Spieler im Fokus

„Südtribüne Dortmund“: Nach Anlaufproblemen zum Erfolgsmodell

19.01.2016, 09:09 Uhr von:  Redaktion

Gemeinsame Banneraktion am 1. SpieltagSüdtribüne Dortmund - darunter dürften sich die meisten Leser 25.000 enthusiastische Fans vorstellen, die dicht an dicht gedrängt mit ihrer Borussia auf dem Rasen fiebern. Doch seit etwas über einem Jahr verbirgt sich hinter dem Begriff noch etwas anderes: „The Unity“ stieß unter diesem Label eine Vernetzung insbesondere der aktiven Fans und Fanclubs von Borussia Dortmund an. Und was mit einer verpatzten Präsentation begann und vermutlich schon von vielen zum Scheitern verurteilt wurde, das entpuppt sich mittlerweile nach einer Umstrukturierung als Erfolgsmodell: Sonderzüge, gemeinsame Plakataktionen im Stadion und eigene schwarzgelbe Fanartikel als Erkennungsmerkmal und Gemeinsamkeit stiftendes Element - die Taten sprechen für sich. Dabei hätte noch vor einem Jahr wohl keiner der Beteiligten damit gerechnet, dass sich das Modell „Südtribüne Dortmund“ so prächtig entwickeln würde.

Rückblende: Am 19. August 2014 fand im Presseraum des Westfalenstadions ein „Borussentreff“ statt. Dieser thematisch zweigeteilte Abend widmete sich zunächst einer Präsentation der KoFaS (Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit) der Uni Hannover über Diskriminierung im Umfeld von Borussia Dortmund. Im zweiten Teil stellten schließlich Vertreter „The Unitys“ (TU) das Projekt „Südtribüne Dortmund“ (SD) vor. Allerdings missglückte die Präsentation völlig. Zwar vermittelte TU das Grundziel, eine Vernetzung der Südtribüne oder zumindest der interessierten und aktiven Fanszene, auch mittels eines einheitlichem Auftreten bei Auswärtsspielen, doch der Weg dorthin blieb den zahlreichen Zuhörern unklar. Entsprechend groß war die Skepsis im Saal. Das ausgeartete Derby 2013 war allen noch gut vor Augen, sodass sich am angedachten Plan des einheitlichen Auftretens die Geister deutlich schieden. Noch kontroverser wurde jedoch der finanzielle Aspekt diskutiert und letztlich überwiegend abgelehnt: Die Mitgliedschaft bei SD sollte 10 Euro im Jahr kosten.

Der Wandel, den das Netzwerk im Laufe des Jahres 2015 nehmen sollte, wird insbesondere an der Person Andreas Assmanns von den Away Sups Werdohl deutlich. Assmann trat der Netzwerkidee an jenem Augustabend 2014 nicht nur kritisch gegenüber, sondern offen ablehnend, da er mit Blick auf vergangene Vernetzungsbemühungen ein weiteres zum Scheitern verurteiltes Projekt befürchtete. Rund anderthalb Jahre und eine Neuausrichtung später hat sich „Assi“ mittlerweile zu einer der SD-Protagonisten gewandelt. Zusammen mit Jan-Henrik „Janni“ Gruszecki von TU ist er einer der zentralen Köpfe innerhalb des Netzwerkes, ohne dass sie ein offizielles Amt inne hätten. „Wir haben keinen Vorstand“, betonen beiden im Gespräch mit schwatzgelb.de, „es führt jeweils immer der, der sich gerade am aktivsten in das Netzwerk einbringt.“

Neumitgliedschaften sind unter der Süd zwischen 12 und 13 möglichWie aber kam Assis Wandel zustande? Nach der Präsentation lud TU im Herbst 2014 zu einigen Vernetzungstreffen ins Stadion ein, bei denen schließlich auch ein Gremium gewählt werden sollte. Doch einerseits war nicht klar, wer dem Gremium angehören und wie groß dieses überhaupt sein sollte, und andererseits schwand auch die Resonanz immer weiter, bis irgendwann ein weiteres geplantes Treffen sogar abgesagt wurde. Eine gute Idee schien sich erledigt zu haben.

Doch TU gab nicht auf, beriet sich intern und wählte ein anderes, zielorientierteres Vorgehen. Anstatt sich wahllos an jedermann zu richten, ging TU auf die aktiven Fanclubs zu, die insbesondere über zahlreiche Auswärtstouren miteinander bereits in losem Kontakt standen. Die Stimmen dieser einzelnen Fanclubs sollten gebündelt werden, um dadurch ein umso kräftigeres Auftreten auch und insbesondere dem Verein Borussia Dortmund gegenüber zu ermöglichen. Einzelpersonen sind im Netzwerk natürlich weiterhin willkommen, doch der Schwerpunkt lag und liegt gegenwärtig auf der Vernetzung insbesondere in der Stammfahrer-Szene. Auf der Homepage des Bündnisses liest sich die Beschreibung folgendermaßen:

„Das Bündnis SÜDTRIBÜNE DORTMUND ist ein Querschnitt der aktiven Dortmunder Fanszene, aus Fanclubs, Ultrágruppen und Einzelpersonen, welche Borussia regelmäßig begleiten und unterstützen – mit dem Ziel die Kräfte unserer Tribüne zu bündeln, um diese zu stärken und weiterzuentwickeln.“

Im Bündnis vertreten sind bislang neben den drei Ultra-Gruppierungen TU, Jubos und Desperados auch die Fanclubs BVB Supporters Lennetal, Away Sups Werdohl, Blackstars Werl (BSW), Schwarzgelbe Revier-Borussen (SGRB), Britannia Dortmund, Kultclub Dortmund (KCD), Legio Tremonia, BVB Supporters Münster, BVB Supporters Mömlingen, Dortmund Eagles und Rising Sunz. Weiter heißt es auf der Homepage:

„Wir wollen die kritische Masse sein, welche Entwicklungen im Verein und im Fußball hinterfragt und Missstände zur Sprache bringt. Eine Gemeinschaft, um die Fankultur in Dortmund zu wahren und weiterzuentwickeln.“

Erfolgreicher Protest des Spiels in SinsheimDer größte Erfolg war sicherlich der Boykott des Hoffenheim-Spiels Ende September 2015. Dem Aufruf des Bündnisses „Kein Zwanni“ schlossen sich die bei „Südtribüne Dortmund“ organisierten Gruppen an - sodass der Kern des Auswärtsfahrer-Stamms im Sinsheimer Gästeblock fehlte und stattdessen in der Roten Erde die Amateure im Regionalliga-Heimspiel gegen die Pony-Reserve vom Niederrhein unterstützte. Untermalt wurde der Protest dort mit einem breiten SD-Banner in der Nordkurve: „Hier und nicht in Hoffenheim, denn Fußball muss bezahlbar sein“. Der Protest trug Früchte: Hoffenheim sagte zu, die Mehreinnahmen aus den Topspielzuschlägen gegen die Borussia dem BVB-Lernzentrum zu spenden. Zudem suggerierten die Kraichgauer, in Zukunft auf Topzuschläge verzichten zu wollen.

Zuvor hatte man sich bereits am ersten Bundesliga-Spieltag gegen die „echten“ Ponys zu Wort gemeldet und gegen die drohenden neuen Anstoßzeiten am Montagabend ausgesprochen. Vor der Süd prangte ein zentrales Banner mit der Forderung: „Für fangerechte Anstoßzeiten - Nein zu Montagsspielen!“ Ergänzend wurden auf der ganzen Tribüne zahlreiche kleinere Transparente mit ähnlichen Forderungen hochgehalten.

„Wir wollen als SÜDTRIBÜNE DORTMUND auswärts wie im WESTFALENSTADION unseren Verein als eine Einheit nach vorne treiben und ihm der Rückhalt sein, den er verdient. Dazu gehören gemeinsame Anreisen zu Auswärtsspielen, genauso wie farbenfrohe und lautstarke Auftritte auf den Rängen in Deutschland und Europa.“

Schals, Mützen und Aufkleber gibt es vom Bündnis zu kaufenDas wohl interessanteste Gemeinschaftserlebnis stellte die gemeinsame Anreise zum DFB-Pokalfinale 2015 dar. Im Sonderzug rollten Ultras und Fanclubs gemeinsam als „Südtribüne Dortmund“ zum Endspiel. Nicht zuletzt im Sambawagen konnten die Kontakte weiter ausgebaut werden. Die Nagelprobe hierfür gab es bereits eine Runde zuvor: Zum Halbfinale rollte der erste SD-Sonderzug nach München. Im Herbst des vergangenen Jahres ging das Netzwerk sogar einen Schritt weiter: Zum Euro-League-Spiel in Saloniki gab es einen eigenen Charter-Flieger. Vor dem Rückspiel Anfang Dezember rief SD seine Mitglieder zu einem Fan-Marsch vom Fanprojekt zum Stadion auf. Gemeinsame Anreisen im Buskonvoi nach Dresden, Chemnitz und Frankfurt runden die Aktivitäten des Netzwerkes ab.

„Innerhalb der Fanszene wollen wir mit dem Bündnis SÜDTRIBÜNE DORTMUND den Zusammenhalt fördern und ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln. Dazu gehört ein respektvoller Umgang zwischen den verschiedenen Teilen der Fanszene sowie ein regelmäßiger Austausch.“

Bisher brachte „Südtribüne“ einen Schal und jüngst auch Mützen heraus, um die Einheit auch optisch zu untermalen. Ferner werden am „Büdchen“ von TU bei Heimspielen auch Aufkleber mit SD-Motiven verkauft. Wichtiger als das sind jedoch die turnusmäßigen Treffen in Dortmund. „Und der regelmäßige Austausch untereinander passiert per WhatsApp-Gruppe“, erläutert Gruszecki. So sind auch spontane Absprachen möglich.

Dies alles sollte ein schneller Überblick sein, wer weitergehendes Interesse an einer Mitgliedschaft hat, der kann sich bei Heimspielen am SD-Infotisch unter der Südtribüne zwischen den Blöcken 12 und 13 informieren - und dort auch einen Mitgliedsantrag ausfüllen (der Jahresbeitrag beträgt 10 Euro). Denn selbstverständlich richtet sich das Netzwerk nicht nur an die aktiven Fanclubs, sondern grundsätzlich an jeden interessierten BVB-Fan. Das Netzwerk steht und fällt mit seinen Mitgliedern, je mehr mitmachen, desto wuchtiger ist auch die Stimme, mit der die „Südtribüne Dortmund“ sich zu Wort melden kann. Stand man bislang oftmals in seiner eigenen Gruppe mehr nebeneinander statt miteinander im Block, so haben sich in den letzten zwölf Monaten zahlreiche gruppenübergreifende Bekanntschaften entwickelt. Und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht...

Daniel Mertens, 19.01.2016

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