Unsa Senf

Ist die Würde des Menschen wirklich noch unantastbar?

27.10.2000, 13:00 Uhr von:  Redaktion BoKa

Die jüngsten Medien-Ereignisse um Christoph Daum zeigen es uns allen einmal wieder überdeutlich. Die Pervertierung sämtlicher Würde führt mitunter zu einer Inquisiton und Hexenjagd wie im Mittelalter. Den zumeist jungen, hungrigen Medienvertretern sind Auflage und Einschaltquote allemal wichtiger als das in Artikel 1 grundgesetzlich verbriefte Menschenrecht, das vor allem seit Immanuel Kant, geläufig auch als die „sittliche Autonomie des Menschen“ interpretiert wird.

Sherlock Holmes

Wie nicht anders zu erwarten ist es auch diesmal der Axel-Springer-Verlag (ASV), seine Spitzenposition untermauernd, wenn es darum geht, eine möglichst medienwirksame Treibjagd auf eine Person des öffentlichen Interesses zu veranstalten. Mit großen Halali wird aus allen Rohren auf den „zum Abschuss freigegebenen“ Hauptdarsteller geschossen.

In diesem Medien-Imperium werden täglich Stars geboren, aber auch genauso konsequent gesellschaftlich vernichtet. Diese Machtposition hat Kartellcharakter. Die davon ausgehende Gefahr ist es wert, mal kritisch hinterfragt zu werden.

Viele Prominente gerade im Bereich des Sports arrangieren sich mit diesem Verlagshaus, viel schlimmer noch. Getrost der Losung: „Die eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“, verpflichtet man sich zum „Stillhalteabkommen“. Entweder schreiben Sie als Kolumnisten (Beckenbauer, Merkel, Netzer, etc.) oder aber Sie fungieren, manchmal auch noch zusätzlich, weil doppelte „Moralwirkung“, als Co-Kommentatoren wie z.B. Beckenbauer, Netzer und - der allseits für seine „Verbalinjurien“ bekannte - Paul Breitner. Dieser „Closed Shop“ Personenkreis ist dann nahezu unantastbar, während die Konkurrenz schon fast automatisch auf die schwarze Liste gesetzt werden muß.

„Bild“ sprach zuerst mit dem Toten...

Bild Logo

Allen voran im Verbund der Boulevardblätter regiert das Flaggschiff des Konzerns, des Deutschen liebste Tageszeitung: Die „BILD“ Zeitung, aber natürlich auch der Neven Du Mont-Ableger, „Kölner, bzw. Düsseldorfer Express“, die nun schon im 7. aufeinanderfolgenden Tag die „Daum'sche-Auspressmaschinerie“ im Schichtbetrieb einsetzen...

Konzerne wie diese, sehen sich zudem in der glücklichen Lage, für jeden Skandal die passenden Labels, bzw. Spartenblätter zu besitzen die sich dann (un)sportlich die Bälle zuspielen um auch wirklich flächendeckend jeden Bundesbürger meinungsbildend „aufklären bzw. beeinflussen“ zu können.

Express

Der Ruf dieser Zeitung ist so ruiniert, dass jede Verleumdung unrecherchiert abgedruckt werden kann und zwar ohne das sich der Leser wundert. Und so wurde Anfang Oktober erst mal nach altbewährtem Strickmuster ein „Testballon“ losgeschickt: „Kübel voller Schmutz, Drogen- und Bordellgerüchte: Daum kämpft um seine Ehre“. Freilich nicht, ohne da die Otto Rehagel Entlassung geschickt einzubauen und mit „wilden Sex-Orgien“ zu versehen! Oder ob nun in diesen Tagen der stadtbekannte Nichtskönner und Dauer-Alkoholiker Bernd T. im besoffenen Kopf seine Haustüre eintritt und behauptet Christoph Daum hätte Ihm Schläger auf den Hals gehetzt, weil er angeblich vor vielen Jahren mit ihm gekokst hätte. Der augenscheinlich Volltrunkene berichtet weiter, dass er mit einem Baseballschläger verprügelt worden sei - Verletzungen aber hat er wie's scheint keine davon getragen. Einen Tag später tritt eine türkische Prostituierte in gebrochenem deutsch ins Rampenlicht und behauptet sie hätte ein Kind von Herrn Daum abgetrieben. Alles wird mit fetten Schlagzeilen präsentiert und nach Belieben ausgeschmückt. So hat Bayer Leverkusen auf einmal die Deutsche Meisterschaft nicht mehr wegen desolater Leistung und eines Eigentores des Spielers Ballack verloren, sondern weil die Liebesdame Christoph Daum an diesem Tag eine Nachricht im Hotel hinterlassen hat... Abenteuerliches Schundmaterial aus der Gosse!

Abends berichten dann der Alkoholiker und die Prostituierte „exklusiv“ bei SAT 1 über die Verfehlungen des Herrn Daum. Der Springer-Konzern ist natürlich auch Teilhaber dieses Senders.

Auch hier geht es ausschließlich darum – im Namen der scheinbar alle Mittel heiligenden Quote - einen Fall so schnell wie möglich auszuschlachten, um so viele Zuschauer/Kunden wie möglich zu erreichen. Das dabei die grundlegendsten Menschenrechte durch eine bestialische Verkehrung der Rechte des Betroffenen mit Füssen getreten wird, interessiert dabei scheinbar niemanden!

Die Titelseite besäuselt die Massen

Daum-Schlagzeile 1

Ob nun auf der Titelseite ein in der Badewanne liegender toter Spitzen-Politiker abgelichtet wird, oder die nur zu erahnenden Übereste einer toten angelsächsischen Prinzessin in einem zerstörten Auto, oder Hunderte russische U-Boot Soldaten in ihrem schwimmenden Eisensarg ist dabei völlig unwichtig, denn die Auflage muss stimmen.

Es geht im Prinzip gar nicht einmal so sehr um den möglicherweise drogenkranken Christoph Daum, oder den exzessiv-alkoholkranken Harald Juhnke - Hier geht es „nur“ um Macht und Geld. Mehr nicht.

Dabei bleiben dann auch zwangsläufig die Angehörigen auf der Strecke. Bei Christoph Daum sind es zwei minderjährige Kinder. Die Beiden sind der Situation hilflos ausgeliefert und natürlich auch nicht gewachsen. Ihr gesamtes Familienleben vor Millionen „lüsterner Leser“ auf dem Altar der ebenfalls grundgesetzlich garantierten „Meinungsfreiheit“ in allen Einzelheiten ausgebreitet. So wird Suizidgefahr geradezu heraufbeschworen und liefert die künftige Headline auf der Titelseite von allein...

Daum-Schlagzeile 2
Letztlich sogar mit einkalkuliert in den marktbeherrschenden Redaktionsstuben der Medien-Großstädte?
Am Montag titelte die „BILD-Zeitung“ noch abgebrüht pseudofürsorglich: Die armen Kinder !
Wie sollen jetzt Marcel (14) und Janine (11) die täglichen Hänseleien ihrer Mitschüler verkraften?

Wie wollen Sie jemals wieder zu Ihrem Vater aufschauen können ?

Welch infantile Polemik, was für eine unverschämt geheuchelte Häme. Was interessieren sie denn die Kinder? Sie wollen nur „Story“, um jeden Preis! Unmenschlich, barbarisch ausgeschlachtet und uns, den Konsumenten zum Fraß vorgeworfen. Der römische „Circus Maximus“ in seiner reinsten Urform.

Wir alle, die Leser dieser Zeitung, die wir diese 70 Pfennige täglich investieren um „unterhalten zu werden“, sollten uns alle in einer stillen Stunde mal tatsächlich fragen, ob wir uns mit dem Kauf dieser Postille nicht mitschuldig machen. Mitschuldig am latenten Verstoß gegen die elementarsten Grundrechte dieser Republik, am Verfall sämtlicher Werte in unserer Gesellschaft und mitschuldig am infizieren und verbreiten eines gigantischen Krebsgeschwürs mit Namen „Gleichschaltung“ im Kopf der gesamten Bevölkerung!

geschrieben von RWE / BoKa

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