Unsa Senf

Das war die Saison 2012/2013

04.06.2013, 16:00 Uhr von:  Redaktion

Irgendwie hatte man sich ja schon dran gewöhnt, sich nach dem letzten Saisonspiel über den rappelvollen Wall zu schieben und einer Mannschaft zuzujubeln, die eine oder zwei Trophäen als Beute einer erfolgreichen Saison präsentiert. So kommt das Ende der Saison irgendwie abrupt. Von heute auf morgen ist alles vorbei, ohne rauschende Party zum Kehraus. Aber auch so war die Spielzeit 2012/2013 für den BVB eine sportlich erfolgreiche, und in vielen Aspekten auch durchaus bemerkenswerte Spielzeit. Werfen wir doch nochmal einen Blick zurück:

Sportlich:
Das Imperium hat also zurück geschlagen. Der dunkle Steuerlord Hoeneß hat alles an imperialen Truppen zusammengekratzt und die schwatzgelbe Allianz erst einmal wieder ein Stück weit zurück gedrängt. Ist zwar für uns nicht gerade angenehm, aber die sportliche Berechtigung zum Triple wird den Bayern niemand absprechen. 91 Punkte und nur eine Saisonniederlage. Eine Tordifferenz von +80. Das Halbfinale im DFB-Pokal mit 6:1 gewonnen, die Halbfinals in der Champions-League gegen den FC Barcelona mit 3: und 4:0 für sich entschieden. Normalerweise liest man so etwas nur in bemüht lustigen Saisonvorschauen. Für uns eine Nummer zu groß, auch wenn wir uns mit zwei Unentschieden und zwei knappen Niederlagen gegen die Macht aus dem Süden achtbarer als viele andere Vereine geschlagen haben.

Die letzte Niederlage wird dabei vielen Borussen als unvergessliches Erlebnis in Erinnerung bleiben. Wembley. Champions-League-Finale. Und wir waren dabei. Die Mannschaft hat eine Vorrunde mit Real Madrid, dem neureichen Manchester City und Ajax Amsterdam ohne Niederlage und als Gruppenerster abgeschlossen. Ein Umstand, der für sich schon höchst bemerkenswert ist und mit dem im Vorfeld eigentlich niemand gerechnet hatte. Die Reise ging nach der Winterpause weiter und führte uns in die Ukraine zu Schachtjar Donezk. 2:2 auswärts und 3:0 zu Hause. Viertelfinale, Dortmund war immer noch im Lostopf und ab jetzt sollte es erst wirklich verrückt werden. Gegen Malaga schon ausgeschieden, tausende Fans bereits auf dem Heimweg, als Marco Reus den Ball über die Linie drückt. Ein Fünkchen Hoffnung auf das Wunder. Dann ein Freistoß, bei dem der Linienrichter gleich vier klare Abseitsstellungen übersieht, ein gestocherter Ball von Schieber, den Santana, ebenfalls im Abseits, sicherheitshalber über die Linie drückt. Ein banger Sekundenbruchteil, der vergeht, ohne dass der Linienrichter die Fahne hebt und der Kessel explodiert. Unvergesslich für jeden, der dabei war. Es folgte das Hinspiel gegen Real Madrid und die Lewandoswki-Gala. 4:1 gegen die ehemals „Galaktischen", die wie geprügelte Hunde vom Platz schlichen. Spätestens jetzt war klar, dass der BVB Zugang in den Kreis der ganz großen Vereine gefunden hat. Aber Borussia wäre nicht Borussia, wenn man nicht ständig am Vulkankrater tanzen würde. Mit letzter Kraft rettete man den Vorsprung im Rückspiel durchs Ziel, auch wenn die Madrilenen alles nach vorne warfen und mit zwei späten Toren noch am Finaleinzug schnuppern durften. Aber wer hätte vor ein paar Jahren noch gedacht, dass das große Real Madrid mal ein 3:0 gegen uns als „Wunder" beschwören würden?

Es folgten eine peinliche Eröffnungsveranstaltung und ein rassiges, hochklassiges Spiel in Wembley. Wie viele von uns haben beim Eintritt in den Block erst einmal ungläubig in die Runde gestarrt? Wir waren wirklich dabei. Und die Mannschaft lieferte den Bayern einen großen Kampf. Nevens Killergrätsche gegen den einschussbereiten Robben muss sich dabei kein Stück hinter Rickens Lupfer '97 verstecken. Am Ende waren es Nuancen und auch fehlende Kraft, die den endgültigen Triumph verhinderten. Dennoch, der Mannschaft wurde diese wilde Reise durch Europa lautstark gedankt. Applaus statt Tränen. Ein würdiges Ende.

So spektakulär die Champions-League-Saison verlief, so vergleichsweise unaufgeregt präsentierte sich der Ligaalltag. Die große Dominanz der Bayern verhinderte einen spannenden Showdown schon frühzeitig und unserer Borussia genügte eine konzentrierte Leistung, um die erneute, direkte Qualifikation für die Königsklasse schon frühzeitig einzutüten. Natürlich hätte man den ein oder anderen Punkt mehr holen können, für das Endergebnis wäre das letztendlich aber bedeutungslos gewesen. Richtig ärgerlich waren eigentlich nur drei Niederlagen. Beide Derbys wurden verloren – und das ehrlicherweise verdient. Das muss in der neuen Saison definitiv anders werden. Bayern hin, Champions-League her, eine Saison mit einer negativen Derbybilanz kann niemals ganz zufriedenstellend sein. Nicht zufrieden, vorsichtig ausgedrückt, war man als Dortmunder auch mit dem Saisonausklang gegen Hoffenheim. Klar, Hopps Truppe wäre wohl nicht lange in der zweiten Liga geblieben, aber ein Jahr ohne Auswärtstour nach Sinsheim wäre auch mehr als nett gewesen.

Mysteriöses am Rande: Beide Spiele gegen den Hamburger Sportverein wurden verloren. Wie man das geschafft hat, wird für immer ungeklärt bleiben.

Mannschaft:
Mario Götze hat sich ein Haus in Dortmund gekauft, fühlt sich hier inmitten seiner Freunde pudelwohl und könnte sich sogar vorstellen, hier bis zur Rente zu kicken. Sicher, nur absolute Neulinge im Profifußball nehmen solche Worte für bare Münze. Im Allgemeinen haben solche Aussagen nur eine Halbwertszeit bis zur nächsten Transferperiode. Die Chuzpe zu haben, so etwas zu erzählen, während man parallel mit einem anderen Verein in fortgeschrittenen Vertraggesprächen steckt, ist aber schon nicht ganz alltäglich. So gab es dann auch verdientermaßen seitens der Fanschar klare Ansagen in Richtung Mario Götze. Musste es wirklich schon jetzt sein? Wirklich zu einem Ligakonkurrenten? Wirklich zu den Bayern? Vermutlich hat Götze sich die Fragen auch schon gestellt, nachdem zufälligerweise der Wechsel zum FCB exklusiv in der Bildzeitung genau zu dem Zeitpunkt verkündet wurde, als die Bayern positive Schlagzeilen neben der Steuersache Hoeneß verdammt gut gebrauchen konnten. Und auch die Darstellung als B-Lösung zu dem von Guardiola favorisierten Neymar dürfte den hochtalentierten Jungnationalspieler eher weniger erfreut haben. Sei's drum. Das sind jetzt alles seine Probleme, die ihm auch fürstlich entlohnt werden. Mitleid aus Dortmund wird er dafür eher weniger erfahren.

Fast noch bizarrer gestaltete sich das immer noch zumindest halboffene Wechseltheater um Lewandowski. Viel wurde seit der Winterpause darüber geschrieben. Je nach Darstellung hat er in München bereits zwei Vorverträge unterschrieben, ist er bei Real Madrid ernsthaft im Gespräch, wechselt innerhalb der nächsten Tage definitiv zu den Bayern, oder bleibt bis Vertragsende in Dortmund. Munter mittendrin immer seine beiden Berater Kucharski und Barthel. Gäbe es den Beruf des Spielerberaters nicht, würde man die beiden wohl in einer RTL2-Doku in einem Hinterhofladen beim Verkaufen von Unfallwagen aus 3. Hand bewundern dürfen. Positiv ausgedrückt unternehmen sie alles, um ihren Klienten einen neuen Arbeitgeber zu verschaffen. Wenn sie nicht gerade via Twitter mit der putzigen Rechtschreibung eines Viertklässlers Privatkriege gegen Journalisten ausfechten. Lewandowski selbst lächelte Fragen nach seinem Verein in der neuen Spielzeit einfach weg und hielt sich in der Thematik völlig zurück. Dass man in Dortmund noch einmal einen Schützling der beiden Berater unter Vertrag nehmen wird, ist dann auch eher unwahrscheinlich.

Wechseln wird ebenfalls Tele Santana. Nach Gelsenkirchen. Ohne weitere Worte.

Völlig ohne Nebengeräusche und mit großen Applaus endete auch die Zeit von Patrick Owomoyela beim BVB. Nach zahlreichen Verletzungen wurde der Vertrag von „Owo" erwartungsgemäß nicht verlängert. Im Gegensatz zu den vorher genannten erhielt der beste Eckenverlängerer der Welt beim letzten Heimspiel der Saison einen Blumenstrauß und einen tollen Abschied vom Westfalenstadion. Unheimlich netter Typ, der leider viel zu viel Pech in den letzten Jahren hatte. Alles Gute, Owo. Und wo immer Du auch hingehen magst: schieß keine Freistöße mehr.

Bereits in der Winterpause konnte man an der Strobelallee aber bereits einen spektakulären Neuzugang verpflichten. Nuri ist zurück. Wenn auch erst auf Leihbasis von Real Madrid, ist es aber trotzdem schön, den Namen „Sahin" auf einem BVB-Trikot zu lesen. Da und nur da gehört er auch hin. Sahin selbst merkte man die Erleichterung, nach den eher unglücklich verlaufenen Spielzeiten in Madrid und in Liverpool wieder zurück in Dortmund zu sein, deutlich an. Zwar konnte er in der Rückrunde noch nicht an die großartige Spielzeit 2010/2011 anknüpfen, aber in manchen Szenen merkte man, dass er seine große Klasse nicht verloren hat. Jetzt liegt es an ihm, die Sommerpause zu nutzen und wieder voll anzugreifen. Beim BVB scheint man ihm das zuzutrauen und hat vorsorglich eine Kaufoption in den Leihvertrag einarbeiten lassen.

Fans:
Auch abseits der Frage, wie man ein knappes Gut an Karten für ein Halbfinale oder Finale möglichst gerecht unter Hunderttausenden von Interessierten verteilt, war die Spielzeit 2012/2013 für die Fans ein sehr bewegendes Jahr.

Schon in der Vergangenheit mehrten sich beunruhigende Nachrichten. Es kursierten Stadionbilder, auf denen die Borussenfront Präsenz zeigte, und Zeitungsartikel, nach denen Dortmunder Hools gemeinsam mit dem NWDO Kampfsport trainierten. Richtig in den Blickpunkt rückte dieses fast vergessene Thema aber erst wieder im Laufe der Saison. Beim Auswärtsspiel unserer Amateure in Erfurt wurde eine Reichskriegsflagge im Gästeblock präsentiert. Beim Heimspiel gegen Werder Bremen verschandelte ein „Solidarität mit dem NWDO"-Banner die Südtribüne und bei der Auswärtsfahrt nach Donezk wurden Jens Volke und Thilo Danielsmeyer vor offenbar rechtsradikalem Hintergrund angegriffen. Es ist nicht klar, ob diese Vorfälle irgendwie miteinander im Zusammenhang stehen und wie weit die Täter wirklich in der Fanszene des BVB vewurzelt sind, aber die Vorfälle an sich sollten alarmieren. Die Rechten trauen sich offenbar wieder auf die Fußballbühne. Eine Entwicklung, die auch beispielsweise in Aachen und Duisburg zu beobachten ist. Gegen Hannover gab es mit über das ganze Stadion verteilten Bannern die passende Antwort. Dennoch darf das Thema jetzt nicht wieder einschlafen und unter dem sportlichen Erfolg begraben werden. Augen offen halten und weiter rechten Strömungen entgegenwirken. Eine Aufgabe, die für jede Spielzeit gilt.

Große Aufregung schlug auch das Konzept „Sicheres Stadionerlebnis". Fußball war wohl noch nie so in aller Munde wie in der letzten Saison. Vom B-Promi bis hin zum Bundesinnenminister schien sich jeder nicht nur bemüßigt, sondern auch befähigt, seine Meinung zur Sicherheit in deutschen Fußballstadien äußern zu müssen. Wirklich diskussionswürdige Vorfälle wie der Angriff von Kölnern auf einen Gladbacher „Normalo-Bus" wurden vermengt mit dem Zünden von Bengalos und einem Düsseldorfer Freudenplatzsturm. Heraus kam eine undefinierbare Suppe mit den Geschmacksnoten Hysterie, Unsinn und Ahnungslosigkeit. Jeder erinnert sich noch an die Geschmacklosigkeiten, die ein Johannes B. Kerner oder eine Maybritt Illner widerspruchslos im deutschen TV äußern durften. Die Sicherheitsdebatte war in aller Munde, die Politik gefordert. Dort reagierte man mit der Androhung teilweise an den Haaren herbeigezogener Strafmaßnahmen, gegen die sich die DFL mit dem Konzept „Sicheres Stadionerlebnis" absichern wollte. Wie extrem gefährdet sich die regelmäßigen Stadiongänger tatsächlich fühlen, zeigten rund 75.000 Unterschreiber auf Ich-fuehl-mich-sicher.de

Neben durchaus sinnvollen organisatorischen Maßnahmen beinhaltete das Konzept in seiner Urfassung einige Punkte mit Sprengkraft. Reduzierung der Gästekontingente, Verbot von Stehplätzen und Vollkontrollen in separaten Räumlichkeiten – kein Wunder, dass der Widerstand über alle Fanszenen hinweg riesig war. „12:12 – ohne Stimme keine Stimmung" war geboren. Bis zur Verabschiedung des Sicherheitskonzeptes sollte in allen Stadien von der 1. bis zur 3. Liga in den ersten zwölf Minuten und zwölf Sekunden geschwiegen werden. Wohl niemand hatte den durchschlagenden Erfolg der Aktion so erwartet. Schweigende Ultrablöcke und einige sich solidarisierende Fans. Vermutlich war das die Erwartungshaltung. Das Ergebnis war – Stille. Große Fußballarenen, in denen man das Husten einzelner Personen hören konnte, während auf dem Rasen ein Spiel lief. Fairerweise muss man sagen, dass bei etlichen Zuschauern vielleicht auch einfach das Gefühl, Teil eines Happenings zu sein, zum solidarischen Schweigen animiert hat. Dennoch war das Ergebnis beängstigend und überwältigend. Die Vereine waren durch die Bank gezwungen, sich mit Fanvertretern an einen Tisch zu setzen und das Konzept zu diskutieren.

Im Endeffekt wurde das Konzept zwar verabschiedet, aber mit Änderungen und Abschwächungen. Im Nachhinein muss man feststellen, dass es zumindest in der abgelaufenen Saison noch keine spürbaren Auswirkungen auf den Stadionbesuch nach sich zog. Vollkontrollen beim Spiel der Frankfurter Eintracht gegen Bayern München gerieten eher zu einem Fiasko. Zwar präsentierte man im Anschluss gefundene Messer und Pyrotechnik, musste aber auf Nachfrage zugeben, dass diese Gegenstände durch die Bank im Rahmen der normalen Einlasskontrollen aufgespürt wurden.

Dass sportlicher Erfolg auch seine unangenehmen Seiten hat, durften diese Saison speziell wir Dortmunder feststellen. Bereits die Verlängerung der Dauerkarte wurde durch Kategorieanpassungen für einige Fans zu einer teuren Angelegenheit. Zudem änderte der BVB die Rahmenbedingungen einseitig zu seinen Gunsten. Ein Verzicht auf die Europapokaloption zog auf einmal den dauerhaften Verlust dieses Vorkaufsrechts nach sich. Zudem verpflichtete sich der Fan mit Ziehen dieser Option zum Kauf aller sicheren und möglichen Spiele in beiden europäischen Wettbewerben. Kritik an dieser Praxis wurde seitens des BVB eher lapidar mit dem Verweis auf die vielen neuen Interessenten auf eine Dauerkarte abgetan.

Auch bei Auswärtsspielen wurden wir mehr als kräftig zur Kasse gebeten. Der Hamburger SV stufte, trotz Protestaktionen in den vergangenen Jahren, die Sitzplätze in die Kategorie A+ ein. Die bisher günstigen „Werksmannschaften" aus Leverkusen und Wolfsburg schlugen für Gastspiele des BVB ebenso kräftig zu wie der VfB Stuttgart. Selbst Aufsteiger Fürth rief für ein für beide Seiten eher unbedeutendes Spiel wahre Mondpreise aus. Lobend muss hierbei Fortuna Düsseldorf erwähnt werden, die ehrenwerterweise darauf verzichtete, in der Erstligasaison richtig Kasse zu machen.

Wer als Schwatzgelber viele Auswärtsspiele in der Bundesliga und der Champions-League besucht hat, sollte besser auf einen Kassensturz in der Sommerpause verzichtet. Ansonsten ist massive Bluthochdruckgefahr gegeben. Den Ärger über die massiven Preiaufschläge bauten dann viele Fans beim Auswärtsspiel in Wolfsburg ab. Für beide Vereine ging es in diesem „Topspiel" tabellarisch um nichts und so schlossen sich viele Dortmunder der Protestaktion „Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein" sein an. Für die ersten 20 Minuten blieb der Stehplatzblock komplett leer, die Sitzplätze waren zu maximal 2/3 gefüllt. Unterstützt wurde die Aktion auch von anderen Vereinen, die sich Kein Zwanni angeschlossen haben, mit Bannern.

Und die Aktion trägt langsam erste Früchte. Der BVB hat angekündigt, die Zahl der Topspiele für die kommende Saison auf die Spiele gegen GE und die Bayern zu beschränken. Für das Gästekontingent sollen diese Zuschläge komplett entfallen. In Berlin werden Gästekarten ab der kommenden Saison zum Einheitspreis von 15,00 € verkauft und auch von anderen Vereinen kommen positive Signale. Protest lohnt sich also doch.

Sascha, 04.06.2013

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