Im Gespräch mit...

...Sven Groß: Die subjektive Objektivität einmal für die objektive Subjektivität eingetauscht...

12.10.2000, 13:00 Uhr von:  Sebi

Ein solcher ist Sven Groß (18) aus Dülmen. Schon in seinem jungen Alter stand er beispielsweise bereits in der Oberliga an der Seitenlinie. Ein Mann mit Perspektive also. Und wie es sich gehört, ist er natürlich auch ein treuer BVB-Fan. Schwatzgelb.de sprach mit ihm über Ziele, Vorbilder und objektiv Subjektivem.

schwatzgelb: Als erstes solltest Du vielleicht mal erläutern, in welcher Art und Weise Du dem Fußball überhaupt verbunden bist.

Groß: 1993 habe ich bei der TSG Dülmen aktiv mit dem Fußballspielen begonnen. Zur Zeit spiele ich bei Brukteria Rorup. 1996 habe ich dann auch meinen Schiedsrichterschein gemacht. Darüber hinaus betreue ich noch eine Behindertenmannschaft. Nicht zu vergessen ist, dass ich seit etwa 10 Jahren auch großer BVB-Fan bin. Dabei habe ich alle Höhen und Tiefen dieser Zeit mitgemacht. Gerade in den letzten Jahren waren es aber doch eindeutig mehr Tiefen als Höhen. Nichtsdestotrotz genieße ich es im Westfalenstadion zu sein und mir die Spiele des BVB anzuschauen.

schwatzgelb: Welche der genannten Leidenschaften hat denn bei Dir Priorität?

Groß: Die oberste Priorität gilt eindeutig dem Schiedsrichtersein. Das ergibt sich alleine aus der Tatsache, dass ich mir in dem Bereich eine persönliche Karriere versprechen kann. Ich war der jüngste Schiedsrichter Nordrhein-Westfalens und dürfte es noch immer sein. Außerdem wurde mir auch schon prophezeit, dass ich, vorausgesetzt ich arbeite weiter hart an mir, eines Tages auch mal in der Bundesliga pfeifen könnte.

schwatzgelb: Ist der Schiedsrichterjob denn nicht eigentlich die undankbarste Aufgabe im Fußball? Schließlich wird auf sie meistens Fällen am stärksten eingeprügelt.

Groß: Das ist schon wahr. Man muss allerdings darüberstehen können, sonst braucht man diesen Job erst gar nicht anzufangen. Es kommt eben ständig vor, dass Spieler oder Zuschauer die Entscheidungen kritisieren und an einem herumnörgeln. Ich muss aber zugeben, dass der Schiedsrichterjob mir auch finanziell etwas einbringt. Denn zur Zeit pfeife ich wöchentlich zwei bis drei Mal, und so habe ich dadurch auch entsprechende Einnahmen.

schwatzgelb: Wie erlebst Du es denn selbst, wenn beispielsweise im Westfalenstadion Schiedsrichter X nur Mist zusammenpfeift?

Groß: Ich muss zugestehen, dass mir in solchen Situationen dann ein bißchen die Objektivität fehlt. Schließlich fiebere ich selbst zu sehr mit dem BVB mit. Und natürlich rege ich mich über Fehlentscheidungen keinen Deut weniger als andere Fans auf. Wenn es aber zu den im Stadion speziellen Missfallsbekundungen kommt, halte ich mich sicherlich schon zurück. Denn ich weiß nur zu gut, wie hart das da unten sein kann!

schwatzgelb: Und wie stehst Du generell zu der harten Kritik an den Schiedsrichtern, Deine eigenen Erfahrungen im Stadion einmal außen vorgelassen?

Groß: Ich muss den Experten ganz objektiv auf jeden Fall zustimmen, dass Schiedsrichter zu oft einfach nicht regelkonform pfeifen. Ein einfaches Beispiel wäre die Regel, dass jede Schwalbe eine gelbe Karte nach sich ziehen sollte. Das ist jedoch nur in Ausnahmefällen auch wirklich so. Deshalb frage ich mich persönlich auch, ob man dort oben einen besonderen Bonus genießt, oder ob man sich ab der Bundesliga einfach sowieso nicht mehr an die Regeln halten muss?

schwatzgelb: Welche Ziele verfolgst Du denn persönlich? Hältst Du das Thema Bundesliga also wirklich für ein realistisches?

Groß: Für mich scheint es auf jeden Fall realisierbar, zumal ich jetzt schon vier Jahre Schiedsrichtererfahrung besitze. Ab dem nächsten Jahr werde ich zudem auch im Seniorenbereich pfeifen dürfen, wo ich ohnehin schon mehrmals in der Verbands-, Landes- und Oberliga als Schiedsrichterassistent fungiert habe. Etwas Glück gehört natürlich auch dazu. So zum Beispiel bei der Entscheidung in welchen Kader ich rutsche. Eine ganz andere Frage ist auch, ob ich noch genügend Zeit dafür zur Verfügung haben werde. Es ist in gewisser Weise also auch von meiner beruflichen Zukunft abhängig. Ansonsten könnte es in 10-12 Jahren ein Thema werden.

schwatzgelb: Wäre es dann, vorausgesetzt alles läuft eben glatt, ein ganz spezieller Traum, den BVB zu pfeifen? Oder ist das theoretisch gar nicht möglich?

Groß: Natürlich würde ich mich freuen den BVB zu pfeifen. Aber normalerweise darf man seinen Lieblingsverein nicht pfeifen. Obwohl, Alfons Berg hält sich ja auch nicht daran. Aber ich denke: Wenn ich gut pfeifen sollte und Borussia weiter gut spielt, wird sich vielleicht auch beides verbinden lassen können.

schwatzgelb: Gibt es ein bestimmtes Vorbild für Dich, zu dem Du mehr oder weniger aufgeschaut hast?

Groß: Mein Vorbild ist ganz klar Sandor Puhl, der über Jahre vor allem auf internationaler Ebene einfach hervorragend Spiele geleitet hat. Weges eines kleinen Skandals durfte er dann leider nicht bei der WM 1998 in Frankreich pfeifen. Aber ein Spiel, dass er geleitet hat und das den BVB-Fans immer in freudiger Erinnerung bleiben wird, ist das Champions-League-Finale von 1997. Auch dort pfiff er ohne Fehl und Tadel (Kicker-Note: 1.5, Anmerkung der Redaktion).

schwatzgelb: Gibt es denn neben einem Vorbild auch einen Schiedsrichter, den Du in besonders schlechter Erinnerung hast?

Groß: Von Alfons Berg habe ich beispielsweise einige besonders schwache Spiele gesehen. Und ganz besonders wird mir ein Heimspiel gegen Bayern München aus der Saison 1996/97 in (schlechter) Erinnerung bleiben. Dort ließ er alles mögliche durchgehen und einige Rote Karten stecken. Insbesondere eine für den Herrn Matthäus. Man muss sich aber auch in die Haut eines Schiedsrichters hineinversetzen. Und es ist nicht leicht vor so einer riesigen Kulisse zu pfeifen. Ob es nun im Westfalenstadion ist oder in München. Ok, in München ist ja nie Atmosphäre und da kann sich der Schiedsrichter auch nicht anstecken lassen. Sagen wird es so: Ob es nun das Westfalenstadion oder der Betzenberg ist. Man muss halt aufpassen, dass man sich nicht zu sehr von der Atmosphäre beeinflussen lässt.

schwatzgelb: Gibt es für Dich als aktiven Schiedsrichter irgendwelche Schwachstellen im Regelwerk, die geändert werden sollten?

Groß: Auf jeden Fall! Beispielsweise sollten die absurden gelben Karten für den "verbotenen Torjubel" sofort weggestrichen werden. Als BVB-Fan erlebte man es zum Beispiel im letzten Spiel der vergangenen Saison gegen Hertha, wo Dede wegen "verbotenen Torjubels" eine Gelb-Rote Karte sah. Das war eine absolut lächerliche Karte, denn das Spiel war mit dem 3:0 längst entschieden und es geschah auch noch in der letzten Minute. Dort sollte man dann auch etwas mehr Fingerspitzengefühl zeigen. Ich gebe zu, dass ich mir jetzt doch etwas widersprochen habe. Denn vorhin habe ich mich noch für eine striktere Regelauslegung stark gemacht. Das bezog sich jedoch auf sinnvolle Regeln und diese ist eine absolute Idiotie!

schwatzgelb: Zum Abschluß vielleicht noch die Frage, für welches System Du plädieren würdest? Einen, zwei oder gar den Profischiedsrichter?

Groß: Für mich sollte einfach alles so belassen wie es ist. Wenn auf so einem kleinen Platz noch mehr Schiedsrichter hingestellt würden, gäbe es am Ende noch nur Diskussionen um die jeweiligen Entscheidungen und eine Menge Zeit ginge verloren. Nicht nur zwischen Spieler und Schiedsrichter gäbe es Streit, sondern auch noch zwischen den Schiedsrichtern selbst. Am Ende sind sie dann vielleicht so weit, dass sie um die Wette pfeifen. Nach dem Prinzip: Wer die meisten Spieler vom Platz stellt gewinnt. Ich denke also, dass man alles bitte nicht weiter verkomplizieren sollte, sondern den Fußball so belassen sollte wie er jetzt ist und von Millionen Menschen geliebt wird.

schwatzgelb: Danke für das Interview und viel Erfolg für die weitere Schiedsrichterkarriere!

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