Unsa Senf

Guter Spieler - Böser Berater

16.06.2016, 12:10 Uhr von:  Sascha
Guter Spieler - Böser Berater
Auch Mkhitaryan ist kein Unschuldslamm.

In den letzten Jahren hat unsere Borussia regelmäßig die Spitzenspieler an andere Vereine verloren. Selten ging es dabei so geräuschlos zu wie beim Gündogan-Transfer. Mit Henrikh Mkhitaryan steht der nächste Ärger ins Haus. Nicht unschuldig daran häufig: die Spielerberater.

Henrikh Mkhitaryan wird seinen Vertrag in Dortmund nicht verlängern. Um das als ziemlich gesichert anzusehen, braucht es keine angeblichen oder tatsächlichen Interviews mit Hans-Joachim Watzke. Es reicht, wenn man die Abläufe der letzten Wochen Revue passieren lässt. Zu lange schon ziehen sich die Vertragsverlängerungen hin und statt sich Schritt für Schritt einander zu nähern, scheinen der Spieler und sein Berater Mino Raiola mit für den BVB nahezu unerfüllbaren Forderungen die Gegenrichtung eingeschlagen zu haben. Borussia Dortmund wird nicht viel anderes übrig bleiben, als zähneknirschend dem Wechselwillen nachzugeben oder wie im Falle Lewandowski erneut auf eine millionenschwere Ablösesumme zu verzichten. In beiden Fällen spielten die Berater der Kicker eine gewichtige Rolle. Der BVB allerdings, das muss man ebenfalls freimütig eingestehen, hat sich auch freiwillig zu diesen Leuten ins Bett gelegt.

Betrachtet man die Umstände von Mkhitaryans Wechsel von Donezk nach Dortmund, dann lässt das für die nächsten Wochen nichts Gutes erahnen, sollte es den offensiven Mittelfeldspieler wirklich nach einem Vereinswechsel gelüsten. Wie beim BVB hätte man auch im Donbass den kleinen Armenier liebend gerne behalten. Wie gerne, das wird an den Worten seines damaligen Trainers Lucescu deutlich: „Wir haben ihm alle geholfen, vielleicht mehr als dem Rest. Ich habe ihn selten ausgewechselt, damit er Top-Scorer werden kann.“ Schon damals scheint eine Trainer-Spieler-Beziehung der etwas besonderen Art vorgelegen zu haben – was Mkhitaryan allerdings nicht davon abhielt, dem Training einfach fern zu bleiben, um einen Wechsel zu forcieren.

Wechselte 2010 von Posen nach Dortmund.

Als BVB-Fan war man zum damaligen Zeitpunkt in diesem Fall aber genau so bereit, gnädig darüber hinwegzusehen, wie beim Transfer von Robert Lewandowski von Lech Posen zu unserem Verein. Mit einem ähnlichen, nennen wir es mal so, nachdrücklichen Engagement wie später beim Wechsel nach München versuchten seine beiden Berater Kucharski und Barthel Druck auf seinen polnischen Heimatverein auszuüben, um den Transfer zu dem für den Spieler genehmen Konditionen zum BVB zu beschleunigen. Die öffentliche, hauptsächlich via social media ausgetragene Schlammschlacht am Ende seiner Zeit bei uns, während der seine Berater die Vertreter des BVB sogar der Lüge bezichtigten, lässt für die nächsten Wochen eher Ungutes befürchten. Dass der „gewiefte“ Raiola den Wechselgedanken weniger vehement als die Berater Lewandowskis durchdrücken will, ist nicht zu vermuten.

Beide Fälle eint auch das Verhalten der Spieler Mkhitaryan und Lewandowski. Zwei Spieler, die in der Öffentlichkeit ruhig und bescheiden, fast schüchtern auftreten und im Zweifelsfall lieber auf die Berater verweisen als selbst die eigenen Positionen zu vertreten. Das bewahrt zwar einerseits das Saubermannimage des Spielers, ist aber andererseits viel zu kurz gegriffen, wenn man sie damit einfach so aus der Verantwortung entlässt. Die Spieler sind erwachsene Menschen, die für ihr Leben selbst verantwortlich sind. Und sie sind die Auftraggeber ihrer Berater, so dass es ihnen obliegt, zu bestimmen, wie weit ihre Vertreter gehen dürfen und wo eine Grenze zu ziehen ist. Da beide Spieler nicht den Eindruck erwecken, Dummköpfe zu sein, die ihr Leben willenlos von Dritten lenken lassen, liegt die Vermutung nahe, dass es sich jeweils um abgesprochene Verhandlungsstrategien handelt.

Im Fall Mkhitaryan wenig Grund zur Freude.

Letztendlich kann man auch Borussia Dortmund nicht ganz aus der Verantwortung entlassen. In beiden Fällen hat man das Verhalten der Spielervertreter nämlich zuvor kritiklos akzeptiert, im Falle Lewandowskis vermutlich sogar davon profitiert, da durch die frühe Festlegung auf Borussia Dortmund als einziges Reiseziel die Verhandlungsposition von Lech Posen erheblich geschwächt war. So sollte es an der Strobelallee niemanden wirklich überraschen, dass der Wind jetzt aus der anderen Richtung bläst und man selber mit den Problemen zu kämpfen hat, deren Nutznießer man vorher war. Auch uns Fans würde es, bei allem positiven Enthusiasmus, den eine Neuverpflichtung auslöst, gut zu Gesicht stehen, wenn wir die moralischen Maßstäbe nicht gänzlich über Bord werfen und auch kritisch hinterfragen würden, ob ein Wechsel unter ehrlichen und fairen Bedingungen abläuft. Zumindest könnte es den ein oder anderen vor einer späteren Enttäuschung bewahren.

Für die Zukunft ausschließen könnte man das wohl nur, wenn man ausschließlich mit den als „seriös“ geltenden und bekannten Beratern und Beraterfirmen zusammenarbeitet. Damit würde man sich selbst aber um ein sehr interessantes Terrain auf dem Transfermarkt beschneiden. Die diesjährige Transferperiode zeichnet ein sehr deutliches Bild der zukünftigen Transferstrategie. Sehr junge Spieler mit sehr hohem Potential aus unterklassigen Vereinen zu verpflichten, so lange sie noch erschwinglich sind.

Noch eine Saison in Schwarzgelb?
Und man muss kein Prophet sein, wenn man gedanklich hinzufügt, dass zur Perspektive auch ein deutlich gewinnbringender Weiterverkauf in der Zukunft gehört. Aber gerade in diesem Bereich wird man immer wieder auf Berater treffen, die bestenfalls halbseriös arbeiten. Goldsucher und Glücksritter, die darauf hoffen, dass einer der jungen Kicker sich als der nächste Messi entpuppt, mit dem man das große Geld verdienen kann. Das ist eine der Schattenseiten des Hochglanzproduktes Profifußball. Die Geschäftemacherei mit maximal halberwachsenen Spielern ist teilweise widerlich und alles andere als würdig.


Will man sich vor Hasardeuren und fragwürdigen Methoden schützen, bleibt nichts weiter übrig als eine freiwillige Selbstverpflichtung, sie nicht mehr zu unterstützen und keine Geschäfte mehr mit ihnen zu machen. Lässt man sich auf sie ein, werden wir in Zukunft wohl häufiger Transfers erleben, die uns die Zornesröte ins Gesicht treiben. Und unsere Borussia wird zwangsläufig auch nach- und sich den Beratern geschlagen geben müssen. Wie der Fall Lewandowski gezeigt hat, kann es eine kostspielige Sache sein, Haltung zu bewahren.

Ob man sich im Fall Mkhitaryans noch einmal viele Millionen Euro Ablösesumme entgehen lässt, wird die spannende Frage der nächsten Wochen sein.

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