dem Tag des Geschehens, also am Dienstag gerechtfertigt war, das Spiel nicht stattfinden zu lassen, weil du eigentlich gelähmt bist, wenn du die Aufnahmen gesehen hast. Und ich denke, wenn du Fußball als Nebensache oder als schönste Nebensache der Welt betrachtest, dann ist es auch eine Frage der Relation. Was dort in den USA passiert ist. Und das, was wir in der Champions-League kreieren sollen. Zweites Argument ist, wir gehen einem Beruf nach und das ist Fußball spielen. Ich glaube nicht, dass in Deutschland oder auf der ganzen Welt ganz ruhig gearbeitet wurde, als die Ereignisse dort passierten.

Die haben auch ihre Arbeit niedergelegt und sich den Meldungen hingegeben. Insofern muß man die Forderung, die Niebaum gestellt hat, ganz klar und deutlich unter dem Eindruck sehen, wie die Leute das alles empfunden haben, dass man dafür einfach auch so viel Verständnis haben muß. Wenn man jetzt den Stadionbesucher differenziert vom Fernsehkonsumenten, der sieht auf allen Kanälen Bilder aus den USA und auf einem plötzlich ein Fußballspiel. Das ist natürlich eine Wirkung, die nicht normal ist. Das hat aber damit zu tun, dass sicherlich die UEFA nicht so flexibel war zu sagen, wir setzen das Spiel schon am Dienstag ab. Da hätte man sicherlich noch eine Chance gehabt. Auch für den Fußball, sich diese Diskussion sparen zu können, ist es richtig oder falsch!? Wenn man den Dienstag nicht absetzt, dann am Mittwoch doch spielen zu müssen, ich glaube, das ist eine akademische Diskussion. Aber die UEFA hat ja reagiert, ich denke zu spät, aber da jetzt Diskussionen darüber zu führen, ob das sinnvoll ist oder nicht, führt zu nichts. Du kannst das Geschehene ohnehin nicht ungeschehen machen. Es war sicherlich eine Extremsituation, in der die Entscheidungsträger zu entscheiden hatten. Ein Fan sagt, bei anderen Situationen spielt ihr auch weiter Fußball. Das ist auch ein Argument, was man ernsthaft prüfen muß. Das sind langfristig geplante Termine, wo Leute arbeiten müssen. Auch wenn es Fußball ist. Das ist keine Lustveranstaltung in dem Sinne, wo man sagt, es ist Karneval oder eine Big Fete, sondern es ist eigentlich ein Sportgeschehen, was da passiert, was im Wesentlichen Freude bereiten soll. Das ist völlig klar. Aber die Meinung kann man teilen, das man sagt, gut, den Baum muß man einknicken in so einer Situation. Aber am Dienstag glaube ich, muß man das auch unter dem Eindruck dessen sehen, wie depressiv man letzten Endes dann ist. Man hat es ja bis heute noch nicht richtig verkraftet. Du lebst im Hinterkopf immer noch mit diesen Ereignissen. Da zur Normalität zurückzukehren fällt dann halt schwer. Nur da müssen wir wieder relativ schnell hinkommen. Insofern verstehe ich auch die Diskussion der Fans schon richtig, wenn die sagen, lasst uns schnell wieder zur Tagesordnung zurückkommen. An dem Dienstag wäre es, glaube ich, gerechtfertigt gewesen und auch notwendig gewesen zu sagen, komm, lass uns heute mal über andere Dinge nachdenken. Auch wenn Du damit nichts ändern kannst. Aber das wäre zumindest eine Sympathiekundgebung gewesen, die man den Hinterbliebenen und auch dem amerikanischen Volk zu Gute kommen lässt.

Wir machen doch keine Transferpolitik nach alter Landsherr Sitte!

schwatzgelb.de: Sie haben im Anschluss an den CL-Sieg 1997 viel Kritik für die Einkaufspolitik der Borussia einstecken müssen. Seit Beginn des Jahres 2001 haben Sie nun mit dem Rosicky-Deal eine andere bewährte Strategie verfolgt. Mit dem Amoroso-Transfer ist Ihnen ein Meisterstück gelungen, bei dem der Kenner wirklich mit der Zunge schnalzen musste. Was geht in Ihnen vor, wenn auf dem Rasen dann diese Bemühungen und Anstrengungen belohnt werden?

Michael Meier

Michael Meier: 1997 ist ein zu kurzer Zeitraum. Hier sind also Zeitzeugen, sitzen mir hier gegenüber, die das Interview führen, die auch 1990 die Einkaufspolitik von Borussia Dortmund stark kritisiert haben. Da war wortwörtlich bei der Fandelegiertentagung gesagt worden, dass nur "Schrott" eingekauft worden sei. Und seit dem Zeitpunkt begleitet uns die Attitüde, dass wir im Wesentlichen Fehleinkäufe tätigen. Damit leben wir. Und insofern muß man auch damit leben. Wenn wir einen einkaufen, ist es erst mal ein Fehleinkauf. Also, das hat nichts mit dem erfolgreichen Jahr 1997 zu tun. Ich darf aber trotzdem gleich mal die Frage ergänzen. 1997 war sicherlich für uns alle ein Ereignis, wo wir uns auch erst mal daran gewöhnen mußten. Das war nicht so einfach zu händeln. Man sieht ja jetzt eigentlich auch bei Bayern München, dass sie ähnliche Probleme haben. Dass Du eine Mannschaft hast, die einen Riesenerfolg gehabt hat, die dann auch schwer zu motivieren ist, neue Ziele oder die selben Ziele, die man eigentlich schon vor der neuen Saison gesetzt hatte, zu erreichen. Du hast ein Ziel erreicht und dann die Schärfe und Akribie an den Tag zu legen, die Du brauchst, um diesen Erfolg zu kriegen, das ist schwer. Wenn man sich noch mal die Bilder von Bayern München Revue passieren lässt, denke ich, ist diese Meinung gerechtfertigt. Da hat man uns seinerzeit ins Stammbuch geschrieben, Ihr müsst 5 Spieler verkaufen und 5 neue holen.

Und wenn man dann aber die Frage stellt, sollen wir jetzt den Möller, den Riedle, den Cesar, den Sammer, Reuter oder Chapuisat oder den Paolo Sousa verkaufen, dann hieß es immer, nee, die nicht. Dann stellt sich die Frage, was Du stattdessen machst? So eine Momentaufnahme ist dann schon schwierig. Das ist alles diskussionsfähig und auch kritikfähig.

Absolut kein Problem. Das ist so. Auch wenn es uns nicht so gelungen ist, in 98/99 den Hebel wieder umzudrehen, so dass wir, wie wir heute dastehen, etwas stärker und gefestigter sind. Das ist richtig. Da haben wir lange Zeit für gebraucht. Auch dieser Verein brauchte eben die Zeit mit dem Umgang des Erfolges. Auch selbst dann, wenn Du noch so erfahren bist. Da hast Du keine Patentrezepte in so einer Situation. Weil sich alles irgendwo in der Mentalität des Spielers abspielt. Was auch verständlich ist, und das hat ja auch der Fan gemerkt. Der Fan als solches wurde ja auch anders. Der hat sich auch verändert in seinem Verhalten. Der Manager ist anders geworden in seinem Verhalten. Das muß nicht unbedingt wertend sein, aber man ist im Grunde genommen erst mal zufriedener gewesen. Hat nicht die Aggressivität gebracht, die man braucht, um diesen Erfolg zu bringen. Also haben sich alle verändert.

Und leider ist es uns wieder gelungen, die Bayern beim letzten Spiel letztlich wieder da hinzubringen, wo wir sie nicht haben wollten. Dass sie wieder selbstbewusst sind, denn sonst wären die wahrscheinlich einen sehr schwierigen Weg gegangen. Und deswegen sehe ich diese Niederlage auch doppelt schwer. Wir hatten eigentlich die Möglichkeit, psychologisch in dieses Fernduell einzugreifen. Zu sagen, so, wir sind wieder da. Ihr habt uns nicht abgeschüttelt, wir fliegen wieder an euch vorbei. Bringen euch in eurem "selbsterklärten Selbstbewusstsein" einige Macken bei. Das ist uns leider nicht gelungen. Wenn heute in einer Momentaufnahme die Einkaufspolitik von Borussia Dortmund gelobt wird, weil der Tabellenplatz momentan positiv ist, kann ich nur sagen, das ist natürlich angenehmer, als wenn man kritisiert wird nach großen Transfers. Aber man soll sich trotzdem nichts darauf einbilden. Wir haben eine Saison 1999/2000 hinter uns, die hat doch, glaube ich, alle Leute in ihrem Anspruchsdenken sehr viel bescheidener gemacht. Das habe ich persönlich noch nicht vergessen. Deswegen wird man automatisch schon etwas sorgfältiger in der Art und Weise, wie man damit umgeht. Sicherlich auch mit der Tatsache, wie die "Außenwelt" auf den Kauf reagiert. Wichtig für uns ist eigentlich, dass der Fan die Neueinkäufe akzeptiert, dass er ihnen hilft bei der Integration in die Mannschaft. Da hat er einen großen Beitrag zu geleistet. Ein Amoroso braucht diese Liebe. Ein Koller und ein Rosicky, die wissen ja gar nicht, was ihnen hier passiert. Dass sie hier plötzlich so aufgenommen werden mit offenen Armen hilft enorm.

Und da hat uns der Fan verdammt viel geholfen. Das ist für uns wichtig! Dass es dann zusätzlich auch sportlich noch zu einem Ergebnis geführt hat, dass wir wieder oben stehen, das denke ich, ist ein Zusatzeffekt, auf den wir uns aber beileibe nichts einbilden.

schwatzgelb.de: Der erste "Fehler" überhaupt, wenn man das mal so sagen darf, wurde ja damals 1990 schon gemacht, Murdo MacLeod gehen zu lassen...

Michael Meier: Das war das Schlimmste! Diese Diskussion hat mich, glaube ich, vier Jahre lang verfolgt, wurde auch mir persönlich immer angelastet. Da ist es uns nicht gelungen rüberzubringen, dass Murdo MacLeod auch gehen wollte. Da kann ich mich noch gut dran erinnern, Herr Sitter, da haben Sie völlig recht, gut dass Sie das noch mal ansprechen. Wir hätten das vorher mal zum Thema machen müssen in der Öffentlichkeit, dass er sich eigentlich mit dem Gedanken beschäftigt hat, Borussia Dortmund zu verlassen, dabei allerdings nicht ganz fair gesagt hat "die haben gar nicht um mich gekämpft". Er kam zu uns und hat gesagt, ich hab da jetzt ein Angebot und werft mir jetzt bitte keine Knüppel zwischen die Beine in Form einer zu hohen Ablöseentschädigung, denn da kann ich wieder zurück in meine Heimat und auch noch mal gutes Geld verdienen! Und bei Borussia Dortmund habe ich einen Zustand, wo ich nur auf der Bank sitze." Damals gab es noch dieses Ausländerkontingent. Da ist es uns eigentlich nicht gelungen, das im Vorfeld rüberzubringen und deswegen hat das dann vier lange Jahre gedauert, in denen ich mich persönlich immer wieder in den Mittelpunkt der Kritik stellen mußte. Du bist derjenige, der den Murdo auf dem Gewissen hat!

Michael Meier

schwatzgelb.de: Sie haben nach den Vorkommnissen um Jens Lehmann und Dedé mehr Zivilcourage von den Fans verlangt. Wie sollten sich die Fans gegenüber Personen verhalten, die sich massiv gegen einzelne Spieler vergehen oder versuchen, diese zu verunglimpfen?

Michael Meier: Also es gibt letztendlich eigentlich nur eine Bitte. Dass ein Verein durch seine Sanktionsmöglichkeiten, die er hat, schon eingreifen sollte, ist ja völlig klar. Und dass es auch letztendlich beim Verein hängen bleibt, auch das ist klar. In den jetzt zurückliegenden 11 Jahren haben wir im intensiven Dialog mit den Fanbeauftragten der einzelnen Fan-Clubs und mit dem Fan-Projekt immer versucht, keinen auszugrenzen. Das ist uns bis zu einem gewissen Grad auch bisher positiv gelungen. Wir haben tolle Aktionen mit unseren Fans erleben dürfen, zum Beispiel die Aktion "Rote Karte dem Rassismus", ich denke da an das CL-Spiel in Lodz, als unsere Fans mit einem Spruchband äußerst positiv dazu beigetragen haben, dass die Vorfälle mit deutschen Hooligans beim Länderspiel im ehemaligen Hindenburg (Transparent mit dem Text: "Schindler, wo sind Deine Juden" / Die Red.) überhaupt verziehen worden sind. Das hat dazu geführt, dass die deutsch-polnischen Beziehungen wieder auf politischer Ebene in Gang kamen, weil der damalige Staatspräsident von Polen gesehen hat: Mensch, das ist ja eine tolle spontane Aktion von Fans, die gar nichts damit zu tun hatten, die sich aber dennoch davon distanzieren wollen! All diese Dinge haben wir in einer beispielhaften Weise erlebt.

Jetzt kommen wir aber in einen Bereich, wo ich einfach sage, es gibt neue untragbare rechtsradikale Tendenzen. Darüber muß man diskutieren. Dafür braucht aber auch der Verein die dementsprechende Unterstützung, um diese Elemente, die eigentlich mit diesem Verein nichts zu tun haben, zurückzudrängen. Unser Verein hat noch nie was mit Rechtsradikalismus zu tun gehabt, weder im Dritten Reich - das kann man historisch nachvollziehen, denn hier sind Platzwarte von Borussia Dortmund noch kurz vor dem Ende des Krieges in der Bittermark umgekommen -, noch mit semantischen Neurechten. Wir können historisch nachweisen, dass es also überhaupt nie zu Kumpaneien von Seiten des Vereins mit den Nazis gekommen ist.

Wir waren ja schon mal soweit, dass wir Spieler, die einmal das schwatzgelbe Trikot getragen haben - auch wenn sie uns verlassen hatten - eigentlich auch dementsprechend freundlich empfangen haben. Auch wenn sie mit der gegnerischen Mannschaft kamen. Das war beispielhaft für mich! Das lief nach dem Motto ab: Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, dass einem, der einmal das schwatzgelbe Trikot getragen hat, hier der Status, er ist "Einer von uns" zuerkannt wurde. Dieser Spieler bekam dann uneingeschränkt den Respekt vom Publikum. Das tut auch unserem Image ganz gut und dokumentiert eindrucksvoll unsere Hochachtung für gezeigte Leistungen. Das ist in letzter Zeit in den Hintergrund gerückt. Dadurch, dass man sich jetzt plötzlich ein paar Leute ausgeguckt hat. Das fing mit Sergej Barbarez an, ging über Evanilson, Stevic und nicht zuletzt Lehmann. Das kannst Du dann auch nicht verstehen, dass man sich Leute rauspickt und sagt "auf die gehen wir jetzt drauf".

Da muß ich sagen: Das Mindeste, was man erwarten kann, ist eine neutrale Haltung. OK, dann sagt man, der hat heute keine Form, oder die Art und Weise, wie er Fußball spielt, die akzeptiere ich nicht. Das ist in Ordnung. Ich kann ja ruhig sagen: Die Art und Weise wie Sergej Barbarez Fußball spielt, ist aufreizend. Allerdings kann die auch zum Riesenerfolg führen, wie er ja auch in Hamburg bewiesen hat. Insofern ist er da eigentlich auch wieder bestätigt worden. Unser Publikum hat es letztendlich nicht geschafft, ihm zumindest diese neutrale Haltung entgegenzubringen. Und wenn Du dann siehst und hörst, dass einzelne Spieler da ausgenommen werden und diese Fanhaltung damit im Grunde genommen auch das Kollektiv schwächt, dann ist das konterkarierend für den Erfolg! Man muß ja irgendwo auch Vertrauen haben zu den Leuten, die schon seit 15 Jahren die Politik von Borussia Dortmund weitestgehend mitgestalten. Dass das Management eigentlich auch bestrebt ist, Typen zu Borussia Dortmund zu holen, die auf der einen Seite sportlich zur Borussia passen, aber auch charakterlich integrierbar sind. Auch wir machen Fehler, völlig klar. Sicherlich, um bei dem Beispiel Jens Lehmann zu bleiben, haben wir dann auch mit dem Spieler reden müssen, wie sein Verhalten letztendlich auf die Fans wirkt. Und dann hast du mit vielen Diskussionen am Ende doch erreicht, dass mit diesen Gesprächen auch die pure Abneigung eigentlich kippte. Sicherlich gab es da aber immer noch ein paar "Unverbesserliche" und da hat es dann, glaube ich, aber auch keinen Sinn mehr, mit denen noch zu kommunizieren. Dafür kämpfen wir dann eigentlich auch um die breite Unterstützung und setzen auf die aktive Fanszene, die zeigt: Wir machen da einen Selbstreinigungsprozess und das kriegen wir schon hin!

schwatzgelb.de: Stichwort Veränderungen. Wir treffen ja heute eine vielschichtige Fanlandschaft an, in der es so verschiedene Strömungen gibt wie: Kutten, Ultras, Supporter, Normalos und leider auch immer noch Kategorie C-Fans. Offenkundig kann der Verein bei seinen Fandelegiertentagungen diese Gruppierungen nicht mehr erreichen. Das Fan-Projekt kann auch schon aus seiner satzungsmäßigen Aufgabenstellung da kaum Abhilfe leisten. Wie meinen Sie kann man da ein besseres Miteinander schaffen, gerade auch vor dem Hintergrund von jetzt wiederkehrenden Fan-Treffs am Alten Markt?

Michael Meier: Ja, ich denke, dass wir schon eine Menge damit erreichen können. Es war vor zwei Tagen jemand hier, der gesagt hat: Warum geben Sie sich so viel Mühe und debattieren eigentlich immer noch mit diesen selben Typen, die eigentlich eine solche Fandelegiertentagung auch für sich missbrauchen und da nach außen den "Lammfrommen" mimen und sich dadurch gewisse Vorteile von dem Verein - unter dem Deckmantel "ich bin Fan von Borussia Dortmund" - versuchen zu erschleichen. Trotzdem, ich denke, es ist wichtig, dass man diesen Dialog nicht abreißen lässt. Es ist ermüdend - und Sie, Herr Sitter, verfolgen das mit mir ja jetzt, glaube ich, im 12. Jahr (lacht) - völlig klar, und teilweise hast du dann auch auf dem Nachhauseweg das Gefühl: "jetzt kann ich nicht mehr", weil wir diese endlosen Diskussionen ja jetzt auch schon seit über einem Jahrzehnt mit ständig wiederkehrenden Themen führen. Ob das Kartenproblematiken sind, ob das der Schwarzmarkt ist oder die Bratwurst, alles Themen, die zweifellos wichtig sind, völlig richtig. Die nehmen wir ja dann auch auf, aber ich sage mal, solange wir noch in einem solchen Gremium so was diskutieren können und dabei bis heute noch keinen ausgegrenzt haben, haben wir auch eine Chance der direkten Ansprache und vielleicht auch der Überzeugung! Wir wollen ja auch keinen überreden, sondern überzeugen. Deswegen halte ich diese Institution auch irgendwo in Ehren und sage, da ist trotzdem was mit erreicht worden. Du hast heute tausend Möglichkeiten über Internet, über Radio, über Fernsehen, wir haben ja schon mittlerweile unsere eigenen Sendungen bzw. unser eigenes Magazin. All das haben wir ja! Aber trotzdem ist das direkte Gespräch auch das Nachhaltigste, wo man vielleicht auch persönlich noch was erreichen kann. Und wenn du dann auf die Südtribüne guckst und auf diese 25.000 Menschen, dann ist das erst mal anonym. Aber du erkennst plötzlich irgendwo da drin bekannte Gesichter, mit denen du dich auch schon mal gefetzt hast und auch argumentativ gegenhalten konntest. Was mir persönlich eigentlich immer Spaß macht. Diesen Dialog abreißen lassen, das dürfen wir nie!

Michael Meier

Deswegen sage ich auch ja zum "Fan Treff". Wir haben auch von Anfang an Wert darauf gelegt, dass wir gerade in einem Spiel gegen Liverpool, was ja von der Sicherheitseinstufung her ein hochrisikoreiches Aufeinandertreffen ist, auch wieder zu veranstalten. Nach dem Motto: Wir hier in Dortmund haben eine ganz andere Einstellung zu den Dingen. Wir lassen es nicht eskalieren und werden nicht versuchen, Aggressionen noch zu steigern, sondern werden versuchen, unsere Gäste freundlich zu empfangen und dann geschlagen nach Hause zu schicken (alle lachen). Und wer freundlich empfangen wird, der hat ja auch nicht nur ein besseres Bild von der Stadt, sondern ist ja vielleicht auch eher bereit zu sagen, ich hab da keine Feindesstimmung kennen gelernt! Es sind schon viele Freundschaften zwischen den Fans dadurch entstanden, das wissen wir. Wir haben das zum Spiel gegen Manchester United hier durchgeführt, wo ich heute noch sage, à la bonne heure! Da haben uns vorher viele Leute gewarnt, das gibt Riesenprobleme. Sicherlich ist Liverpool noch eine andere Kategorie von der Struktur der Fans her, auch aufgrund ihrer Historie, die nicht gerade positiv ist in Europa. Sie waren ja nicht umsonst jahrelang gesperrt auf europäischer Bühne, aber das sollte zur Betrachtung so eines Fantreffens beitragen, indem man sie gerade freundlich empfängt. Wir haben Fantreffs gemacht mit Amsterdam. Sicherlich in Deutschland beispielhaft! Aber wir haben den Mut gehabt, und diese Zivilcourage hat letztendlich immer dazu geführt, dass diese Spiele immer ganz ruhig verlaufen sind. Ich erinnere nur daran, dass die Fanfreundschaft mit den Celtics auch da entstanden ist!

schwatzgelb.de: Wir haben damals als aktive Borussenfans das Online-Magazin schwatzgelb.de ins Leben gerufen, um Fans, Spielern - aber auch dem Verein - eine Plattform für Gespräche miteinander zu bieten. Ziel istes, frei von journalistischen Zwängen, kritisch, aber konstruktiv im gegenseitigen Respekt über Fans, den Verein und die Spieler zu berichten. Den Fans soll die Möglichkeit geboten werden, aus der Fansicht näher an dem Geschehen dran zu sein. Auch um eine bessere Verständigung untereinander zu erreichen. Probleme sollen so schnell und direkt angesprochen und geklärt werden. Missverständnisse zwischen Fans und Spielern können so besser gelöst werden, und das ist uns auch schon bei Stevic, Bobic und Lehmann gut gelungen. Trauen Sie den Fans zu, selbst Probleme in der Fanszene anzugehen und zu lösen?


Michael Meier: Der Ansatz, den Sie gerade beschrieben haben, ist sicherlich aller Ehren wert. Wir nehmen Euch ja auch sehr ernst, sonst würden wir ja hier nicht zusammensitzen! Ich denke, innerhalb der Fans von Borussia Dortmund hat es gewisse Beimischungen gegeben. Wir haben auch darüber schon diskutiert im Rahmen der Fandelegiertentagungen, dass die Altvorderen immer gesagt haben, das sind jetzt die Neuen, das sind die Sonnenanbeter oder Modefans, die kommen eigentlich nur, weil jetzt Erfolg da ist. Sicherlich kommen sie auch, weil das Stadion, insbesondere auf der Südtribüne, etwas größer geworden ist. Das war auch klar, dass wir dadurch auch eine neue Klientel ansprechen können. Ob es uns allerdings schon gelungen ist, das stringente Denken in diesem monolitischen Block Südtribüne näher auch zusammenzuführen, so dass wir nicht mehr auseinanderdividiert werden, vermag ich nicht zu beurteilen, aber da ist wohl noch ein Weg zurückzulegen. Ich glaube, der ist noch nicht zu Ende gegangen! Aber trotzdem meine ich, dass gerade die Altvorderen vielleicht am Anfang den Fehler gemacht haben zu sagen "die Modefans, die wollen wir nicht", statt sie irgendwo auch aufzunehmen und zu integrieren. Es hätte doch heißen müssen: gewöhn dich aber mal bitte an die Spielregeln, die hier herrschen, das ist unser Kodex in der Süd, den wir hier haben! Der ist nie irgendwo schriftlich niedergelegt, den Verhaltenskodex der Platzhalter konnte man aber antizipieren. Das ist heute so nicht mehr klar und deutlich, weil es einfach nicht mehr gelungen ist, innerhalb des neuen und des alten Blocks zum Konsens zu finden. Den Weg müssen wir wieder weitergehen.

Zwei die sich brauchen: Oben sitzt der Verein und da unten sitzt der Fan

Michael Meier

Trotzdem glaube ich, dass der Fan, wenn er bereit und in der Lage ist, genau diese Probleme zu erkennen, auch bereit ist, darüber zu diskutieren! Und das in einer Atmosphäre, die nicht immer in "Feindeshaltung" ist. Also ich hatte am Anfang, als wir diese Institution Fandelegiertentagung damals ins Leben riefen, den Eindruck, "hier oben sitzt der Verein und da unten sitzt der Fan, der ist gegen den Verein, weil der Verein derjenige ist, der ihm das Leben eigentlich nur erschwert, statt erleichtert". Da ist es dann im Laufe der Jahre durch lange, lange Arbeit dann letztendlich gelungen, eine andere Einstellung zu diesem Austausch zu bekommen. Und derjenige, der dann auf dem Podium sitzt - und seit 11 Jahren bin ich ja als Initiator hautnah dabei - wird natürlich auch personifiziert mit gewissen Entscheidungen. Und ich werde da kritisiert in einer Art und Weise, wie ich da vortrage. Mir wurde da ja schon vorgeworfen, ich würde da manipulieren und Diktat üben und sonstiges. Ich hab das ja auch alles entgegengenommen, aber so eine nicht-homogene Gruppe ist in der Diskussion schwer zu führen in einer emotionalen Tagung, so dass du auch schon mal härter angreifen musst. Wenn du da mal locker lässt merkst du sofort, geht das wild durcheinander. Dazu ist so eine große Gruppe dann nicht in der Lage, die muß dann letztlich auch geführt werden. Insofern habe ich zwar am Anfang diese Kritik aufgenommen und gesagt, wir ändern den Führungsstil, aber du merkst dann, so kommst du nicht weiter. Du willst ja dann auch zur Führung dieser Tagung hinkommen und das ist uns wohl noch nicht ganz gelungen, dass wir da eine Mischung hinkriegen, die heute wieder im Denken gleich ist. Aber wir sind nicht weit davon entfernt, das glaube ich schon. Anfangs hatten wir da eine etwas ablehnendere Haltung und deshalb ist auch die Problematik, die Sie in der letzten Frage angesprochen haben, glaube ich, lösbar! Wir kriegen das hin!

schwatzgelb.de: Kurze Nachfrage dazu. Wir haben ja in den Fandelegiertentagungen immer heftig, aber auch konstruktiv miteinander gerungen, und es sind ja nicht selten sehr gute Ergebnisse dort zustande gekommen, wenn ich nur an die Fahnenaktion denke, wo wir uns in einem Arbeitskreis da wirklich Monate mit dem Für und Wider beschäftigt haben. Dennoch werden die Fahnenträger unserer Fan-Clubs unverständlicherweise immer wieder von verblendeten Menschen in die Ecke von Nazi-Aufmärschen gerückt, wogegen wir uns natürlich heftigst gewehrt haben. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es am Ende bei dieser Debatte überhaupt "Sieger" gab. Da hätten wir uns schon etwas mehr Unterstützung vom Verein, der das ja mitgetragen und wohlwollend begleitet hat, gewünscht...


Michael Meier: Das habe ich ja auch schon damals gesagt, als es da diskreditierende Leserbriefe in den Dortmunder Zeitungen gab. Ich sage, das geht zu weit. Man kann doch bei den Abgesandten der Fan-Clubs, die sich da im Grunde genommen wunderbar präsentieren und ihre Verbundenheit zum Verein dokumentieren, keine Vergleiche zum nationalsozialistischen System ziehen. Da sage ich: Das lassen wir nicht zu. Derartige Verunglimpfungen unserer Fans sind absolut nicht angebracht und völlig am Ziel vorbei!

schwatzgelb.de: Von hier aus sind schon viele gute Aktionen ausgegangen. Denken wir hier nur an: "Mein Freund ist Ausländer". Das hatte Signalwirkungen für die gesamte Bundesliga. Unsere Fans waren schon immer sehr kreativ und feinfühlig, werden aber auch durch unsinnige Vorschriften ausgebremst. Was aber den BVB-Fans auf den Nägeln brennt, ist die Problematik um die sog. Doppelhalter. Als Grund des Verbotes wird oft seitens der Sicherheitskräfte angeführt, dass dahinter "gezündelt" wird. Nun kommt von diesen Fans sogar der sensationelle Vorschlag, sich von Rauch und Feuer öffentlich zu distanzieren - stattdessen lieber mit DH´s ins Stadion zu ziehen. Was müssten denn für Sie für weitere Vorraussetzungen gegeben sein, damit Sie einen beispielhaften Vorstoß bei der Ligagesellschaft zu bundesweiten Legalisierung starten?

Michael Meier: Ich habe festgestellt, dass die "Zündeleien" mit Nebel und Rauch vornehmlich auswärts stattfinden. Bei uns im Westfalenstadion hat sich das ja schon zurückentwickelt und wird heute höchstens von den Gästefans mit allerdings professioneller Vorbereitung praktiziert. Wenn wir erkennen sollten, dass diese Tendenz anhält, können wir das von hier aus gerne befürworten. Aber um das in der Liga konsensfähig zu machen, brauchen wir noch mehr Enthaltsamkeit auf den Bundesliga-Tribünen. Da müssen wir mit den Sicherheitskräften nach Lösungen suchen. Sicherlich können wir Ordner und auch die Polizei zu einer Fandelegiertentagung einladen und beide Seiten mal dazu hören. Dieses Problemfeld näher zu durchleuchten, würde uns auch sukzessive Risiken durch die Beurteilung der Sicherheitskräfte besser verdeutlichen.

schwatzgelb.de: Sie haben am Sonntag beim DSF "Doppelpass" beklagt, dass über Spieler und Personen der Bundesliga "finale" Urteile abgeben werden. Sicher trifft das auch auf Spieler von Borussia zu. Als Beispiel sei hier nur Lars Ricken erwähnt, der immer wieder vom Boulevard in die Kategorie "ewiges Talent" gerückt wird...

Michael Meier: Ja, das war eine Frechheit da. Da mußte ich mich gegen verwahren! Die Diskussion um Lars Ricken ist ja nicht neu. Das kommt im Grunde genommen immer wieder, wenn der Junge mal ein schlechtes Spiel macht. Das nimmt der Lars Ricken eigentlich als ganz natürlich auf. Und wenn man schon jemanden hat, der gebürtiger Dortmunder ist, dann sollte man dem auch immer das Gefühl geben, dass gerade er hier zu Hause ist.

Affine Marktfelder müssen erschlossen werden!

Michael Meier

schwatzgelb.de: Lassen sie uns noch über das börsennotierte Wirtschaftsunternehmen BV Borussia sprechen. Mit goool.de und Sports & Bites hat der BVB sich beispielsweise weitere "sportnahe Geschäftsfelder" als Standbeine geschaffen, die eine prosperierende Zukunft verheißen...

Michael Meier: Zunächst einmal möchte ich die Westfalenstadion GmbH & Co. KG noch erwähnen, die dazu gehört. Das Ticketing ist mit 90 Prozent ausgereizt, da sind wir in Europa auf einem Spitzenwert. Sport & Bites ist noch in der Aufbauphase, wird aber seinen Platz einnehmen. Goool.de wird im nächsten Jahr den absoluten Durchbruch schaffen, das zeichnet sich bereits ab. Wir sprechen da von sogenannten "fußballaffinen" Marktfeldern. Und aus diesen Marktfeldern wollen wir eigentlich einen gewissen Prozentsatz an Umsätzen erzielen, um das Geschäft noch stabiler zu machen als es ohnehin eigentlich schon ist. Und wenn man mal schaut, wo sind eigentlich unsere Gewinne zu erzielen? Unsere Varianten sind nicht im Ticketbereich zu erzielen. Das sind immerhin 25 Mio. Mark im Jahr, die du aus der Bundesliga erwirtschaftest. Da ist nicht viel Variation drin, selbst in dem vorletzten Jahr, als wir gegen den Abstieg gekämpft haben, da haben wir immer noch genau so viele Dauerkarten verkauft wie im Vorjahr. Im Merchandising und Marketing habe ich gerade gesagt, da haben wir sicherlich eine Steigerung zu erwarten, aber eine gesunde. Der Fernsehvertrag mit der Kirchgruppe ist ja bis 2004 abgeschlossen, da kannst Du nichts mehr dran drehen. Also haben wir da keine großartige Steigerungsmöglichkeit. Das heißt also, dieser sportaffine Markt ist für uns wichtig, um zusätzlichen Ertrag bzw. Umsatz zu erzielen. Unabhängig davon, dass auch das Internetgeschäft, was ich noch nicht erwähnt habe, dass sich das dann auch wieder aufteilt in Ticketing, Marketing und Fernsehen. Natürlich ist das für uns lebensnotwendig, das ist völlig klar...

schwatzgelb.de: Hat demnach der traditionsreiche "Volksverein" Borussia Dortmund nur sein Gewand gewechselt oder hat er gar aufgehört zu existieren?


Michael Meier: Das Unternehmen Borussia Dortmund hat als Unternehmensplan "Tradition, Leidenschaft und Erfolge". Und wenn sie fragen, hat sich da irgendwas verändert, dann ist bewusst in diesem Unternehmensplan die Tradition mit aufgenommen worden. Und das ist das, was Borussia Dortmund immer ausgemacht hat, mit Leidenschaft Erfolg zu kreieren. Und da denke ich, wenn man als Unternehmensplan nur die KgaA hat, dann ist das ein Riesen Rückenschlag zum eigentlich eingetragenen Verein, der ja nach wie vor existiert. Und Sie wissen, dass wir bewusst diese Gesellschaftsform gesucht haben, um im Grunde genommen einen sozialverträglichen Übergang der Vereinskulturen zu schaffen. Die KgaA ist eine Gesellschaftsform, die von Familienunternehmen gesucht wird und deswegen ist es die schönste Form zum Übergang. Wir haben ja weitestgehend bei der itgliederversammlung ein ziemlich klares Votum dafür bekommen, das so zu machen. Und von daher haben wir uns nicht verändert. Sicherlich müssen wir uns heute mehr Fragen und den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalmarktes stellen. Das ist völlig richtig. Da gibt es viele Diskussionen, aber auch Mehrarbeit für uns. Wir versuchen, dem gerecht zu werden. Weitestgehend tun wir das, glaube ich, auch.

schwatzgelb.de: Die Erhaltung der Tradition ist eine der wesentlichen Triebfedern auch für unser Magazin. Spieler, von denen gerade wir Jungen noch immer viel lernen können. Wenn wir uns aber heute beispielsweise die Besetzung des Wirtschaftsrates einmal näher anschauen, kann man unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass sich der BVB zwar immer seiner Tradition rühmt, sie aber andererseits kaum noch aktiv begleitet, weil in der heutigen wirtschaftswelt-orientierten Zeit dafür scheinbar kaummehr Raum bleibt. Was sagen Sie dazu?

Michael Meier: Sie müssen wissen, dass der Ältestenrat noch immer ein satzungsmäßiges Organ unseres Vereins ist. Dieser Ältestenrat ist gleichzeitig Teil des Wahlausschusses, zusammen mit dem Wirtschaftsrat. Dieser Wahlausschuss ist nicht unbedeutend. Also, es ist sicher gestellt, dass letzten Endes über den Ältestenrat und dem Wahlausschuss auch Personalentscheidungen getroffen werden, die weitestgehend mit unserer Tradition im Einklang stehen. Es gibt sicherlich momentan einen Wirtschaftsrat, der im Aufsichtrat des Vereins keine alten Spieler hat. Das ist richtig. Das hat aber damit zu tun, dass sich diese Spieler dort auch nicht unbedingt aufdrängen. Es bedarf im wesentlichen einer juristischen und wirtschaftlichen Vorbildung, um letztendlich auch dem Gremium ein dementsprechendes Kleid zu geben. Und da drängen sich die "Altinternationalen" nicht unbedingt auf. Das ist nicht die Frage, dass wir das nicht wollen, dass der Verein das nicht will, sondern ein Respekt, den die älteren Spieler den Personen entgegenbringen, die wirtschaftlich auch beraten sollen. Die sportliche Beratung, da legensie auch Wert drauf, dass sie informiert werden.

Michael Meier mit Redakteur BoKa

schwatzgelb.de: Nun soll ja rechtzeitig zur WM 2006 unser Westfalenstadion "halbfinaltauglich" beschaffen sein. Das heißt, wir brauchen noch gut 6000 Sitzplätze für dieses ehrgeizige Vorhaben. Können Sie für unsere Leser mal vorab die künftigen Ausbau-Pläne der Betreibergesellschaft etwas konkretisieren?

Michael Meier: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt leider nur schemenhaft zu erklären. Die Modelle, die wir in Auftrag gegeben haben, haben noch nicht die konkrete Form angenommen, dass man sagen könnte, das sieht so oder so aus. Eine Option ist sicherlich der Eckenausbau. Dass man dort das Stadion rund oder eckig arrangiert. Die zweite Möglichkeit wäre noch, dass wir einige Ränge oben drüberziehen, um letztendlich diese Kapazität sicher zu stellen. Diese beiden Möglichkeiten, wie gesagt abschließend noch nicht entschieden und auch noch nicht zu Ende gerechnet. Und wir werden uns dann sicherlich für diejenige entscheiden, die wirtschaftlich die sinnvollste ist. Wir haben seinerzeit eine Finanzierungsform mit unserem Stadion gefunden, das hat damals gerade mal 110 Mio. DM gekostet, so ie es jetzt da steht, die beispielhaft ist und wo die Kredite schon zu 50 % zurückgeführt sind. Von daher werden wir uns auch da wieder nach wirtschaftlichen Aussagen orientieren, wie finanziert man das jetzt. Da wird man sicherlich von großen Millionen-Beträgen ausgehen müssen, wenn man so etwas macht. Ich denke mal, so 40 Mio. sicherlich. Deswegen ist es jetzt auch noch zu früh. Wir hatten im vergangenen Jahr entsprechende Pläne vorliegen, diese aber wieder verworfen. Bis Dezember werden wir aber einen solchen Plan vorlegen müssen, da dann das Pflichtenheft des Deutschen Fußball-Bundes abgegeben sein muß. Und da werden die neusten Pläne dann schon mit drin sein, weil im Februar die Verteilung der WM-Stadien für die einzelnen Spiele stattfindet.

schwatzgelb.de: Wie lange wird das Westfalenstadion noch seinen Namen haben?

Michael Meier: Also, es ist zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand an uns herangetreten, der den Namen Westfalenstadion erwerben oder ihn umbenennen möchte. Ich denke, dass es auch eine Art der Finanzierung sein könnte, über Namensrechte nachzudenken. Es sei denn, da sind Möglichkeiten, zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Da muß man auch klar und deutlich sagen, wir haben ja gerade in dem Stammtischbereich, dem Willen und Wollen der Fans auch nachgegeben und haben gesagt: Passt mal auf, wir machen da keine VIP-Logen und haben euch die Südtribühne als Stehplatztribüne voll ausgebaut. Nehmen selbst dann, wenn das umgebaut wird in eine Sitzplätztribüne, den Stehplatzpreis, wobei wir auch bewiesen haben, dass wir jetzt hier nicht zu stark dem Kommerz anhängen! Und wenn wir diese Preise behalten wollen, dann muß man eben irgendeine andere Form finden und da denke ich, sollte man durchaus auch offen drüber reden. Aber das muß man zum Thema machen, denn in dem Moment, wo man klar und deutlich sagt, ein Ausbau ist nur durch eine zusätzliche Einnahmequelle oder über Preiserhöhungen finanzierbar, dann sollte man sich eigentlich die gegebenen Alternativen vor Augen führen und sagen, das ist dann die Beste.

Das haben wir eigentlich immer im Einklang gemacht. Ich denke, diese Diskussion, die jetzt beim HSV geführt wird, wäre nicht geführt worden, wenn man damals vor dem Ausbau des alten Volksparkstadions gesagt hätte, wir bauen das jetzt aus, sagen aber von vornherein, der Name muß abgegeben werden, weil das ein nicht unerheblicher Teil der Finanzierung ist. Dann wäre auch die Akzeptanz größer gewesen. So hat man eigentlich wie Kai aus der Kiste - und das ist dieser Murdo MacLeod-Effekt - dann plötzlich die Verteidigerrolle zugewiesen und sagt: So, jetzt heißt das von heute auf morgen AOL-Stadion! Da hat sich dann allerdings noch kein Fan mit beschäftigt. Das wurde aber da von heute auf morgen öffentlich thematisiert und insofern bin ich ganz dankbar, wenn ihr so ein Thema hier auch mal ansprecht!

schwatzgelb.de: Parallel dazu entsteht ja in Dortmund-Brackel ein neues Zuhause für den Trainingsbetrieb aller Mannschaften. Das vom DFB verlangte Jugendinternat und der sportmedizinische Bereich sollen folgen. Wird die Verwaltung der KgaA auch dort angesiedelt oder sind die Pläne dahingehend noch nicht ausgereift?

Michael Meier: Nein. Wir werden die Verwaltung da nicht hinlegen. Wir werden weitestgehend dieses Gelände dazu nutzen, um den Jugendlichen, den Amateuren und den Lizenzspielern dort eine sportliche Heimat zu geben. Da wird es ausschließlich ein Funktionsgebäude geben, sprich also Umkleidekabinen mit den dazugehörigen Funktionsräumen für den Jugendbereich und natürlich auch Büros für den sporttechnischen Bereich. Aber das wird rein zweckorientiert errichtet. Wir wollen das landschaftlich in das insgesamt 24 Hektar große Gelände einpassen und abschließend dann auch noch einen Golfplatz dazu bauen. Das Areal ist eigentlich riesig, und wir können uns vorstellen, da bis zu 11 Plätze anzulegen. Und damit hätten wir dann auch unsere sportliche Heimat. Es sollte also primär im Vordergrund stehen, dass wir viele Plätze haben, auf denen wir unseren gesamten Nachwuchs trainieren und ausbilden können.

Das neue Westfalenstadion?

schwatzgelb.de: Bleibt es dann bei den Überlegungen, die gesamte Verwaltung in einer der Ecken im Westfalenstadion unterzubringen?

Michael Meier: Das wäre die eine Option, die man hätte. Die zweite Option wäre die, dass wir an diesem Standort hier bleiben.

schwatzgelb.de: Kommen wir noch kurz zum Sportlichen. Unsere Mannschaft hat ja nun gegen Bayern den ersten Dämpfer erhalten und in Kiew auch nur in der 2. Hälfte überzeugt. Muß sich die riesengroße BVB-Familie nun eingestehen, dass ihre Euphorie zu früh erfolgt ist und der Wachstums-und Reifeprozess doch noch mehr Zeit benötigt?

Michael Meier: Ich finde, das ist eine sehr gute Frage. Wir sind ja eigentlich immer noch in der Situation, dass wir die Bescheidenheit noch als Tugend nach vorne bringen sollten, denn wir sind vor zwei Jahren da sehenden Auges knapp dem Tode entronnen! Da haben wir wirklich in den Schlund des Abstiegs geguckt und gesehen, wie hässlich der ist. Und von daher ist das noch nicht aus allen Köpfen raus. Und ich glaube auch, dass der Fan heute immer noch sagt - und deshalb kommt ja eure Frage auch - ist das jetzt noch zu früh? Ich halte da auch nicht viel von, jetzt alles wieder in Frage zu stellen, ob das nun zu früh oder zu spät ist. Es ist viel zu früh, abzurechnen. Das ist eindeutig. Man kann auch sagen, wir haben bis jetzt noch gegen keinen Knaller gespielt. Nächste Woche nach dem Spiel gegen Leverkusen wissen wir mehr. Die Mannschaft ist, das kann man sehen, in der Substanz wesentlich stärker geworden, spielt attraktiven Fußball - aber du wirst natürlich mit dieser Mannschaft auch nicht zum Selbstläufer! Das muß raus aus den Köpfen! Dass du einfach sagen musst, insofern war der Dämpfer gut, war OK, auch wenn's mich ärgert. Ich sag noch mal, wir hätten einen Doppelschlag für uns landen können und uns ist also im Grunde genommen ein anderthalbfacher Schlag zurückgegeben worden, denn immerhin hat das ja auch Wirkung gehabt, das hat man ja in Kiew gesehen. Wenn du dann in eine Folge von Misserfolgen kommst - und die ist ja möglich, wenn Du alle 3 Tage einen Knaller hast, dann ist es ja auch möglich, dass du alle Spiele verlierst. Das ist denkbar und eigentlich auch nichts Ungewöhnliches. Und wenn du da rein kommst in den Strudel, sagst du, jetzt haben wir also wieder die Situation, wo wir gerade zum Keulenschlag ausholen wollten und haben jetzt einen zurückgekriegt. Insofern finde ich eigentlich das Ergebnis in Kiew unheimlich wichtig, dass man als Mannschaft auch bewiesen hat, man war fast abgeschlachtet worden dort, ist aber dann noch mal wiedergekommen und hat gesagt: Das 2:2 machen wir mal eben! Das ist in Ordnung, finde ich, auch wenn wir vielleicht auch in der ersten Hälfte wieder Fußball gesehen haben, den wir auch beim Spiel gegen Bayern München gesehen haben. Und wir wissen ja, wie wir alle diese Niederlage verkraftet haben. Die war bitter, weil wir genau wussten, was das psychologisch bedeutet. Und wir nicht wieder in diesen Strudel kommen wollen, in dem wir schon einmal drin gesteckt haben. Zu der Zeit waren wir ja auch international vertreten und haben auch in den Gruppenspielen der Champions League dringesteckt und wenn wir nicht gegen Boavista so blöd gewesen wären, hätten wir da sicherlich eine Runde weiter kommen können! Aber ich sag noch mal: man merkt schon, dass diese Niederlage auch eine Wirkung gezeigt hat, aber dass die Mannschaft trotzdem mittlerweile in der Lage ist, noch mal aufzustehen und zu sagen: Wir kommen zurück! Diese Leidenschaft, die müssen wir jetzt am Samstag gegen Schalke bringen! Da muß die Mannschaft wieder diese Leidenschaft bringen, auch letztendlich gegen diese Blau-weißen da zu obsiegen! Wenn sie Leidenschaft bringt, werden wir gewinnen. Davon bin ich überzeugt, denn dann wird auch da was passieren. Und wenn wir mit Entschlossenheit Fußball spielen. Gegen Liverpool, davon gehe ich ohnehin aus, wird es ein interessantes Spiel, was ja auch die Leute sehen wollen. Aber es ist ein ganz schmaler Grat, auf dem du jetzt also innerhalb von einer Woche vom "Hosianna bis zur Kreuzigung" alles erleben kannst! Das ist völlig klar, das wissen wir alle!

Michael Meier mit Redakteur Wade

schwatzgelb.de: Ja, Leidenschaft ist ja auch ein Wort, das mit "Leid" beginnt. Und da haben wir gerade im Duell mit den "Blauen" einigen Nachholbedarf, was die wunde Borussen-Seele angeht... Also, können wir wenigstens am Ende unser wichtigstes Saisonziel erreichen und uns vor dem ungeliebten Erzrivalen aus dem Vorort platzieren?


Michael Meier: Ja, im letzten Jahr ist es uns ja wirklich nicht gelungen, was uns ja auch alle geärgert hat, aber ich denke, das sollte in diesem Jahr schon möglich sein.

schwatzgelb.de: Welchen Tabellenplatz belegt Borussia demnach dann am Ende der Saison?

Michael Meier: Also, ich würde mich da nur zu einer Aussage hinreißen lassen, dass wir vor dem Gelsenkirchener Vorortsverein stehen, denn das ist sicher... Da sie auch eine gute Mannschaft haben, sollte sich dieser Tabellenplatz auf einem hohen Niveau abspielen - wo auch immer! Im letzten Jahr hätte es ja dann zur Deutschen Meisterschaft gereicht.

schwatzgelb.de: Lassen wir uns überraschen. Vielen Dank für das offene Gespräch.

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