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Ein Frauenfußball-Team im Iran

19.10.2022, 09:49 Uhr von:  DocKay
Hinter dem Titel des Filmes ist der ehemalige Freiheitsturm in Teheran abgebildet
Der Freiheitsturm in Teheran, der nach der iranischen Revolution im Jahr 1979 in Azadi-Turm umbenannt wurde.

Der Film „Zeit zum Atemholen“ beschäftigt sich in Zeiten der Revolution mit iranischen Fußballerinnen des FC Ardalan in Teheran. Die Premiere des Filmes von Farschid Ali Zahedi in NRW fand am 07.10.2022 im Fanprojekt des BVB auf Einladung von ballspiel.vereint! in Anwesenheit des Filmemachers statt.

Es war ein beeindruckender Abend, der einem die Unterdrückung der Frauen durch die Gesellschaft und die Familie im Iran noch bewusster machte. Auch wenn der Film schon vor 18 Monaten gedreht wurde, verdeutlicht er gerade jetzt, dass die Keimzelle dieser Revolution die Frauen sind, die unter dem Einsatz ihres Lebens kämpfen, Widerstand zeigen und von Veränderungen träumen. Fußball ist für die Frauen des FC Ardalan eine Zeit zum Atemholen. Der Fußballplatz ist für sie ein Ort des Abstandes und alle mussten sich gegen ihre Familie durchsetzen. So konnte dieser Film auch nur unter strengsten Vorsichtsmaßnahmen gedreht werden und musste auf geheimen Wegen aus dem Iran ausgeschleust werden.

Das Bild zeigt die Verantwortliche Niloufar Ardalani. Hinter freuen sich ihre Spielerinnen im Trikot des FC Ardalan
Niloufar Ardalani im Kreis ihrer Spielerinnen

Für die Fußballerinnen war und bleibt es ein gefährliches Unterfangen. Sie haben diese Gefahren auf sich genommen, selbstbewusst und zielstrebig, mit dem festen Willen, ihre Situation in der Gesellschaft demokratischer zu gestalten. Der Filmemacher Farschid Ali Zahedi und sein Team stehen in ständigem Kontakt mit ihren Protagonisten. Auch dies ist für alle Beteiligten nicht ungefährlich, insbesondere jetzt, wo der Film veröffentlicht wurde.

Elf Spielerinnen des FC Ardalan sind bereit zum Mannschaftsfoto. Sie tragen ein Kopftuch
Mannschaftsfoto mit Kopftuch

Niloufar Ardalani ist Gründerin und gleichzeitig Namensgeberin des FC Ardalan. Die Ex-Kapitänin und Trainerin der iranischen Frauen-Nationalmannschaft hat diese Frauen zusammengesucht. Sie ist für viele Frauen ein Symbol für den Kampf und das Bestreben nach einer besseren Zukunft. Sie finanziert die Ausrüstung und die notwendigen Utensilien, auch die Stadionmiete wird von ihr beglichen. Sie beschreibt mit ihren Spielerinnen den gemeinsamen Kampf, die Erfolge, aber auch die Niederlagen. Alle berichten von Kopftuchzwang, von Ausreiseverbot und daraus resultierenden Scheidungen. Auch Niloufar Ardalani war davon betroffen, nachdem ihr Ehemann ihr verbot, an der ersten Meisterschaft für Frauen der Asian Football Confederation in Malaysia teilzunehmen. Der Verband hatte sie für das iranische Futsal-Team nominiert.

Der Film von Farschid Ali Zahedi hat bei den aktuellen Konflikten in der islamischen Republik am Persischen Golf natürlich an Bedeutung gewonnen. In Zusammenarbeit des FC Ardalan in Teheran und dem Gegengerade-Festival in Oldenburg ist eine Produktion entstanden, die ein großer Erfolg beim weltweiten Wettbewerb der Filmmaker Life Group war und den Filmmakerlife Award 2022 erhielt.

Man sieht die beiden Verantwortlichen von Film und Gegengerade Festaival. Sie halten einen Schal hoch mit dem Motto: Kick racism out.
Farschid Ali Zahedi mit Jan Krieger vom Vereinsfußball für alle e.V. aus Oldenburg

Inzwischen ist die Lage in der islamischen Republik eskaliert. Die 22-jährige Mahsa Amini ist zur Leitfigur der jüngsten Proteste im Iran geworden. Kurz nach ihrer Festnahme durch die iranische Sittenpolizei am 13. September fiel sie ins Koma und verstarb drei Tage später. Grund ihrer Festnahme war der Verstoß gegen die islamische Kleiderverordnung. Die staatliche Gerichtsmedizin sprach von Organversagen bei bestehenden Vorerkrankungen. Ihre Eltern teilten mit, dass ihre Tochter kerngesund gewesen sei. In den Medien kursieren Darstellungen von Misshandlungen und einem tragischen Mord.

Näher gebracht wurde uns die sich wiederholende Verletzung der Menschenrechte im Iran beim Spiel des BVB gegen den FC Bayern am 08.10. im Westfalenstadion. Vor der Fanwelt, und später im Tempel, kam es zu einem stillen Protest des iranischen Fanclubs vom BVB. Die 16-Jährige Sarina Esmailzadeh, ein Fan der Schwarzgelben, starb am 23. September während eines Protestes in der Provinz Alborz, als Sicherheitskräfte mehrfach auf sie einschlugen und es zu tödlichen Kopfverletzungen kam.

Der Abend im Fanprojekt Dortmund e.V. in der Dudenstraße 4 lieferte viele neue interessante Kontakte und war ein voller Erfolg. Im Anschluss an den Film erfolgte eine längere Diskussion, an der sich auch viele iranische Mitbürger beteiligten. Es kam zu einem Schulterschluss aller Anwesenden. Einig war man sich in der Tatsache, dass es mehr Reaktionen von Seiten der Politik geben müsse. Zu lange hatte man sich auf den Iran und sein Kernwaffenprogramm konzentriert. Auch war man sich im Klaren, dass gerade von Seiten der Bundesrepublik wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen würden. Die Anwesenden des Fanclubs Iran zeigten eine große Dankbarkeit gegenüber der schwarzgelben Anhängerschar. Ich persönlich würde mir wünschen, dass es irgendwann zu einem Freundschaftsspiel unserer Frauenmannschaft im Westfalenstadion gegen den FC Ardalan kommt und die Einnahmen dieser Begegnung den Opfern der Revolutionsbewegung im Iran zugutekommen. Es wäre eine sportliche Veranstaltung, die richtungsweisend wäre und fern von jeglichen Worthülsen ihren Zweck erfüllen würde, der auch dem BVB gut zu Gesicht stände. Ein Dankeschön an ballspiel.vereint! für die Organisation der Veranstaltung!

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