Unsa Senf

Geld oder Liebe

22.03.2013, 12:39 Uhr von:  Redaktion

Im Jahr 2008: Die Mannschaft trägt ein Transparent mit der Aufschrift "Unsere Fans - unser ganzer Stolz"Offenbar haben wir einen Nerv getroffen. „Teuerste Borussia“ titelte Sascha am Montag in seinem Kommentar zur Preispolitik des BVB. Zahlreiche Kommentare in unserem Forum, in den sozialen Netzwerken und per E-Mail zeigen, dass das Thema offenbar vielen Borussen unter den Nägeln brennt. Bei Facebook fragt ein Nutzer die Borussia ganz konkret, warum seine Treue so bestraft wird. Beim BVB selbst aber will man sich der Kritik offenbar nicht annehmen. Schade!

„Der Verein rechtfertigt den Aufschlag mit dem Erfolg. Schließlich sei Borussia Dortmund unter den besten acht Mannschaften in Europa.“, so heißt es in einem Bericht der Ruhr Nachrichten.

Das mag grundsätzlich plausibel klingen. Allein: Als der BVB es in den Jahren 2007 und 2008 nicht einmal national unter die besten acht Mannschaften geschafft hat und das Zuschauen der schwatzgelben Spiele mehr und mehr zur Tortur geworden war, ist man am Rheinlanddamm nicht auf die Idee gekommen, die treuen Zuschauer in Form von Rückzahlungen und Rabatten für den sportlichen Misserfolg zu entschädigen. Im Gegenteil: Während plötzlich Tickets gar bei McDonald’s im Paket mit Burgergerichten verramscht wurden, nur um das Stadion möglichst voll zu kriegen, zahlte die Stammkundschaft bereitwillig auch bei sportlich dürftigsten Leistungen die vollen Preise. Was blieb ihr auch anderes übrig?

Als sich der BVB in der Vorsaison auf europäischer Ebene wenig mit Ruhm bekleckert hat, gab es hier ebenfalls kein Entgegenkommen für die Zuschauer – genauso wenig, wie für das plötzlich sportlich wertlos gewordene Heimspiel gegen Manchester City, bei dem der BVB mit B-Elf angetreten war, für das aber natürlich der volle Eintrittspreis abgerufen wurde.

Dass man als Fan selbst schwächste oder bedeutungslose Spiele, schlimmste Niederlagen und desaströse Tabellenstände klaglos hinnimmt und trotzdem den vollen Preis hierfür entrichtet, wird von Borussia Dortmund also offenbar stillschweigend vorausgesetzt. Wenn der Erfolg dann aber mal wieder da ist, schwingt direkt die pekuniäre Keule.

Spruchband "Und wenn Du fällst, bin ich bei Dir" aus der Saison 2003/2004Keine Frage: Der BVB kann für das Spiel die 20 % rechtmäßig verlangen. Die Genehmigung dazu hat er sich ja bereits zu Saisonbeginn von den Dauerkartenkäufern geben lassen, als er sie aufforderte, doch bitte die Katze im Sack zu kaufen: Drei Vorrundenspiele und alle weiteren Runden der Champions League sowie alle Pokalheimspiele, insgesamt also bis zu zehn Partien, jeweils ohne den exakten Preis, die genauen Termine oder gar nur die Gegner zu kennen. Versehen übrigens mit der freundlichen Erklärung, dass alle Kunden, die dazu nicht bereit – oder finanziell dazu in der Lage – sind, zukünftig ihre Option für diese Spiele verlieren. Dankbarkeit sieht wahrlich anders aus, denn bislang hatte man als Dauerkarteninhaber noch immer Runde für Runde die Wahl gehabt, eine Karte zu kaufen oder nicht.

Formal aber verhält sich der BVB völlig korrekt. Er setzt lediglich um, was bereits zu Saisonbeginn angedeutet wurde. Doch dass er dies allerdings tut, ist ein weiterer Fingerzeig dafür, dass das so vielfach betonte Gerede von der ach so großen Bedeutung der Fans nicht mehr ist als reines Marketinggekasper.

Denn die Liste der Zumutungen wird Jahr für Jahr länger: Da wird das einstmals gratis zur Dauerkarte erworbene erste Europapokalspiel abgeschafft, da werden die Südtribünenkarten international verteuert, da entfällt die Kaufentscheidungsmöglichkeit zu jeder (Europa-)Pokalrunde, da werden ohne frühzeitige Information an die Betroffenen kurz vor knapp die Dauerkartenpreise drastisch erhöht, da wird zunächst der Topspielzuschlag eingeführt und erhält dann peu à peu Gültigkeit für eine immer größere Anzahl von Spielen. Gleichzeitig verkünden die Geschäftsberichte immer neue Rekordumsätze und eine vergleichsweise geringe Bedeutung der Eintrittspreise. Ist es wirklich zu viel verlangt, als Anerkennung für die Unterstützung in harten Zeiten die Preisschraube mit Vorsicht zu drehen? Zumal für einen Verein, dessen Eintrittspreise schon jetzt in der Spitzengruppe der Liga rangieren?

Man vergisst auf diesem Weg allen voran all jene Leute, die am Molsiris-Montag vor acht Jahren keinen klaren Gedanken fassen konnten. Man vergisst insbesondere die älteren Leute auf den Unterrängen von Ost- und Westtribüne, die schon mehr als eine Beinahe-Insolvenz mitgemacht haben und für die schon die erneute Preiskategorienanpassung im Sommer ein schwerer Schlag ins Kontor gewesen ist. Man vergisst eben genau jene, für die eine Emma auf dem Platz nicht nur eine kostümierte Kinderbespaßung ist.

Jürgen Klopp steht auf dem Trainingsplatz vor einer "Echte Liebe"-WerbebandeDiesen Leuten knallt man in immer kürzeren Intervallen Preiserhöhungen und Topspielzuschläge um die Ohren und verschiebt ihre Plätze munter in höhere Preiskategorien. Bei Beschwerden wird lapidar auf die vielen anderen verwiesen, die den Platz gerne zu Borussias Konditionen nehmen würden. Und so schlucken die einen einmal mehr die Kröte, die ihnen vorgesetzt wird, während sich andere leise verabschieden. Immer häufiger hört man nämlich inzwischen von wechselnden Gesichtern, wo früher über Jahre und Jahrzehnte dieselben Borussen gemeinsam zusammen saßen. Etwas zerbricht.

All das ist zweifelsohne wirtschaftlich zu rechtfertigen. Und alle Begründungen für sich sind rational schlüssig. Doch wenn nur noch die kalten Zahlen zählen und die Emotion zur Einbahnstraße verkommt, kann man sich den „Echte Liebe“-Claim auch sparen. Der wirkt dann nämlich nur noch höhnisch.

Mit Ihrer Werbekampagne zum hundertjährigen Vereinsjubiläum haben Aki Watzke und Co. sich selbst eine hohe Messlatte auferlegt. „Nur ein Stadion“, hieß es damals beispielsweise, „bis es die besten Fans der Welt zur Festung machten“. Stets wurde und wird die ungeheure Bedeutung der ach so treuen Anhängeschaft betont und welche Verpflichtung daraus entstünde. Doch in der Realität scheitert der BVB gerade an diesen selbst gesetzten moralischen Ansprüchen.

Die größten Fehler, so heißt es, werden im Erfolgsfall gemacht. Borussia Dortmund hatte in der jüngsten Vergangenheit eine Menge Erfolg. Es bleibt zu hoffen, dass daraus nicht noch größere Fehler werden.

Ferdinand, 22.03.2013

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