Unsa Senf

Das "BVB-Fanhouse" hat nun endgültig kapituliert!

09.02.2001, 13:00 Uhr von:  Dennis
Das "BVB-Fanhouse" hat nun endgültig kapituliert!

Was viele längst vermuteten und bisher nur hinter vorgehaltener Hand die Runde machte, ist jetzt definitiv besiegelt. Das mit so vielen Vorschußlorbeeren ausgestattete und sehr ehrgeizige Projekt einer schwatzgelben Fankneipe ist gescheitert. Niemanden wird das wundern, denn dieser schleichende Prozeß war lange absehbar. Nun, das es gilt, den oder die wahren Schuldigen für das "Desaster mit dem offiziellen BVB-Emblem" auszumachen, trifft man ausschließlich auf Schweigen und unverständiges Kopfschütteln. Aber so einfach sind die Spuren von Mißplanung nicht wegzuwischen...

Wie alles begann...

Vor einigen Jahren hatte BVB-Unikum Norbert Dickel bei einer Fahrt über den legendären Borsigplatz die zündende Idee: Eine BVB-Kneipe mitten in der traditionsreichen Arbeitersiedlung der "Hoeschianer", noch dazu inmitten sagenumwobener Tradition der schwatzgelben Geburtsstätte, das wär´s doch. Gesagt, getan. Das Objekt war da schnell gefunden: Die alte "Sportlerklause" von August Lenz, dem ersten Nationalspieler der Borussia 33 Jahre lang bis zu seinem Tode am 05. Dezember 1988 liebevoll geführt. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, diese ruhmreiche Gaststätte wiederzubeleben und schmiedete eilfertig einen Packt mit der Dortmunder Aktien-Brauerei. Nur, was sich am "Reißbrett" unter dem Projektnamen "Borsigplatz 5b" schnell und gut anließ, erwies sich in der gelebten Praxis als unüberlegter, weil unrecherchierter Schnellschuß ohne jede reelle Chance auf Zukunft!

Das BVB-Fanhouse

Zum einen hat sich durch die dort vollzogene Assimilierung, vornehmlich durch Familien osmanischer Herkunft, die Peripherie überfrachtend und entwurzelnd verändert, zum anderen waren die demoskopischen Vorbereitungen bei diesem kühnen Plan hinsichtlich der Akzeptanz im BVB-Sympathisantenumfeld gänzlich außer acht gelassen worden. Die Marketingstrategie (so es denn überhaupt eine gab) zielte vom ersten Tag der Eröffnung an, in eine gänzlich andere Richtung, als der des ehemals dort präsenten, gemeinen Borussen-Anhängers. Menschen, die nicht am Borsigplatz leben oder arbeiten, sollten die Gaststätte amerikanischer Machart sintflutartig bevölkern. Dabei überschätzte man offensichtlich die Reisefreudigkeit des Dortmunder Südens gen Borsigplatz. Von spärlich vorhandenen Parkplätzen rund ums Fanhouse ganz abgesehen. Als der türkische Vorzeigeklub Galatasaray Istanbul im Mai des letzten Jahres den UEFA-Cup gewann, zeigte sich, daß das Herz der heutigen Borsigplatz-Anwohner für einen anderen Verein, als den BVB schlägt...

So sollte es eigentlich nicht sein: Nur gut situierte Borussen mit Anhang

Im Stile einer Edelkneipe für gutsituierte Fans, die dort gelegentlich zwanglos auf Spieler und Trainer treffen sollten, startete man im Mai 1998 bereits mit einem öffentlichen Eklat: Der einzig noch dort beheimatete BVB-Fan-Club Borsigplatz ´88, vertreten durch seinen Vorsitzenden André Valentin wurde erst gar nicht zur Premiere eingeladen, stattdessen aber alles, was Rang und [den richtigen] Namen hatte...

Borussia´s Führung zog sich elegant aus der Verantwortung

Und es gab Pläne - monströs und gigantisch. Man hörte in diesen Wochen vieles bezüglich der neuen und etwas anderen Kneipe - auch aus den Reihen des BVB. Gerd Niebaum (Eine "Plattform für Aktivitäten außerhalb des Westfalenstadions direkt an unserer Geburtsstätte am Borsigplatz") war zunächst stolz auf diese traditionsreiche Taufe und willigte im Vorfeld zur Namensgebung nebst Logonutzung ein. So ging man dann auch schnell dazu über Fakten zu schaffen. In der Anlaufphase sah man auch nicht selten Norbert Dickel höchstpersönlich hinter´m Tresen. Seine BVB- "Wall of Fame" (Ruhmeswand) und einen - wen wunderts - integrierten Fanshop fand man schnell vor, den versprochenen, einzigartigen Info-Service, der die Gäste permanent mit den neusten Nachrichten über die Borussia versorgt, allerdings nicht.

Norbert Dickel im BVB-Fanhouse

Dafür rüstete man aber das "Fanhouse" im Stile einer American Sports-Bar mit vielen Bildschirmen aus, damit der Fan, der keine Karten für die Spiele ergattern konnte, beim Spiel über die Monitore im Basement auch auf allen Kanälen "live" dabei sein konnte. Auf einer Großleinwand und 22 Monitoren wurde ergänzend zum BVB-Topspiel, auch an anderen Tagen die Knaller aus Brasilien, England, Italien, Spanien oder Frankreich "live" gezeigt.

Und so begab es sich, dass zum 1. Spiel mit "Liveschalte" gegen den HSV etwa 200(!) Anhänger der Borussia-Religion im Fanhouse freudig erregt auf den Anpfiff warteten. Die Stimmung war ausgelassen, das lecker Pilsken lief literweise aus den Hähnen, Nebelschwaden im Fernseher, die Spieler stehen am Mittelpunkt, der Schirri pfeift an und ...das Bild schaltet ab. Dunkele Monitoren im weiten Rund. Was war passiert? Der BVB hatte seinen Zusagen an die Betreiber zum trotz, dem Rechteinhaber SAT1 keine Übertragungsgebühren zugestanden. Punkt 15.30 Uhr machten die dann von ihren Möglichkeiten Gebrauch und koppelten kurzerhand das "BVB-Fanhouse" vom Übertragungssignal ab! Und da ja niemand um die genauen Gründe wusste, wiederholte sich dieser Vorfall noch zwei weitere male. Das dann die erboste Kundschaft abwandert, ist nur allzu verständlich. Vom Ansehensverlust des Ballsportvereins Borussia Dortmund mal ganz zu schweigen.

Als buchstäblich letzte Trumpfkarte zog dann "Nobby" Dickel zur Jahreshälfte 1999 noch den Radiosender 91,2 aus dem Hut, aber auch die mit dem beliebten Moderator Olli Müller gestartete "Fan-Talk" - Runde, garniert mit dem Fanbeauftragten Aki Schmidt und mit prominenten BVB-Gästen wie etwa Heiko Herrlich, geriet nicht mehr zum Erfolg. Zu sehr schon war die Karre in den Dreck gefahren. Bereits zu diesem Zeitpunkt war das DAB-Engagement bereits merklich zurückgegangen. Gespräche über BVB-Fan-Aktionswochen mit Reiner Kawalek verliefen ebenfalls ergebnislos im Sand.

Was bleibt sind unübersehbare „Kratzer am BVB-Image“

Und nun: DAS AUS. Ein leiser Abpfiff, die Lichter sind erloschen, allerdings jetzt schon zum dritten mal. Nun ist das "BVB-Fanhouse" wohl für immer dicht. Die verstaubten Zapfhähne im einstmals seines Gleichen suchenden "BVB-Fanhouse" sind hoch gedreht. Das Pächterduo Carsten Zollondz und Dirk Müller sind untergetaucht. Ihre alten Handynummern existieren nicht mehr. Noch bis zuletzt hatte "Unterpächter" Dennis Walter die wenigen Gäste beschworen durchzuhalten: "Es geht bald bergauf. Wir planen eine ganze Reihe toller Aktionen". Zu spät. Nun warf auch er das Handtuch.

Norbert Dickel im BVB-Fanhouse
Die Partner, Ausstatter und Finanziers hüllen sich derweil in Schweigen. Heute erinnert sich natürlich keiner im Verein mehr daran, dass uns der BVB beim Start dieses Projektes vieles versprach. Fritz Lünschermann betont heute wie damals, dass der BVB nie etwas mit der Kneipe zu tun hatte. "Wir haben ja nur unsere drei Buchstaben dafür hergegeben". Was für eine billige Ausrede, aber in der Tat, so war es. Jegliche zugesagte Unterstützung von der Strobelallee blieb aus. Somit war das bittere Ende für alle Seiten absehbar. Im Gespräch mit der "Westfälischen Rundschau" wollte auch der zuständige DAB-Mitarbeiter am liebsten gar keine Stellungnahme abgeben und wimmelt mit: "Keine Zeit!" derzeit berechtigte Fragen, ob denn die Brauerei sehenden Auges mit einem völlig falschen Zielgruppenmarketing die jungen Pächter mutwillig ins Verderben stürzte, lakonisch ab. Und dabei ist doch der gerade erst seines Amtes enthobene DAB-Geschäftsführer Wolfgang Burgard einer der treibenden Motoren seinerzeit an der Seite von Norbert Dickel gewesen. Gleichwohl, diese Idee eines Hortes der Zufriedenheit für Borussenfans, hätte man sicherlich auch gut und gerne in die jetzt wieder aufkeimenden, scheinbar grenzenlosen Träumereien rund um einen "Champions-Dome" packen können. Zumindest hätte man dann das Freizeitvergnügen dahin gebracht, wo es auch Anklang und Akzeptanz findet. Als Kompensation für die ersatzlos weggefallene Stadionkneipe sozusagen...

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