Spielbericht Profis

Tapfere BVB-Notelf erkämpft einen Punkt beim deutschen Meister

14.05.2006, 00:00 Uhr von:  Tommy
Tapfere BVB-Notelf erkämpft einen Punkt beim deutschen Meister
Jubel nach dem Ausgleich

Auch wenn man in der kommenden Saison auf internationalen Fußball beim BVB verzichten muss – die Leistung beim gestrigen Saisonabschluss gegen den FC Bayern konnte sich sehen lassen und macht zugleich Hoffnung auf die nächste Spielzeit. Trotz eines zwischenzeitlichen 1:3-Rückstandes schaffte der BVB noch den Ausgleich und nahm letztlich verdient einen Punkt mit nach Hause.

Die Ausgangssituation war vor der Partie klar. Nur mit einem Sieg beim FC Bayern und gleichzeitiger Niederlage der Berliner, die beim 1. FC Nürnberg antreten mussten, wäre der sechste Platz und die damit verbundene Teilnahme am UI-Cup möglich gewesen. Dass die Franken gegen Hertha BSC gewinnen würden war doch sehr wahrscheinlich, zählen die Franken doch in der Rückrunde zu den heimstärksten Teams in der Bundesliga. Auch ein Sieg des BVB in der Münchener Arena war durchaus möglich, da der FC Bayern ja bereits am letzten Spieltag die Meisterschaft perfekt gemacht hatte und so ganz ohne Druck auflaufen konnte.

FA-Sonderzug nach München

Bilder aus dem Schlauchboot

Letztlich waren es weit über 5.000 BVB-Fans, die den Weg in die Münchener Arena gefunden hatten. Aufgrund der starken Kartennachfrage und der Meisterfeier nach Spielende, sah sich wohl der ein oder andere BVB-Fan genötigt, seine Eintrittskarte möglichst gewinnbringend weiter zu verkaufen, so dass vor allem im Unterrang des Gästebereichs nicht gerade wenige Bayernfans anzutreffen waren. 1.000 BVB-Fans machten sich schon um drei Uhr morgens per Sonderzug auf den Weg nach München, der durch die BVB-Fanabteilung organisiert wurde. Die frühe Abfahrt sollte sich auch direkt als goldrichtig erweisen. Denn bei der Abfahrt aus dem zweiten Haltepunkt, dem Kölner Hbf, hatte ein Bahnmitarbeiter festgestellt, dass die Lok aufgrund eines technischen Defekts ausgetauscht werden müsste. Diese Aktion dauerte dann geschlagene 90 Minuten und zeigte einmal mehr die Unfähigkeit der Deutschen Bahn AG, sehr zum Ärgernis der BVB-Fans, denen die Bundespolizei anfangs gar die wahren Gründe verschleierte. So erreichte der Sonderzug nach über zehn Stunden Fahrtzeit und mit über einer Stunde Verspätung die bayerische Landeshauptstadt. Von dort aus ging es mit der U- und S-Bahn mit Umstieg am Marienplatz gen Fröttmaning. Nach kurzem Fußweg erreichte man die Arena und musste schnell feststellen, dass die Münchener Arena tatsächlich so hässlich ist, wie man dies bereits auf zahlreichen Fotos vorher sehen konnte. Die Tribünen- und Blockaufteilung im Inneren des Stadions konnten dagegen überzeugen, gerade die beiden Oberränge waren eine Augenweide, die eigentlich hervorragend für größere Choreografien und sehr guter Stimmung geeignet sind. Was man dann zum Anpfiff in der FCB-Fankurve sehen durfte, war allerdings doch eher mau. Zum Gewinn der 20. Deutschen Meisterschaft des FC Bayern hatten die Münchener Fans über alle drei Ränge die Zahl zwanzig in weißroten Folientafeln und einer Deutschlandfahne im Hintergrund dargestellt. Dazu im Unterrang das Spruchband „Ohne Wort“. Im Gästebereich verzichtete man dagegen auf optische Unterstützung. Zwar wurden im Vorfeld 25 Doppelhalter genehmigt, allerdings nur bis zu einer Größe von bis zu einem Meter – aber welche Doppelhalter weisen schon so eine kleine Größe auf. Von daher beschränkte man sich auf die akustische Unterstützung und diese war während des gesamten Spieles (mit einigen wenigen Ausnahmen) sehr gut und abwechslungsreich. Da sich fast alle aktiven und supportwilligen Fans im Oberrang des Gästebereichs versammelten, wurden Münchener Gesänge fast ständig übertönt.

Sammy Caliskan in der Startelf

München im Dortmunder Strafraum

Doch zurück zum Sportlichen. Das größte Problem stellte eindeutig die Innenverteidigung dar. Durch die Sperre von Christian Wörns und die Verletzung von Christoph Metzelder musste Bert van Marwijk neue Wege einschlagen, zumal mit Uwe Hünemeier und Marc Heitmeier die komplette Innenverteidigung des BVB II verletzungsbedingt nicht zur Verfügung stand. Von daher nahm Dede die Position von Christoph Metzelder an der Seite von Markus Brzenska ein. Philipp Degen spielte wie gewohnt auf der rechten Außenposition, Florian Kringe nahm Dedes Position ein. Auch im Mittelfeld musste van Marwijk Umstellungen vornehmen. Durch die Gelbsperre von Tomas Rosicky und dem Ausfall von Sebastian Kehl (Verletzung am Sprunggelenk) dufte Nizamettin Caliskan zum ersten Mal von Anfang an auflaufen. Sicherlich eine Belohnung für Caliskans gute Leistungen in der Oberliga Westfalen. Vor dem Spiel gab es dann noch die offizielle Verabschiedung für Jens Jeremies Bixente Lizarazu (beide durften von Anfang spielen) und Michael Ballack. Während die beiden erstgenannten mit viel Applaus bedacht wurden, gab es bei Ballack mehr Pfiffe als Applaus. Unverständlich, da es doch gerade Ballack war, der mit vielen wichtigen Toren die Erfolge der Bayern ermöglicht hat. Bei uns in Dortmund würde es so etwas bestimmt nicht geben.

Frühe Führung durch Jan Koller

Der Gästeblock

Kaum saßen die 69.000 Zuschauer in der Münchener Arena auf ihren Plätzen, da durfte ein Teil der Nordkurve direkt zum ersten Mal jubeln: Nach einer Flanke von Nuri Sahin von links, war es Jan Koller der am höchsten steigt und per Kopf Oliver Kahn zum ersten Mal überwinden kann. Das war genau nach dem Geschmack des BVB-Anhangs und sollte eigentlich auch beruhigend auf das Nervenkostüm der Spieler wirken. Doch die schwatzgelbe Glückseeligkeit sollte lediglich vier Minuten dauern. Lucio bedient Roy Makaay, der Gentenaar nicht in den Hauch einer Chance lässt und den Ball rechts am Keeper vorbei in die Maschen zum 1:1 drescht. Nur drei Minuten später hat der Niederländer gleich die nächste Möglichkeit, sein 17. Saisontor zu erzielen: Ballack bedient den völlig freistehenden Holländer, der mit einem wuchtigen Schuss nur knapp das Tor verfehlt. Dadurch fühlten sich die Bayernfans wohl zu einer Welle genötigt – absolut lächerlich, wie das gesamte Auftreten der Münchener Fans in der Südkurve, denen man optisch und vor allem akustisch das Fehlen der Schickeria anmerken konnte. Ganz anders präsentierte sich dagegen der Dortmunder Anhang, der trotz des frühen Ausgleichs den Ton im weiten Münchener Rund angab und die Münchener „Stimmung“ mit zahlreichen Gesängen verhöhnte. In der Folge passierte auf dem Platz nicht sehr viel. Die Münchener beschränkten sich nur auf das Nötigste und den Borussen waren vor allem in der ersten halben Stunde die zahlreichen Umstellungen anzumerken. Lediglich Ebi Smolarek hatte in der 39. Minute die Chance zur Gästeführung, als er nach einem von Koller verlängertem Einwurf Oliver Kahn aus kürzester Entfernung zu einer Glanztat zwang.

Kalte Dusche nach der Pause

Ebi Smolarek

FCB-Trainer Magath hatte wohl in der Pause die richtigen Worte für die eher schwache Leistung seines Teams gefunden. In der 48. Minute war es zuerst Bastian Schweinsteiger, der mit einem Gewaltschuss aus 18 Metern Dennis Gentenaar im BVB-Tor nicht den Hauch einer Chance ließ. Unverständlich aber auch, warum Schweinsteiger nicht konsequente angegriffen wurde. Nicht anders in der 50. Minuten, als Michael Ballack aus ähnlicher Position den Ball zum 3:1 in die Maschen drosch. Damit schien die Partie so gut wie gelaufen und nicht wenige fühlten sich allmählich an die letzte Partie des BVB im Olympiastadion erinnert, als auch dort die Münchener einen Lauf hatten und dem BVB satte fünf Tore einschenkten. Doch irgendwie blieb dieses Szenario den mitgereisten Borussen in diesem Jahr erspart. Sicherlich auch, weil man sich gestern auch gegen die drohende Niederlage wehrte und die Bayern in den Trott der ersten Hälfte verfielen. Nuri Sahin, der endlich mal wieder eine ordentliche Leistung zeigte, setzte in der 56. Minute ein erstes Signal: sein Schuss aus etwa 30 Metern ging allerdings über das Tor. In der 64. Minute sollte dann der Zeitpunkt des Anschlusstores gekommen sein. Nach einem Missverständnis in der Bayernabwehr wuchtete Philipp Degen den Ball aus spitzem Winkel zum 3:2 ins Tor, das in der zweiten Halbzeit von Ersatztorwart Rensing gehütet wurde. Immerhin Degens erstes Bundesligator und der Lohn für seine zuletzt souveränen Leistungen.

Koller per Kopf zum 3:3

Torschütze Jan Koller

Noch besser lief es in der 76. Minute, als eine von Nuri Sahin geschlagene Flanke von der rechten Seite bei Jan Koller landete und dieser den Ball gegen die Laufrichtung von Michael Rensing zum 3:3 ins gegnerische Tor köpfte. Kollers beiden Tore (insgesamt vier Saisontore) waren nicht nur in dieser Phase des Spiels enorm wichtig, auch waren sie eine Bewerbung für eine Nominierung für den tschechischen WM-Kader. Tschechiens Coach Karel Brückner war ja extra wegen Koller nach München gereist. Kollers Torjubel war dementsprechend sehr emotional. Doch nach Kollers Ausgleich erwachten die Münchener aus ihrem Tiefschlaf, der nach Ballacks Tor eingesetzt hatte. Man merkte Magaths Team in der Endphase noch einmal deutlich an, dass sie sich unbedingt mit einem Sieg in die Sommerpause verabschieden wollten und dementsprechend erspielten sich die Münchener weitere Chancen. Die beiden größten hatten Valérien Ismaël und Roy Makaay. In der 77. Minute war es zuerst der Franzose, der nach einem Freistoß von Schweinsteiger Gentenaar aus kürzester zu einer Glanzparade zwang und Makaay wurde in der 81. von Julio dos Santos in Szene gesetzt, dessen Schuss aber in letzter Sekunde von der BVB-Abwehr zur Ecke geklärt werden konnte.

Nach kurzer Nachspielzeit beendete Schiedsrichter Rafati die Partie und die Meisterfeierlichkeiten begannen. Nach den obligatorischen Weißbierduschen auf dem Spielfeld überreichten DFL-Boss Hackmann und DFB-Präsident „MV“, der sich auch in München ähnlicher Beliebtheit erfreut wie bei uns in Dortmund, Mannschaftskapitän Oliver Kahn die Meisterschale. Meinungen, dass die Meisterschaftsfeiern des FC Bayern mit zunehmender Emotionslosigkeit hingenommen werden, konnten nicht wirklich bestätigt werden. Nach einem unsinnigem Konfettiregen und eine Ehrenrunde durchs Stadion verließen die Spieler des FCB gegen 17:45 Uhr das Spielfeld. Genau um diese Zeit waren die Dortmunder Spiele bereits frisch geduscht und auf dem Weg gen Flughafen.

Für die 1.000 Sonderzugfahrer hieß es dagegen bis 22h zu warten. Bis dahin vertrieb man sich die Zeit in zahlreichen Kneipen in der Innenstadt, einige wohnten gar den Feierlichkeiten der Bayern auf dem Marienplatz bei, ehe es mit nur einigen Minuten Verspätung gen Dortmund ging. Leider zeigte sich dann auch hier, dass auf die DB einfach kein Verlass ist. Letztlich erreichte man die heimische Westfalenmetropole mit über einer Stunde Verspätung. Aber auch dieser Umstand konnte nicht über eine sehr gelungene Münchentour hinwegtäuschen.

Mit dem Sonderzug von München nach Dortmund - Dank der Deutschen Bahn

Fazit

Nicht wenige hatten vor dem Spiel, aufgrund zahlreicher Ausfälle, mit dem schlimmsten - also einer hohen Niederlage gerechnet. Gerade in Bezug auf die zahlreichen Umstellungen in der Abwehr und im Mittelfeld, mit Kruska, Sahin und Caliskan, der erstmals von Beginn an für den BVB in der Bundesliga auflaufen durfte, bot der BVB das bislang jüngste Mittelfeld der Vereinsgeschichte auf. Von daher kann man den Punktgewinn gar nicht hoch genug einschätzen und macht Mut für die kommende Saison, auch wenn die Bayern wohl kaum an ihre Leistungsgrenze gegangen sein dürften.

Bestnoten verdienten sich vor allem Philipp Degen in der Abwehr, der seine gute Leistung mit einem sehenswerten Treffer krönte, wie auch Nuri Sahin, der im Gegensatz zu den letzten Spielen endlich mal wieder eine richtig gute Leistung bot und zudem die beiden Torvorlagen für Jan Koller gab. Koller selbst hat sich schon allein aufgrund seiner beiden Tore ein großes Lob verdient. Nachdem Koller in den letzten beiden Bundesligaspielen gegen Hannover und Frankfurt nur zu Kurzeinsätze kam und gegen Frankfurt einige wenige Akzente setzten konnte, war mit einer derartigen Leistung nicht unbedingt zu rechnen. Von daher darf man gar nicht nachdenken, auf welchem Platz wir hätten stehen können, wenn Koller sich nicht im Spiel gegen Mainz am Bruchweg so schwer verletzt hätte. Auf der anderen Seite reichte das Unentschieden leider nicht, um die Berliner Hertha vom sechsten Rang zu verdrängen – und das ist umso ärgerlicher, weil Hertha BSC mit 1:2 in Nürnberg verlor.

Spielstatistik

Achtungserfolg beim Meister!

BVB: Gentenaar – Kringe, Brzenska, Dede, Degen – Kruska, Sahin, Caliskan – Odonkor, Smolarek, Koller

Wechsel: van der Gun für Odonkor (60.), Gambino für Caliskan (70.) und Amoah für Smolarek (78.)

Tore: 0:1 Jan Koller (2.), 1:1 Roy Makaay (6.), 2:1 Bastian Schweinsteiger (48.), 3:1 Michael Ballack (50.), 3:2 Philipp Degen (64.), 3:3 Jan Koller (76.)

Gelbe Karten: Schweinsteiger / Gambino

Schiedsrichter: Babak Rafati (Hannover) mit Thomas Frank und Carsten Kadach

Zuschauer: 69.000 in der Münchener Arena

Hier findet ihr den Stimmungsbericht und einen Kommentar zum neuen Münchener Stadion

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