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Borsigplatz Verführung: Auf Spurensuche in der Nordstadt zu den Wurzeln der Borussia

13.04.2010, 18:09 Uhr von:  Redaktion

Spurensuche rund um den BorsigplatzBereits seit vier Jahren bieten die beiden Borsigplatz-Verführerinnen Annette Kritzler und Anette Plümpe geführte Rundgänge zu kulturellen und historischen Themen durch das Quartier in der Nordstadt an. Eine ihrer Führungen beschäftigt sich mit der Frühgeschichte des Ballspielvereins, dessen Wiege hier einst stand. Schwatzgelb.de ist der Verführung erlegen und hat sich auf die Spurensuche zur Weißen Wiese, dem ersten Spielort der Borussen begeben.

Die Führung beginnt an der Dreifaltigkeitskirche, aus deren Gemeinde die Gründungsväter des BVB stammten. In der Kirche befindet sich inzwischen die ständige Ausstellung "Kirche, Fußball, Gottvertrauen", in der die Gründungsgeschichte der Borussia aus Sicht der Gemeinde dargestellt wird. Es ist sicher ein ungewöhnlicher Anblick, in einer Kirche, die ja weiterhin als solche genutzt wird, die Fahne eines Fußballvereins hängen zu sehen. Anhand der Schautafeln zeichnet Frau Kritzler ein anschauliches Bild des Gemeindelebens um die Jahrhundertwende und auch Kaplan Dewald, der eine unrühmliche Rolle in den Anfangszeiten der Borussia gespielt hat, wird ausführlich gewürdigt. Anhand zeitgenössischer Sportliteratur wird erläutert, dass seine kritische Einstellung gegenüber der „Fußlümmelei“ damals bei weitem keine Einzelmeinung gewesen ist.

Ausstellung in der DreifaltigkeitskircheAuf einem kleinen Altar findet sich umgeben von Kerzen die kleine Figur des geweihten BVB Engels. Hier kann man mit einem speziellen BVB Gebet um höheren Beistand für unsere Borussia bitten.

Zu den Ausstellungsstücken zählt auch der Wimpel des KSC aus dem Finale 1956, in welchem der BVB seine erste Deutsche Meisterschaft errang. In einem Beichtstuhl kann man den Worten von Friedhelm „Pere“ Meyer lauschen, der für die zweite Mannschaft des BVB gespielt hat und davon erzählt, wie auch der Fußballsport in Dortmund nach dem Krieg völlig neu anfangen musste. Die vielfältigen Informationsangebote der Ausstellung lassen sich im Rahmen der Führung jedoch nur unzureichend erfassen, weil der lebendige Vortrag von Frau Kritzler stets die volle Aufmerksamkeit gefangen nimmt. Da ist es auf jeden Fall angezeigt, ein weiteres Mal die Dreifaltigkeitskirche zu besuchen.

Der ehemalige Wildschütz - heute eine PommesbudeWeiter führt der Weg zum legendären Gründungslokal des BVB, dem ehemaligen Wildschütz, in dem heutzutage ein Imbiss mit Namen „Pommes Rot-Weiss“ zu Hause ist. Schwatzgelb.de hat bereits im letzten Jahr nach Spuren des BVB an diesem geschichtsträchtigen Ort geforscht. Im Rahmen der Führung ist das leider nur von außen möglich, da das Lokal zu diesen Zeiten geschlossen ist. Daher empfiehlt es sich, seinen Bedarf an Kohlehydraten und Fett bereits im Vorfeld zu decken. Hier wird der Gründungsversammlung und ihrem turbulenten Verlauf gedacht, der schließlich darin gipfelte, dass Kaplan Dewald „in eine Faust lief“. Gewalt rund um den Fußball hat es wohl schon zu allen Zeiten gegeben. Von den ursprünglich rund 50 Teilnehmern der Versammlung blieben am Ende nur 18 Vereinsgründer übrig. Den Rest seiner Schäfchen konnte der Kaplan wieder einfangen.

Vom Wildschütz zieht die Gruppe weiter Richtung Borsigplatz. Dort finden sich Steintafeln im Boden, die an Dortmunder Sportgrößen erinnern, darunter auch Borussen wie „Hoppy“ Kurrat. Interessanter Weise fehlt der Name August Lenz unter den Geehrten, obwohl dieser doch lange Jahre am Borsigplatz seine „Sportlerklause“ betrieben hat und als erster Nationalspieler des BVB für die Entwicklung des Vereins von herausragender Bedeutung war. Zudem erinnert hier neuerdings der erste Stern des „Walk of Fame“ an das erste offizielle Spiel des BVB.

Frau Kritzler vor der Druckerei RöhrWeiter geht es über die Wambeler Straße Richtung Hoesch Park. In der Wambeler Straße war seinerzeit nicht nur der Gründungsvater Franz Jacobi ansässig, sondern auch frühe „Sponsoren“ des Vereins wie die Druckerei Röhr, die auch heute noch Vorverkaufsstelle des BVB ist, sowie der Schuster Kistner, der nicht nur das Schuhwerk sondern auch das Spielgerät der Borussen pflegte.

An dieser Stelle wird das damalige Vereinsleben veranschaulicht und die Probleme dargestellt, mit denen die frühen Borussen zu kämpfen hatten. So mussten zeitweilig die Torpfosten von den Spielern vom Wildschütz zur Weißen Wiese getragen werden, da man sich nach Sabotageakten nicht mehr traute, diese nach Spielen auf dem Feld zu belassen. Immer wieder unterstreicht Annette Kritzler ihren Vortrag mit historischen Bildern und Dokumenten. Zusammen mit der unmittelbaren Präsenz der historischen Örtlichkeiten wird so die Phantasie angeregt und man kann sich wunderbar in die Gründerzeit des Ballspielvereins zurückversetzen.

Im Hoeschpark wird immer noch Fußball gespieltIm Hoeschpark befindet man sich dann in unmittelbarer Nähe des Areals, wo früher die „Weiße Wiese“ und später dann auch der „Borussia Sportplatz“ zu finden war. Auch wenn leider nichts mehr von den ersten Spielstätten des BVB die Zeiten überdauert hat, kann man hier die Orte sehen, an denen die ersten Spiele der Borussia stattgefunden haben. Zudem stellte der Bau des Hoeschparks den Grund für den Umzug des BVB in die südlich der Innenstadt gelegene Kampfbahn Rote Erde dar, welcher dazu führte, dass nach und nach die Verbindungen der Borussia zu dem Viertel, aus dem sie hervorgegangen ist, immer stärker abnahmen. Um so schöner ist es, dass die Erinnerung an die Anfangszeiten des BVB hier immer noch in dieser Weise lebendig gehalten wird. Erst neuerdings besinnt sich auch die Führungsriege des BVB wieder stärker auf die Wurzeln des Vereins und von Vereinsseite werden mittlerweile auch die Bestrebungen unterstützt, den BVB wieder stärker in der Nordstadt zu verankern.

Abgerundet wird die Führung dann im Hoesch-Museum, wo bei einem Gläschen Sekt die Gelegenheit besteht, das Erlebte Revue passieren zu lassen und letzte Nachfragen zu stellen.

Das Hoesch MuseumWer an der Dortmunder Industriegeschichte interessiert ist, sollte sich nach der Führung noch Zeit nehmen, um die Ausstellung zur Geschichte des leider untergegangenen Dortmunder Stahlkonzerns zu besuchen. Der Eintritt ist bereits im Preis der Führung inbegriffen.

Insgesamt ist die Spurensuche zu den Wurzeln des BVB für jeden Fan zu empfehlen, der sich einmal die Gründungsgeschichte der Borussia an den historischen Orten plastisch vor Augen führen lassen möchte. Annette Kritzler merkt man jederzeit an, dass sie im Borsig-Quartier zu Hause ist und ihr kenntnisreicher, mit witzigen Anekdoten gespickter Vortrag lässt die rund zweistündige Führung wie im Flug vergehen. Der fanfreundliche Preis von 10 € rundet das positive Bild ab, weshalb dieses außergewöhnliche Angebot allen Lesern uneingeschränkt ans Herz gelegt werden kann.

Die nächsten Führungen zu den Wurzeln des BVB finden jeweils Sonntags am 09.05., 13.06. sowie 08.08. statt. Nähere Informationen zur Anmeldung und den weiteren Führungen bietet die Homepage der Borsigplatz-Verführerinnen.

Fotostrecke

Interview mit Paul Burchardt, in den 30er Jahren Spieler beim BVB

Web 13.03+1.2010

Video-Impressionen von der Führung:

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