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Wer sind hier die Hornochsen?

13.03.2020, 11:36 Uhr von:  Sascha
Wer sind hier die Hornochsen?

Rückblende: Vor zwei Wochen gifteten Vereinsvertreter und Medien noch gegen die „hasserfüllten Fratzen“ auf den Tribünen, die man am besten für immer aus dem Sport verbannen sollte. Die Titulierung „Hornochsen“, die Gladbach-Manager Max Eberl wählte, war da noch eine der gnädigsten Beschreibungen. Die Vertreter der Vereine und auch große Teile der Spieler präsentierten sich als Apostel der Vernunft und Streiter für die gesamtgesellschaftliche Verantwortung des Fußballsports.

Und heute?

Heute stemmen sich die Vertreter wie bockige Kinder gegen eine Entwicklung, die längst nicht mehr aufzuhalten ist. Die wirtschaftlichen Notwendigkeiten und vertraglichen Verpflichtungen der Vereine lassen zwar leichtes Verständnis dafür aufkommen, dass so viele Spiele wie nur irgend möglich stattfinden werden, aber sie entziehen sich auch komplett der viel beschworenen Verantwortung und Vorbildfunktion. Welche dramatischen Auswirkungen das Corona-Virus für das Gesundheitssystem haben kann, sieht man aktuell in Italien. Dort werden alte Menschen, das muss man so sagen, zum Sterben nach Hause geschickt, weil die Kapazitäten nicht mehr ausreichen, um alle Kranken zu versorgen.

Und was macht die DFL? Während die Bundeskanzlerin Angela Merkel dringend dazu rät, soziale Kontakte auf ein Minimum zu beschränken, setzt sie weiter Anreize dafür, sich am Wochenende in den Kneipen, vor den Stadien oder im Freundeskreis zu versammeln, um den zweifelhaften Reiz eines Geisterspieltags zu verfolgen. Nun kann man natürlich einwerfen, dass jeder selber seines Glückes Schmied ist und für sich entscheiden kann, ob er größeren Menschengruppen fernbleibt oder nicht – aber es gibt immer einen Prozentsatz Merkbefreiter, mit denen man rechnen muss und die sich durch die Simulation von Normalität durch Verbände und Vereine noch bestätigt fühlen.

Erst recht, wenn sich Spieler in verantwortungsloser Art und Weise äußern wie der Gladbacher Christoph Kramer, oder Frankfurts Sebastian Rode. Ersterer konterkarierte alle vorherigen Aufrufe des Vereins, nicht zum Stadion zu kommen mit einem überschwänglichen:

Das haben wir noch nie gehabt. Ich finde es beachtenswert, dass so viele Menschen sich im Regen hinter die Nordkurve stellen und uns feiern. Das ist dann schon ein Gefühl, bei dem man wirklich Gänsehaut bekommt. Dann weiß man, wofür man auf dem tiefen Rasen ein Spiel gespielt hat, das ohne Zuschauer nicht so viel Spaß gemacht hat.

Rode dagegen bewies seine Expertise als Virologe und erklärte nach dem EL-Spiel gegen Basel:

So kann man auch weiterspielen. Klar ist es nicht schön ohne Fans. Ich weiß aber nicht, was man sonst machen kann. Das Leben sollte man nicht komplett tot legen. Es geht weiter. So ein Virus ist nicht das Ende. Es braucht auch positive Signale. Für mich gibt es keinen Grund, alles lahmzulegen.

Kein Grund, den Fußballbetrieb einzustellen, um die Ausbreitung eines Virus zu verlangsamen, das die Gesundheitssysteme zum Kollabieren und in der Folge vor allem alten Menschen den Tod bringen wird? Sagen Sie mal, Herr Rode, gibt es auf Ihrem Planeten Profifußball auch Zeitungen, oder wird das Smartphone in Profikreisen wirklich nur zum Fornite daddeln genutzt?

Deutlich mehr Weitsicht und gesellschaftliche Verantwortung bewiesen da ausgerechnet die vorher so harsch angegriffenen Szenen in Dortmund und München, die eben nicht zum Auflauf vor die Stadiontore animierten, sondern in eigenen Stellungnahmen die Vereine zur einzig richtigen Reaktion aufriefen: zum sofortigen Abbruch des Spielbetriebs.

Im Kosmos Profifußball scheint gesellschaftliche Verantwortung auf jeden Fall eng an die Finanzen gekoppelt zu sein. Geht es darum, einen Milliardär vor Beschimpfungen zu schützen, übernimmt man sie plakativ äußerst gerne. Geht es aber ums eigene Geld, weist man sie so weit wie möglich von sich.

Also: Wer sind hier die wahren Hornochsen?

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