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Striptease am Gästeblock

27.07.2011, 20:21 Uhr von:  Redaktion

Gästeblock in LeverkusenAuch in der vergangenen Saison erreichten uns Berichte, dass Fans sich teil- bis komplettentkleiden mussten, damit ihnen Einlass in das Stadion gewährt wurde. Zusätzlich führten wir ein kleines Interview mit Axel Hoffmann, SGE Fan, Stadionsprecher der U23 und Mitarbeiter im Museum der Sportgemeinschaft Eintracht Frankfurt.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Diesen Abschnitt aus Artikel 1 Absatz 1 im Grundgesetz ist wohl so ziemlich jedem bekannt. Interessant ist aber der ganze Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Ob Rechtssprechung und Recht noch wirklich im Einklang sind, kann der Laie naturgemäß kaum beurteilen, gefühlt hat man es aber mittlerweile mit einem argen Missverhältnis zu tun. Für die Fußballfans fielen die Städte Frankfurt, Saarbrücken, Leverkusen und Gelsenkirchen in den vergangenen Jahren negativ auf.

Im Rahmen von Begegnungen der örtlichen Vereine wurden in den genannten Städten den Gästefans eine Sonderbehandlung zu teil. Wer ist gefährlich?Zunächst nur die Polizei hielt es für notwendig an den Gästezugängen ein Zelt zu errichten, um zumeist weiblichen Fans einer genauen Leibesvisitation zu unterziehen. Dabei mussten sich die Damen völlig entkleiden. Begründet wurde dies in Saarbrücken und Leverkusen damit, dass man das Hereinbringen von pyrotechnischen Erzeugnissen unterbinden wolle. Nun muss man den Sicherheitskräften zugestehen, dass sowohl die Fans der SGD als auch SGE in diesem Punkt kein unbeschriebenes Blatt sind. Auch die Fans von Paris Saint-Germain sind sicherlich keine Kinder von Traurigkeit, doch stellt sich einem hier die Frage der Verhältnismäßigkeit.

Es werden pauschal bestimmt Personen(-gruppen) unter Generalverdacht gestellt und danach behandelt wie Aussätzige. In Saarbrücken ließ die Polizei tatsächlich verlauten, man kontrolliere die Frauen, da sie als besonders unverdächtig verdächtig sind. Damit seien sie - so die Argumentation der Polizei – prädestiniert als Schmuggler für die verbotenen Utensilien zu agieren. Also reicht schon der reine Verdacht, um alle Frauen in ihrer Würde massiv zu beeinträchtigen. In Leverkusen gab es im Vorfeld wohl eine verdächtige E-Mail, die ein besorgter Vater abgefangen und an die Polizei weitergeleitet hatte (näheres im Interview).

Zelt am GästeblockUm dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, geschieht solches nicht nur unter der Duldung der Staatsgewalt Polizei, sondern die Polizei ist der aktive Part dieses Irrsinns. Nun wird niemand gezwungen zum Fußball zu gehen, allerdings ist Fußball anderseits eben auch ein öffentliches Kulturgut. Erschwerend kommt hinzu, dass die Fans in der Regel nichts von solchen Maßnahmen wissen, bis sie am Spielort eintreffen. Frankfurter und Dresdner Fans berichten, dass es nicht mal vor dem Alter Respekt gab. Übereinstimmend wird berichtet das die Kontrollen ausnahmslos jede weibliche Person traf auch minderjährige und gestandene Damen mussten diese unwürdige Prozedur über sich ergehen lassen.

Auf rechtliche Unterstützung können die Fans leider kaum zählen. Da bei den betroffenen Frauen auf eine „Inaugenscheinnahme natürlicher Körperöffnungen“ verzichtet wurde, erklärte ein Verwaltungsgericht diese Maßnahme als rechtens. Ein ungutes Gefühl sollte trotzdem bei den Meisten bleiben. Für die Fans bleibt da vor allem die Frage des Umgangs mit solchen Situationen. In Leverkusen solidarisierten sich eine größere Anzahl an männlichen Fans mit den Frauen und verweigerten den Besuch des Spieles, bis die Polizei die Maßnahme 30 Minuten nach Spielbeginn abbrach. Es ist nur zu hoffen, dass es unter uns Dortmunder im Fall der Fälle eine ähnliche Solidarität gibt und somit ein geschlossenes Zeichen des Protestes gesetzt wird.

Halbleerer GästeblockIn Frankfurt bekamen schon einige Borussen einen Vorgeschmack auf solche Sicherheitsmaßnahmen. Hier bat der Ordnungsdienst am Gästestehplatzblock einzelne Fans heraus und zwang diese in einem feucht kalten Raum (im tiefsten Winter) sich bis auf die Unterwäsche zu entkleiden. Dabei wurde den Betroffenen erklärt, ab nun würde man jeden Schritt auf sich zu als versuchte Tätlichkeit werten und dieses zur Anzeige bringen. Wenn man alleine mit zwei Ordnern in einem schäbigen Raum steht, kann da leicht ein Gefühl der Ohnmacht entstehen.

Bis heute tut man sich in Frankfurt schwer damit, einzugestehen, dass man hier über das Ziel hinausgeschossen ist. Für die kommende Saison kann einem da nur Böses schwanen. Natürlich muss man so realistisch sein, dass diese Maßnahme in Frankfurt sicherlich mit dem wieder verstärkten Auftreten von Pyrotechnik in den Blöcken der Dortmunder zu tun haben wird. Dennoch scheint der zunehmende Einsatz dieses Instrumentes seitens der Polizei, langsam die Hemmschwelle auch bei privaten Sicherheitsdiensten schwinden zu lassen. Durch das Damoklesschwert Hausrecht versuchen die Ordnungsdienste immer absurdere Vorgaben durchzusetzen. Als freier Bürger hat man schon ein ungutes Gefühl, wenn die Polizei solche Maßnahmen durchführt, wenn nun aber jeder Ordnungsdienst meint, sich solche Rechte herausnehmen, ist definitiv eine Schwelle übertreten.

Gerade im Bezug auf das Derby erscheint es vorstellbar, dass es dort zu Zuständen wie in Leverkusen kommen könnte. Die Fans des französischen Hauptstadtklubs durften sich dieser Behandlung an der Turnhalle bereits erfreuen. Für uns in Dortmund bleibt hängen, dass wir nicht nur solidarisch mit unseren eigenen Mitfans sind, sondern auch darauf achten, dass solche Zustände niemals am Gästeblock des Westfalenstadions Einzug halten.

mrg, 27.07.2011

[Hier] geht es zum Interview mit Axel Hoffmann.

Danke an sge4ever.de für die Nutzung der Bilder.

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