Unsa Senf

Von falschen Freunden und verkannten Vorkämpfern

20.04.2021, 17:02 Uhr von:  Michael
Banner auf der Südtribüne mit der Aufschrift "Greedy old bastards - UEFA Mafia".

Wie beschissen müssen deine Pläne sein, wenn UEFA, FIFA und Co. plötzlich als moralische Instanz dastehen? Und welchen Einfluss haben eigentlich „gewaltbereite Chaoten“ auf den Kampf gegen die Superleague? Ein Text über verschobene Wahrnehmungen.

Die Reaktion der UEFA war heftig. Und sie war richtig und wichtig. Jeder Klub, der sich an der Superleague beteiligt, wird von allen anderen Wettbewerben ausgeschlossen. Lassen wir die juristischen Schwierigkeiten dieser Drohung mal beiseite, die UEFA hat sehr deutlich gemacht, dass ihr Widerstand gegen die Superleague riesig sein wird. Und in den nächsten Tagen und Wochen wird jeder Widerstand gegen diese Revolution wichtig sein, von welcher Seite auch immer.

Der Tenor der Erklärungen war dafür umso peinlicher. Die UEFA gerierte sich plötzlich als Vorkämpfer für Tradition und Fanbelange, für ehrlichen Fußball und fairen Wettbewerb. Absurder wird es nicht mehr. Ausgerechnet der Verband, der in Sachen Korruption und Geldgier der FIFA und dem DFB in Nichts nachsteht, soll nun der weiße Ritter sein, der den Fußball vor dem Abgrund rettet? Der Verband, dessen Funktionäre in trauter Eintracht mit den Vereinen (auch unseres Ballspielvereins) keinerlei Möglichkeit ausließen, die Champions League zu einer monströsen Gelddruckmaschine aufzublasen ist nun Verfechter eines fairen Wettbewerbs? Der Verband, der Spieler und Trainer, auf deren Leben ein Anschlag verübt wurde, innerhalb von 22 Stunden in ein Nachholspiel zwingt, nennt die neue Superleague eine „zynische Idee“?

Nein, die UEFA bleibt der gleiche Haufen „greedy old bastards“. Ihr Ziel, die Verhinderung der Superleague, ist ein gutes Ziel. Das Motiv für den Kampf gegen die Superleague ist mitnichten ein gutes. Es ist der Kampf gegen den Verlust von Macht und, vermutlich noch entscheidender, Geld.


„Gewaltbereite Chaoten“, „Ewiggestrige“, „Realitätsverweigerer“, die Bezeichnungen für Ultras im Speziellen und die aktive Fanszene im Allgemeinen sind, gerade in den Medien, aber häufig auch auf den Tribünen, nicht positiv. Wechselweise wird der Szene vorgeworfen, alles viel zu schwarz zu sehen oder nur um des Protests willens zu protestieren. Und sowieso würde man doch trotzdem seit Jahren alles konsumieren, die Vereine weiter unterstützen und das Rad nicht aufhalten können.

Nun sind Teile dieser Vorwürfe mit Sicherheit nicht grundverkehrt, aber gehen doch an der Realität vorbei. Das Rad konnte in der Tat nicht aufgehalten werden, aber es wurde zumindest verlangsamt. Und, was noch viel wichtiger ist, die aktiven Fanszenen sind weiterhin sichtbar und werden gehört.

Wer in den letzten 48 Stunden die Medien verfolgt hat, sah eine gigantische Protestwelle auf den Seiten der Fans. In Liverpool und vielen anderen Städten Englands wurden Fanbanner ab- und Protestbanner aufgehängt, in den sozialen Medien wurden die Kanäle der Superleagueteilnehmer mit kritischen Beiträgen geflutet, die organisierten Fannetzwerke positionierten sich umgehend und seit gestern Abend ist auch für alle am Rheinlanddamm die Botschaft per Banner in der Welt: Borussia Dortmund darf sich niemals an der Superleague beteiligen.

Wäre all dies so passiert, wenn die Fanszenen vor Jahren die Segel gestreckt hätten? Wenn sie die Hoffenheims und Leipzigs, die nichts anderes als die Vorstufen der amerikanischen Investoren sind, gewähren ließen, weil man ja eh nichts ausrichten kann? Wenn sie die x-te Umverteilung der Fernsehgelder hin zu den Großen achselzuckend hingenommen hätten, weil man das Rad nicht aufhalten kann?

Mit Sicherheit nicht. Die Superleague wäre mit einem weiteren Achselzucken hingenommen worden. Eine weitere Perversion eines perversen Systems. Was soll man denn schließlich dagegen machen?

Der gestrige Tag zeigt, dass die Fanszenen wie eh und je bereit sind, den Kampf gegen die Auswüchse des sogenannten „modernen Fußballs“ aufzunehmen. Auch in Geisterspielzeiten. Ob die gigantischen Proteste die Superleague verhindern, steht in den Sternen. Aber die letzten Stunden haben gezeigt, wer seit Jahren wirklich für einen ehrlichen und fairen Fußball auf- und einsteht. Die UEFA ist es nicht.

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