BVB-Präsidentschaftskandidat Hans-Joachim Watzke "Diesem Verein als Präsident vorstehen zu dürfen, das ist für mich ein Lebenstraum"
Wir haben mit Hans-Joachim Watzke ausführlich über den sportlichen Zustand des BVB, den "Machtkampf" im Sommer, seine Ziele und Aufgaben als designierter Präsident sowie die aktuellen Missbrauchsvorwürfe gesprochen.
schwatzgelb.de: Herr Watzke, wir treffen uns kurz nachdem Borussia Dortmund mit 4:1 bei Manchester City die erste Niederlage der Champions-League-Saison hinnehmen musste. Dadurch ist der BVB auf Rang 14 der Tabelle abgerutscht.
Hans-Joachim Watzke: Wenn du City in Manchester schlagen willst, dann musst du einen Sahnetag haben und die müssen einen Durchschnittstag haben. Jetzt war es aber leider umgekehrt, dass wir eher einen Durchschnittstag hatten und die hatten wirklich einen Sahnetag. Ich habe mir am Sonntag davor das Spiel gegen Bournemouth angeguckt, das war nicht halb so gut, wie das, was sie gegen uns abgeliefert haben. Gegen uns haben sie großartig gespielt, die Passschärfe, das Positionsspiel…
Das sieht jetzt in der Tabelle ein bisschen dramatischer aus, weil wir schon dreimal auswärts gespielt haben. Unsere Rechnung ist da aber relativ einfach: Wenn wir die drei restlichen Heimspiele gewinnen, landen wir unter den ersten acht. Wenn wir das nicht schaffen, dann müssen wir das, was wir zu Hause liegen lassen, in Tottenham holen.
Man muss aber auch sagen: Wir spielen alle drei Tage, und das ist schwierig, denn so ein Spiel wie in Manchester kostet richtig Kraft. Da musst du schon ein bisschen laufen. Wer selbst Fußball gespielt hat, weiß, dass es am schlimmsten ist, wenn man nur hinterher läuft. Dazu kommt: Wir mussten jetzt von sechs Spielen fünf mal auswärts spielen. Das haben wir so noch nie gehabt.
schwatzgelb.de: Wie sieht Ihr Zwischenfazit der bisherigen Saison aus?
Hans-Joachim Watzke: Ich bin mit der Bundesliga zufrieden, da haben wir einen guten Durchschnitt von mehr als 2 Punkten pro Spiel – damit wärst du in Frankreich, Italien und England sehr weit vorne dabei. Nur in Spanien, wo es schon fast traditionell ist, dass die großen Zwei immer einen Punkteschnitt von 2,5 haben, wärst du nicht vorne dabei. Das ist also ganz gut und im Pokal sind wir auch noch dabei.
Außerdem haben wir den Leuten auch emotional mit den Spielen gegen Köln und Frankfurt ein bisschen was geboten. Genau das sind doch solche Spiele, für die du zum Fußball gehst! Auch wenn du gegen Köln in den ersten 95 Minuten gefühlt ein Jahr gealtert bist, aber dann gibt’s diese Explosion beim Tor in der 96.! Und dann dieses kollektive Glücksgefühl beim Weiterkommen in Frankfurt – das war auch speziell.
schwatzgelb.de: Die Mannschaft erweckte zuletzt grundsätzlich den Eindruck, eine neue Stabilität gefunden zu haben, sowohl emotional als auch spielerisch. Ist Niko Kovač endlich der richtige Trainer?
Hans-Joachim Watzke: Was wir jetzt haben, das haben wir sehr überwiegend Niko zu verdanken. Ich hatte zum Beispiel immer das Gefühl, dass wir bei der körperlichen Fitness noch zulegen könnten. Das hat Niko angepackt, das ist auf jeden Fall viel besser geworden. Die Mannschaft wehrt sich viel mehr. So ein Spiel wie in Frankfurt, drei Tage nach Köln, da musst du erst mal durch!
Es ist gleichzeitig aber auch nicht einfach, so einen Kader zu haben, der relativ breit aufgestellt ist. Die sind alle ungeduldig, wollen alle spielen, sind natürlich alle auch ein bisschen egozentrisch – das ist aber völlig normal. Die Mannschaft hat einen guten Zusammenhalt. Wenn die Ergebnisse stimmen, ist der Zusammenhalt meistens besser. Als ich damals noch selbst gespielt habe, habe ich mich mit meinen Mitspielern auch immer am besten verstanden, wenn wir oft gewonnen hatten. Aber wenn du dreimal verlierst, dann findest du die Anderen auch mal ziemlich scheiße. (lacht)
Niko ist zudem ein großartiger Pragmatiker. Er macht das gut, total unaufgeregt. Und er hat sich auch als Person in den letzten zehn Jahren weiterentwickelt, ich erlebe ihn ja ab und zu. Er ist nicht mehr so ganz so dogmatisch, er macht auch Kompromisse, und dadurch sieht es jetzt ziemlich konstant aus. Vor allem wenn man es mit der Rückrunde der letzten Saison zusammen sieht. Wir haben in Leipzig, glaube ich, in der Halbzeit das System umgestellt und seitdem läuft es deutlich besser. Niko macht das sehr gut.
schwatzgelb.de: Wenn man im Sommer ein bisschen die Nachrichten verfolgt hat, hat man auch gelesen, dass Sie persönlich in den Jobe-Bellingham-Transfer involviert waren. Jetzt lassen Sie Ihr Amt in der Geschäftsführung hinter sich und übergeben die sportlichen Geschicke. Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit von Sebastian Kehl und Lars Ricken?
Hans-Joachim Watzke: Ich finde, dass es sich gut entwickelt. Ich will mich jetzt selbst nicht überhöhen, aber ich glaube schon, dass ich da eine recht große Aufgabe hinterlasse. Da hineinzuwachsen benötigt Zeit. Das wusste ich schon, als ich vor anderthalb Jahren meinen Rückzug angekündigt habe. So ein Amt, mit all seinen Härten und dem permanenten Druck, verändert den Menschen, das merkt Lars Ricken natürlich auch. Deshalb wollte ich ihm noch ein bisschen Zeit geben, ehe er auf sich gestellt ist. Wir haben das also ein halbes Jahr gemeinsam gemacht und jetzt ist er schon fast anderthalb Jahre allein unterwegs.
Wenn ich das mit meinen ersten anderthalb Jahren vergleiche, da musste ich mich zu 80 % ums Überleben des BVB kümmern. Da waren die Spiele zwar auch von Belang, aber es hatte jeder die Angst, dass es das letzte sein könnte! Das war eine andere Situation.
Ich wollte wieder so eine Konstellation schaffen, wie wir sie früher mit Zorc und mir hatten, dass zwei Leute sich die Verantwortung teilen. Sonst passiert es dir, dass der Eine von Bord geht – aus welchem Grund auch immer – und dann stehst du blank da. Ich glaube, dass diese Konstellation besser ist. Sebastian Kehl war als Sportdirektor schon da, Lars Ricken kannte den Klub und ist auch eine Identifikationsfigur. Aber die mussten sich natürlich auch erst zusammenraufen. Sicher hat Sebastian im Hinterkopf den Gedanken gehabt, die Rolle des Sportgeschäftsführers selbst zu übernehmen. Aber diese Entscheidung – die ich im Übrigen gar nicht getroffen habe, ich habe diese Lösung nur dem Präsidialausschuss vorgeschlagen – war gar keine Entscheidung gegen ihn. Sebastian und Lars finden sich in ihren Rollen immer besser zurecht und auch das Zusammenspiel funktioniert effektiver, dadurch haben wir schnellere und bessere Entscheidungen. Ich habe das Gefühl, dass das auf einem guten Weg ist.
In der Kombination mit Niko Kovač als Trainer beruhigt mich das. Du bist als Sportdirektor oder Geschäftsführer Sport immer dann besonders stark, wenn du einen Trainer hast, der dir auch ein paar Themen abnimmt. Sonst musst du pausenlos selbst mit dem Feuerlöscher in die Kabine. Das war natürlich mit Klopp die ganzen Jahre sehr, sehr gut, weil er selbst viel gelöst hat. Und Niko macht das jetzt wieder genauso. Deshalb können sich die beiden auch ein bisschen zurücklehnen und strategischer denken.
schwatzgelb.de: Haben Sie Ihre Aufgaben vollständig und gut übergeben?
Hans-Joachim Watzke: Im Prinzip habe ich mich in den letzten Monaten schon komplett rausgezogen. Ich gehe nicht mehr zum Training, weil ich weiß, was das auslösen würde, wenn ich da wieder auftauchen würde. Ich war seit Monaten nicht mehr in einer Mannschaftssitzung – und ich war 19 Jahre in jeder Mannschaftssitzung, vor dem Spiel, immer. Carsten Cramer macht seinen Part gut, Thomas Treß macht seine Aufgabe gut – ich glaube, die Geschäftsführung ist gut aufgestellt. Das ist für mich das Wichtigste und auch die schwierigste Aufgabe: Nach so vielen Jahren dafür zu sorgen, dass es relativ friktionsfrei weitergeht.
Ich habe Lars Ricken und Sebastian Kehl noch als Spieler erlebt. Die wissen natürlich schon, dass sie sich darauf verlassen können, dass ich auch noch da bin, wenn sie sich mal austauschen wollen. Aber mein Vater hat mir immer gesagt: Auch Ratschläge sind Schläge. Von daher bekommen die beiden von mir keine ungefragten Ratschläge. Ich sage denen also nicht “Ihr müsst jetzt den Vertrag mit dem Schlotterbeck in den nächsten acht Wochen verlängern, das erwarte ich von euch!” oder sowas. Oder beim Verkauf von Jamie Gittens: Ich hätte es aus finanziellen Stabilitätsgesichtspunkten gerne etwas früher gehabt. Aber sie haben das dann auf ihre Art gemacht und wissen auch, dass sie das selbst verantworten müssen. Das klappt gut.
Wenn sie dann aber mal um Hilfe bitten – ich habe natürlich weiterhin ein großes Netzwerk –, dann fliege ich auch mal zu den Bellinghams, weil sie den Eindruck hatten, dass das die letzten zwei Prozent ausmachen könnte. Der Junge war gedanklich schon fast in Frankfurt, aber weil wir die ganze Zeit den Kontakt zur Familie gehalten haben, habe ich das ausnahmsweise mal gemacht. Ich hätte das aber niemals gemacht, wenn Lars und Sebastian mich nicht darum gebeten hätten. So stelle ich mir das auch die nächsten Jahre vor. Ich möchte die KGaA unterstützen, wenn sie das Gefühl hat, sie könnte Unterstützung gebrauchen. Im besten Fall hilft das dann ja dem gesamten Verein.
Und glaubt mir, ich habe da kein bisschen Trennungsschmerz! Wenn du 21 Jahre lang diesen Druck aushalten musst, dass du die letzte Instanz bist und für alles verantwortlich gemacht wirst, dann bist du irgendwann müde. Ich wollte eigentlich schon drei Jahre früher aus der Geschäftsführung raus, aber das hat sich anders ergeben, weil wir diese verdammte Corona-Scheiße hatten, wo wir wirklich nochmal richtig in den Abgrund geblickt haben: 151 Millionen Euro Verluste in drei Jahren! Das war eigentlich alles schon orchestriert und dann sagte Reinhard Rauball zu mir: “Geht nicht, Aki, du musst jetzt nochmal drei Jahre weitermachen!” Da habe ich mich in die Pflicht nehmen lassen, aber ich hätte damals schon lieber aufgehört. Jetzt haben wir in den drei Jahren alles wieder ins Lot gebracht, wirtschaftlich steht der Verein blendend da.
schwatzgelb.de: Wir müssen über die Spannungen in den letzten Monaten zwischen dem Präsidium des e.V. – insbesondere Reinhold Lunow – und Ihnen sprechen. Das “Team Lunow” hat im Mai verkündet, dass es sich um den Vorstand bewirbt. Waren Sie davon überrascht, als es diese Ankündigung gab?
Hans-Joachim Watzke: Ich werde euch jetzt nicht den Gefallen tun, hier Bashing zu betreiben oder sowas. Das habe ich damals schon nicht gemacht und werde das heute auch nicht tun.
Ich war insofern irritiert, als dass Reinhold seine Kandidatur anlässlich einer Sitzung erst zehn Minuten vor einer Gremiumsitzung mitgeteilt hat. Am gleichen Abend ist das auch schon an ausgewählte Medien weitergeleitet worden. Da war ich überrascht, ja. Aber ich musste mich relativ schnell darauf einstellen.
schwatzgelb.de: Gleichzeitig wollten Sie aber auch zu diesem Zeitpunkt schon Präsident von Borussia Dortmund werden.
Hans-Joachim Watzke: Nein, das ist nicht ganz richtig. Richtig ist, dass man mir das 2022 schon angeboten und in Aussicht gestellt hat. Aber dann habe ich mich von Reinhard Rauball noch mal in die Pflicht nehmen lassen. Von daher war dieser Gedanke natürlich bei mir da.
Wer sich noch daran erinnern kann, der weiß, dass ich 2005 aus dem Vorstand des e.V. ausscheiden musste. Ich habe damals schon gesagt, dass ich irgendwann in den e.V. zurück möchte, weil der e.V. für mich die Herzkammer von Borussia Dortmund ist. Das war immer schon meine Welt. Die habe ich dann aber aus nachvollziehbaren Gründen verlassen.
Ich habe Reinhold Lunow im Übrigen als Schatzmeister vorgeschlagen, von daher habe ich da auch kein schlechtes Gewissen. Und er war ja auch Nutznießer der Sache, dass ich dann 2022 nochmal gesagt habe “Okay, ich mache noch drei Jahre” und ist dadurch Präsident geworden. Insofern habe ich mich natürlich schon früher mit dem Thema beschäftigt.
Es wusste jeder, dass ich bereit stehe. Ich wollte nicht, dass wir dann die ganze Sommerpause jeden Tag nur noch über dieses Thema reden, wenn ich gesagt hätte “Ich will aber auch!” Deshalb habe ich das erstmal ganz weit nach hinten geschoben und habe in der Zeit im Sommer versucht, da konsensuale Lösungen zu finden – was ja am Ende auch funktioniert hat.
schwatzgelb.de: Haben Sie das Vorgehen von Reinhold Lunow damals als Wortbruch empfunden?
Hans-Joachim Watzke: Wie ich das empfunden habe, da müssen wir jetzt nicht darüber reden. Ich habe in den letzten sechs Monaten einiges erlebt, was ich vorher in 20 Jahren nicht erlebt habe. Dinge, die mich schon sehr belastet haben, auch persönlich. Aber ich mache da keine Nabelschau. Das ist für mich abgehakt, fertig. Ich bin gerade dabei, die durch so etwas immer entstehenden Gräben zuzuschütten und will jetzt keine Gräben wieder aufreißen.
Reinhold und ich haben sowohl in Frankfurt als auch in Manchester friedlich nebeneinandergesessen, haben miteinander gesprochen und sind dabei, unser Verhältnis wieder zu normalisieren. Ein Verhältnis, das über viele, viele Jahre – und das ist das Entscheidende – sehr gut war. Wir haben eigentlich immer friktionsfrei zusammengearbeitet.
schwatzgelb.de: Im Interview mit uns hat Reinhold Lunow darüber gesprochen, dass diese Entscheidung nicht aus heiterem Himmel gefallen ist, sondern dass es im Rahmen der letzten Mitgliederversammlung, insbesondere in Bezug auf die Rheinmetall-Anträge, ein Umdenken gab. Er berichtet, dass Druck auf ihn und seine Familie ausgeübt wurde, bei dem die Intention war, diese Rheinmetall-Anträge nicht zur Abstimmung zu stellen. Wie haben Sie die Situation damals wahrgenommen?
Hans-Joachim Watzke: Erstmal, und da müssen wir gar nicht darüber reden: Ich habe für beide inhaltlichen Argumentationslinien großes Verständnis. Ich kann jeden verstehen, der sagt “Es geht nicht um die Firma Rheinmetall, aber müssen wir als Borussia Dortmund einem Waffenhersteller eine Werbeplattform bieten?” und das verneint. Das ist eine Meinung, die man haben kann.
Was mich gestört hat, war der Prozess. Als das Interesse von Rheinmetall aufflammte und Carsten Cramer mich damit konfrontiert hat, bin ich nicht jubelnd aufgesprungen und habe gesagt “Boah, das ist aber geil”, sondern ich wusste, dass das schwierig wird. Und ich wusste auch, dass ich am Ende des Tages dafür den Kopf hinhalten muss. Deshalb war es mir wichtig, dieses Sponsoring sauber in den Gremien zu besprechen. Ich habe als erstes mit Reinhold Lunow gesprochen. Wir haben dann eine Sitzung mit Geschäftsführung und Beirat gehabt, in der der Präsident der Vorsitzende des Beirats ist, und dann nochmal eine Sitzung mit dem Aufsichtsrat, in dem Reinhold auch drin ist. Meiner Meinung nach hätte man damals schon zeigen müssen, dass man diesen Weg nicht mitgeht. Und ich sage euch eins, ob ihr das glaubt oder nicht: Dann hätten wir den Weg auch nicht beschritten! Sobald es eine Gegenstimme in einem Gremium gegeben hätte, hätten wir es nicht gemacht. Die Einheit des Clubs wäre für mich immer entscheidend gewesen.
Ich wusste, dass es in der Öffentlichkeit Diskussionen geben würde. Das ist normal, wir müssen auch diskutieren. Aber zu dem Zeitpunkt bin ich fest davon ausgegangen, dass die Verantwortungsträger von Borussia Dortmund das gemeinsam wollen. Das Abstimmungsverhalten und die Sitzungsprotokolle zeigen das auch: Es hat niemand dagegen gestimmt, es hat sich auch niemand enthalten.
Dadurch bin ich dann in die Position gekommen, als wäre ich derjenige, der das unbedingt durchdrücken will. Ich fühlte mich da ein bisschen in den Ring geschoben. Ich habe die Verträge unterschrieben und nachdem die Tinte trocken war und sicher war, dass das Geld da ist, da gab es dann auf einmal Verantwortungsträger, die sich davon distanziert haben. Das hatte ich in den Jahren vorher noch nicht erlebt, das war für mich eine neue Situation! Und dass man in so einer Situation dann vielleicht auch mal ein bisschen verletzt ist, ist vielleicht auch menschlich.
Der Geburtsfehler dieses ganzen Theaters war, dass wir nachher keine Einheit mehr gebildet haben. Dazu und zur Diskussion auf der Mitgliederversammlung hätte es nicht kommen müssen, das hätten wir im Sommer ausräumen müssen. Ganz einfach. Aber wenn ich einen Vertrag unterschrieben habe, dann stehe ich auch dazu.
schwatzgelb.de: Unabhängig vom Umschwenken und von fehlender Einigkeit in den Gremien kamen Anträge aus der Mitgliedschaft. Die wären auch unabhängig von der Positionierung einzelner Personen gestellt worden. Sie streben jetzt das Amt des Präsidenten an. Wie hätten Sie sich damals als Präsident verhalten, als diese Anträge gestellt worden sind?
Hans-Joachim Watzke: Das ist doch eine reine Theoriediskussion, weil ich derzeit noch eine völlig andere Situation habe: Ich musste die letzten 21 Jahre einen riesigen Spagat hinlegen – zwischen dem Verein, an dem mein Herz hängt, und der KGaA, in der ich den Aktionären verpflichtet war. Und da gibt es halt große Unterschiede zwischen dem, wie ihr Fans und Mitglieder denkt, und den Bedürfnissen der Aktionäre.
Ich musste als Vorsitzender der Geschäftsführung jedes Jahr dafür sorgen, dass wir wettbewerbsfähig bleiben, was zunehmend schwieriger wird. Rein wirtschaftlich war das Angebot von Rheinmetall sehr gut, und die wussten auch, wieso das so gut war. Am Ende musste ich also immer dafür sorgen, dass das alles im wirtschaftlichen Gleichgewicht liegt – und mögliche Ausgleichs- und Haftungsverpflichtungen Berücksichtigung finden.
Aber: Wenn ich einfach nur Präsident gewesen wäre, hätte ich möglicherweise auch eine andere Position bezogen. Deshalb ist für mich ein ganz wesentlicher Punkt meiner Kandidatur: Ich gehe nicht in den Aufsichtsrat der KGaA! Es haben mich genug größere Aktionäre gefragt, ob ich nicht Aufsichtsratsvorsitzender werden will, aber ich habe klar gesagt: Nach 21 Jahren dieses Spagats mache ich das nicht, dieses Hin und Her. Ich möchte das nicht mehr. Ich möchte, wenn ich gewählt werde, nur noch für den e.V. verantwortlich sein – und dadurch wird das für mich auch viel einfacher.
Ganz konkret zum Thema Rheinmetall: Ich möchte das auf der Mitgliederversammlung im nächsten Jahr nochmal diskutieren und mir ein Meinungsbild zur weiteren Vorgehensweise einholen. Je nachdem, wie das ausfällt, werde ich dann auch meine Position gegenüber der Geschäftsführung klar machen. Als Verein müssen wir dabei auch etwaige Ausgleichsansprüche gegenüber der KGaA berücksichtigen. Aber: Die Geschäftsführung muss dann am Ende selbst entscheiden. Sollten die Mitglieder das in der Mehrheit nicht wollen, wird das Gewicht haben, das ist dann meine Aufgabe. Ich fand die Diskussion auf der Mitgliederversammlung gar nicht so schlimm. Ich fand nur schlimm, dass Leute, mit denen ich zuvor noch eine Einigung hatte, dann auf einmal nicht mehr zu ihrer Meinung gestanden haben und gekippt sind.
Und mein Problem war ja, dass ich mich am nächsten Tag vor die Aktionäre stellen musste. Ich habe immer versucht, auszugleichen und zu kaschieren oder zuzuschütten, dass es zwischen Aktionären und Mitgliedern unterschiedliche Interessenlagen gibt. Denn für die Öffentlichkeit gibt es am Ende nur ein Borussia Dortmund. Wenn wir pausenlos sagen “das ist der e.V.”, “das ist die KGaA”, dann wirkt Borussia Dortmund nicht mehr zielgerichtet und gemeinsam.
Mein Sohn rief mich kürzlich an und sagte “schwatzgelb.de hat über dich geschrieben, die wollen, dass du ein Wahlprogramm machst!” Also habe ich einen Brief mit den Punkten, die mir wichtig sind, geschrieben. Und der größte Punkt ist “gemeinsam”. Das ist für mich der entscheidende Punkt! Wir müssen auch in Zukunft versuchen, die Interessen von Mitgliedern und Aktionären auszugleichen, auch wenn ich nach meiner Wahl nur noch auf einer Seite stehe. Denn wir haben das damals mit dem Börsengang so entschieden, auch wenn ich als einfaches Mitglied noch dagegen gestimmt habe. “Pacta sunt servanda”. (Verträge sind einzuhalten)
schwatzgelb.de: Sie haben gerade angesprochen, dass Sie sich auf der nächsten Mitgliederversammlung mal ein Meinungsbild zum Rheinmetall-Deal einholen wollen. Es gibt den aktuellen Mitgliederbeschluss, dass sich der Vorstand um eine möglichst rasche Beendigung des Sponsorings bemühen soll. Wie soll eine erneute Abfrage aussehen und warum ist sie notwendig?
Hans-Joachim Watzke: Der Beschluss gilt ja auch und wir nehmen ihn entsprechend ernst. Eine vorzeitige Beendigung des Vertrags wurde durch die Geschäftsführung der KGaA im Anschluss an die Mitgliederversammlung sorgfältig geprüft. Davon abgesehen, dass der weisungsberechtigte Vorstand des e.V. die Geschäftsführung nicht zur vorzeitigen Beendigung des Vertrages angewiesen hat, wurde diese auch aufgrund konzernrechtlicher Ausgleichspflichten des Vereins als nahezu nicht darstellbar bewertet. Auch deshalb ist es wichtig, sich nächstes Jahr ein neues Stimmungsbild geben zu lassen. Dann sind zwei Jahre ins Land gezogen und wir haben mehr Erfahrungswerte. Warum sollen wir dann nicht das ganze Revue passieren lassen? Und wenn es dann so ist, dass die Mitglieder in der Mehrheit wollen, dass wir den Vertrag nicht verlängern, werde ich mich dafür verwenden. Punkt.
schwatzgelb.de: Was bedeutet “die Mitglieder in der Mehrheit”? Soll es eine Abfrage auf der Mitgliederversammlung geben oder sollen, wie Sie das auch an anderer Stelle schon mal vorgeschlagen haben, alle Vereinsmitglieder in irgendeiner Art und Weise befragt werden?
Hans-Joachim Watzke: Mir ging es damals überhaupt nicht darum, den Beschluss zu kritisieren. Aber wir reden oft über Partizipation. Wenn wir uns immer dafür loben, dass wir 235.000 Mitglieder haben, dann müssen wir den einzelnen Mitgliedern auch die Möglichkeit geben, an Entscheidungsprozessen teilzunehmen. Es ist natürlich schön, wenn wir hier in Dortmund oder Neuss oder wo auch immer wohnen, aber wir wollen auch Mitglieder aus der Schweiz, aus Österreich, aus den USA und aus Mecklenburg-Vorpommern haben. Für die ist es Ende November ein bisschen beschwerlicher, hier hinzukommen. Wenn man Ende November Glatteis hat, dann sitzen vielleicht nur 400 Leute bei der Mitgliederversammlung in der Halle, weil der Rest einfach nicht kommen kann. Und dann stellen 400 die Weichen für 235.000?
Ich finde eine breitere Basis besser und begrüße, dass die Mitgliederversammlung jetzt erstmals hybrid stattfindet. Wenn es dann gute Argumente gibt, egal von welcher Seite, dann muss auch keiner Angst vor dem Format haben. Ein Mitglied von Borussia Dortmund ist nicht deshalb ein Mitglied zweiter Klasse, weil es 1.000 Kilometer entfernt wohnt. Das dürfen wir nicht aufkommen lassen.
Aber ihr habt recht: Der aktuelle Beschluss ist bindend, ja.
schwatzgelb.de: Sie sprachen eben mehrfach von “gemeinsam” und Einigkeit bei Borussia Dortmund…
Hans-Joachim Watzke: Das ist der Wunsch. Hat auch 20 Jahre ganz gut geklappt.
schwatzgelb.de: Im Sommer leider nicht so. In Ihrem Brief an die Mitglieder schreiben Sie von Respekt und Begeisterung. Nach der Kandidatur von Dr. Lunow und seinem Team mit Jakob Scholz und Sabine Aldermann wurde in den Medien ziemlich viel Dreck über diese Personen ausgekippt. Erst dadurch entstand das Bild, dass Borussia Dortmund nicht geeint sei. Wäre es nicht einfach gewesen, sich öffentlich schützend vor diese langjährigen Verantwortlichen des BVB zu stellen?
Hans-Joachim Watzke: Soll ich mich jetzt vor Reinhold Lunow stellen? Dann heißt’s doch: “Der kann sich ja noch nicht mal selbst verteidigen.”
schwatzgelb.de: Das hätte Einigkeit demonstriert.
Hans-Joachim Watzke: Es gab in der Sache aber keine Einigkeit! Es gab ganz unterschiedliche Interessenlagen.
Die Art und Weise, wie das dann im Mai geschehen ist, das fand ich nicht glücklich. Aber ich habe mich doch die ganzen Monate bemüht, dass das nach außen hin ordentlich aussah. Ich bin immer wieder auf Reinhold zugegangen, wir haben Gespräche geführt, sind gemeinsam aufgetreten – vieles habt ihr ja gar nicht mitbekommen. Ich habe in der Öffentlichkeit nicht ein einziges schlechtes Wort über Reinhold Lunow verloren. Entscheidend ist für mich nicht, was irgendwelche Zeitungen schreiben, sondern was ich gesagt habe, wenn es von mir autorisiert ist.
schwatzgelb.de: In der Süddeutschen Zeitung war auch davon zu lesen, dass der Wirtschaftsrat dem Vorstand des e.V. das Jahresbudget nicht hat durchgehen lassen. Könnte man das nicht als Erpressung deuten?
Hans-Joachim Watzke: Ich kann jetzt nicht für den Wirtschaftsrat sprechen. Aber ihr müsst euch das von der Dramaturgie her so vorstellen: Das ist die wichtigste Sitzung des Jahres, du sollst die Budgets freigeben, also für die KGaA, für den e.V., für die Abteilungen. Du bist in der Sitzung und ohne jede Vorwarnung heißt es von Reinhold Lunow auf einmal: “Ich kandidiere für das Amt des Präsidenten.” Nachdem es noch im Januar oder Februar eine schriftliche Äußerung gegeben hatte, dass es anders ist. Das hätte man anders vorbereiten müssen! Die Leute da sahen natürlich auf einmal die Felle davonschwimmen und haben erstmal gesagt: “Stop! Wir müssen jetzt erst mal diese Situation diskutieren!” Es ist klar gesagt worden, dass dadurch kein sportlicher Vertrag flöten gehen darf oder sowas, aber die wollten erst einmal diskutieren, welche wirtschaftlichen Auswirkungen diese Entscheidung möglicherweise haben könnte. Denn einige Entscheidungen wurden auf einer anderen Grundlage getroffen.
Ich war gar nicht in der Sitzung, aber auch da wurde schon deutliche Kritik geübt. Wenn der Wirtschaftsrat immer zustimmt, heißt es “Die nicken alles ab”, aber wenn er sagt “Wir wollen das jetzt mal genauer diskutieren”, dann ist das auch nicht richtig. Nein, das ist keine Erpressung. Der Wirtschaftsrat hat sich nicht unkooperativ verhalten und danach ist alles sauber und glatt gelaufen. Aber da muss man dem Kontrollgremium auch mal das Recht zugestehen, eine andere Meinung zu haben. Vor allem, wenn man so überrascht ist. Gibst du das vier Wochen vorher bekannt, kann der Wirtschaftsrat sich damit befassen – machst du es 10 Minuten vor der Sitzung, ist das ein bisschen kritisch.
schwatzgelb.de: Vor Ihrer Kandidatur haben sie öffentlich und in den Medien gesagt, sie stünden dem Verein zur Verfügung. Bei der Verkündung teilten Sie mit, Sie wurden von den Gremien gebeten. Welche waren das konkret?
Hans-Joachim Watzke: Alle.
schwatzgelb.de: Also alle im Sinne von: Jedes Gremium, sowohl im e.V. als auch in der KGaA?
Hans-Joachim Watzke: Die Geschäftsführung der KGaA freut sich über die Konstellation, die hat aber nichts zu sagen.
“Alle” heißt für mich konkret jetzt: der Wirtschaftsrat und der Ältestenrat. Wenn beide Gremien mir das einstimmig antragen, hat das für mich auch eine Bedeutung, da bin ich ganz ehrlich. Das sind Leute, mit denen ich schon viele Jahre zusammenarbeite, die mir auch teilweise vor 20 Jahren schon geholfen haben, hier das Schlimmste zu verhindern… Und da im Ältestenrat sind auch viele dabei, denen ich als Kind noch zugejubelt habe! Theo Redder oder Wolfgang Paul, die kennt ihr nicht mehr, das waren nicht eure Spieler… Aber das sind alles Jungs von hier. Ich habe eine tiefe emotionale Beziehung zu denen und das ist schon eine emotionale Geschichte für mich.
schwatzgelb.de: Wissen Sie, warum die Gremien Sie gebeten haben? Dr. Lunow ist amtierender Präsident, leitet die Geschicke des BVB seit drei Jahren und das ohne, dass in der Zeit Negatives mit dem e.V. passiert ist. Warum haben sich die Gremien so massiv für Sie und damit zumindest indirekt gegen Dr. Lunow ausgesprochen?
Hans-Joachim Watzke: Das müsste man die Gremien selbst fragen. Ich glaube, dass sie vielleicht von diesem Zickzack-Kurs auf vielen Ebenen ein bisschen irritiert waren. Aber das ist keine Frage, die ich beantworten kann.
Es ist letztendlich erst im Wahlausschuss entschieden worden, als sowieso alles schon geklärt war. Und das war von Anfang an mein Ziel: eine konsensuale Lösung zu finden. Und wenn die anders ausgesehen hätte oder zum Beispiel die Hälfte der Gremien eine andere Lösung präferiert hätte, dann wäre ich nach Hause gegangen. Ich hätte da keine Schmerzen gehabt, es hätte keinen kalten Entzug gegeben, glaubt’s mir. Aber wenn alle der Meinung sind, ich solle das machen, Geschäftsführung, Wirtschaftsrat und Ältestenrat, dann stelle ich mich dem, das ist doch klar.
Ich habe noch genug andere Dinge zu tun. Und die mache ich alle nur für den BVB. Wenn ihr glaubt, dass das für mich Prestigegewinn oder Freude bedeutet, wenn ich da in der DFL oder beim DFB oder in der UEFA Verantwortung übernehme, dann irrt ihr euch. Ich hasse Sitzungen! Ich bin überhaupt kein Sitzungsmensch. Ich hasse die Bezeichnung “Funktionär”! Ich bin mein ganzes Leben lang Fußballer und Unternehmer gewesen und so habe ich das auch hier gemacht.
Aber dann habe ich gemerkt, dass die wirtschaftliche Musik woanders spielt. Das haben die Bayern über Jahre in Person von Kalle Rummenigge großartigst für sich gelöst! Die haben das so gemacht, wie wir es jetzt vielleicht ein bisschen machen und daraus ein paar Vorteile gezogen. Das ist für mich Lobbyismus, den ich persönlich aber nicht brauche. Mir ging es früher besser.
schwatzgelb.de: Unabhängig von der Frage, wie die Satzung zu interpretieren ist, haben Sie sich im Sinne der Einigkeit immer dafür ausgesprochen, dass nur ein Kandidat vorgeschlagen werden soll. Jetzt gibt es natürlich auch andere Wege, zum Beispiel wie in Köln: Da haben verschiedene Modelle für sich geworben und dann entscheiden sich die Mitglieder am Ende für eins. Wäre es nicht im Sinne der Mitglieder, auf der Mitgliederversammlung verschiedene Modelle vorgestellt zu bekommen und sich dann entscheiden zu können?
Hans-Joachim Watzke: Das hat alles Vor- und Nachteile. Diese Satzung hat jedenfalls dazu geführt, dass Borussia Dortmund 20 Jahre lang sehr viel Stabilität gehabt hat. Mir haben im letzten halben Jahr Viele geschrieben, ob wir jetzt Schalker Verhältnisse haben wollen. Wollen wir natürlich nicht. Deshalb glaube ich nicht, dass es unbedingt zielführend ist, wenn wir uns in Richtung anderer Clubs aus der Bundesliga entwickeln.
Aber ich finde, dass darüber diskutiert werden muss, ob es irgendwann vielleicht auch Alternativen gibt. Immer unter der Berücksichtigung des Wahlausschusses, der lizenztechnisch vorgeschrieben ist. Könnt ihr euch noch an den Drei-Tages-Präsidenten von Schalke 04 erinnern?
schwatzgelb.de: Nein.
Hans-Joachim Watzke: Dachte ich mir. Es gab bei Schalke 04 eine Mitgliederversammlung, da konnten auch Mitglieder den Präsidenten vorschlagen. Dann wurde Michael Zylka vorgeschlagen. Der hatte offenbar schon ein paar getrunken, hat eine flammende Rede gehalten und gesagt, der BVB müsse gegen Schalke gar nicht mehr auflaufen. “Die Borussen schlagen wir barfuß!” Weil es keinen Wahlausschuss gab, der den auf seine Eignung hätte prüfen können, wurde der gewählt. Drei Tage später war er nicht mehr da! Der war im sicherheitsrelevanten Bereich des militärfachlichen Dienstes und die haben den morgens um 6 abgeholt. Man lacht da jetzt drüber. Aber weil da inzwischen auch richtig große Summen bewegt werden, hat die DFL einen Wahlausschuss und Prüfung der Eignung vorgeschrieben.
Ich bin der Meinung, dass man solche Diskussionen führen muss. Und da verstehe ich euren Punkt. Aber man muss diese Diskussionen nicht populistisch führen, sondern sachlich und gezielt. Deshalb wäre es eine meiner ersten Aufgaben, wenn es denn so kommt, dass ich eine Satzungskommission einberufen möchte und wir genau solche Dinge mal besprechen. In dieser Satzungskommission sollen dann auch Leute der Fanabteilung und von ihr berufene sitzen, um das ausgewogen zu besprechen. Idealerweise ohne die Öffentlichkeit und nicht in einem Gespräch, sondern in sechs, sieben, acht. Da könnte man gute Kompromisse zwischen Offenheit und Stabilität finden. Das sind nämlich die beiden Dinge, um die es geht. Aber es ist wichtig, dass man das in der Tiefe diskutiert und nicht immer nur irgendwo an der Theke oder irgendwelchen sozialen Medien. Ich würde gerne im ersten Quartal 2026, wenn ich zum Präsidenten gewählt werden sollte, eine Satzungskommission installieren. Und dann bin ich mal gespannt, was dabei rauskommt.
Ich halte allerdings von Wahlkämpfen auf Mitgliederversammlungen relativ wenig. Am Ende gibt es immer Verlierer und die machen in den nächsten Jahren immer Theater. Das ist überall das gleiche Drama. Ich glaube auch, dass das in Köln noch viel Friktion auslösen wird. Aber das wird sich erst irgendwann mal zeigen, wenn es sportlich nicht so gut läuft.
Und ich bin auch überhaupt kein Freund von diesen Teamlösungen! Wenn ich schon immer höre “Team Lunow”, “Team Watzke”, das ist alles dummes Zeug. Das sieht die Satzung überhaupt nicht vor. Das sieht niemand vor. Jede einzelne Person ist eine eigenständige Persönlichkeit, sollte idealerweise eigenständiges Denken haben und sollte eigenständige Fähigkeiten haben.
schwatzgelb.de: Ungeachtet einer möglichen Satzungskommission gibt es auch jetzt schon Satzungsänderungsanträge diesbezüglich für die kommende Mitgliederversammlung. Einen Antrag zur Konkretisierung, dass der Wahlausschuss auch mehrere Kandidaten vorschlagen darf und ein Antrag, der ermöglicht, dass auch eine Kandidatur über Unterschriften möglich ist. Unterstützen Sie diese Anträge oder lehnen Sie die ab?
Hans-Joachim Watzke: Ich versuche, dazu eine neutrale Haltung einzunehmen, weil diese Anträge laut Tagesordnung dann besprochen werden, wenn ich, sollte ich gewählt sein, der Veranstaltungsleiter bin. Meine Idealvorstellung wäre, dass wir genau diese Themen in der Satzungskommission diskutieren, ohne dass wir jetzt schon Festlegungen treffen. Aber ich weiß nicht, wie die Antragsteller das sehen.
Grundsätzlich sind das Punkte, über die man diskutieren kann. Bei ein paar Details weiß ich nicht, ob das sinnvoll ist. Das Problem, das wir bei den Anträgen jetzt haben, ist aber vor allem, dass die sich teilweise widersprechen. Und wenn dann beide angenommen werden, hast du immer noch keine Klarheit, weil die sich gegenseitig ausschließen. Deshalb bin ich gerade bemüht, obwohl ich noch gar kein Amt habe, die Antragsteller noch mal zusammenzubringen, damit die sich vielleicht auf einen gemeinsamen Antrag einigen.
Der Idealzustand für meine Begriffe wäre, dass wir diese Diskussion wirklich ausführlich und mit Offenheit von allen Seiten in dieser Satzungskommission führen, ohne dass wir uns jetzt schon festlegen. Denn eine Satzung ist letztendlich auch ein Stabilitätsanker, die darfst du auch nicht zu oft verändern. Wenn man bei jeder Mitgliederversammlung die Situation hat, dass zehn Satzungsänderungsanträge gestellt werden, dann gibt dir das keinen Halt und es gibt dir auch keine Richtschnur mehr. Ich möchte auf der nächsten Mitgliederversammlung eine neue Satzung verabschiedet haben.
Das hat doch mit dem Grundwertekodex gut geklappt. Und in meinem Brief steht auch ganz klar drin, dass der Grundwertekodex mein Handeln als Präsident wesentlich prägen wird. Der ist auch gemeinsam entstanden. Deshalb habe ich die Hoffnung, dass wir auch gemeinsam eine modernere, zukunftsgerichtete Satzung hinkriegen, bei der dann natürlich auch Kompromissfähigkeit von allen Seiten vorausgesetzt wird.
schwatzgelb.de: Sie haben eben gesagt, dass Sie kein Freund von Teamlösungen sind. Gleichzeitig hörte man, dass auch Sie zum Beispiel Jakob Scholz gebeten haben sollen, mit Ihnen zusammen für das Präsidium zu kandidieren. Sie hatten darüber hinaus aber noch keine Mitstreiter für den Vorstand formuliert. Gibt es Vorstellungen Ihrerseits, mit wem Sie den Vorstand bilden möchten?
Hans-Joachim Watzke: Ich halte immer sehr viel davon, dass man diese Dinge erst in den Gremien diskutiert und anschließend in der Öffentlichkeit. Das ist meiner Meinung nach die richtige Herangehensweise, weil die Mitglieder anschließend noch um ihr Votum gebeten werden.
Ich bin nicht davon abhängig, dass der Wahlausschuss Person X oder Y vorschlägt. Ich bin meine eigene Person, ich bin der Kandidat für ein Amt, so wie es die Satzung aktuell auch vorsieht. Ich sage nicht dem Wahlausschuss: “Wenn ihr den nicht vorschlagt, dann könnt ihr mich am Arsch lecken!” Dafür habe ich zu viel Respekt vor dem Gremium, der Wahlausschuss wird vom gesamten Verein repräsentiert.
Silke Seidel, zum Beispiel, da muss man nicht drüber reden, ist für mich gesetzt. Sie hat das Amt bis jetzt gut ausgefüllt, sie hat Erfahrung und ich will mich ganz ehrlich auch darum bemühen, dass zunehmend Frauen beim BVB in verantwortliche Positionen kommen. In allen Bereichen. Wenn ich Präsident werden sollte, möchte ich auch, dass es nicht mehr lange dauert, bis wir eine Frau in der Geschäftsführung haben. Dem werde ich mich verschreiben und daher würde ich sehr gerne mit Silke Seidel weiterarbeiten.
Zum Thema Jakob Scholz: Ich habe mich nicht auf Jakob Scholz festgelegt. Es war die ausdrückliche Bitte von Reinhold Lunow, dass er Jakob Scholz im Vorstand haben möchte. Daraufhin habe ich gesagt, dass es wahrscheinlich am besten wäre, wenn wir einen Vierer-Vorstand machen würden. Reinhold Lunow solle das vorschlagen und das hat der Vorstand des e.V. dann auch so beantragt. Ich schließe mich dem an, weil das ein Punkt ist, der für mich unter dem Thema “konsensual” läuft. Ich schätze Jakob Scholz. Wir haben oft unterschiedliche Meinungen gehabt, aber mit ihm kann man immer diskutieren. Sollte die Satzungsänderung eine Mehrheit finden, was gar nicht so einfach wird, und Jakob Scholz nominiert werden, dann werde ich gut mit ihm zusammenarbeiten.
Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview wurde vor der zweiten Sitzung des Wahlausschusses geführt. Darin hat der Wahlausschuss am 10. November 2025 Sabine Aldermann statt Jakob Scholz für einen potenziellen vierten Vorstandsposten vorgeschlagen.
schwatzgelb.de: Kritikern des vierten Vorstandspostens fehlt bisher die inhaltliche Notwendigkeit. Und es bleibt die Frage offen, was passiert, wenn jemand anderes als Jakob Scholz für diesen möglichen vierten Posten vorgeschlagen wird.
Hans-Joachim Watzke: Erstens: Es war keine Lösung gegen Jakob Scholz, sondern eine Lösung mit Jakob Scholz.
Zweitens ist es so, dass die Arbeit im e.V. grundsätzlich auch nicht weniger wird. Als ich damals die ersten Jahre im Vorstand war, haben wir auch mit vier Leuten gearbeitet. Jetzt sind es dann irgendwann drei geworden. Ich glaube, dass auch für vier genug Arbeit da ist und insofern ist das aus meiner Sicht jetzt keine Glaubensfrage.
schwatzgelb.de: Wir sprechen einerseits darüber, dass wir eine beständige Satzung haben wollen und sagen andererseits: Wir haben jetzt hier einen Fall, der schwer aufzulösen ist, also ändern wir die Satzung, um alle zu befrieden?
Hans-Joachim Watzke: Es war die klare Maßgabe von Reinhold Lunow, der mich gebeten hat, das so zu machen. Es war sein expliziter Wunsch. Da habe ich gesagt: Ich kann auch mit drei Leuten leben. Aber es war sein Wunsch und für mich ein entscheidender Punkt, um Konsens herzustellen. Ich unterstütze ihn und kann da gut mit leben, aber das war nicht meine Idee, um das auch mal auf den Punkt zu bringen.
schwatzgelb.de: Ein Dreier-Vorstand ist nicht ohne Grund ein Dreier-Vorstand: Das führt dazu, dass man in einer Abstimmung aller Präsidiumsmitglieder immer eine 2:1- oder 3:0-Entscheidung hat. Diese Konstellation würde natürlich wegfallen, wenn man einen Vierer-Vorstand hat. Da läuft man Gefahr, deutlich öfter Patt-Situationen zu erhalten.
Hans-Joachim Watzke: Die Patt-Situationen löst sich dadurch auf, dass der Präsident ein doppeltes Stimmrecht hat.
schwatzgelb.de: Sehen Sie es nicht als problematisch, dass möglicherweise die Hälfte der Vorstandsmitglieder gegen ein Vorhaben ist und es dann trotzdem beschlossen endet?
Hans-Joachim Watzke: Ich würde mich schon fast als gescheitert betrachten, wenn ich öfter Situationen hätte im Vorstand, bei denen es 2:2 ausgeht. Dann hast du ehrlicherweise als Präsident etwas falsch gemacht. Du musst vorher eine Lösung finden, bei der du einen Konsens hast. Das haben wir auch eigentlich noch nie gehabt, außer im letzten halben Jahr gab’s höchstens ein paar Mal so eine 2:1-Situation. Das darf in so einem kleinen Gremium eigentlich nicht sein. Und wir haben auch nicht jeden Tag ein Konflikt-Thema.
schwatzgelb.de: Wenn Sie am 23.11. gewählt werden, welche Aufgaben sehen Sie auf Sie zukommen?
Hans-Joachim Watzke: Im Vergleich zu bisher ganz andere, das ist klar. Für mich ist das auch ein bisschen Neuland. Dadurch, dass ich die DFL führe, habe ich zwar viel mitbekommen, wie das woanders läuft, aber ich habe trotzdem viel Demut vor dem Amt. Und es hat natürlich auch eine Persönlichkeitsentwicklung bei mir selbst gebraucht. Vor 20 Jahren wäre das Amt schwieriger für mich gewesen, da war meine Mentalität eher mit dem Kopf durch die Wand, das habt ihr auch erlebt. Aber im Laufe der Jahre bin ich ein bisschen ruhiger geworden. Speziell öffentlich Kollegen aus anderen Ligen oder Clubs aufs Korn zu nehmen, das würde ich heute nicht mehr so machen.
Meine erste Aufgabe ist es, wieder diese Gemeinsamkeit hinzubekommen. Das ist aber möglich, zumindest werde ich mich mit allen Beteiligten sehr darum bemühen.
Dann gibt es von mir ein klares Bekenntnis zu den anderen Sportarten im e.V., das ist mir ganz wichtig. Sowohl im Spitzenbereich, beim Handball und beim Tischtennis, als auch im Breitenbereich. In diesem Kontext hat mich unheimlich gefreut, dass wir beim Blindenfußball Deutscher Meister geworden sind! Ich glaube ich war einer der ersten, der das mitbekommen hat, weil Andreas Rettig mich sofort angerufen hat. Wir waren beim Handballspiel, da bekam ich den Anruf und er sagte: “Herzlichen Glückwunsch zur Meisterschaft, Borussia Dortmund!” Da habe ich mich sehr darüber gefreut und genau die Aktivitäten in diesen Abteilungen sind wichtig.
Aber wir müssen uns in diesen Bereichen professionalisieren, da Hauptamtlichkeit reinbringen. Du kannst nicht in der Handball-Bundesliga um die Deutsche Meisterschaft spielen und das alles nur ehrenamtlich machen, dann bringst du die handelnden Personen in einen Überforderungsmechanismus. Es ist also meine Aufgabe, im e.V. dafür zu sorgen, dass ein bisschen Geld reinkommt. Das habe ich jahrelang schon gemacht, indem viele Dividenden und Gewinnausschüttungen der KGaA an den e.V. gewandert sind, aber nun muss der e.V. auch seine eigene Einnahmenposition verbessern. Damit wir das machen können, brauchen wir eine gemeinsame Sporthalle. Idealerweise in Zusammenarbeit mit der Stadt, aber am liebsten so, dass sie irgendwann dem BVB gehört.
Das Fanhaus ist für mich ein großes Thema. Da sind wir jetzt Gott sei Dank endlich an einem Punkt, an dem es konkret wird und unsere Experten sagen, dass es hoffentlich 2027 fertig ist. Das hat ehrlich gesagt viel zu lange gedauert, aber es ist in Deutschland nicht so einfach, Bauprojekte zu verwirklichen.
Und für mich ist wesentlich, dass der BVB in der Stadt besser vernetzt sein wird. Das ist mir die letzten Jahre ein bisschen zu kurz gekommen. Ich will da durch persönliches Erscheinen möglichst viele Akzente setzen und da ist es natürlich auch ein Vorteil, wenn du hier lebst und die Leute dich in allen Lebenslagen erleben. Der BVB muss in alle Gesellschaftsschichten rein. Dafür werde ich mir demnächst mal die Nordstadt-Liga angucken, weil ich das für ein tolles Projekt halte. Da werde ich hin marschieren und mit denen sprechen. Und natürlich werde ich zu den kulturellen Institutionen der Stadt gehen, damit das noch weiter miteinander verschmilzt.
Dann möchte ich, dass wir unsere westfälische Herkunft deutlicher herausstellen. Es ist für uns in Dortmund ein riesiger Nachteil, dass die Alliierten dieses Bundesland zusammengelegt haben, damit wir Westfalen das einlösen, was die Rheinländer versprechen. Wenn wir Westfalen alleine gewesen wären – und wir hätten mit Hessen oder Niedersachsen durchaus mithalten können – dann wäre Dortmund die Hauptstadt. Dann hätten wir viel mehr Möglichkeiten, als es jetzt der Fall ist. Wir müssen uns nicht nur über das Ruhrgebiet, sondern auch unsere westfälische Identität definieren.
schwatzgelb.de: Man könnte das Stadion nach der Region benennen.
Hans-Joachim Watzke: Das Stadion ist auch ein großes Thema, aber natürlich ein KGaA-Thema. Wenn ihr, so wie ich, ab und zu im Maschinenraum des Stadions rumkriecht, dann sieht es nicht mehr ganz so strahlend aus wie von außen, da müssen wir uns mit Modernisierungsmaßnahmen auseinandersetzen.
Zudem ist es in den nächsten Jahren ein ganz großes Thema, dass wir gesellschaftspolitisch weiterhin für Themen werben. Wir haben einen politischen Auftrag, auch wenn wir immer aufpassen müssen, nicht parteipolitisch zu werden. Wir werben gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, für Vielfalt und vor allem Demokratie – und da sind wir schon ganz gut unterwegs. Aber da müssen wir weitermachen!
Das sind die wesentlichen Themen. Und ich weiß, dass das ganz andere Themen sind als ich bisher hatte, das ist mir klar.
schwatzgelb.de: In Ihrem Wahlprogramm schreiben Sie auch davon, die Sportstadt Dortmund stärken zu wollen – durch Kooperationen oder vielleicht sogar neue Sportarten im Ballspielverein. Welche Sportarten könnten das sein? Tennis? Basketball?
Hans-Joachim Watzke: Da denke ich auch die ganze Zeit drüber nach. Aber das ist nicht so einfach. Mit dem Namen Borussia Dortmund geht natürlich auch immer eine gewisse Erwartungshaltung einher. Wir haben uns, wahrscheinlich zu spät, für den Frauenfußball entschieden. Da gehen wir den organischen Weg und das finden auch alle super, aber du merkst, dass der Druck immer weiter steigt, denn wir wollen in die Bundesliga. Wenn wir da mal Zweite sind, sind schon alle am Meckern. Wenn wir dann in der Bundesliga sind, sollen wir wieder Bayern München angreifen – die hauen da aber seit Jahren richtig Kohle rein!
Ich würde es lieben, wenn wir in Dortmund Basketball hätten. Aber das ist nicht einfach. Es fängt schon damit an, dass wir keine Halle haben. Dann sind wir hier in Dortmund… Das hören die Dortmunder zwar nicht gern, aber das hier ist eben nicht Hamburg, Berlin oder München. Im Süden gibt es viel mehr Möglichkeiten. Und wenn wir jetzt Basketball machen und dann in der dritten Liga spielen, dann ist doch auch keiner glücklich.
Für all das werden wir irgendwann mal einen Arbeitskreis einberufen müssen, der sich fundiert Gedanken macht, damit wir nichts übersehen. Und vielleicht können wir auch im Breitensport noch irgendwas machen.
Wobei du da das nächste Problem hast. Wir haben hier um die Ecke Eintracht Dortmund, die machen das großartig. Aber wir als BVB absorbieren natürlich alles, wir töten dann andere Vereine. Das darfst du nicht unterschätzen und das möchte ich am allerwenigsten. Ich jogge immer im Schwerter Wald und da habe ich letztens mal Krach von einem Sportplatz gehört. Also bin ich da hingelaufen und da spielte dann der SV Berghofen in der 2. Frauen-Bundesliga gegen Leipzig. Ich bin dann da geblieben, habe mir das ein bisschen angeguckt und fand irre, dass die da gerade zweite Liga spielen. Wenn wir mit den Frauen bald in der zweiten Liga spielen, hoffentlich dann auch erste Liga, dann sind die in Berghofen unter Druck. Das müssen wir bei allem, was wir machen, auch immer berücksichtigen.
schwatzgelb.de: Sie haben selbst schon angesprochen, dass Sie nun jahrelang in einem Spagat leben mussten, zwischen den Interessen der KGaA und den Interessen des e.V.. Wie wird das in Zukunft sein, sollten Sie gewählt werden? Sind Sie dann wirklich 100 % e.V., auch wenn es im Zweifel gegen die Interessen der KGaA geht?
Hans-Joachim Watzke: Nein, nicht gegen die KGaA, das ist dummes Zeug. Aber ich werde die Interessen der Mitglieder vertreten.
Es wird möglicherweise Punkte geben, wo ich dann eine andere Meinung habe, aber es hilft mir natürlich, dass ich die Geschäftsführer alle gut und lange kenne, sodass ich da auf ein gewisses Verständnis setze. So oft haben wir solche Situationen nicht, das muss man auch fairerweise sagen.
Wenn es dann am 23.11. so kommen sollte, dann bin ich nur noch für den e.V. da. Da habe ich jetzt auch fast ein Jahrzehnt von geträumt, weil ich im e.V. angefangen habe und da auch wieder hin zurück wollte. Und deshalb gehe ich auch nicht in den Aufsichtsrat der KGaA, weil ich dann wieder den Aktionären verpflichtet wäre. Diese 21 Jahre haben mich echt manchmal gestresst und das fällt dann weg, dann bin ich zu 100 % im e.V..
Eine Aufgabe, über die wir noch gar nicht gesprochen, ist natürlich auch, dass ich die KGaA kontrollieren muss. Und ich glaube, dass ich das kann. Wenn du das 21 Jahre selbst verantwortet hast, dann macht dir im Innenleben der KGaA keiner was vor. Aber ich will, dass die Geschäftsführung ihr eigenes Ding macht.
schwatzgelb.de: In vielen Bereichen der freien Wirtschaft gibt es bei so einem Ämterwechsel eine "Cooldown-Phase", also dass man zwischen den Positionen ein paar Jahre Pause machen muss. Sehen Sie keine Probleme, wenn das bei Ihnen jetzt direkt von “ich entscheide” zu “ich überwache” geht?
Hans-Joachim Watzke: Erstens muss das jede Organisation für sich selbst abwägen. Ich kenne jede Menge Firmen, wo das wunderbar funktioniert, zum Beispiel Evonik: Werner Müller war viele Jahre Vorstandsvorsitzender und ist dann direkt in den Aufsichtsrat gewechselt.
Weil der Fußball so schnelllebig ist, wäre das wahrscheinlich sogar eher ein Problem, wenn du zwei bis drei Jahre raus bist. Dann verpasst du den Anschluss. Ich finde diese Konstellation ideal. Und wir haben auch, im Unterschied zu Wirtschaftsunternehmen, 50+1 und den Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat kontrolliert die Geschäftsführung noch viel direkter, wir im Präsidialausschuss setzen sie eigentlich nur ein. Die Kontrolle über die ordnungsgemäßen Geschäfte, über die Bilanzierung und solche Themen, die liegt beim Aufsichtsrat und genau deshalb gehe ich da nicht rein.
Es wäre auch völlig falsch, den e.V. nur darauf zu reduzieren, ein Kontrollorgan der KGaA zu sein, und sich deshalb zu beschränken. Der e.V. hat ein eigenes Leben. Wir haben eben über so viele Dinge gesprochen, die mit der KGaA nichts zu tun haben.
schwatzgelb.de: Dr. Lunow hatte Ihnen im Rahmen des Rückzugs seiner Kandidatur ein paar Versprechen abgenommen. Zumindest wurde das öffentlich so kommuniziert. Es geht dabei um Mitgliederbeteiligung, Berücksichtigung von Faninteressen, Einhaltung des Grundwertkodex…
Hans-Joachim Watzke: Versprechen ist ein großes Wort. Als wir uns getroffen haben, um die konsensuale Lösung zu besprechen, hatte er ein paar Zettel dabei. Da standen aber nur Dinge drauf, die ich genauso sehe! Da brauchte ich gar nichts versprechen. Ich habe ihm gesagt, dass ich das alles unterschreibe, weil das mein Leben ist. Da brauchen wir nicht drüber reden. Grundwertekodex, 50+1, die Werte von Borussia Dortmund – das muss mir keiner erzählen. Das lebe ich schon so.
Mit Ausnahme dieser Rheinmetall-Nummer hatte ich das Gefühl, dass wir sachlich gar keinen Konflikt hatten. Zumindest wüsste ich nicht, wo es jemals einen gegeben hätte. Das habe ich 19 Jahre lang nie gemerkt.
schwatzgelb.de: Ein abschließender Vergleich zu Dr. Lunow: Welche Aspekte seiner Arbeit wollen Sie fortführen, wenn Sie zum Präsidenten gewählt werden, und was werden Sie anders machen?
Hans-Joachim Watzke: Auf diesen Pfad führt ihr mich jetzt nicht! (lacht) Der Mensch hat zwei natürliche Feinde im Leben: den Vorgänger und den Nachfolger. Insofern lassen wir das.
schwatzgelb.de: Na gut. Dann geben Sie uns doch bitte ein kurzes, knappes Plädoyer: Warum sollten die Mitglieder des BVB Hans-Joachim Watzke zum Präsidenten wählen?
Hans-Joachim Watzke: Ich glaube, dass jedes Mitglied mit meiner Person etwas verbindet und dass die fast 21 Jahre an der Spitze der KGaA nicht komplett gegen mich sprechen. Es ist ein völlig neues Amt und ich habe viel Demut, weil es andere Dinge erfordert. Insofern bitte ich einfach nur darum, dass man mir die Chance gibt. Und wenn man in drei Jahren der Meinung ist, dass ich es beschissen gemacht habe, soll man mir das rechtzeitig sagen, dann trete ich nicht mehr an. Aber bitte nicht nur fünf Leute! (lacht)
Ich bitte einfach um diese Chance, denn der BVB ist mein Verein. Ich liebe diesen Verein. Ich hätte in den letzten 20 Jahren viele andere Möglichkeiten gehabt, etwas im Fußball zu machen, aber ich habe nicht eine einzige Nacht darüber nachgedacht. Denn das ist einfach mein Verein, vom ersten Tag an. Und diesem Verein als Präsident vorstehen zu dürfen, das ist für mich ein Lebenstraum, da bin ich ganz ehrlich.
schwatzgelb.de: Wir müssen an dieser Stelle noch über die aktuellen Missbrauchsvorwürfe sprechen. Wann haben Sie zum ersten Mal von diesen Vorwürfen Kenntnis erhalten? Können Sie sich daran erinnern?
Hans-Joachim Watzke: Ich habe mich gerade wieder in die Sachen eingearbeitet, daher kann ich mich gut erinnern. Mein Problem war, dass ich diese Zwitter-Position inne hatte. Ich bin damit 2010 erstmals konfrontiert worden, weil der Anwalt eines Betroffenen gedacht hat, Borussia Dortmund wäre ich und das dann an mich geschickt hat.
Reinhard Rauball und ich haben 17 Jahre hervorragend zusammengearbeitet und es gab immer dann mal Disput, wenn ich meine Meinung zum e.V. kundgetan habe. Es war immer klar besprochen, dass ich mich um die KGaA kümmere und Reinhard Rauball mit seinem Vorstand bei e.V.-Themen der Adressat ist.
In Anbetracht dieser Tatsache habe ich das dann, nachdem ich das 2010 zugestellt bekommen habe, unmittelbar an Reinhard Rauball weitergeleitet und ihm das übergeben, weil das ein e.V.-Thema war. Der Beschuldigte war Ehrenmitglied und gewähltes Mitglied im Ältestenrat. Rauball bat mich, im Zuge seiner Untersuchung dem Beschuldigten ein Liegenschaftsverbot für alle KGaA-Bereiche auszusprechen. Dem bin ich unmittelbar nachgekommen.
Vier oder sechs Wochen später habe ich Rauball dann gefragt, was aus der Sache geworden sei und er sagte, das habe sich alles geklärt. Mehr gab’s dazu aber auch nicht. Der Beschuldigte wurde danach wieder und in der Folgezeit mehrfach in den Ältestenrat gewählt und ist ab 2012 Angestellter des e.V. geworden, auf 520-Euro-Basis. Das Thema war für mich danach erledigt, weil ich davon ausgegangen bin, dass die Vorwürfe ausgeräumt wurden.
Beim Vorwurf 2023 war Reinhold Lunow schon Präsident. Das Problem war aber von juristischer Seite: Es hat nie jemand mal Strafanzeige gestellt, was ich überhaupt nicht verstehe. Trotzdem hat Lunow gesagt: “Es reicht jetzt, ich will das beenden!” Und obwohl mich das von meiner Position her nichts anging, fand ich das gut. Dann hat er mich gebeten, das Gespräch mit dem Beschuldigten zu führen, was ich auch getan habe, und daraufhin hat dieser auch alle Ämter niedergelegt und der Auflösung seines Arbeitsvertrags zugestimmt. Anschließend wurde er dann auch aus dem Verein ausgeschlossen.
Wenn man das jetzt von 2023 aus betrachtet, hat Reinhold das ganz ehrlich gesagt goldrichtig gemacht, dass wir das beendet haben. Das ist jedenfalls ein sehr, sehr belastendes Thema und ich habe zuletzt viel über die Betroffenen nachgedacht. Als Verein werden wir nun versuchen, sie bestmöglich zu unterstützen.
schwatzgelb.de: Der BVB hat nun angekündigt, die Vorwürfe und den Umgang damit durch externe Stellen überprüfen zu lassen. Können Sie dazu etwas sagen? Wie läuft das gerade ab?
Hans-Joachim Watzke: Die KGaA hätte es sich da einfach machen können, weil das ein reines e.V.-Thema war, aber wir wollten das ganz bewusst gemeinsam aufarbeiten. Das ist auch richtig so.
Wir haben damit jetzt die unabhängige forensische Abteilung der BDO beauftragt. Die BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AG ist zwar mehrfach und aktuell Abschlussprüfer für den BVB gewesen. Die Abschlussprüfer haben aber mit der forensischen Abteilung nichts zu tun. Letztere haben da echt Expertise. Die Forensiker sitzen nicht nur in Hamburg und die Abschlussprüfer in Düsseldorf, es gibt auch inhaltlich keine Verquickung zwischen den Abteilungen.
Gleichzeitig haben wir sie gebeten, die Deutsche Sporthochschule Köln dazu zu nehmen, weil die ebenfalls eine sehr hohe Expertise in diesem Bereich haben. Ich habe vor ein paar Wochen selbst noch ein Seminar gegen interpersonelle Gewalt absolviert, das war so ein Führungskräfteseminar. Dabei hat die Sporthochschule auf mich einen sehr, sehr guten Eindruck gemacht.
Außerdem ist eine Strafrechtskanzlei dabei, die das Ganze inhaltlich und unter strafrechtlichen Gesichtspunkten prüft und – wenn nötig – auch mit der Staatsanwaltschaft kooperiert. Wir lassen die da jetzt arbeiten. Die kriegen jeglichen Zugang zu allem, Briefe, Mails, – und sprechen natürlich mit den Betroffenen. Dann werden wir sehen, was am Ende dabei herauskommt. Bis dahin werden wir uns nicht mehr dazu äußern, denn die müssen das in Ruhe machen dürfen und auch mit der nötigen Sensibilität gegenüber den Betroffenen.
Aber ich habe jetzt auch mal wieder festgestellt, wie schwer es ist, das nach so einem langen Zeitraum selbst noch nachzuvollziehen. Ich habe versucht, mich an die erste Geschichte von 2010 zu erinnern, und wenn ich keine Protokollnotizen in den Akten gehabt hätte, hätte ich nicht mehr sagen können, ob das 2008, 2010 oder 2012 gewesen ist. Wenn man sich jetzt mal vorstellt, dass diese Taten 30, 40 Jahre zurückliegen sollen, dann ist das eine absolute Herkulesaufgabe.
schwatzgelb.de: Arbeiten die KGaA und der e.V. da getrennt oder ist das eine gesammelte Prüfung?
Hans-Joachim Watzke: Die Federführung liegt bei da beim e.V., aber in komplettem Austausch mit der KGaA. Das ist wichtig, weil Stand jetzt kein einziger Fall die KGaA betrifft, sondern alles zu der Zeit passiert ist, als der Beschuldigte im e.V. tätig war. Nichtsdestotrotz sitzen wir in einem Boot. Lieschen Müller unterscheidet nicht “Das ist die KGaA und das ist der e.V.”, da haben wir eine gemeinsame Verantwortung.
schwatzgelb.de: Wie wollen Sie sicherstellen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt?
Hans-Joachim Watzke: Wir haben unsere Präventionsarbeit schon seit Jahren immer weiter verstärkt. Sowas kann man zwar nie mit hundertprozentiger Sicherheit vermeiden, aber ich glaube nicht, dass das heute noch einmal in dem Maße vorkäme oder nicht zügig bearbeitet werden würde. Da sind wir schon ganz gut aufgestellt und werden uns auch weiter verbessern. Und vielleicht gehen wir aus dieser Untersuchung jetzt noch einmal geschärft hervor und entwickeln ein Gefühl dafür, ob es irgendwo noch Stellen gibt, die kritisch sind. Wenn ich sehe, wie wir seit 2019 in Brackel das Personal regelmäßig schulen, sind wir da mittlerweile ganz gut aufgestellt, glaube ich.
schwatzgelb.de: Herr Watzke, vielen Dank für das ausführliche Gespräch!
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